~ Kapitel 22 ~


Schließlich war es so weit. Eschentrieb erreichte sie als Erster und begann direkt, sich auf Schilfpfote zu stürzen. Das hatte sie nicht kommen sehen. Verwirrt versuchte sie ihn zu blocken und wehrte sich gegen die harten Attacken. Damit war der Kampf erneut ausgebrochen. Die anderen verrauchten Katzen verteilten sich auf die beiden Schüler und griffen ebenfalls an. Nun war ihr ohnehin schon nicht sonderlich gut durchdachter Plan zu Nichte gemacht worden.

Schade um die mühevollen Überlegungen! Doch das musste jetzt warten! Die Kätzin sah im Augenwinkel, wie Pantherpfote überrumpelt wurde und wankend versuchte, den Angriffen standzuhalten. Verängstigt um ihren Freund startete Schilfpfote nun auch eine Attacke, um zu dem kleineren Kater vordringen zu können. Wieso nur war der Plan so extrem schiefgelaufen? Das Wichtigste war doch, dass sie zusammen blieben. Und direkt als erstes hatten sie sich getrennt und wurden nun jeder einzeln von Schlägen überrascht.

Die Schülerin spannte ihre Muskeln an und machte einen großen Satz auf die Katze vor ihr zu. Mit einem starken Tritt bahnte sie sich einen schmalen Pfad aus dem Gerangel und wurde sofort wieder verfolgt. Inzwischen waren die Gegner schon zu sechst und ließen den beiden unerfahrenen Schülern kaum Zeit, auf die Angriffe zu reagieren. Es war hart nicht zu Boden gerissen zu werden. Doch irgendwie hielten sich die beiden noch bei Kräften.

Angestrengt sprintete Schilfpfote zu ihrem Baugefährten und schlug sich durch die unendliche Katzenmasse. Seitlich rammte eine ihre fremde Katze scharfe Krallen in ihre Seite. Schmerzerfüllt jaulte die Schülerin auf und antwortete mit einem hastigen Prankenhieb. Ohne groß auf ihre Umwelt zu achten, bemühte sie sich zu Pantherpfote zu gelangen. Gemeinsam waren sie definitiv stärker!

Als sie endlich zu dem Kater durchdringen konnte, erblickte sie ihn, wie er gerade einen großen Krieger zur Seite schubste und ihn mit seinen Krallen am Ohr erwischte. Dann sah auch er auf und erkannte Schilfpfote. „Bin ich froh, dass du da bist!", gab er preis und brüllte die Worte förmlich durch den Krawall, der bei der heftigen Rauferei entstanden war und nicht mehr zu enden schien.

Zustimmend nickte die Kätzin während sie sich zu ihm gesellte und einen raschen Angriff einer anderen Katze selbstbewusst abwehrte. Gemeinsam verteidigten sie sich gegen die Meute und merkten nach einer kurzen Weile, wie sie nun von einem gewaltigen Haufen GeisterKatzen umzingelt waren. „Was war nochmal damit, falls wir in der Falle sitzen?", stellte Pantherpfote gekränkt fest. Schilfpfote erwiderte nur kurz: „Ja... . Wir geben aber nicht auf!"

Fest entschlossen, nicht locker zu lassen, um die Gegner zu vertreiben, sprang sie einem der Biester direkt ins Gesicht und verkratzte ihm die Augen. Und dieser reagierte tatsächlich mal auf das Leid, das ihm zugefügt wurde. Er schüttelte die Kätzin ab und stieß einen spitzen Schrei aus. Das Geräusch bohrte sich in die Glieder der Schüler und jagte ihnen eine scheußliche eiskalte Welle über den Rücken. Schilfpfote's Nackenfell richtete sich kerzengerade auf und versetzte sie in eine Starre.

Viel zu viele Sekunden wankte sie herum und bemühte sich, auf den Beinen zu bleiben. Erst als sie von der Seite umgestoßen wurde und sich eine Katze auf sie stürzte, wurde sie in die reale Welt zurück geholt und wehrte sich. Die Rauchkatze versuchte sie zu beißen, aber als sie gerade ihr Maul aufriss, wurde sie von einem schwarzen Körper zu Boden gerissen. Pantherpfote hatte sie umgehauen und sich in sie verbissen.

Wütend rammte er seine Krallen in den grauen Leib unter sich und riss mehrere blutrote Löcher in die pulsierende Haut. Wieder erschien dieses seltsame grelle Licht und ließ den Angreifer den Schmerz nicht einmal wirklich bemerken. Der große Kater erwischte Pantherpfote's Bein und riss es herum. Mit einem gekonnten Tritt befreite sich der Gegner erneut und raste nun auf den Schüler zu.

Erschöpft versuchte dieser auszuweichen und rannte dabei versehentlich in einer andere GeisterKatze, welche ihn augenblicklich böse anstierte und ins Visier nahm. Das durfte nicht wahr sein! Schilfpfote verteidigte sich unterdessen gegen eine schlanke Kätzin, die blitzschnell um sie herum rannte und sie des Öfteren seitlich mit den spitzen Krallen touchierte. Aufgebracht schaffte es die Schülerin sich nach einigen Runden ihrer Angreiferin in den Weg zu werfen und ihre Krallen in das Fleisch der rennenden dunklen Wolke zu rammen.

Mit Hilfe einer blitzschnellen Bewegung riss sie ihre Pranke weiter durch den starken Körper, bis dort eine klaffende, leuchtende Wunde entstanden war. Ein wenig außer Atem kämpfte Schilfpfote sich wieder auf die Beine und betrachtete ihr Werk schnaubend. Froh darüber, dass sie die Gegnerin getroffen hatte, versetzte sie der wankenden Katzendame, die schnell wieder zu sich kam, einen weiteren Stoß. Durch diesen fiel das Monster erneut um und brauchte erst einmal wieder einen Augenblick, um sich davon zu erholen.

Zufrieden wollte sich die junge Kätzin gerade einer anderen Rauchkatze widmen, als sie schließlich ein hilferufendes Miauen wahrnahm. Doch es war nicht irgendeine Katze, die in der Klemme zu stecken schien. Als Schilfpfote ihren Kopf wandte und den Blick hastig über das Schlachtfeld gleiten ließ, entdeckte sie weiter oben Löwenjunges, wie er vergeblich versuchte, auf dem Ast weiter voranzukommen. Denn hinter ihm tauchte plötzlich eine der gemeinen GeisterKatzen auf und jagte ihm langsam nach.

Mit einem Satz wollte sie sich auf ihn stürzen, aber er wich gekonnt aus. Erschrocken rannte die Schülerin los, um ihrem kleinen Freund zu helfen. Doch die anderen Rauchgestalten versperrten ihr den Weg. Gleich vier der Angreifer drängten sie langsam mit immer wiederkehrenden Schlägen in Richtung des Sees. Besorgt blickte Schilfpfote von ihren Belagerern zu Löwenjunges und zurück. Wie konnte sie ihm nur helfen? Was war, wenn er erwischt wurde? Oder noch schlimmer, wenn er gefressen wurde?

Unschlüssig wie sie nun weiter vorgehen konnte, wich die dürre Kätzin immer weiter zurück und tänzelte aufgeregt hin und her. Sie musste dem Kleinen doch irgendwie helfen können! Auf einmal drang ein unüberhörbares Knacken an ihr zuckendes Ohr und verriet ihr, dass der Ast, auf dem Löwenjunges soeben um sein Leben kämpfte, an Kraft verlor. Das viele Gewicht der zweiten Katze auf dem dünnen Holz brach plötzlich durch und ließ den Zweig brechen.

Mit einem fiesen Krach schlugen der Kater und das Junge auf dem Boden auf. Der Ast zersplitterte an einem spitzen Stein am Waldrand und zerbarst in mehrere kleinere Stücke. Ängstlich bemühte sich die Schülerin über die böse und zielstrebig blickenden Köpfe ihrer Gegner zu schauen, doch Löwenjunges war nun außerhalb ihres Blickfeldes. Was konnte sie jetzt noch machen? Im Hintergrund sprang ein großer Rauchkater in die Höhe und die Kätzin hoffte inständig, dass er es nicht auf das Junge abgesehen hatte.

Verängstigt taumelte sie ein paar weitere Schritte zurück und stand nun erneut im klaren Wasser des schimmernden Sees. Da war es wieder! Dieses unendliche Kribbeln, dass sich in ihrem Körper breit machte und ihr neuen Mut einflößte. Jedoch würde dieser wohl kaum reichen, um ihre Freunde zu befreien und zu retten! Innerlich zerrissen kämpfte Schilfpfote mit sich selbst und bekam irgendwann nicht mehr wirklich mit, wie sie tiefer und tiefer in das Gewässer gedrängt wurde.

Hastig atmend, versuchte sie sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen, wobei sie allerdings kläglich scheiterte. Müde bekam sie nur noch die Hälfte der Geschehnisse mit und beugte sich ihrem Schicksal. Die Geräusche um sie herum wurden undeutlich und klopften in einem riesigen Klumpen heftig gegen die Innenwand ihres Ohrs. Gedankenverloren sank sie immer tiefer. Nach einer Zeit umschloss das Wasser ihre Schultern und schwappte schließlich an ihr geschlossenes Maul.

Bald war alles vorüber, dachte sie noch, bevor sie sich ihrem Schicksal unterwerfen wollte. Doch plötzlich entdeckte sie Pantherpfote am Ufer, wie er von bestimmt fünf Rauchkatzen überfallen und zu Boden gepresst wurde. Ein leises Gefühl der Angst beschlich die Schülerin und wuchs in ihrem ganzen Schmerz immer weiter. Aber als ihre Augen schließlich auch noch Löwenjunges erspähten, war das Eis gebrochen. Er war von gleich sechs GeisterKatzen umzingelt, die sich gerade bereit machten, ihn zu vernichten.

Das konnte sie nicht zulassen! Nun brodelte eine unendliche Wut in ihrem Herzen empor, fraß alles Leid, was sich in ihrem Weg befand auf und hämmerte gegen die Außenwand ihrer Brust. Bereit alles zu zerstören konnte dieser viele Hass gegen das GeisterRudel nicht länger warten befreit zu werden. Er musste sich selbst befreien.

Plötzlich stürzten sich die Katzen, die Schilfpfote ihrem Untergang entgegen geschoben hatten, auf sie und drückten sie unter die Oberfläche. Vollkommen überwältigt versuchte die Kätzin wieder Luft atmen zu können und wehrte sich gegen die Biester, die sie wie ein nerviger Schwarm Wespen attackierten. Sie kämpfte, doch kam nicht mehr hoch. Traurig blickte sie zu der verschwommenen Wasserkante, auf die der fast volle Mond sein Licht fallen ließ.

Dort oben waren ihre Freunde! Und sie waren in Gefahr! Aber was konnte sie tun? Was konnte sie gegen diese Monster unternehmen? Und wie konnte sie ihre Wut unter Kontrolle bringen? Bitter trat sie wild um sich und bemühte sich die Angreifer auf Abstand zu halten. Dummerweise brachte es genauso viel, wie sie zu verletzen, was sie nunmal nicht merkten. Wieso waren diese Katzen so unverletzlich und so unglaublich stark?

Erschöpft kämpfte sie gegen ihre eigene Wut an und versuchte gleichzeitig nicht zu ertrinken. Immer tiefer sank sie mit den anderen Katzen in die zunehmende Dunkelheit. Wie konnten sie sie überhaupt noch so gut treffen? Konnten sie etwa unter Wasser sehen? Nach einer kurzen Zeit wurde Schilfpfote schummrig im Kopf und sie konnte sich nur noch mit Mühe und Not bei Bewusstsein halten. Langsam wurde die Luft knapp. Jetzt war echt alles egal! Es war sowieso nichts mehr zu retten!

Also ließ die Schülerin ihrem Geist freien Lauf, öffnete ihr Herz und hörte auf, ihrer ganzen Wut und dem Frust gegen diese Biester den Weg zu versperren. Langsam schloss sie ihre Augen und ließ ihre Seele leben. Mit einem Mal gewann sie mehr und mehr an Stärke und Mut. Ihr Bewusstsein kehrte bald wieder in einem guten Zustand zurück und verwandelte sich in einen puren Beschützerinstinkt. Das Kribbeln, das nie wirklich fort war, kehrte verstärkt zurück und gab ihr einen Schub. Der See schenkte ihr Vertrauen.

Er schenkte ihr Kraft. Er flutete das Herz der jungen Schülerin mit seiner eigenen Seele. Das Wasser versuchte sie nun nicht mehr in seinen Bann zu reißen, sondern zischte durch ihre Adern und half ihr. Der Nachtsee beschützte sie, hatte seinen Geist in sie übertragen und ihr nun ein Herz hinterlassen, das seines Kampfgeistes nicht mehr beraubt werden konnte. Es war von der Tiefe des Sees geschaffen worden und brachte sie wieder zum Leben.

Sie würde nicht mehr aufgeben! Auf einmal schoss ihr diese seltsame Kraft in die Gliedmaßen. Ein zweiter Wille brauste in ihren Körper und begann sich zu vergrößern. Ein wilder Orkan fegte durch ihren Brustkorb und ließ sie erzittern. Die heftigen Winde türmten sich zu einem gewaltigen Sturm auf und schickten Blitze in ihre Blutgefäße. Die ungezügelte Kraft warf ihr Grollen in das Herz dieser innerlichen Kriegerin und überrollte ihre Sinne.

Dieser riesige, entfesselte Sturm, dafür geboren um nur noch Chaos zu hinterlassen, verband sich mit der Flut in ihrem Geist, die alles verschlang, was sich in ihre maßlose Bahn warf. Eine ungeheure Kraft ballte sich im Inneren der Kätzin und wartete nicht mehr darauf, gezähmt zu werden. Diese Kraft konnte nicht kontrolliert werden! Und falls man es je wagen sollte es zu versuchen, wird sie es niemals zulassen! Das war ihre Seele! Ihr Geist, der nun aufflammte und sie wieder zum Leben erweckte.

Doch dann verfiel sie ihrem Herzen.

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