15. Kapitel

W I L D P F O T E

Wie erstarrt blickte sie auf das, was sie auf der dämmrigen Lichtung erkennen konnte.
Eine regelrechte Versammlung an Katzen stand mit gereizt zuckenden Schweifen vor ihr.
Eine dürre braune Katze stieß gerade eine kleine Graue in einen seltsamen Hohlraum am Fuße eines Baumes.

Zu weit war sie entfernt, um zu hören, worüber die Katzen sprachen, doch sie vernahm ein Fauchen, etwas wie "verschwinde einfach, wir brauchen dich nicht mehr!", dann das Donnern kräftiger Pfoten auf dem Waldboden, die beunruhigend schnell lauter wurden. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie sich mit bebender Brust noch tiefer ins stinkende Gras sinken ließ.
Vor ihr blitzte kurz graues Fell auf, dann prallte etwas hartes, pelziges mit solcher Wucht gegen sie, dass sie Schwanzlängen nach hinten geschleudert wurde und gegen einen Baum prallte.

Nach Luft schnappend kam sie stolpert auf die Pfoten und erschrak fürchterlich, als sie aufblickte.
Ein dunkler Kater stand über ihr und blickte sie mit vor Hass nur so funkelnden Augen an. Drohend beugte er sich hinunter und zischte ihr zornig ins Ohr: "Es ist deine Schuld! Deine Schuld, dass sie mich verstoßen haben.
Du hast meine einzige Chance zerstört! Ich hätte an deiner Stelle sein sollen. An mich sollte man sich erinnern, nicht an dich. Aber glaub mir, es ist noch nicht vorbei. Du wirst bekommen, was du verdienst. Ihr alle!"

Er holte mit der Pfote aus und zog ihr die Krallen über die Wange. Ein brennender Schmerz schoss durch ihren Kopf, alles drehte sich, doch nun verbiss sich der fremde Kater in ihrem Genick. Panische Angst ergriff Wildpfote, sie begann, wild um sich zu schlagen, traf Fell, Haut, Fleisch, doch ihr Gegenüber schien wie in Rage, ignorierte die Kratzer und schlug weiter auf die schildpattfarbene Kätzin ein.

Der Dunkle holte mit einer Pranke aus, zielte auf ihre Kehle. Sie erwartete schon spritzendes Blut und quälende Schmerzen, als das drückende Gewicht plötzlich verschwand.

Erstaunt und erleichtert blickte sie auf, erkannte eine silberweiße Gestalt, die sich auf den Fremden gestürzt hatte. Wild fauchend rangen die beiden Katzen miteinander, bis der Dunkelgraue von seinem Gegner auf den Boden genagelt wurde.

Verblüfft beobachtete Wildpfote, wie der dunkle Kater verblasste, bis nur noch die Umrisse seines drahtigen Körpers zu sehen waren. Als der Fremde vollends verschwunden war, blickte ihr Retter auf.

"Eis!", rief Wildpfote erleichtert, als sie in die hellblauen Augen des Katers blickte.

"Hatte ich dir nicht gesagt, du solltest bleiben, wo du bist?", miaute er scharf.

"Ich... es tut mir leid, ich... habe ein Geräusch gehört und dann...", wollte sie sich rechtfertigen.

Eis schnurrte belustigt. "Schon in Ordnung, es ist deine erste Nacht hier. Aber so etwas kommt nicht wieder vor, ja?"

"Natürlich nicht!", antwortete die Schildpattfarbene erleichtert.
"Wer war eigentlich dieser Kater eben?"
Sie war noch immer etwas verschreckt vom aggressiven Verhalten des Katers. Was habe ich ihm getan, dass er mich so sehr hasst? Ich kenne ihn nicht einmal!

Eis' Miene verdüsterte sich. "Du kennst ihn. Aber das ist nicht wichtig. Er ist nur ein beleidigter Kater, der seine schlechte Laune an Schülern auslässt."

Sein Blick duldete keine weiteren Fragen, doch sie wollte sich nicht mit dieser Antwort zufriedengeben. Etwas sagte ihr, dass mehr dahinter steckte.
Dann würde Eis es mir sagen. Sie vertraute dem Kater, auch, wenn er am sternenlosen Ort lebte, schließlich waren dessen Krieger nur missverstandene Katzen, die der SternenClan nicht wollte... oder?
Eis hatte sie schließlich gerettet und vor Seepfotes Verrat gewarnt.

"Du musst aufwachen, Wildpfote. Bis nächste Nacht. Und komm pünktlich, dann können wir mehr trainieren!", miaute Eis.

Nur wenige Herzschläge später verschwamm ihre Sicht, eine gedämpfte Stimme drang an ihr Ohr.

"Wildpfote, Blitzpfote! Wacht auf und kommt raus!"

Sie fuhr hoch, als sie Flussechos Stimme erkannte. Blinzelnd nahm sie um sich herum klirrend kalte Luft und vom Frost bedecktes Moos wahr - sie war im Schülerbau!

Mit steifen Gliedern rappelte sie sich auf und streckte den Rücken. Als sie nach draußen blickte, stockte ihr der Atem. Das SturmClan-Lager war wie in einen weißen Pelz getaucht, und immer mehr feine weiße Flocken rieselten vom hellgrauen Himmel.

"Ist das... Schnee?", quiekte sie aufgeregt.

"Das ist es", schnurrte Flussecho neben ihr und schnippte seiner Tochter eine Schneeflocke von der Nase.

"Blitzpfote, Blitzpfote! Wach auf, es schneit!"
Sie spurtete zum Nest ihrer Schwester, die wie üblich im Schlaf leise schnurrte, und kitzelte sie mit der Spitze ihres Schweifes im Genick.

Murrend streckte sich die rotschwarze Kätzin, stand auf und schüttelte sich. Als die das Weiß draußen bemerkte, leuchteten ihre Augen wie zwei kleine Sterne.
"Das ist ja Schnee!"

Gemeinsam sprangen die Schwestern aus dem Bau und in das weiße Zeug, das sich unter ihren Pfoten wie feine, weiche Erde anfühlte - nur in so kalt, dass ihre Pfoten nach wenigen Herzschlägen taub waren.

"Heiliger SternenClan, ist das Blut?"
Eine helle Schildpattkätzin trabte besorgt zu ihnen hinüber.
"Wildpfote, du bist ja verletzt!"

"Schon in Ordnung, Ahornsprung, es ist nur ein Kratzer!", beruhigte Wildpfote ihre Mutter genervt. Sie wollte mit Blitzpfote im Schnee spielen, nicht im Heilerbau Moosstrahls Predigt lauschen, wie mäusehirnig sie doch war.

"Flussecho, sag doch auch was!", forderte Ahornsprung ihren Gefährten auf.

Dieser schnurrte nur kopfschüttelnd.
"Lass sie doch spielen."

Wildpfote ließ ihren Blick durch das Lager schweifen, bis er an Seepfote hängen blieb. Der graue Kater trottete durch den Schnee in Richtung der kleinen Öffnung im Boden, einem Kaninchenbau, der zum Eingang des Anführerbaues umfunktioniert worden war.

Sie tippte Blitzpfote mit der Pfote an. "Komm mit!"
Zögernd nickte ihre Schwester und folgte ihr durch das schneebedeckte Lager, bis sie nur noch eine Schwanzlänge von Windsterns Bau entfernt waren.

Neugierig pressten die Schülerinnen die Ohren auf den schneebedeckten Boden und konnten nun, durch den Schnee gedämpft, leise Stimmen vernehmen.

"Aber das Gesetz erlaubt es, Katzen aus fremden Clans zu lieben!"

"Das ist ja Seepfote!", zischte Blitzpfote.
Sie nickte nur.

"Aber es verbietet, dafür seinen Clan zu verraten oder es geheimzuhalten! Oder seine Clan-Gefährten in Gefahr zu bringen!"
Windsterns Stimme wurde immer wütender und verzweifelter.

"Und warum verbietest du mir, sie zu treffen?
Weil es deinem Ruf schadet, wenn dein Junges eine NebelClan-Katze liebt?"
Seepfote klang trotzig.

"Das hat nichts damit zu tun! Aber..."

"Aber was?!"

Wildpfote konnte sich aufgrund der glühenden Wut in der Stimme des grauen Katers förmlich vorstellen, wie er mit peitschendem Schweif vor der jungen Anführerin stand.
Sie zitterte, ihre Pfoten fühlten sich schon an wie Eisklötze. Doch ihre Neugierde brachte sie dazu, sich weiter in den Schnee zu ducken und zu ignorieren, wie Flocken auf ihrem Rücken landeten.

Blitzpfote stubste sie an und wisperte: "Das geht uns nichts mehr an, Wildpfote! Ich glaube, ich gehe und spiele weiter."

"Also gut", flüsterte Wildpfote, "aber ich höre weiter zu. Nur noch ein kleines bisschen!"

Wieder legte sie ihr Ohr auf den Schnee und lauschte.

"Aber deine Schwester liegt im Sterben und das ist deine Schuld!", hörte sie Windstern fauchen.

Was? Also... hat er doch etwas mit dem Angriff auf Schattenpfote zu tun? Aber das kann nicht sein! Aber Eis hat mich gewarnt...

"Ich habe nichts damit zu tun!", zischte Seepfote mit bebender Stimme. "Nichts! Glaubst du, ich wollte, dass ihr do etwas passiert? Ich war es nicht, ich schwöre beim SternenClan!"

Windsterns Stimme klang gebrochen, als sie weitersprach.
"Ich weiß, dass du es nicht warst. Aber tu nicht so, als wüsstest du nicht, wer Schattenpfote angegriffen hat. Wir wissen es beide."

Abrupt sprang Wildpfote auf, als hinter ihr ein scharfes Knurren ertönte.

"Wildpfote! Was machst du da?"

Falkenfeder! "Ich... nichts, ich...", stammelte sie, doch Blitzpfotes Mentor ignorierte sie.

"Ich habe dich gesehen! Und ich bin sicher, Moosstrahl würde sich freuen, wenn du ihm beim Kräuter sortieren hilfst."

"Ich bin doch keine Heilerschülerin!", protestierte sie und schüttelte sich den Schnee vom Rücken. Moosstrahl

"Ich weiß." Falkenfeders Blick zeigte keine Regung.

"Also gut!", schmollte sie und trottete durch den Schnee zum Heilerbau, nachdem sie Blitzpfote, die mit Flussecho durch den Schnee tollte, einen letzten wehmütigen Blick zugeworfen hatte.

Gelangweilt betrat sie den Heilerbau und sah sich nach Moosstrahl um. Der Graubraune stand mit dem Rücken zu ihr am Rand eines mit Heide gepolsterten Nests, aus dem ein leises Wimmern zu hören war.

"Falkenfeder hat mich geschickt", miaute sie.
"Ich soll dir helfen."

"Hier gibt's nichts zu helfen", brummte der Heiler.
"Außer, du leistest deiner Freundin Gesellschaft."

Genau das tat sie dann auch. Vorsichtig tappte sie um Kräuterhaufen herum, bis sie Schattenpfotes Nest erreichte. Sofort schlug ihr ein Gestank von Blut und faulendem Fleisch in die Nase.

"Schattenpfote?" In der Stille klang ihre zitternde Stimme unerträglich laut.

"Wild...pfote", kam ein Krächzen von ihrer Freundin.

Die dunkelbraune Kätzin hob den Kopf um eine Blattlänge und Wildpfote erblickte nichts als Blut, dick geschwollenes Fleisch und Eiter in der Höhle, die früher das Gesicht ihrer Freundin gewesen war.

"Wer war das?", wisperte Wildpfote verzweifelt. "Wer hat dir das angetan?"

"D-du... weißt es." Für mehr reichte die Kraft ihrer Clan-Gefährtin nicht aus.

"Nein! Nein, ich weiß es nicht!"
Ihr ganzer Körper bebte unnatürlich stark.

"SturmClan, weg hier!" Panische Rufe hallten vom Lager in den Heilerbau. Nein, sie selbst bebte nicht.

Nicht schon wieder. Heiliger SternenClan, nein!
Dann brach der Boden unter ihren Pfoten weg.

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