Verschwunden

»Sprenkelschweif ist immer noch nicht wieder da«, miaute Vogelschweif besorgt. Terra hatte sich am Morgen mit ihr die Beute geteilt und dabei erfahren, das Sprenkelschweif anscheinend irgendwann in der Nacht einfach verschwunden war.

»Und Schattenstern lässt immer noch nicht nach ihr suchen?«

»Doch, es waren schon zwei Patrouillen los, aber keine Spur von ihr«, antwortete die gelbbraune Kätzin. »Wir kennen uns hier ja auch nicht so gut aus. Und da Ojiha zum FlussClan aufgebrochen ist, gibt es niemanden, der uns die besten Verstecke in den Dünen zeigen kann.«

Terra nickte verständnisvoll, war aber dennoch etwas besorgt und auch verwirrt. Wie kann Schattenstern zulassen, dass ihre Tochter irgendwo auf einem unbekannten Gebiet alleine herumstreunt? Zumal sie erst vor Kurzem auch schon einen ihrer Söhne verloren hat. Dabei hat sie doch sogar schonmal den WindClan aufgegeben, um Sprenkelschweif zu retten!

»Sprenkelschweif wird schon wissen, wo wir zu finden sein werden«, meinte Efeubein, der gerade mit Sturmpfote an seiner Seite an ihnen vorbei kam. Wahrscheinlich waren sie auf dem Weg zum Jagdtraining. »Das Meer ist ja nicht zu verfehlen. Und es wäre nicht das erste Mal, dass sie einfach so abhaut. Denkt an unsere Begegnung mit dem DonnerClan.«

»Aber was ist, wenn ihr etwas passiert?«, warf Terra ein und rollte sich noch enger um ihre Jungen zusammen. »Es scheint hier ja auch noch andere Katzen außer denen vom FlussClan zu geben. Und was ist mit Füchsen oder Dachsen? Hunden?«

»Gibt es hier nicht«, antwortete Efeubein streng und schob seine Schülerin weiter, die angefangen hatte, aufgeregt auf der Stelle zu hüpfen. Die beiden verschwanden in Richtung der Dünen.

»Schattenstern weiß schon, was sie tut«, sagte Vogelschweif überzeugt und wandte sich ab. »Ich schaue mal nach, wie gut meine Tochter mittlerweile im Jagen geworden ist!« Damit rannte sie Efeubein und Sturmpfote hinterher.

Terra war das irgendwie nicht geheuer. Sie ließ ihren Blick über die WindClan-Katzen schweifen, die ungeduldig darauf warteten, dass Ojiha Ikalu zu ihnen zurück schickte – als Zeichen dafür, dass sie ihm zum FlussClan folgen konnten. Schattenstern saß etwas abseits mit Hechtkralle, Sprungflügel und Ignis zusammen und schien sich mit ihnen zu beraten.

»Hallo, Terra!«, rief auf einmal jemand mit vor Aufregung fast schon schriller Stimme. Sie gehörte zu Glanzpfote. Die Heilerschülerin hatte ihr schneeweißes Fell aufgeplustert und schob ihr einen Haufen an Kräutern hin. »Für dich!«

»Danke.« Terra leckte die Pflanzen auf, wobei ihr auffiel, dass wieder diese weiße Blume – Kamille – dabei war. Mittlerweile hatte sie sich schon an sie gewöhnt. Als sie fertig war, sah sie Glanzpfote nochmal dankbar an, aber die Schülerin machte keine Anstalten, wegzugehen.

»Ich wollte nur sagen, dass es mir leid tut«, miaute sie auf einmal und sackte ein Stück in sich zusammen.

Terra war etwas erschrocken. Sie hatte Glanzpfote noch nie so traurig gesehen. »Was tut dir leid? Du hast alles richtig gemacht. Keine Sorge!« Sie stupste die Heilerschülerin aufmunternd an, doch diese schüttelte niedergeschlagen den Kopf.

»Sprungflügel hat gesagt, dass das passieren kann, aber... aber...« Glanzpfote starrte auf den Boden vor ihren Pfoten. »Es war schrecklich.«

Redet sie über die Geburt von Morgenjunges und Abendjunges? Vielleicht war Glanzpfote einfach zu jung, um Sprungflügel zu helfen. Andererseits wird sie die nächste Heilerin des WindClans sein und muss früher oder später ohnehin bei einer Geburt helfen.

»Keine Sorge, es ist nicht immer so schlimm«, munterte Terra sie auf und deutete auf ihre zwei Söhne. »Schau, meine Jungen sind gesund und stark. Dank dir und Sprungflügel haben alle die Geburt überlebt.«

Plötzlich stellten sich Glanzpfotes Ohren auf. »Alle? Aber...«

»Glanzpfote!« Sprungflügels Ruf unterbrach die Heilerschülerin, die sofort aufsprang und zu ihrer Mentorin eilte. Diese schien die jüngere Kätzin für etwas zu rügen. Terra war kurz davor, aufzustehen, um Sprungflügel zu versichern, dass Glanzpfote nichts falsch getan hatte, als ein weiterer Ruf ertönte.

»Ikalu!« Es war Nachtrabe aus dem DonnerClan, die auf einer der Dünen Wache gehalten hatte und jetzt den Hang herunter gestolpert kam. Sand wirbelte hinter ihr in die Luft. »Er ist da! Wir können endlich aufbrechen!«

Kurz darauf erschien tatsächlich die dunkle Silhouette des kleinen Vogels vor dem hellen Himmel über ihnen. Er flatterte hin und her, bis fast alle Katzen ihn gesehen hatten, und setzte sich dann in ein Büschel Dünengräser, wo er an etwas herumpickte.

Also war Ojiha erfolgreich!

Terra spürte, wie ihr Fell anfing zu kribbeln. Seit sie den Maulwurfshügel hatte explodieren lassen, hatte sie ihre Macht nicht mehr benutzt. Und hier, umgeben von Dünen aus Sand und einem Meer aus salzigem Wasser, hatte sie kaum Erde, die sie ihrem Willen unterwerfen konnte. Trotzdem würde sie ihre Jungen mit all ihrer Kraft beschützen.

»Wie geht es euch, meine Kleinen?«, fragte sie und beugte sich zu ihren Söhnen hinunter, die gierig ihre Milch tranken. »Wir werden bald wieder aufbrechen.« Sie leckte erst Abendjunges und dann Morgenjunges über den Rücken, die beide leise protestierten. Als sie aufsah, war Hechtkralle schon ganz in der Nähe.

»Bist du stark genug für das letzte Stück der Reise?«, fragte er fröhlich, doch sie sah ihm an, dass seine gute Laune nur vorgetäuscht war.

»Ist alles in Ordnung?«

Hechtkralle seufzte. »Schattenstern ist frustriert wegen Sprenkelschweif. Sie möchte ein paar Katzen zurücklassen, die weiter nach ihr suchen, aber viele meinen, dass das nur eine Verschwendung unserer Kräfte ist. Es wäre nicht das erste Mal, dass Sprenkelschweif einfach verschwindet. Immerhin ist sie etwas eigenwillig.«

»Und was jetzt?«

»Nichts.« Der blaugraue Kater zuckte mit den Ohren. »Sprenkelschweif weiß, wo sie uns findet. Das Meer ist nicht zu übersehen.«

»Genau das gleiche hat Efeubein auch schon gesagt.«

Hechtkralle nickte. »Ja, so ist er eben. Aber irgendwie hat er ja schon recht. Sprenkelschweif hatte keinen Grund, den WindClan zu verlassen. Wenn sie es dennoch getan hat, war es ihre Entscheidung. Sie war in letzter Zeit ja sowieso etwas reizbar. Mohnpfote hat versucht, sich mit ihr anzufreunden, aber sie hat sie immer wieder wütend angefaucht und weggeschickt.«

»Sie trauert immer noch um Nebeljäger.«

»Irgendwann muss ihre Trauer auch zu Ende sein«, meinte Hechtkralle. »Sie hat Pflichten als Kriegerin. Sie könnte sich damit ablenken, so wie Dunkelherz es getan hat, aber sie macht es nicht.«

Terra schwieg. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Als sie ihren ersten Wurf verloren hatte, hatte sie auch getrauert, doch irgendwann war es vorbei gewesen. Das Leben ging weiter. Doch plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Was, wenn es wegen Fliegenschatten ist?«

»Fliegenschatten? Der DonnerClan-Krieger?«

»Ja, sie war doch sehr eng mit ihm befreundet. Eigentlich sogar mit ihm zusammen, wenn Schattenstern ihr nicht verboten hätte, sich mit ihm zu treffen.«

Hechtkralle sah vielsagend hinüber zum DonnerClan, der sich ebenfalls schon aufbruchsbereit machte. Fliegenschatten saß mit der neu ernannten Kriegerin Moorkiefer zusammen und es war offensichtlich, dass sie sich sehr gut miteinander verstanden.

»Für mich sieht es nicht so aus, als wäre zwischen den beiden etwas gewesen«, miaute Hechtkralle. »Jedenfalls nicht seit Beginn unserer Reise. Wenn es sie gestört hätte, dass Fliegenschatten eine Beziehung mit Moorkiefer anfängt, wäre sie doch viel früher verschwunden.«

»Stimmt auch wieder«, gab Terra nach. »Es geht uns ja eigentlich auch nichts an.« Vorsichtig schob sie Morgenjunges und Abendjunges ein Stück von sich weg. »Nimmst du dieses Mal Morgenjunges?«

»Natürlich, meine Liebe«, schnurrte Hechtkralle und hob den blaugrauen Kater mit den schwarzen Ohren hoch. Er war mittlerweile größer und schwerer als sein Bruder, weswegen Terra es anstrengender fand, ihn zu tragen.

Sie selbst nahm Abendjunges vorsichtig auf und schaute hinüber zu Schattenstern, die bereits darauf wartete, dass alle sich hinter ihr versammelten. Efeubein, Vogelschweif und Sturmpfote waren die letzten, die dazukamen. Dann brachen die Clans zu ihrem letzten Stück der Reise auf. Zum Rand des Meeres.

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Badumm Tssssssssss

Kleine Erinnerung an das Quiz :) Die vier Leute vom Gewinnspiel haben noch etwa eine Woche Zeit :) 

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