Kapitel 9
Mohnröte stürmte orientierungslos hinein in die vollständige Dunkelheit. Kein Geruch, kein Lichtschimmer konnte ihr helfen, sich auszukennen. Ein paar mal krachte sie mit der Nase an eine kalte Höhlenwand und zuckte zusammen. Niemand konnte ihr hier helfen, wenn sie sich verirrte. Einmal meinte sie, ein blutrotes Augenpaar hinter ihr aufblitzen zu sehen, blinzelte und sah, dass dort nichts war. Irgendwann erkannte sie dann einen schwachen Lichtschimmer am Ausgang und wollte gerade hinauslaufen, als eine Pfote ihren Schweif zu Boden drückte und sie davon abhielt. Krallen bohrten sich in ihre cremefarbene Schwanzspitze und sie schrie auf. Sie wollte sich nicht umdrehen. Sie wollte ihm nicht in die Augen schauen, diesem Wesen, dessen Namen sie noch immer nicht wusste. Doch sie wusste keinen anderen Weg.
Mit ihr zu Berge stehendem Nackenfell, drehte sich ihr Kopf langsam in seine Richtung. Nichts hatte sich an seinem Aussehen geändert, doch an dem schwachen leicht rötlichen Licht, das von außen kam erkannte sie ihn wieder vollständig. Und der Anblick dieser unbeschreiblich hässlichen Gestalt war grauenhaft. Diese Augen... was hatten die nur, um immer solch einen Schrecken in ihr auszulösen.
Ein Gedanke schoss Mohnröte durch den Kopf. Sollte sie ihm ihre Krallen über sein Gesicht ziehen. Sie ließ es bleiben. Sie wollte nicht wissen, was die Konsequenzen sein würden.
»Wa- Was willst du?« Mohnröte hatte noch nie in seiner Gegenwart gesprochen
»Du kannst doch jetzt nicht einfach gehen Mohnröte«, flüsterte er in einem viel zu freundlichen Ton »Wo du doch jetzt so viel Macht besitzt, mit jeder deiner Handlungen den Verlauf der Geschichte der Clans ändern könntest. Ich würde es mir gut überlegen. Wir wollen doch nicht, dass ich dafür sorge, dass deinen Clangefährten etwas zustößt.« Ein hässliches grinsen zeichnete sich auf seinem fürchterlichen Gesicht ab.
»Ich- ich-« Mohnröte war von seinem Blick wie gefesselt. Dennoch vermutete sie, dass sein Blick bei jedem Mal, in dem sie ihm in die Augen blickte weniger Wirkung auf sie hatte. Vielleicht hatte sie sich daran gewöhnt. Aber sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie schaute ihn gequält an.
»Sehr gut, sehr gut. Ich denke, ich kann noch eine hervorragende Böse aus dir machen.. aber im Grunde bist du das doch schon. Eine Mörderin! «
Mohnrötes Augen weiteten sich entsetzt. »Ich habe noch nie jemanden umgebracht! Nie!«
»Noch nie? Bist du dir da so sicher? Ich wäre das an deiner Stelle nicht! Jeden tag tötest du, oder deine Clangefährten, oder merkst du es nicht! Kaninchen, Eichhörnchen, was auch immer. Aber im Grunde genommen, sind es doch alles nur Lebewesen. Genau wie du. Und du kannst nicht widersprechen, Mohnröte. Du hast schon Lebewesen das Leben genommen. Das ist natürlich. Es ist der Kreis der Natur. Jeder muss töten, um in der harten Wildnis zu überleben, wenn er Fleischfresser ist, so wie du. Nur einige töten eben öfter. Und früher oder später wird auch noch dich die Mordlust fesseln.«
Er lockerte den Griff seiner Pfote und drehte seinen Kopf in Richtung Dunkelheit. »Folge mir!«
Mohnröte konnte nicht anders. Sie würde so oder so irgendwann sterben. Vielleicht würde so länger überleben. Mehr über ihn herausfinden und ihre Clangefährten warnen können. Sie musste wissen, was er vorhatte. »Gut.« Langsam tappte sie ihm nach in die Dunkelheit. Woher sie so viel neuen Mut gefasst hatte, wusste sie nicht. Sie musste nur seinem Gestank folgen, um den richtigen Weg einzuschlagen.
Er führte sie immer weiter in die Dunkelheit hinein, bis sie in der Höhle ankamen. Das Licht oben war genauso rot wie zuvor, vielleicht sogar noch kräftiger. Aber der Stein in der Mitte der Hähle glühte mehr, denn jeh. Mohnrötes Augen weiteten sich wie hypnotisiert.
Er, dessen Namen sie nicht wusste, schritt langsam und bedächtig um den Stein herum und betrachtete ihn eine Weile, bis er ihn mit der Pfote berührte. Er erglühte mehr und mehr. Und im nächsten Moment fielen Mohnrötes Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, befand sie sich in der Dunkelheit, in der sie ihm schon oft begegnet war. Nur, dass es diesmal drei blutrote Lichter zu sehen gab. Zum einen sein Blutrotes Augenpaar und den Stein, den sie auch in der Höhle gesehen hatte. Doch als sie in den Himmel blickte erkannte sie den Mond, der plötzlich hier zu sehen war. Blutrot. In einer Geschichte von Rostauge hatte sie schon einmal von einem Ereignis gehört, das sich Blutmond nannte. Aber solch dunkle Mächte waren in der Geschichte, die sie damals so fasziniert hatte noch nie vorgekommen.
Sein Licht war so unnatürlich stark, dass Mohnröte sich umblicken konnte. De kalte Boden schien eine Art Gestein zu sein. Grob ragten Felsen aus dem selben Material immer wieder vereinzelt auf. Alles schien aus diesem Material zu bestehen. Langsam ging sie auf einen der Felsen zu. Sie erkannte ein Loch, das sich dort breitmachte. In den anderen war es ebenfalls so. Ein Loch, etwa in der Größe des Steins. Das böse Wesen hatte sich von hinten an sie angeschlichen und betrachtete es.
»Die Lebenskraft meiner Artgenossen.« hauchte er, doch es hörte sich eher wie ein zufriedenes Knurren an.
»Artgenossen?«
»Wir nannten uns die Todeswächter. Bestimmt hast du schon einmal vom Wald der Finsternis gehört. Die sind nichts gegen unsere Macht. Oder jetzt besser gesagt meine. Wir waren dafür verantwortlich, das Gleichgewicht zwischen Leben und Tod zu hüten. Manchmal wenn ein Dämon fand, dass es noch nicht Zeit war, schickte er jemanden zurück und derjenige hatte dann eine Nahtoderfahrung. Allerdings war das nur selten der Fall. Meist waren wir unbarmherzig. Wir überließen den Rest immer dem SternenClan und waren bloß dafür verantwortlich, dass wir entschieden, ob vielleicht jemand eine zweite Chance bekam. Wir waren wahrhaft für Leben und Tod verantwortlich. Eigentlich unsterblich, wie wir waren, hatten wir nie hinterfragt, ob wir nicht zu mehr Macht gelingen könnten. Nur ich habe das getan. Ich war schlauer, mutiger. Ich habe sie alle vernichtet. Langsam, sodass es niemand merkte... und dann, als auch der Letzte von ihnen vernichtet war, war ich die mächtigste Kreatur von allen. Mit jedem den ich getötet hatte, floss ein Teil seiner Macht in mich hinein und ich konnte dich dazu überreden, mir zu helfen. Nun wird niemand mehr die Katzen aus dem Wald der Finsternis und des SternenClan von einander trennen. Sie werden sich auflösen. Nichts von ihrer Seele wird übrig bleiben. In der Dunkelheit werden sie sich verirren, wenn sie nicht hell genug brennen. Und meinen Erfahrungen nach ist die Welt grausam. Niemand wird genug Liebe in sich tragen können, um den Weg in den SternenClan zu finden.«
Mohnröte schluckte. Das durfte nicht alles wirklich geschehen sein. Sie war schuld gewesen. Sie musste das wieder gerade bügeln.
»Darf ich... darf ich ihnen bescheid sagen?«
»Das ist nicht nötig« knurrte er wütend. Sie musste mit List handeln.
»Doch. ich will ihnen klar machen, dass sie keinen Ausweg mehr haben.« Mohnröte reckte mutig das Kinn.
»Wenn du meinst«
Sie war überrascht, dass er so einfach zu überzeugen war, wenn man so tat, als würde man seine Interessen unterstützen. Sie neigte respektvoll den Kopf, drehte sich um und sauste auf den Stein zu. Im nächsten Moment legte sie ihre Pfote darauf und fand sich in der Höhle wieder. Sie würde ihre Clangefährten retten und nicht verraten. Wenn nicht sie, dann würde es keiner tun.
Ich habe gruselige Musik gehört, während ich geschrieben habe >︿<
Ich hoffe, dass euch das Kapitel gefällt^^
Mohnröte ist wahrscheinlich nur so mutig, weil sie denkt, dass sie so oder so sterben wird... aber sie will nicht tatenlos sterben unser MohnMörchen XD Das ist doch gut^^
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