Kapitel 4
Mohnröte wachte auf. Nein, eigentlich tat sie das nicht, so wie sie zuerst dachte, denn in Wirklichkeit fand sie sich nur wieder in einem völlig anderen Ort wieder.
Es war dunkel. Ja, Pechschwarz war ihre Umgebung, Totenstill und doch wusste sie, dass sie hir nicht allein war. Diese Umgebung, deren Anwesenheit einem anscheinend alle Freude entzog tauchte schon wieder auf.
Nein... bitte nicht!
Da sie sich in dieser Stille nicht auf ihren Sehsinn oder Hörsinn verlassen konnte, blieb ihr nichts anderes über, als zu schnuppern und zu fühlen, wo sie war. Würden diese Augen wieder auftauchen?
Hoffentlich nicht!
Und schon wieder spürte sie, wie sie von etwas ganz kurz an der Schwanzspitze und dann an der Flanke berührt wurde. Es war, als würde sich etwas um sie bewegen.
Der Schreck ließ Mohnröte das Blut in den Adern gefrieren und ihr stand das Fell zu Berge. Doch es war, als würden ihre Beine Wurzeln geschlagen haben und sie nicht mehr gehen lassen wollen. Doch nun, wo sie dieser Gefahr wieder begegnete wusste sie nicht, was sie tun sollte. Sie konnte nicht fliehen, sie konnte nur hoffen, dass es irgendwann vorbei sein würde. Und die Tatsache, dass es dieses Mal keinen Ausweg gab, keine Chance zu flüchten, machte sie wahnsinnig.
Bei dem Gestank des grässlichen, stinkenden Atems der in ihr Gesicht fuhr, wurde ihr übel. Obwohl sie nicht richtig denken konnte, konnte sie nur stark vermuten, dass die Augen gleich wieder auftauchen würden. Diese grässlichen blutroten Augen, von denen sie gehofft hatte, sie nie wieder zu sehen.
Doch selbst die Vorahnung, dessen, was im nächsten Moment geschah schaffte es nicht wirklich, sie zu beruhigen. Wieder tauchten die Augen vor ihrem Gesicht auf und wieder war es, als würde ihr Herz aussetzen.
Sie wollte »Wer bist du?« fragen, doch ihrem Mund entfuhr nur ein Geräusch, dass irgendetwas zwischen einem Wimmern und husten ausdrücken könnte.
»Hallo Mohnröte.«
Das war keine Stimme, nein. Es war, als würde die ganze Umgebung sprechen. Das musste etwas Übernatürlich sein. Mohnröte wurde noch schlechter. Diese rasselnde Stimme, die dennoch so viel Macht ausdrückte. Keine Spur Freundlichkeit, nein. Die List, Tücke und Gier war deutlich zu hören. Und doch unternahm sie keinen versuch zu antworten und vielleicht zu fragen »Woher kennst du meinen Namen?«
Etwas, wie ein schadenfrohes Lachen entwich dem Geschöpf oder was auch immer es war vor ihr. »Ich habe einen Auftrag für dich Mohnröte.«
»Einen... Einen Auftrag?« Mohnröte war selbst überrascht, dass sie diese Wörter zustande gebracht hatte. Und das Wesen vor ihr anscheinend auch. Einen Moment war es wieder still. Dann erklang wieder diese grauenhafte, glückerstickende Stimme.
»Du musst einen Ort aufsuchen. Ewigkeiten ist es her, dass ich dort gewesen bin. Jahrtausende, vielleicht aber auch länger. Inzwischen habe ich aufgegeben zu zählen und mir geschworen nur noch in die Zukunft zu sehen, die Vergangenheit hinter mir zu lassen. Es sieht jetzt anders dort aus. Ich werde dir den Ort nicht beschreiben können, so wie du ihn kennst.« es machte eine Pause »Bald schon ist es soweit, bald wird der Blutmond über dem Himmel erscheinen. Bis dahin musst du den Ort finden, oder ich werde mich wohl endlich wieder von einem weiteren Leben ernähren dürfen. Von deinem Mohnröte. Und du willst doch bestimmt nicht dorthin, wo du deinen Sohn nie wieder treffen kannst. Du wirst Ruhm haben, Macht, nur ich werde mächtiger sein können als du. Aber nun ja... der Berg ist immerhin eine besondere Stelle, das Gestein wird durch die magische Aura nicht verändert sein. Finde den Ort an dem du Gestein findest, das härter ist, als alles andere. Und du wirst die Höhle finden, die dort ist. Er sollte nicht weit von eurem Lager entfernt sein. Nun... viel Glück Mohnröte, denn wenn du es nicht schaffst, wirst du Pech haben. Großes Pech, ja, ja. «
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»Mama!« sagte Zirbenjunges und hüpfte auf Mohnröte herum.
Mohnrötes Körper war immer noch steifer als ein Baumstamm und sie brauchte einen Moment, um überhaupt zu realisieren, dass endlich alles vorbei war.
»Maaaama!« Blütenjunges zog an ihrem Schwanz, um sie aufzuwecken.
Mohnröte regte sich ein wenig.
»Hört doch auf, auf ihr herum zu hüpfen, sie wird schon aufstehen!«, erkannte Mohnröte die Stimme von Dämmerwelle. Mohnröte war ihr im Stillen dankbar, brauchte aber einige Zeit, um sich zu fassen, während sie sich langsam aufsetzte.
Dämmerwelle beugte sich zu ihr. »Die Schülerzeremonie. Ich habe sie nicht lange davon abhalten können, dich zu wecken, aber dabei ist die Sonne doch noch nicht mal aufgegangen. Normalerweise steht doch niemand in dieser Kinderstube so früh auf.« Dämmerwelle, die eigentlich Frühaufsteherin war, sah auch ziemlich erschöpft aus.
Mohnröte bedankte sich kurz gezwungen schnurrend und wandte sich dann an ihre Jungen.
»Blütenjunges, du bist die Erste!« Blütenjunges versuchte, ihr zu entwischen, allerdings war Mohnröte schnell gewesen. Sie hatte den Traum schon wieder vergessen. Heute würde die Schülerzeremonie ihrer Jungen sein! Schnurrend zog sie Blütenjunges mit ihrem Pfoten zu sich und begann, mit ihrer rauen Zunge über das schildpattfarbene Fell zu lecken. Als sie damit fertig war, ihre Töchter zu putzen und ihr eigenes Fell auch so zum Glänzen gebracht hatte, wie sie es schon lange nicht mehr getan hatte, scheuchte sie ihre Jungen nach draußen.
Es war genauso still wie es um diese Zeit im Lager war. Allerdings war etwas anders. Harzkralle wartete direkt neben dem Eingang zur Kinderstube und konnte seine Pfoten nicht wirklich still halten. Sein Schweif peitschte ungeduldig durch die Luft. Sein goldbraun getigertes Fell war auf Hochglanz geputzt und seine warmen bernsteinfarbenen Augen leuchteten, als er Mohnröte und seine Jungen aus der Kinderstube kommen sah.
Während Zirbenjunges, die plötzlich angespannt schien ihre Pfoten musterte, als würde sie unsicher sein, ob ihre Krallen für ihre Zeremonie auch sauber sein müssten und Blütenjunges stolzierte über die Lichtung, als wollte sie würdevoll wirken, was allerdings etwas merkwürdig aussah.
Mohnröte tappte zu Harzkralle. »So gut hast du schon lange nicht mehr ausgesehen!« Sie stupste ihn liebevoll in die Flanke. Harzkralle tat so, als würde er beleidigt sein.
»Tu ich das nicht immer? Natürlich nicht so gut wie du, aber du musst schon zugeben, dass ich nicht gerade hässlich bin!« Er lächelte unschuldig.
»Willst du irgendwas von mir? So eingeschleimt hast du dich soweit ich mich erinnern kann das letzte Mal, als du wolltest, dass ich Donnerstern frage, wer zweiter Anführer wird, als du dich nicht getraust hast!« Mohnröte schnurrte belustigt, als ihr Gefährte protestierend eine Pfote hob.
Eine Weile sagten sie nichts und betrachteten ihre Jungen, wie sie so aufgeregt auf Donnerstern warteten.
Mohnröte konnte gar nicht schnell genug schauen, als plötzlich ein dunkelrot - weißer Fleck über das Lager sauste. Fuchsnase sah munterer aus, als sonnst jemand im Lager. Ihre hübschen blattgrünen Augen glänzen aufgeregt. »Guten Morgen ihr zwei!«
Sie blickte sich um. »Wo bleibt denn Donnerstern schon wieder?« Sie verdrehte die Augen und war einen Moment später wieder im Anführerbau verschwunden. Bei Fuchsnase konnte man nicht genau feststellen, ob sie eine Langschläferin war oder nicht. Manchmal, wie heute, war sie unglaublich motiviert, an manchen anderen Tagen war sie morgen gar nicht aus dem Nest zu kriegen. Naja, meistens war sie dann tagsüber wieder so munter, dass sie eine Runde um das Ganze Territorium rennen könnte, ohne erschöpft zu werden.
Ein paar Augenblicke später tauchte der pechschwarze Pelz von Donnerstern auf, der von Fuchsnase aus dem Bau geschubst wurde. Mohnröte entwich ein leises Kichern, als sie sah, wie ihre Schwester den Kater, der so riesig und viel größer als sie war aus dem Anführerbau jagte. Donnerstern verließ widerwillig seinen gemütlichen Bau und setzte sich neben den großen Felsen. Fuchsnase und er, die beide noch ziemlich zerzaust waren fingen an, sich die Zunge zu geben.
Schließlich schaute Donnerstern zum Himmel und erhob sich. Langsam streckte er sich. Wenn er seinen langen Schwanz noch mehr ausstrecken würde, würde er so groß wie ein Bär sein.
Mit einem Satz war er auf dem großen Felsen gelandet und seine Stimme hallte über die Lichtung.
»Alle Katzen, die alt genug sind, um Beute zu machen, mögen sich zu einem Clantreffen versammeln.«
Mohnröte sprang gleichzeitig mit Harzkralle auf. Heute war ein besonderer Tag und keiner würde ihr und ihren Jungen diesen nehmen!
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