Prolog

Der dunkle Nachthimmel ergoss sich über der weiten Landschaft. Der Mond leuchtete grell am Himmel. Seine weißen Strahlen streiften sanft einen plätschernden Fluss, dessen leise Töne in der Umgebung widerhallten.

Für die schlafenden Katzen in der Ferne stellte das die perfekte Atmosphäre da, sodass sie sich noch besser in ihre Nester kuscheln und vor sich her schlummern konnten.

Die Blätter raschelten in einer warmen Brise, die die Bäume und Sträucher streifte. Angenehme Nachtluft umhüllte die Landschaft. Alles war friedlicher als je zuvor.

Seit dem großen Kampf war ein Mond vergangen. Ein Mond, in dem alle Katzen getrauert hatten. Ein Mond, der eine Zeit voller Freude, Erleichterung und Trauer gewesen war.

Die einen waren froh, dass der Krieg ein Ende hatte. Dass Geisterstern tot war. Die anderen trauerten um ihre Eltern, Geschwister, Wurfgefährten, Freunde und Jungen.

Doch mit der Zeit hatte sich der Schmerz gelegt. Die Trauer hatte sich in Freude an die ehemaligen, gemeinsamen Erinnerungen und den neuen Frieden gewandelt. Zumindest bei den meisten.

Die Katzen konnten sich wieder abends in ihre Nester legen, ihre Augen schließen und wunderschöne Träume haben. Sie konnten ihr Leben genießen.

Doch bei ihr war es anders. Sie hatte den Verlust ihrer Geliebten nicht verkraftet. Sie war nicht damit klargekommen, dass er gestorben war. Dass sie den Einzigen verloren hatte, der sie akzeptiert hatte.

Sie wusste, dass es ihre Schuld war. Zumindest teilweise. Schließlich hatte sie alle Katzen, die sie einst geliebt hatte, von sich gestoßen. Sie war es gewesen, die keine Zeit mit ihrer Schwester Sturmrose verbracht.

Sie war es gewesen, die ihre andere Wurfgefährtin Seerose abgewiesen hatte, da diese ein scheinbar so perfektes Leben gehabt hatte. Sie war gewesen, die keine Zeit mit ihren Halbgeschwistern verbracht hatte. Es war ihre Schuld.

Und der WunderClan hatte sie für ihre Taten bestraft, indem er Habichtfeder sterben ließ. Der einzige Kater, den sie liebte. Der Einzige, der für sie da gewesen war. Der sie trotz ihres anfangs abfälligen Verhaltens nicht verlassen hatte.

Sie hätte alles für ihn getan. Sie hatte ihn geliebt. Sie wäre für ihn gestorben. Doch all das hatte nichts gebracht. Es hatte den WunderClan nicht interessiert. Dieser hatte ihr nur eine Lektion erteilen wollen - und dem unschuldigen Habichtfeder das Leben genommen.

Erinnerungen kamen in der blaugrauen Kätzin auf, als sie auf den strömenden, ruhigen Fluss starrte. Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit, die sie mit dem braun getigerten Kater verbracht hatte.

So viele Monde waren sie glücklich miteinander gewesen. Und sie hatte es ruiniert. Sie hatte ihr und sein Leben zerstört. Trauer überwältigte sie erneut. Bohrte sich tief in ihr Herz. Riss ihr die verbliebenen Gefühle aus dem Leib. Es war ihre Schuld.

Niedergeschlagen senkte sie den Kopf, während der Schmerz sich langsam in ihr voranfraß und ihr Herz, oder was davon übrig war, langsam und qualvoll zerstörte. Sie zerstörte.

Sie wollte schreien. Sich den Schmerz aus der Seele brüllen. Die viel zu ruhige Nacht verändern. Aber sie konnte nicht. Es war, als wäre sie tief unter der Erde gefangen. Keiner schien sie zu hören. Egal, was sie tun würde.

Schwächelnd betrachtete sie den Fluss. Konnte sie nicht wie das Wasser sein? Konnte der Schmerz nicht wie das Wasser sein? Einfach mit der Strömung weggespült werden und verschwinden? Weg sein?

"Was habe ich nur getan?", flüsterte sie leise, "was habe ich getan? Wieso? Wieso war ich so rücksichtslos?"

Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch. Ein Hauch, mit dem sie ihre Reue ausdrücken wollte. Wie gerne hätte sie die Zeit zurückgedreht und all diese schrecklichen Dinge ungeschehen gemacht. Aber das war unmöglich. Sie hatte etliche Fehler gemacht. Und damit musste sie leben.

Der Wind streifte ihren Pelz, als würde er sie erfrischen wollen. Doch dieser interessierte sie gar nicht. Zumindest nicht, bis sie bemerkte, dass diese Brise anders war.

War da nicht etwas? Ein kleines, kaum hörbares Flüstern, das da in der Luft lag? War es nicht da gewesen? Oder hatte sie sich das nur eingebildet? Nein, da war es doch schon wieder!

Neugierig spitzte sie die Ohren, in der Hoffnung, es hören zu können, auch wenn ihr das wirklich schwierig fiel. Aber es gelang ihr.

"Im Himmel steht dein Schicksal. Du musst es nur erkennen."

Hatte das gerade diese fremde, seltsame Stimme gesagt? Aber was sollte das bedeuten? Wie sollte sie im Himmel ihr Schicksal ablesen können? Was war das für ein Mäusedreck?

Schnaubend sah die blaugraue Kätzin sich um. Hoffte, dass sie den Verursacher des Flüsterns sehen konnte. Doch da war keiner. Sie war alleine. Und es war nicht eine Katze gewesen, die zu ihr gesprochen hatte. Es waren ihre Ahnen.

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