Frustriert

Terra hatte Hechtkralle wirklich lange überreden müssen, sie mit den Katzen mitgehen zu lassen, die die Pfütze anschauen sollten. Zu der Gruppe gehörten neben Birkenblüte auch Harzjäger, Blumenduft und Sommerflut. Sie alle waren nervös, während die SchattenClan-Kriegerin sie zwischen einigen mickrigen Bäumen zu einer leichten Senke im Boden führte.

»Hier«, miaute Birkenblüte und deutete hinunter. Dort, halb verborgen unter heruntergefallenen Ästen, war eine große Pfütze. Doch ihre Oberfläche war nicht klar und durchsichtig. Seltsame Schlieren in den Farben des Regenbogens zogen über das Wasser. Als der Wind leicht drehte, kam ihnen ein unerträglicher Geruch nach Donnerweg entgegen.

»Sie ist eindeutig vergiftet«, bestätigte Sommerflut. »Schaut euch das Wasser an. Wenn ihr so ein Wasser seht, dürft ihr auf keinen Fall davon trinken!«

»Ich hatte ja keine Ahnung...«, hob Birkenblüte an, doch Terra strich ihr beruhigend über die Flanke.

»Du wolltest nur etwas Gutes tun«, miaute sie. »Niemand macht dir einen Vorwurf.«

Die Kätzin sah sie dankbar an, während Harzjäger ein Stück die Senke hinunter ging und witterte. »Dass Zweibeiner so etwas überhaupt zulassen!«

»Es sind nicht alle so«, gab Sommerflut zurück. »Nur manche. Einige wissen auch gar nicht, dass sowas passieren kann.«

»Dann sind sie dumm«, fauchte Harzjäger. »Meine Tochter wäre beinahe zur Mörderin geworden! Sie wollte allen SchattenClan-Katzen zum Aufwachen etwas zu trinken geben!«

Birkenblüte neben Terra zuckte bei diesen Worten zusammen.

Nicht gerade höflich, sie indirekt als Mörderin zu bezeichnen, dachte sie grimmig, sagte aber nichts, denn der goldbraun getigerte Kater fuhr schon fort:

»Wir sollten diese Pfütze noch weiter mit Ästen bedecken, damit nicht zufällig ein Junges vorbeikommt und daraus trinkt. Blumenduft, du bleibst hier und hilfst mir. Ihr anderen könnt schonmal zurück gehen und den anderen erklären, wie solche vergifteten Pfützen aussehen.«

»Ich kann auch helfen!«, bot Birkenblüte an, aber Harzjäger wies sie unwirsch ab.

»Nein, das ist nicht nötig.«

Terra wunderte sich, dass der Zweite Anführer des SchattenClans ausgerechnet eine DonnerClan-Kriegerin als Helferin wollte, dachte sich aber nichts dabei. Erst recht nicht, als die gefleckte Kätzin entschlossen mit dem Schweif peitschte.

»Ich werde dir zeigen, wozu DonnerClan-Katzen fähig sind! Ich habe mein Leben lang Halme zu Wänden verwoben! Da können ein paar Äste nicht viel schwerer sein!«

Terra warf Harzjäger und Blumenduft noch einen letzten Blick zu, bevor sie mit den anderen den Weg wieder zurück ging. Auf der kleinen Lichtung hatten sich die Katzen, die aus der Pfütze getrunken hatten, bereits um die Heiler versammelt. Dazu gehörten zu ihrem Entsetzen auch Aqua und Dachspfote. Ihre beste Freundin wirkte jedoch um einiges gesünder als der junge Schüler, der zusammengekrümmt vor Sprungflügel hockte.

»... du dich übergibst«, sagte die weiße Heilerin mit der schwarzen Pfote gerade, als Terra ankam. Sie schob Dachspfote einige Kräuter zu, der sie gehorsam aufleckte und dann in Begleitung von Sprungflügel im nächsten Busch verschwand. Bald darauf ertönten daraus würgende Geräusche.

»Wie geht es ihm?«, fragte Terra. »Und wie geht es dir?«

»Mir geht es gut«, antwortete Aqua. »Ich habe das schlimmste überstanden. Ich habe mich schon gefragt, warum ich heute Morgen die ganze Zeit Bauchschmerzen hatte. Es hilft scheinbar wirklich, wenn man Schafgarbe kaut, um dann zu erbrechen. Was Dachspfote angeht: Er wird auch wieder gesund. Du solltest dir eher Sorgen um die drei DonnerClan-Jungen dort machen.« Die Kätzin mit den breiten Streifen deutete in Richtung einer Königin, die ihren Jungen verzweifelt über das Fell leckte.

»Sie hat sie selber zu der Pfütze gebracht«, erklärte Aqua. »Ich möchte nicht wissen, wie sie sich fühlen wird, wenn eines von ihnen stirbt.«

Terras Herz krampfte sich zusammen. Wenn ich von dem vergifteten Wasser getrunken hätte, wären meine Jungen dann auch gestorben, bevor sie überhaupt auf die Welt gekommen wären?

Schweigend beobachtete sie, wie Weises Reh einem der Jungen ein winziges Blatt zu schob und versuchte, es dazu zu überreden, es zu essen. Das gelang ihr auch, aber als das Junge würgte, kam nur eine trübe Flüssigkeit heraus.

Ich kann mir das nicht länger ansehen.

»Ich werde versuchen, etwas jagen zu gehen, in Ordnung?«, wandte sie sich an Aqua.

Ihre Freundin nickte. »Ich bleibe erstmal hier und behalte Dachspfote im Auge. Pass auf, dass du dich nicht verletzt.«

»Werde ich nicht!«

Etwas bedrückt, aber dennoch entschlossen, etwas Gutes für ihren Clan und auch die anderen zu tun, machte sie sich in die entgegengesetzte Richtung als zum Donnerweg fort. Die Monster darauf waren bereits so laut und anscheinend auch so zahlreich, dass sie die ganze Beute verscheucht haben mussten. Sie konnte verstehen, warum Waldschleicher dagegen gewesen war, seinen Sohn hier zu begraben.

Nach einiger Zeit ließ Terra die Bäume, die wegen des Donnerwegs eigentlich schon halb tot waren, hinter sich. Auch der Lärm war hier bedeutend leiser. Sie hielt die Nase in die Luft und witterte. Nicht weit entfernt musste eine Maus sein, die von den langen, grünen Grashalmen jedoch verdeckt wurde. Es war ungewohnt, nach so vielen Monden endlich wieder normales Gras und nicht das gelbe des ehemaligen DonnerClan-Territoriums zu sehen.

Es dauerte nicht lange, bis sie die Maus entdeckt hatte und sich ins Jagdkauern niederließ. Zum Glück war ihr Bauch noch ziemlich flach, sodass es ihr keine Mühe bereitete, sich langsam an das kleine Wesen anzuschleichen. Sie sah die Maus schon vor sich, als sie auf einmal gegen ein ganzes Büschel aus Grashalmen kam, das sich sofort bog und sie verriet.

Du entkommst mir nicht! Terra schoss nach vorne, aber die Maus reagierte blitzschnell. Ihr kleiner Körper verschwand in dem Loch, in dem sie anscheinend wohnte. Frustriert hieb Terra mit der Pfote auf den Eingang, während ihr das Blut in den Ohren rauschte und wieder dieses seltsame Gefühl in ihr aufstieg. Gleichzeitig ging ein Riss durch den Boden vor ihr. Genau durch den Eingang des Lochs hindurch und dann entlang des Tunnels, der dahinter durch die Erde ging. Ungläubig starrte Terra auf die kleine Maus, die völlig verängstigt zu ihr hoch blickte, dann aus dem Spalt krabbelte und ins Gras davon flitzte. Terra war zu verwirrt, um ihr nachzusetzen.

Was war das? Was ist gerade passiert?

Sie schüttelte den Kopf, aber als sie wieder hinsah, war der Riss immer noch dort. Probehalber fuhr sie mit der Pfote darüber. Er war eindeutig da, aber es war unmöglich, dass sie ihn verursacht hatte. Die Erde hier war fest und etwas feucht. Der Tunnel konnte nicht einfach in sich zusammengestürzt sein!

War wirklich ich das?

Terra überlegte kurz und stieß ihre Pfote dann auf die Erde neben das Loch. Nichts passierte. Was auch zu erwarten war. Es hat etwas mit diesem seltsamen Gefühl zu tun, oder?, fragte sie sich selber. Oder war es wirklich nur ein Zufall? So oder so, ich bin eigentlich zum Jagen gekommen.

Entschlossen wandte sie sich von dem rätselhaften Riss im Boden ab und witterte erneut. Ihre Gedanken wirbelten wild durcheinander auf der Suche nach einer einfachen Erklärung, aber sie zwang sich dazu, sich zu konzentrieren. Solange ich noch nicht in der Kinderstube bin, sollte ich mich nützlich machen. Wenn so etwas nochmal vorkommt, werde ich Sprungflügel fragen.

Bis zum Ende des Tages hatte sie vier Mäuse und einen Spatz erjagt, der aber mit bereits gebrochenen Flügeln im Gras gesessen hatte. Auf dem Rückweg entdeckte sie, dass es nicht unweit der kleinen Lichtung, wo die Clans zurzeit lagerten, einen Fluss mit klarem, nicht vergiftetem Wasser gab. Sie nahm sich vor, den anderen davon zu berichten.

Als sie zurückkam, hielt der DonnerClan immer noch die Totenwache für Hirschpfote. Dachspfote schien es mittlerweile wieder so gut zu gehen, dass er mit Fichtenjunges und Mohnjunges spielte. Doch die drei Jungen der DonnerClan-Königin sahen unglaublich schwach aus. Weises Reh und Eichelpfote war bei ihnen, aber das hellbraune unter ihnen konnte kaum mehr den Kopf heben.

»Sie heißt Wiesenjunges«, flüsterte Aqua ihr zu, mit der Terra sich eine ihrer erbeuteten Mäuse teilte. Sie war nicht die einzige gewesen, die auf die Idee mit der Jagd gekommen war, und es waren auch schon einige Katzen unterwegs, um frisches Wasser aus dem Fluss zu holen. »Die einzige Kätzin in dem Wurf. Wusstest du, dass ihre Mutter, Elsterschnabel, die Schwester des Großen Sterns war?«

Terra schüttelte den Kopf.

»Für den DonnerClan sind ihre Jungen sehr wichtig. Wenn eines von ihnen stirbt, nehmen sie das als ein schlechtes Omen auf. Das würde bedeuten, dass der Große Stern nicht möchte, dass der DonnerClan zusammen mit uns loszieht, um den FlussClan zu suchen.«

»Ich dachte, Wolfstern hätte ihren Clan unter Kontrolle?«

»Nicht allen gefällt, dass sie sich Tigerblume als Gefährtin genommen hat und die beiden jetzt Wolfjunges aufziehen.« Aqua nickte unauffällig in Richtung Rosendorn und Rindenschatten, die leise miteinander tuschelten. »Wenn Wiesenjunges nicht überlebt, könnte beim DonnerClan etwas passieren.«

Terras Mut sank. Es hatte sie alle so viel Kraft und Geduld gekostet, den DonnerClan zu vereinigen und jetzt sollte alles umsonst gewesen sein? »Weises Reh ist eine gute Heilerin. Sie wird es schaffen.«

Am nächsten Morgen ging es den Geschwistern von Wiesenjunges besser, aber ihr selbst nicht.

Und am Tag darauf starb die kleine, hellbraune Kätzin mit den weißen Pfoten.

Nach der Totenwache standen Rindenschatten und Rosendorn auf und forderten, Wolfstern alleine zu sprechen.

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