Kapitel 12
Mohnröte blickte auf das Eichhörnchen, das sie gerade eben getötete hatte. Sie befand sich im FunkenClan Wald und hatte sich gestärkt. Ansonsten hätte sie den Weg in die Berge hinauf nicht geschafft. Sie hatte gerade eben getötet. Gemordet. Eine Seele, verloren. Vielleicht würde auch sie nie den Weg in den Himmel finden. Schon so oft hatte sie gemordet, doch diese Seele würde kein Leben nach dem Tod erfahren. Sie hatte ihm diese Chance genommen. Sie schüttelte den Kopf, um diese ungewöhnlichen Gedanken zu vertreiben und machte sich auf den Weg. Der Todeswächter wartete auf sie.
·◦●○۞○●◦·
»Hallo?« Mohnröte betrat die Höhle, in der der Todeswächter hauste. Sie riss erschrocken die Augen auf. Da war nicht nur er, sondern eine ganze Gruppe von Katzen hatte sich um ihn versammelt. An dem Geruch nach Sumpf und Nadelwald erkannte sie sofort, dass es alles Katzen aus dem SumpfClan waren. Sie hatten sich an den Rand der Höhle gesetzt und starrten merkwürdig geistesabwesend und teilnahmslos an die Höhlendecke. Sie konnte nicht erkennen, wie ihre Augen aussahen, aber ein blutrotes Glühen, das von ihnen ausging ließ sie nur vermuten, dass sie auch die selbe Farbe hatten.
»Hallo Mohnröte!« ein unverwechselbares Knurren war hinter dem Stein zu hören und langsam, wie sich verfestigender Dunst tauchte der Todeswächter auf. So sah das also aus, wenn man diese Welt verließ... »Wie ich sehe hast du schon Bekanntschaft mit meinen neuen Untertarnen gemacht. Ein bisschen Gesellschaft kann nie schaden, allerdings kommen sie mir merkwürdig trostlos vor. Vielleicht ändert sich das jetzt, da sie eine Artgenossin bei sich haben. Du kannst dich ja mal mit ihnen unterhalten, wenn du willst.« er grinste hinterhältig. Er wollte, dass sie sich ansah, was auch mit ihren Clangefährten passieren würde.
»Wie... wie hast du das gemacht?« Sie starrte ihn fassungslos an.
»Oh ich dachte mir, ich könnte ein bisschen spazieren gehen und habe die hier« er deutete auf sie »gefunden. Ihre Widerstandskraft war kläglich. Sie haben sich mir sofort angeschlossen.«
Mohnröte erkannte Waldstern und seine 2. Anführerin Wespenstich. Zu ihrem Entsetzen konnte sie sogar die Ältesten Marillenschweif und Silberherz sehen, die nicht die selbe Freude in ihren Gesichtern hatten, wie sie sie sonst immer bei den großen Versammlungen gesehen hatte.
Mohnröte starrte ihn entgeistert an. Er war einfach so zum Lager des SumpfClans gelaufen, während Mohnröte weg war. Sie bemühte sich vergebens, ihr Entsetzen nicht zu zeigen.
»Ist etwas nicht in Ordnung?« knurrte er hinterlistig »Ich habe sie immerhin nicht völlig vernichtet. Du hast heute schon getötet, Mohnröte. Ich kann das Blut riechen.«
Mohnröte versuchte, sich zusammenzureißen »Selbstverständlich... es wäre nicht anders möglich gewesen...« Sie konnte nicht verhindern, ihre Stimme hilflos und verwirrt klingen zu lassen.
Er kam gemächlich auf sie zugelaufen, als hätte er alle Zeit der Welt. Dann blieb er kurz vor ihr stehen. Sie musste zu ihm aufblicken. Er kam ihr noch riesiger vor, als zuvor. »Ich will, dass du auch zu deinem Clan und dem RegenClan gehst. Später werden wir weiter in das Gebiet der Zweibeiner vorstoßen.«
»Aber....«
»Keine Sorge, ich werde dich begleiten. Du hättest sowieso nicht die Macht, sie zu Besessenen zu machen. Wir werden uns später daran machen, deinen Clangefährten einen Besuch abzustatten.«
»Nachher...« Nein... sie musste ihren Clan warnen. Sie musste sie in Sicherheit bringen. Sofort! Aber wieso wollte er das erst später machen...
Er ließ sich neben dem Stein nieder. Das rote Licht spiegelte sich scheinbar auf seinem Fell wieder. Es schloss die Augen, als würde er all seine Kraft aufsaugen. Er schien nicht zu schlafen, aber in einen seltsam ruhigen Zustand zu fallen. Sollte sie sich anschleichen und ihn ihre Krallen spüren lassen? Nein... sie sollte es besser lassen. Sie sollte zum FunkenClan reisen und das so schnell, wie möglich. Dieses Mal fand sie noch schneller aus der Höhle, wie beim letzten mal. Es war zwar nur ein ganz, aber er hatte ein paar Kurven, die sie mittlerweile schon ziemlich gut kannte.
Sie hoffte, dass dieser Ruhezustand lange dauern würde und ihre Abwesenheit nicht gemerkt wurde. Die Strecke kam ihr bei jedem Mal kürzer vor. Sie rutschte an der selben Spur den Hang hinunter, wo sie es letztes Mal auch schon getan hatte. Ihre Pfotenspuren zeichneten sich teilweise darauf ab. Sie legte einen erstaunlichen Sprint hinter sich bis sie im FunkenClan Territorium angekommen war. Die letzte Strecke zum Lager lief sie dann wieder. Sie musste sich beeilen. Wolkenfleck und Frostglanz standen Wache. Die weiße Frostglanz und der fast vollständig weiße Wolkenfleck waren im Schnee kaum zu erkennen. Sie beide sprangen aufgeregt auf, als sie Mohnröte sahen, die allerdings nicht vorhatte, mit ihnen zu plaudern und schnellstmöglich an ihnen vorbeirannte. Das Treiben auf der Lichtung hatte sich wieder ein wenig gelegt, allerdings sah keine Katze, die auf der Lichtung zu sehen war wirklich gut gelaunt aus. Harzkralle, oder ihre Schwestern konnte sie nirgends sehen, aber Stumpfkralle saß vor dem Ältestenbau und wirkte merkwürdig grimmig.
Mohnröte wollte mit ihm regen, aber ihre strenge Seite meinte wohl, dass sie das nicht dürfte. Seufzend tappte sie zum Anführerbau. Sie fragte gar nicht erst, ob sie eintreten dürfte. Harzkralle und Donnerstern waren gerade in ein Gespräch vertieft, dass sie abbrachen, als sie Mohnröte sahen. Harzkralles Gesichtsausdruck war undefinierbar. Es war ein merkwürdiges Gefühl, einmal nicht mit tröstenden Worten von ihm begrüßt zu werden. Hoffentlich war er ihr nicht allzu böse... sie hätte es ihm nicht verdenken können.
»Ihr müsst abhauen! Es ist dringend... er... er ist auf dem Weg hierher, ich meine er will kommen und das bald! Ihr solltet alle flüchten! Zum RegenClan, oder am Besten nehmt ihr ihn gleich mit und flieht irgendwo anders hin.« Ihre Worte waren durch ihr erschöpftes Schnaufen kaum zu hören. Harzkralle stand auf und Donnersterns Nackenhaare stellten sich auf. »Und du bist dir auch ganz sicher?«
»Ganz sicher! Ihr müsst los! Ich habe keine Ahnung, wieso er mich überhaupt am Leben lässt!«
Wie auf ein stilles Kommando liefen sie aus dem Bau. Donnerstern murmelte noch etwas, das Mohnröte nicht verstehen konnte, bevor er auf den Anführerbau sprang. »Alle Katzen des Clans müssen sich sofort hier versammeln!«
Der Clan tauchte sofort auf. Die meisten Katzen waren im Kriegerbau gewesen. Harzkralle, der sich neben Mohnröte gestellt hatte, flüsterte ihr zu: »Jagdpatrouillen durften nur noch in der Nähe des Lagers unterwegs sein. Die letzte ist gerade zurückgekehrt. Wir haben gemerkt, dass Katzen und noch etwas anderes den Berg hinaufgewandert sind, als wir auf Patrouille waren.
Sogar Fuchsnases Kopf tauchte aus der Kinderstube auf. Mohnröte erkannte, dass er einen zweifelnden Blick zu seiner Gefährtin warf. Würden sie die Jungen überhaupt mitnehmen können, wo sie doch noch so jung waren. Sie hatten noch nicht einmal ihre Augen aufgemacht.
»Ich habe gerade von Mohnröte den Hinweis bekommen, dass dieses Wesen, dass das alles angerichtet hat, auf den Weg hierher ist. Wir werden das Lager sofort verlassen. Ich will, dass die Krieger entweder den Ältesten helfen, oder den Königinnen beim Tragen der Jungen. Wir werden vorerst zum RegenClan flüchten. Auch sie müssen von der derzeitigen Lage erfahren. Ob wir aufgenommen werden, oder nicht ist ungewiss, aber wir müssen flüchten. Vielleicht lassen sie uns bei ihnen Unterschlupf finden, wenn wir ihnen alles erklären.«
Mohnröte konnte nicht glauben, dass das alles so schnell ging. Rostauge wurde von Wolkenfleck und Weidennase zum Lagerausgang begleitet, Staubwind scharte alle Schüler um sich. Mohnröte lief zu ihren Töchtern. Zirbenpfote schmiegte sich an sie »Du Bist so mutig! Ich wünschte, ich könnte...« »Du weißt doch gar nicht, was...« warf Blütenpfote ein, die jedoch von Mohnröte unterbrochen wurde, die sich einen Moment an ihre Jungen schmiegte, dann beiden über die Stirn leckte. »Streitet nicht. Gebt Acht auf euch. Ihr müsst jetzt aufeinander aufpassen...« Zirbenjunges schaute auf ihre Pfoten.
»So wie Kiefernjunges auf uns aufgepasst hat...« Mohnröte erstarrte. Sie konnte sich wirklich noch daran erinnern..... naja sie waren eben nicht dumm. »Seid so mutig wie er UND gebt auf euch Acht... und passt auf, dass eurem Vater nichts passiert Ich bin sicher, ihr schafft das...«
Dann lief sie zu Fleckennase und ließ ihre Jungen hinter sich. Sie war gerade dabei, Fuchsnase und die Jungen aus der Kinderstube zu begleiten. »Fuchsnase! Fleckennase!«
Die beiden drehten sich nach ihr um. Fuchsnase sah merkwürdig ernst aus, während Fleckennase irgendwie liebevoller wirkte, als sonst. »Passt auf euch auf!« Sie verbrachte merkwürdig wenig Zeit damit, sich von ihren Clangefährten zu verabschieden. Sie musste wieder in die Höhle zurück, nicht, dass er noch Verdacht schöpfte
·◦●○۞○●◦·
Schweren Herzens sah Mohnröte zu, wie der Clan wegzog. Weg von dem Lager, in dem sie so lange gelebt hatten. Weg von so vielen Erinnerungen. Aber hoffentlich auch weg vom Tod...
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top