3. Kapitel
Regenjunges wachte auf, weil ihn etwas in der Nase kitzelte. Es war flauschig und als er die Augen öffnete, sah er etwas schwarz-graues. Ein Schwanz hatte ihn gekitzelt und zwar Sturmjunges Schwanz. Regenjunges schlug mit der Pfote nach der schwarzen Schwanzspitze seines Bruders. Dieser zuckte hin und her, was das Spiel nur noch lustiger machte. Regenjunges fuhr seine kleinen, dornenscharfen Krallen aus und packte das Schwanzende damit. „Hey, lass meinen Schwanz los! Das tut doch weh!", rief Sturmjunges plötzlich. „Aber er hat mich in der Nase gekitzelt!", versuchte Regenjunges sich zu verteidigen. „Worüber streitet ihr beiden denn?", wollte Kirschblüte wissen, die von ihrem Streit geweckt worden war. „Regenjunges hat meinen Schwanz mit seinen Krallen gepackt!", beklagte sich Sturmjunges. „Aber doch nur weil er mich in der Nase gekitzelt hat!", versuchte Regenjunges sich zu rechtfertigen. „Schluss jetzt! Geht jetzt raus und spielt draußen. Sonnenfell braucht ihre Ruhe. Ihr wisst, dass sie jeden Moment ihre Jungen bekommen könnte", wies Kirschblüte die beiden an. „Na gut, wir gehen ja schon", miauten Sturmjunges und Regenjunges kleinlaut. Beide schlüpften aus der Kinderstube auf die Lichtung. Es war schon später Nachmittag und es herrschte geschäftiges Treiben.
Mondstrahl und Sturmwind teilten sich eine Maus neben dem Haselnussstrauch, der als Kriegerbau diente. Mauseschweif lag neben Zahnlos am Rand der Lichtung und lies sich sonnen. Maulwurfpfote und Amselpfote übten Kampftechniken, während ihre Schwester Blütenpfote ein Eichhörnchen vom Frischbeutehaufen nahm und über die Lichtung zu Samtpfote trug. Die beiden Freundinnen teilten es sich neben dem Schülerbau, einem gelbblühenden Ginsterbusch.
Regenjunges Blick wanderte weiter über die Lichtung und blieb schließlich bei der Gruppe älterer Krieger hängen. Sie saßen vor dem Hochfelsen um Morgenstern herum. Darunter waren Wolkenschauer, der neben der Anführerin saß, Langstreif, Eichenfell und Flinkschweif. Die Krieger redeten leise miteinander, doch Regenjunges war zu weit weg, um sie zu verstehen. Kurz kam er in Versuchung, näher zu schleichen und zu lauschen. Doch er wusste, dass er das nicht durfte und somit schaute er hinter sich, wo Sturmjunges gerade aus dem Brombeerdickicht schlüpfte. Zu seiner Überraschung lief er an ihm vorbei Richtung Heilerbau. Doch bevor Regenjunges ihn fragen konnte, was er dort wollte, war er schon darin verschwunden. Er wollte seinem Bruder nacheilen, aber dann knurrte sein Magen lauthals. Regenjunges hatte zwar erst vor ein paar Tagen Frischbeute probiert, aber er wollte mal eine Maus alleine essen. Also lief er rüber zum Frischbeutehaufen und suchte sich eine Spitzmaus von unten raus. Regenjunges zerrte sie zum Rand des Lagers um die Maus in aller Ruhe zu essen.
Als er satt war, schob er den Rest der Spitzmaus auf die Seite. Er wollte sie für seinen Bruder aufheben, denn es war noch genug übrig. Regenjunges fing an sich zu putzen. Während er sich die Ohren mit der Pfote wusch, kam Sturmjunges aus dem Heilerbau geschlüpft. Regenjunges ging zu seinem Bruder, doch dieser sah nicht besonders fröhlich aus. „Was ist denn heute mit dir los? ", fragte er Sturmjunges. „Erst beschwerst du dich, dass ich dich aufgeweckt habe und dann rennst du schnurstracks zum Heilerbau." „Ich hatte ein wenig Bauchschmerzen, das ist alles", murmelte Sturmjunges. „Bist du deshalb heute so schlecht gelaunt?", fragte sein Bruder weiter. „Kann sein. Jetzt lass mich aber bitte mit deinen nervigen Fragen in Ruhe. Ich will ein wenig schlafen", miaute er. Regenjunges gab nach und ließ seinen Bruder allein.
Er trabte über die Lichtung und dachte über Sturmjunges nach.
Sturmjunges verhält sich irgendwie merkwürdig, aber erst seit er aufgewacht ist. Am liebsten würde ich ihn ausfragen, aber ich habe ihm versprochen ihn in Ruhe zu lassen.
~~~
Sturmjunges rollte sich in dem großen Nest, das er sich mit seiner Mutter und seinem Bruder teilte, zusammen. Er war allein in der Kinderstube, denn Sonnenfell hatte darauf bestanden das Lager kurz zu verlassen, um ein wenig durch den Wald zu spazieren. Weil sie kurz vor der Geburt ihrer Jungen stand und sie so stur war, hatten Glockenblume und seine Mutter Kirschblüte sie begleitet. Die drei Kätzinnen waren soeben aufgebrochen und Sturmjunges hatte den ganzen Bau für sich allein.
Das war auch gut so, denn er musste mal in Ruhe nachdenken und seine Gedanken sortieren. Er hatte Weißdorn gefragt, wer vor ihr Heilerin war. Sie hatte ohne zu zögern geantwortet. Ihre Antwort war Lotusblüte, aber als er sie fragte, ob Lotusblüte noch eine andere Heilerschülerin gehabt hatte, fragte sie ihn, warum er das wissen wolle und hatte ihm erklärt, dass Heiler jeweils nur einen Schüler ausbilden. Anders als bei den Kriegern, die nach einem Schüler einen anderen bekommen können, Heiler in ihrem Leben meist nur einen Schüler haben.
Sturmjunges hatte schnell das Thema gewechselt, denn er wollte nicht, dass sie ihn ausfragte und von seinem Traum erfuhr.
Nicht einmal Regenjunges, sein eigener Bruder, sollte es wissen. Es sollte sein Geheimnis bleiben.
Durch die dichten Brombeerzweige drang nur ein wenig Licht hinein, doch Sturmjunges erkannte, dass es allmählich dunkler wurde. Er war wirklich müde geworden und bevor er einschlief, dachte er noch einmal nach. Ich könnte morgen Mauseschweif oder Zahnlos fragen. Die wissen sicher etwas.
Er riss sein kleines Maul ganz weit auf und gähnte ausgiebig. Sturmjunges kuschelte sich ins Nest und versuchte einzuschlafen.
Doch so müde er auch war, er konnte nicht einschlafen.
Erst als ein kühler Wind durch die Kinderstube blies und er sich an die warme Flanke seiner Mutter schmiegen wollte, merkte er, dass etwas anders war. Es fehlte etwas. Die Wärme. Ja, das fehlte. Er schreckte hoch und erst jetzt fiel ihm auf, dass noch immer niemand hier war. Er war so tief in seinen Gedanken versunken gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, wie die Zeit vergangen war. Es war erschreckend ruhig und kalt in der Kinderstube. Sturmjunges versuchte sich mit dem Gedanken, dass seine Mutter sicherlich bald kommen würde, zu beruhigen. Doch draußen wurde es schon ziemlich dunkel und der Mond stieg langsam den Himmel hinauf. Er wusste instinktiv, dass etwas passiert sein musste.
Er trabte unruhig in der Kinderstube umher und fragte sich, was wohl los war. Nach ein paar weiteren Umrundungen seines Nestes, beschloss er, sich nicht zu viele Sorgen zu machen und rollte sich wieder zusammen.
Aber als er leise Stimmen von der Lichtung hörte, die ängstlich und sorgenvoll klangen, fragte er sich, ob doch etwas passiert war. Er stand wieder auf und beschloss, nachzufragen, was los sei und worüber sie sich Sorgen machten.
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