Entrissen
Terras Hieb ging ins Leere, weil Aqua aufsprang und zur Seite auswich, wo sie einer FlussClan-Wächterin auf den Schwanz trat. Diese schrie erschrocken auf und als sie sah, was gerade passierte, rannte sie aus der Höhle. Weitere Katzen wurden von dem Tumult wach und flohen, während Terra erneut angriff.
Sie hat ihre Macht benutzt, um mich der Erinnerungen an meine toten Jungen zu berauben! Die Wut, die in ihr brodelte, ließ sich nicht aufhalten. Sie zielte auf Aquas Seite, um sie zu Fall zu bringen und am Boden festzunageln, aber die Kätzin wich wieder aus. Mit ängstlichen Augen sah sie zu Terra hoch, bevor sie die Flucht ergriff.
Terra zögerte nicht. Mit großen Sprüngen folgte sie Aqua nach draußen, doch bevor sie sich auf sie stürzen konnte, wurde sie von jemandem umgerannt. Kräftige Pfoten drückten sie runter und fixierten sie, während sie versuchte freizukommen, indem sie wild um sich schlug.
»Hör auf!«, schrie jemand ihr ins Ohr, doch sie fauchte nur. Jetzt wurde auch ihr Kopf in den Sand gedrückt und sie musste die Augen zusammenkneifen. Verschwommen sah sie, wie Spritzklang zu Aqua eilte und sie vermutlich fragte, ob sie verletzt war.
»Sie hat sie mir geraubt«, zischte Terra leise und schrie dann: »Sie hat sie mir geraubt!« Verzweifelt schlug sie nach der Katze, die sie immer noch festhielt und erkannte, dass es Blendfeuer war. Der weiße Kater ließ sie jedoch nicht los.
Mittlerweile hatte sich schon ein Kreis um sie gebildet. Katzen flüsterten miteinander und schauten teils verwirrt, teils ängstlich zwischen den beiden Kätzinnen hin und her.
»Was ist hier los?«, ertönte jetzt auch noch Schattensterns Stimme. An ihrer Seite ging, wie in letzter Zeit fast immer, Ignis. Die Anführerin ließ ihren Blick über Aqua und Terra schweifen. »Wer hat diesen Kampf angefangen?«
»Die Königin ist einfach auf die andere losgegangen!«, rief die FlussClan-Wächterin, die als erstes aus der Höhle geflohen war. Ihre gelben Augen waren vor Schreck weit aufgerissen. »Sie hatte sogar die Krallen ausgefahren! Es sah aus, als wollte sie sie umbringen!«
Schattenstern richtete ihren Blick auf Terra. »Stimmt das?«
Terra antwortete nicht. Wie soll ich erklären, dass Aqua die Macht des Wassers besitzt und sie an mir missbraucht hat? Wird mir überhaupt jemand glauben? Außerdem hat Sternenpfote darauf bestanden, dass die Mächte erstmal geheim bleiben sollen.
»Ich denke, es ist eine Sache nur zwischen den beiden«, miaute Ignis auf einmal. »Sollen sie es doch zwischen sich klären.«
»Nicht, wenn es dabei zu einem Kampf kommt«, beharrte Schattenstern. »Blendfeuer, lass sie los. Und der Rest geht wieder zurück in seine Höhlen.«
Blendfeuer trat zurück, sodass Terra auf die Pfoten kommen konnte. Sie schüttelte sich den Sand aus dem Pelz, während die Katzen, die von dem Tumult geweckt worden waren, sich wieder zurückzogen. In der Menge war auch Hechtkralle, der scheinbar zu ihr wollte, aber sie schüttelte den Kopf. Es ist wirklich nur eine Sache zwischen Aqua und mir. Langsam ging sie auf ihre ehemalige Freundin und Schattenstern zu.
»Habe ich nicht ausdrücklich gesagt, dass wir uns friedlich verhalten sollen?« Die Anführerin sah streng von der einen Kätzin zur anderen. »Egal, um was es geht. Klärt das, ohne gegeneinander zu kämpfen! Wir haben schon genug andere Probleme!«
»Es wird nicht wieder vorkommen«, presste Terra hervor, ließ Aqua aber nicht aus den Augen. Ich habe gedacht, wir wären beste Freundinnen. Wie kannst du mir so etwas antun!
»Das hoffe ich«, miaute Schattenstern, warf ihnen noch einen warnenden Blick zu und ließ sie dann alleine.
»Wie konntest du mir sowas antun?«, zischte Terra, sobald die Anführerin außer Hörweite war.
Aqua schwieg betroffen.
»Tu nicht so, als wüsstest du nicht, worüber ich rede!«, fuhr sie sie an. »Ich weiß, dass du die Macht des Wassers besitzt!«
Überraschung blitzte in Aquas Augen auf. »Woher?«
»Das ist doch gerade überhaupt nicht wichtig!« Terra musste sich dazu zwingen, ihre Krallen nicht wieder auszufahren. »Du hast deine Macht benutzt, um mich meine zwei tot geborenen Jungen vergessen zu lassen! Wie konntest du?« Ihre Kehle zog sich schmerzhaft zusammen. »Du hast sogar Sprungflügel dazu gebracht, sie zu vergessen! Es ist fast so, als hätte es sie nie gegeben! Warum?«
»Ich... Ich hatte Angst«, stotterte Aqua. »Ich dachte, du würdest mir die Schuld für ihren Tod geben. Ich... Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Es tut mir leid.«
»Es tut dir leid!« Terra schnaubte. »Wer weiß, wie viele Katzen noch etwas vergessen haben, weil du ihnen die Erinnerung daran geraubt hast!«
Aqua riss erschrocken die Augen auf. »Keine! Ich schwöre, ich habe es nur bei dir gemacht! Und bei Sprungflügel! Ich wollte es nicht tun! Ich wollte diese Macht nicht! Ich wollte sie eigentlich nie benutzen!«
»Und trotzdem hast du es getan!« Terra spürte ein Knurren in ihrer Kehle aufsteigen. »Komm nie wieder in meine Nähe oder in die Nähe meiner Jungen!«
Damit wirbelte sie herum und rannte zurück zu ihrem Schlafplatz, ließ Aqua weit hinter sich zurück. Auf ihrem Weg sah sie Hechtkralle, der offenbar darauf gewartet hatte, dass sie ihr Gespräch beendeten, aber sie wollte gerade nicht mit ihm reden. Sie tat so, als hätte sie ihn nicht gesehen, und betrat ohne Umschweife ihre Höhle. Tigerblume war noch wach und begrüßte sie mit einem knappen Kopfnicken. Abendjunges und Morgenjunges schliefen zusammengerollt dicht an ihrem Bauch neben Wolfjunges.
»Was war da draußen los?«, fragte sie im Flüsterton.
»Ich habe diese Nacht meine beste Freundin verloren«, wisperte Terra schärfer als sie beabsichtigt hatte. Immer noch brodelte diese unbändige Wut in ihr. Sie flaute erst ab, als sie ihre schlafenden Söhne betrachtete.
Ihr hättet zwei Geschwister haben können, dachte sie traurig. Doch niemand kann sich an sie erinnern. Nicht mal eine Totenwache gab es. Es ist, als wären sie nie da gewesen. Als hätte es sie nie gegeben. Kurzerhand beschloss sie, doch noch einmal rauszugehen.
»Ich bin bald wieder da«, miaute sie Tigerblume zu und verließ die Höhle ohne auf eine Antwort zu warten. Es dauerte nicht lange, bis sie den Bau fand, in dem alle Heiler außer Sternenpfote und Kräuselpfote untergekommen waren. Vorsichtig steckte sie ihren Kopf hinein und stellte fest, dass nur Eichelpfote wach war. Die Heilerschülerin des DonnerClans blickte sie mit müden Augen an.
»Was willst du?«, fragte sie nicht gerade freundlich. Dann deutete sie auf einmal auf Glanzpfote. »Wieder mit ihr reden? Soll ich sie wecken?«
Woher weiß sie das?, fragte Terra sich, nickte aber. Daraufhin rüttelte Eichelpfote die jüngere Kätzin an der Schulter. Als diese aufwachte, folgte sie dem Blick der anderen Heilerschülerin und sprang sofort auf. Etwas unbeholfen schlängelte sie sich zwischen Sprungflügel und Luftfell hindurch nach draußen.
»Du möchtest mit mir reden?« Glanzpfote sah sie mit großen Augen an. »Bin ich Schuld, dass du Aqua angegriffen hast? Warum hast du das gemacht?«
»Aqua hat etwas getan, was sie nicht hätte tun sollen«, antwortete Terra knapp. »Aber du hast nichts falsch gemacht. Ich bin dir dankbar, dass du es mir gesagt hast.« Sie atmete tief durch. »Bitte erzähle mir von meinen Jungen.«
»Erzählen?« Glanzpfote wirkte leicht erschrocken. »Sprungflügel meinte am Anfang, dass es nicht gut ist, wenn man zu lange um verstorbene Katzen trauert.«
»Sag mir wenigstens, ob ich Söhne oder Töchter hatte«, bat Terra und spürte wieder diesen unerträglichen Schmerz in ihrer Brust aufsteigen. »Bitte.«
»Es waren zwei Kätzinnen«, miaute die Heilerschülerin nach einigem Zögern. »Sprungflügel und ich haben wirklich alles getan, um sie zu retten, aber...« Sie senkte niedergeschlagen den Kopf.
»Ich danke dir trotzdem, Glanzpfote«, sagte Terra leicht benommen. Ohne sich von der weißen Kätzin zu verabschieden schleppte sie sich den ganzen Weg zurück zu ihrer Höhle. Sie fühlte sich wie betäubt. Ich werde mich nie an sie erinnern können. An meine eigenen Töchter. Es war, als hätte Aqua ihr einfach einen Teil ihrer selbst weggenommen.
***
»Ich hätte die Macht nie benutzen sollen.«
»Aber du hast es, oh ja! Siehst du, wie viel du damit tun kannst!«
»Wie viel Schaden, ja. Ich hätte nie auf euch hören sollen.«
»Aber ohne uns hättest du nie von deiner Macht erfahren!«
»Du hättest nie gewusst, wie du sie benutzt! Wir haben dir nur geholfen! Du musst wissen, wie du sie benutzt! Du bist meine Nachfolgerin. Es ist wichtig, sehr wichtig! Sonst wirst du nicht bereit sein.«
»Bereit? Wofür?«
»Für das große Finale! Für den großen Kampf! Alle Katzen der Macht werden sich offenbaren müssen!«
»Alle! Alle! Jede einzelne! Und dann... Dann wird die große Prophezeiung erfüllt werden! Haha! Niemand weiß, was das bedeutet. Nur wir wissen es.«
»Was bedeutet es denn?«
»Ach, jetzt willst du es auf einmal wissen? Ich dachte, du möchtest nichts mehr mit uns zu tun haben!«
»Sagt es mir!«
Die zwei grünen Augenpaare leuchteten hell auf und gaben ihr eine Antwort.
»Was? Das kann nicht sein! Das würde der SternenClan nie zulassen!«
»Haben wir nicht gesagt, dass der SternenClan ein Haufen Fuchsdung ist? Glaubst du uns jetzt? Glaubst du uns jetzt, Aqua!«
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