4. Kapitel
«Hab dich...nicht.» Rutschend blieb Wolke stehen und blickte enttäuscht dem Kaninchen nach, das flink in einem Loch verschwand.
«Mach dir nichts draus», miaute Kralle, der die junge Kätzin aufmerksam beobachtet hatte. «Beim nächsten Mal schaffst du es bestimmt.»
«Das hoffe ich», murmelte sie niedergeschlagen. Ihr Bruder Adler hatte bereits sein erstes Kaninchen gefangen, aber ihr war es noch nicht gelungen, einen selbständigen Fang zu machen. Kralle vermutete, dass ihr Stolz dadurch gekränkt worden ist.
«Du hast das ganz gut gemacht», vernahm der Kämpfer die sanfte Stimme von Wind hinter seinem Rücken. Sein Herz begann höher zu schlagen und er musste ein lautens Schnurten unterdrücken.
«Hallo Wind, möchtest du dich unserem Training anschließen?», fragte er die Kätzin glücklich.
«Sehr gerne», erwiederte Wind. «Ich habe euch von da drüben beobachtet, als ich ein Kaninchen für Echos und Regens Kleine gejagt habe. Ihr beide habt es drauf», lobte sie die beiden Wurfgefährten.
«Ich nicht», murmelte Wolke. «Schließlich habe ich noch nichts gefangen.»
«Nicht jeder fängt beim ersten Versuch etwas», miaute Wind, bevor Kralle etwas sagen komnte. «Bei mir hat das auch länger gedauert als bei anderen Katzen.»
Kann ich mir gar nicht vorstellen, so gut wie sie jetzt jagt.
«Woher könnt ihr eigentlich die Techniken wie man Kaninchen jagt, wenn ihr früher im Zweibeinerort gelebt habt?», fragte Adler interessiert.
«Das ist eine gute Frage», schnurrte Kralle wohlwollend. Er mochte den jungen Kater und seine Schwester irgendwie. «Wir Katzen entwickeln über die Zeit Instinkte. So wissen wir automatisch, was zu tun ist. Jungen Katzen schadet es dennoch nicht, von älteren zu lernen und besondere Techniken zu übernehmen.»
«Verstehe», nickte Adler und ließ seinen Blick über das Moor schweifen. «Können wir noch ein bisschen Kampftraining machen, bevor wir zurückgehen?»
«Nein, erst will ich meine erste Beute fangen», wiedersprach seine Schwester vehement.
«Aber wir haben heute schon genug gejagt!»
«Wir haben erst genug gejagt, wenn ich etwas gefangen habe.»
«Streitet euch nicht», unterbrach Wind die beiden Wurfgefährten sanft. Ihr warmer Blick begegnete dem vom Kralle. Sofort wurde dem Kater heiß unter dem Pelz und er wandte sich verlegen ab. «Wenn du nichts dagegen hast, Kralle, würde ich mit Wolke noch etwas jagen und du kannst mit Adler etwas Kampftraining machen.»
«Einverstanden!», riefen die beiden Katzen begeistert und Kralle musste schnurren.
«Ich habe nichts dagegen», miaute er, obwohl das nicht ganz stimmte. Gerne würde er Zeit mit der hübschen Kätzin verbringen - am besten zu zweit - aber das ging nun mal nicht.
«Komm Wolke», rief Wind der gefleckten Kätzin zu und eilte auf leichten Pfoten über das Moor davon. Wolke folge ihr etwas langsamer.
Nachdenklich starrte der Kämpfer ihr hinterher. Seit vielen Monden schon liebte er die braun getigerte Jägerin und auch sie schien Gefühle für ihn zu haben. Kralle wollte sie schon lange fragen, ob sie seine Gefährtin sein wollte, aber es gab ein großes Problem:
Wind hatte wunderschöne, gelbe Augen, die leuchteten wie kleine Sonnen am Blattgrüne-Himmel. Er selbst hatte jedoch so grüne Augen wie das Gras auf dem Moor und als zukünftiger Alpha musste seine Gefährtin - zumindest das zukünftige Alpha-Weibchen - ebenfalls grüne Augen haben. Somit schied Wind bei der Wahl aus, aber Kralle wollte keine andere Kätzin an seiner Seite haben. Wind konnte höchstens seine Nebengefährtin sein, aber er wollte, dass sie das Alpha-Weibchen und seine einzige Gefährtin wurde.
«Ist was?», fragte Adler und schaute Kralle aus seinen gelben Augen neugierig und etwas ungeduldig an. Der Kämpfer schüttelte den Kopf.
«Alles in Ordnung», log er und versuchte möglichst fröhlich zu klingen. «Wollen wir mit dem Kampftraining starten?»
«Natürlich!», rief der kleine Kater und machte einen übermütigen Luftsprung. Dann senkte er jedoch verlegen seinen Kopf und glättete so hastig und unbeholfen sein Brustfell, dass Kralle amüsiert schnurren musste. Wahrscheinlich war es dem jungen Kater unangenehm, sich wie eine Jungkatze und nicht wie ein Jäger verhalten zu haben.
«Ist schon in Ordnung», schnurrte der Kämpfer und fuhr seinem Schützling mit der Schwanzspitze über die Flanke. «Auch Jäger dürfen mal Spaß haben.» Sag das jedoch nicht zu Drache. Der sieht das definitiv nicht so, fügte er dann in Gedanken hinzu.
Die beiden Kater machten sich auf dem Weg zu einer etwas flacheren Stelle. Dort wollte Kralle dem jungen Jäger die ersten Kampfzüge beibringen. Sie stellten sich gegenüber auf. Dem Kämpfer entging nicht, dass Adlers Schwanzspitze ein wenig vor Aufregung zuckte.
«Greif mich an», wies er ihn an.
«Einfach so?», fragte Adler mit runden Augen.
«Ja, mach einfach.»
«Aber...Ich soll dich angreifen? Darf ich das überhaupt?»
«Natürlich. Wie stellst du dir Kampftraining ansonsten vor?» schnurrte der Kämpfer amüsiert.
«Wenn du meinst.» Konzentriert fixierte der kleine Kater ihn mit den Augen und sprang. Kralle wich ohne Schwierigkeiten aus und Adler landete unbeholfen im Gras.
«Probier es gleich noch einmal», forderte Kralle ihn auf. Der Kater tat, wie ihm geheißen, verfehlte seinen Lehrer aber erneut.
«Das ist nicht fair», brummte er schlecht gelaunt. «Du bist viel größer und älter als ich.»
«Das stimmt, aber klein sein ist nicht unbedingt ein Nachteil. Wind zum Beispiel hat Blitz einmal eine ordentliche Abreibung verpasst, obwohl sie viel kleiner ist als er. Ihre geringe Körpergröße macht sie flink und wendig.» Die Gedanken des jungen Kämpfers wanderten zu der hübschen Kätzin mit dem weichen, braun getigertem Fell und denn sanften, gelben Augen. Ich liebe dich, Wind, flüsterte er in Gedanken. Dann schüttelte er den Kopf und konzentrierte sich wieder auf seinen Schüler.
«Aber ich bin überhaupt nicht flink oder wendig», murmelte Adler und blickte auf seinen etwas pummeligen Körper hinunter.
«Das liegt daran, dass du bei Zweibeinern gelebt hast», erklärte Kralle. «Bald wirst du deinen Hauskätzchenbauch verlieren und Muskeln bekommen wie ich.»
«Toll!», rief der Kater aus, dann wurde sein Blick jedoch traurig. «Aber bei unseren Hausleuten gab es mehr zu Fressen als hier.»
«Wenn du selbstständig jagen kannst, wirst so so viel Beute haben, wie du willst», versprach der Kämpfer und verspürte zum ersten Mal seit langer Zeit etwas wie Mitleid mit dem Kleinen. Er wunderte sich, dass er so nett zu anderen sein konnte. Drache und Finsternis verachteten ihn dafür, aber das war Kralle egal. Die beiden Kätzchen konnten vom Aussehen her seine und Winds Junge sein und genau das war auch der Grund, warum er die beiden für sich und seine Geliebte beansprucht hatte. Wind liebte Jungkatzen über alles und war sofort mit dabei. Sie wusste jedoch nicht, mit welchem Hintergedanken er das in die Wege geleitet hatte.
«Und was jetzt?», fragte Adler.
«Jetzt greife ich dich an und du weichst aus.» Kralle wartete, bis sein Gegenüber die Position eingenommen hatte, dann sprang er auf ihn zu und riss ihn zu Boden. Der kleine Kater hatte zwar versucht auszuweichen, war jedoch gescheitert.
«Was glaubst du, warum ich ausweichen konnte und du nicht?»
«Keine Ahnung.»
«Weil deine Augen verraten haben, wohin du zielst. Sowohl beim Angriff als auch bei der Verteidigung. Versuch noch einmal auszuweichen und achte diesmal darauf, dass deine Augen und auch der Rest deines Körpers mir nicht preisgeben, in welche Richtung du dich bewegen wirst.»
«Verstanden», nickte Adler. Die beiden machten noch ein paar Durchgänge und Kralle stellte zufrieden fest, dass das ehemalige Hauskätzchen schnell Fortschritte machte.
Bald kamen Wind und Wolke zurück. Die gefleckte Kätzin schleppte ein Kaninchen im Maul. Ihre grünen Augen leuchteten stolz.
«Sie hat es selbst gefangen», rief Wind dem Kämpfer zu.
«Gut gemacht Wolke, ihr beide», lobte Kralle die Wurfgefährten. Sie würden gute Jäger abgeben sobald sie fertig ausgebildet waren. «Hol dein Kaninchen, Adler. Wir gehen ins Lager zurück.»
Zu viert machten sie sich auf den Rückweg. Unterwegs begegneten sie Knochen und Blitz, die sich gegenseitig über die Hügel jagten. Beide trugen frische Kratzspuren und schienen sehr wütend zu sein.
«Wie schrecklich!», flüsterte Wind. «Das sind Vater und Sohn.»
«Ach lass sie», winkte Kralle ab. «Wahre Kämpfer klären ihre Streitigkeiten genauso.» Und ich bin stolz darauf, dass ich einer sein kann, schnurrte er in Gedanken. Wind schüttelte jedoch verständnislos den Kopf.
Kurz darauf erreichten die Katzen das Lager. Kralle viel sofort auf, dass etwas nicht stimmte. Blutgeruch und ein Hauch Hundegestank schwebten in der Luft. Die Katzen waren aus ihren Bauen gekommen und starrten murmelnd in die Mitte der Lichtung, wo mehrere Katzen hockten. Der Kämpfer erkannte seine Mutter, die neben einer hellgrauen Gestalt mit Blut im Fell hockte. Allem Anschein nach nach war es Nebel. Spinne und Asche waren ebenfalls da und kümmerten sich um sie. Unweit von ihnen hockte Pilz und starrte mit gesenktem Kopf ins Leere. Kralle fiel auf, dass seine Augen unnatürlich weit aufgerissen waren. Auf dem einzigen Stein in der Kuhle hockten Drache und Finsternis und tuschelten miteinander. Ihren finsteren Mienen nach zu urteilen, hatte irgendjemand etwas angestellt.
«Was ist passiert?», fragte der braune Kater in die Runde. Stein, seine Halbschwester, eine kleine, korpultente, graue Kätzin trat langsam zu ihnen. In ihren grünen Augen konnte der Kämpfer tiefen Schmerz erkennen.
«Mond ist tot», flüsterte sie mit zitternder Stimme.
«Tot?»
«Wie tot?», japste Wind neben ihm. Die Nachricht kam unerwartet und Kralle konnte sich keinen Reim darauf machen, was geschehen war.
Wolke und Adler begannen erschrocken zu wimmern und Wind wollte sie wegführen, doch Kralle hielt sie zurück und gab stattdessen Frost das Zeichen, sich der beiden Wurfgefährten anzunehmen. Auf gar keinen Fall sollte Wind schon wieder verschwinden. Er wollte sie an seiner Seite haben solange es nur möglich war.
«Was genau ist passiert?», fragte er die Jägerin.
«Sie wurde von Hunden zerrissen», antwortete diese leise. «Drache und Finsternis haben gesagt, dass man sie nicht mehr retten konnte, aber ich denke, dass sie nicht helfen wollten,» fügte sie dann giftig hinzu.
«Pass auf was du sagst», knurrte Kralle. Keine durfte irgendwelche falschen Vorwürfe gegen seinen Vater erheben. Seine Mutter tat dies ohnehin schon die ganze Zeit. Wahrscheinlich folgen die anderen Katzen ihrem blöden Beispiel. «Drache wird schon seine Gründe haben, dass er so gehandelt hat», erwiederte er kühl.
«Wo ist Mond denn?», fragte Wind.
Stimmt, ich sehe sie auch nicht. Da liegt nur Nebel. «Ist die», er zeigte Richtung Mutter der Toten,« auch verletzt?»
«Nein, aber sie ist komplett hysterisch und aufgelöst. Das Blut stammt von Mond, beziehungsweise von den Überresten, die sie am Waldrand vergraben hat. Man konnte sie nicht mehr mitnehmen.»
«So schlimm war das?», flüsterte Wind entsetzt. Kralle schmiegte sich beruhigend an sie.
«Wir brauchen im Lager auch keine Leichen», miaute er und musterte noch einmal die Katzen. «Ich will kurz mit Drache sprechen», rief er Wind zu und eilte zu seinem Vater. Er kam jedoch nicht dazu, weil der Alpha sich in diesem Moment auf die Pfoten erhob und die Katzen mit einem lauten Jaulen zum Schweigen brachte.
«Ihr alle habt gehört, was geschehen ist», begann er mit donnernder Stimme. «Finsternis und ich haben uns noch einmal kurz besprochen. Für uns beide ist klar: Monds Tod ist eine gerechte Strafe. Sie hat nähmlich versucht, uns umzubringen, indem sie die Hunde zu uns gelockt hat.»
«Bitte was?», fauchte eine hohe Stimme, die Kralle seiner Mutter Sturm zuordnen konnte. «Sag mal, bist du vom Baum gefallen, direkt auf deinen Kopf oder stehst du noch so unter Schock, dass du jetzt mit so einem Fuchsdung hier ankommst?»
Oh nein, bitte nicht schon wieder, stöhnte der Kämpfer in Gedanken. Sturm kann auch wirklich nie die Klappe halten. Kein Wunder, dass Drache ihr ständig Schläge und Kratzer verpasst. Respekt scheint ein Fremdwort für sie zu sein und dabei ist sie das Alpha-Weibchen!
«Ich weiß, was ich sage», erwiederte der Alpha unberührt. Der Kämpfer fing seinen eisigen, vernichtenden Blick auf und erschauderte, obwohl er gar nicht ihm sondern seiner Mutter galt. Diese schien jedoch vollkommen unbeeindruckt zu sein. Mit aufgestelltem Fell machte sie einen Buckel und fauchte ihren Gefährten an.
Ich kenne keine Katze, die so Lebensmüde ist wie Sturm, dachte Kralle kopfschüttelnd. In diesem Moment sprang Nebel auf.
«Du bist an allem Schuld, du elender Tyrann! Du, deine Söhne und deine Kämpfer. Ihr habt Monds Tod zugelassen und macht ihr auch noch solche Vorwürfe. Glaub mir, du wirst nicht ungestraft davonkommen für alle deine Taten. Du wirst deine gerechte Strafe bekommen, du dreckiges, nichtiges Schlangenherz, du Haufen Fuchsdung, wenn nicht durch mich, dann durch jemanden anders, aber du wirst sie bekommen und ich werde mich darüber freuen!»
Wie kann sie es wagen, kochte Kralle und spannte wütend seine Muskeln an. Wind legte ihm beruhigend den Schwanz um die Schultern, doch er schüttelte ihn ab und eilte zu seinem Vater, der ebenfalls ziemlich wütend zu sein schien.
«Weißt du, warum ich dich nicht habe sterben lassen?», fauchte er. «Weil ich mir sicher bin, dass du an dem Plan genauso beteiligt bist und wir jetzt die Wahrheit wissen wollen.»
«Ich habe nichts getan genauso wie Mond!», schrie die Kätzin.
«Das haben wir ja gesehen», schnurrte Finsternis spöttisch und wechselte einen Blick mit dem Alpha. «Hast du auch was damit zu tun, Sturm?»
Gute Frage, überlegte Kralle. Sturm ist definitiv eine Rebellin, aber würde sie so weit gehen? Eigentlich kämpft sie nur mit Worten.
«Natürlich nicht», fauchte die goldene Kätzin gerade erbost. «Ich habe im Wald gejagt und auch die beiden Kätzinnen haben keine Mordpläne gehabt, da bin ich mir sicher. Sie sind ja nur mitgenommen, weil du es ihnen befohlen hast.»
«Könnte auch ein spontaner Plan gewesen sein. Dann ist Sturm aber raus. Sie war ja nicht dabei», überlegte Kralle laut. Drache nickte, aber Finsternis schien nicht ganz überzeugt zu sein.
«Wie oft noch, Flohhirn, wir haben nichts gemacht. Es war ein Unfall! Warum sollte Mond sich selbst, mich und Sturm in Gefahr bringen, nur weil sie euch Fischgesichte loswerden will.»
«Weil sie mäusehirnig ist», stellte Finsternis trocken fest und Kralle nickte. Zwar hatte er Nebel und Mond als sehr friedlich eingeschätzt, aber er glaubte seinem Vater, dass Mond womöglich in ihrer Verzweiflung die Hunde auf den Alpha und dessen Sohn hetzen wollte.
«Mond würde so etwas niemals tun», miaute jemand mit zitternder Stimme. Der Kämpfer wandte sich um und erkannte Pilz, der etwas näher gekommen war.
«Natürlich verteidigst du deine ach so schöne, unschuldige Geliebte» spöttelte Finsternis.
Vorwürfe sind das Eine, aber das hätte Finsternis echt nicht sagen müssen, überlegte Kralle. Er musste an Wind denken, die unweit von ihm stand und ihm mit Zeichen zu verstehen gab, dass sie von der Unschuld der beiden Kätzinnen überzeugt war.
Ich will nicht das erleben, was Pilz gerade durchmachen muss. Wenn ich mir vorstelle, dass Wind von Hunden angegriffen wird... Er erschauderte und schüttelte die Gedanken schnell ab. Wind würde niemals Hunde auf uns hetzen, also hat sie nichts zu befürchten. Drache ist vielleicht hart aber er bestraft nur Katzen, die sich nicht an die Regeln unseres Rudels halten.
«Sie war erst neun Monde alt», wimmerte Pilz unterdessen. Sein Blick hatte sich getrübt und er wiegte sich von einer Seite auf die andere. «Wo hast du sie begraben, Nebel? Ich gehe jetzt zu ihr.» Die hellgraue Kätzin wollte ihm gerade eine Antwort geben, doch Drache unterbrach sie energisch.
«Du bleibst schön hier Pilz. Tiger, hab ein Auge auf diesen Nichtsnutz.»
«Geht klar», brummte ein großer, braun-schwarz getigerter Kater und setzte sich zu dem trauernden Jäger.
«Was bist du eigentlich für eine grausame Bestie?», schrie Nebel und sprang mit einem gewaltigen Satz zu Drache hoch. Kralle erstarrte, als er die ausgefahrenen Krallen der Kätzin sah, die auf die Kehle des Alphas zielten.
Bitte nicht, dachte er panisch. Wenn er davor zumindest etwas an Draches Anschuldigungen gezweifelt hatte, war er jetzt umso mehr überzeugt, dass die Jägerin durchaus einen Angriff auf Drache geplant hatte.
«Schwächling», zischte dieser gerade und stieß die Kätzin ohne Probleme von dem Stein hinunter. Sofort sprang Kralle vor und nagelte sie am Boden fest. Sie wehrte sich zwar, aber der junge Kämpfer war viel stärker.
«Was fällt dir eigentlich ein?», fuhr er sie außer sich an. Als Antwort holte sie mit der Pfote aus, und versuchte auch ihn an der Kehle zu erwischen, was ihr jedoch misslang.
«Sie ist schuldig, sie will uns alle umbringen!», jaulte Finsternis aus Leibeskräften.
«Bitte, Nebel, hör auf damit!», flehte Sturm und Asche wimmerte irgendwo im Hintergrund.
«Niemals!», schrie die hellgraue Kätzin. In ihren Augen loderte ein eisiges Feuer. Kralle hob den Blick und sah seinem Vater in die Augen. Dieser nickte ihm knapp zu.
«Töte sie» miaute er kalt. «Sie hat es nicht anders verdient.» Kralle nickte. Sein Herz begann schneller zu schlagen.
Ich habe gerade die Macht, einer Katze das Leben zu geben und zu nehmen, dachte er. Dieses Gefühl war seltsam. In diesem Moment fühlte sich der Kämpfer unfassbar mächtig.
«Was zögerst du?», rief Finsternis ungeduldig. «Hast du etwa Angst?» Kralle vermutete, dass sein Halbbruder die Kätzin am liebsten selber umgebracht hätte.
«Ich habe keine Angst», fauchte der Kämpfer stolz. Sein Blick wanderte über die Katzen, die ihn erwartungsvoll und mit einer gewissen Furcht oder Begeisterung anschauten. Winds Augen waren flehend geweitet, Sturm blickte ihn ebenfalls panisch an. Blitz und Luchs hielten sie gewaltsam zurück. Nebel selbst schien jedoch keine Angst zu haben. Ihr Blick war kalt und entschlossen.
«Das wirst du doch nicht wirklich tun, oder?», fragte sie ihn.
Werde ich es wirklich tun? Er blickte hoch zu seinem Vater und zu Finsternis, die ihn beobachteten, als ob wie seine Loyalität prüften.
«Tu es nicht!», flehte Sturm. Ihre Stimme erklang irgendwo aus der Ferne. Eine unbekannte Macht packte Kralle und fesselte ihn. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Langsam hob er eine Pfote.
«Doch ich werde es tun», flüsterte er mit rauer Stimme und ließ die Krallen über die Kehle der Kätzin unter ihm fahren. Ein Schrei, der in einem Gurgeln endete, erfüllte die Luft und holte den Kämpfer aus seiner seltsamen Trace zurück. Hellrotes Blut sprudelte aus der klaffenden Wunde an Nebels Hals.
«Mörder», zischte sie kaum hörbar. Ihr Körper zuckte noch ein paar Mal, dann wurde sie still. Kralle hatte eine Katze getötet.
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2947 Wörter
So, jetzt habt ihr jede Perspektive kennengelernt.
Welche fandet ihr bis jetzt am besten (gut, kann man vielleicht noch nicht so gut beurteilen, aber naja)?
Und was haltet ihr von Kralle?
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