Kapitel 2

Murrend folgte die blaugraue Kätzin der Patrouille in den Wald. Ihre Trauer hatte sich wieder einmal in schlechte Laune und Schmerz umgewandelt. Am Liebsten wollte sie sich einfach nur in ihrem Bau verkriechen.

Aber das war gerade leider nicht möglich. Sie musste es hinter sich bringen. Danach würde sie für den Rest des Tages ihre Ruhe haben. Zumindest hoffte sie das.

Als sie den Lagerausgang gemeinsam mit Lachsschweif erreichten, warteten Blumenfeder und Schattenpfote bereits. In dem Moment, als sie die dunkelgraue, fast schwarze Kätzin mit den bernsteinfarbenen Augen, die Seeroses und Sturmsterns Tochter war, sah, stürzten direkt etliche Gefühle auf sie herein.

Mit einem Schlag wurde ihr wieder bewusst, dass sie es sich bei Seerose ruiniert hatte und dass das alles nur ihre Schuld war.

"Morgenhimmel!", rief da auch schon die Stimme der Schülerin und Schattenpfote kam direkt auf die blaugraue Kätzin zugesprungen. "Ich freue mich, dass ich mit dir auf einer Patrouille bin!", maunzte sie.

Ich mich nicht. Denn du erinnerst mich nur noch mehr an eine Mutter und das, was geschehen ist... Oh, Seerose. Es tut mir so leid.

"Danke", entgegnete Morgenhimmel und bemühte sich, nett zu klingen. Sie wollte nicht, dass jemand merkte, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Sie wollte ihre Emotionen einfach überspielen. Aber das funktionierte nicht so gut, indem sie kurze Antworten gab.

"Wieso bedankst du dich?", fragte Schattenpfote verwundert weiter. "Ich habe doch gar nichts gesagt, außer dass ich mich freue." Morgenhimmel wünschte sich einfach nur, dass sie zurück in ihren Bau kommen könnte.

Sie hasste es, dass sie auf diese verfuchste Patrouille gehen musste. Sie wollte sich einfach nur in ihrem Bau verkriechen, sich in ihr Nest kuscheln und in Träumen versinken.

Sie wollte nicht, dass jemand mit ihr sprach. Sie wollte nicht gefragt werden, wie es ihr ging. Sie wollte nur ihre Ruhe haben.

Aber keiner schien das zu verstehen. Als die Patrouille sich in Bewegung setzte, trabte Schattenpfote neugierig neben ihrer Mentorin her und bombardierte diese weiterhin mit Fragen über alles, was ihr einzufallen schien.

"Was ist mit dir los?", wollte sie wissen, "wieso gibst du mir keine Antworten?" Morgenhimmel seufzte. "Ich bin einfach nicht gesprächig", entgegnete sie kurz angebunden.

"Warum nicht?", entgegnete Schattenpfote verwundert, "nerve ich dich? Das möchte ich doch gar nicht!" Die blaugraue Kätzin ließ sich mit ihrer Antwort ziemlich viel Zeit, was die junge Schülerin zu verunsichern schien.

"Ich habe einfach schlecht geschlafen", murmelte sie schließlich. Konnte sie nicht einfach nur alleine sein? Sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Alleine mit dem Schmerz sein, der sie langsam zerstörte.

Der sie immer wieder in Scherben zurückließ und am nächsten Tag zurückkam, wenn sie sich gerade etwas zusammengeflickt hatte, um sie erneut anzugreifen, sodass ihre Schicht jedes Mal ein bisschen schwächer wurde.

Ihre Trauer und Reue, die zusammen eine schreckliche Kombination ergaben, waren wie ein Meer aus dem Schmerz, in dem sie ertrank. Und wenn sie schon unter Wasser erstickte, da sie keine Luft mehr in Form der Hoffnung bekam, wollte sie es wenigstens so schmerzlos wie möglich haben.

Doch das war nicht möglich, wenn als sie immer umtanzten.

Hatten sie das nicht tun können, als sie noch lebte? Denn das, was sie jetzt war, konnte man nicht mehr leben nenne. Sie war zwar nicht tot, aber es war auch nicht mehr Leben. Eher Überleben.

"Worüber denkst du nach?", fragte plötzlich auch noch Blumenfeder und trat zu der blaugrauen Kätzin. "Du bist die ganze Zeit über schon so still."

Morgenhimmel hielt es nicht mehr aus. Mit einem Schlag kochte die ganze Wut in ihr hoch, die sich in den letzten Tagen in ihr angesammelt hatte. Sie sprudelte einfach aus ihr heraus wie ein Wasserfall.

"Lasst mich doch einfach in Ruhe!", fauchte sie aufgebracht, "ihr versteht es doch nicht! Lasst mich einfach mein Leben leben! Ich weiß schon, wie's mir geht!"

Mit einem Mal wirbelte sie herum und preschte davon. Ihre Pfoten trugen sie mit atemberaubender Geschwindigkeit davon. Sie fühlte sich schneller als je zuvor. Aber das war auch kein Wunder.

Schließlich wollte sie einfach nur weg von diesem schrecklichen Ort. Sie will neue noch ihre Ruhe haben. Sie hielt es nicht mehr aus. Es war schrecklich. Es ging ihr schon schlecht und der Druck ihrer Clan-Gefährten machte sie noch fertiger.

"Hey! Warte doch!", rief Blumenfeder ihr hinterher, "ich habe das nicht so gemeint! Bleib stehen, Morgenhimmel!"

Aber Morgenhimmel interessierte das nicht mehr. Sie würde sicherlich nicht anhalten. Sie wollte nur noch weg. Weg aus dieser Hölle, die sie in den Wahnsinn trieb und ihr den Verstand raubte.

Vielleicht würde ihr etwas Zeit für sich selbst helfen. Vielleicht würde sie sich dann besser fühlen. Zumindest hoffte sie das, oder sie tat so, als würde sie es hoffen, denn eigentlich wusste sie genau, dass dieses 'Vielleicht' ein 'Unmöglich' war.

Schnell preschte sie durch den Wald. Ihre Umgebung stürmte an ihr vorbei. Schneller als je zuvor. Sie wollte nur weg.

All die Bäume, Pflanzen. Sie nahm sie gar nicht wahr. Sie war nur darauf konzentriert, einfach zu entkommen. Weg aus diesem Chaos. Und hinein in das Chaos ihrer Gefühle.

Die Blätter raschelten um sie herum, das Gras wurde von ihren Pfoten weich plattgedrückt. Ihre Krallen gruben sich in den schlammigen Boden und rissen kleine Stückchen Dreck heraus, die zur Seite flogen.

Doch das interessierte genauso wenig wie alles andere. Es gab nur eine Sache, an der Morgenhimmel interessiert war. Freiheit. Sie wollte einfach nur frei sein. Frei von diesem Horror.

Schnell erreichte sie das Lager. Und ohne groß darüber nachzudenken, kletterte sie in eine Ecke des Lagers und ließ sich unter einem Baum im Schatten nieder. Erschöpft rollte sie sich zusammen und schloss die Augen.

Etliche Gedanken tanzten in ihrem Kopf. Waren ein einziges Chaos. Trieben sie in den Wahnsinn. Sie fühlte sich, als wäre sie in ihrem Körper gefangen.

Als würde sie gegen eine Wand schlagen, die eine Grenze zur Außenwelt darstellte. Es gab kein Entkommen. Egal, wie sehr sie auf diese Wand einschlug. Sie war gefangen. Und sie wusste, dass sie nie wieder frei sein würde, wenn sie sich nicht öffnen würde. Doch es gab keinen Schlüssel.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top