Krähenfeders Leugnung
Der dunkelgraue Kater saß in der Mitte des Lagers und betrachtete Windpelz, wie dieser sich mit Heideschweif unterhielt. Es war einer der seltenen Augenblicke, in denen er in den Augen seines Sohnes keinen Zorn sehen konnte. Krähenfeders Herz zog sich zusammen als er das liebevolle Funkeln in den Augen des schwarzen Katers sah. Wieso konnte er nicht immer so sein? Doch dieser Hass und dieser Zorn waren tief in seinem Herzen verankert. Viel zu tief als das die Liebe etwas daran ändern könnte. Krähenfeder seufzte tief. Er hatte wirklich versucht Windpelz zu lieben. Er hatte es sogar getan. Doch als er zum ersten Mal den Hass in den bernsteinfarbenen Augen des jungen Katers gesehen hatte, wäre er am liebsten davongelaufen. Wie diese Reaktion bei Windpelz zu Stande gekommen war, war Krähenfeder ein Rätsel. War er wirklich solch ein schlechter Vater?
Der nachtschwarze Krieger, der seinen Eltern vom Aussehen her unglaublich glich, wandte seinen Kopf zu ihm um und Krähenfeder zuckte zusammen. Wie immer wenn Windpelz seinen Vater betrachtete wirkte er kurzzeitig wie ein geprügelter Hund, gleich darauf aber wurden seine Gesichtszüge hart, es wirkte fast, als wäre er auf die ganze Welt wütend und nichts könnte ihn von dieser Einstellung abbringen.
Er wandte seinen Blick ab und trottete mit hängendem Kopf zum Lagerausgang. Was sollte er nur mit Windpelz machen? Dieser Hass konnte seine Familie doch nicht auf ewig beherrschen!
Gerade als Krähenfeder sich durch die Ginsterzweige hindurchzwängen wollte, kamen ihm Ginsterschweif, Rennpelz und Eulenbart entgegen. Die drei Krieger sahen abgehetzt aus und mussten erst mehrmals nach Luft schnappen, bevor sie begannen wild durcheinander zu reden. „Löwenglut! Er ist vollkommen übergeschnappt!“, fauchte Eulenbart und Rennpelz knurrte zeitgleich: „Am liebsten würde ich ihm das Fell zerfetzen!“ Ginsterschweif knirschte mit den Zähnen: „Diese DonnerClan-Katzen werden immer noch eingebildeter! Spaziert der einfach auf unser Territorium und verlangt nach dir, Krähenfeder!“
Für einige Herzschläge war Krähenfeder verwirrt. Was sollte Löwenglut denn von ihm wollen? Das ergab doch keinen Sinn! Doch dann erinnerte er sich, wer die Eltern des jungen goldfarbenen Kriegers waren. War etwa Brombeerkralle oder Eichhornschweif etwas passiert?
Abwesend brummte er: „Ich werde mal schauen gehen, was er will.“ Bei der Hälfte des Satzes hatte er das Lager schon verlassen und rannte durch das Territorium.
Sein Bauch krampfte sich zusammen, als er sich so schnell er konnte dem Bach näherte. Wenn nun etwas mit seinen Freunden passiert war?
Schon von weitem wurden die Gerüche von Löwenglut, Häherfeder und Distelblatt zu ihm heraufgeweht. Wieso kamen gerade die drei Geschwister? Das musste doch irgendetwas zu bedeuten haben! Kurz vor der Grenze blieb er stehen und musterte die DonnerClan-Katzen. Sie wirkten angespannt, Distelblatt zitterte sogar. So ausdruckslos wie er konnte miaute er: „Was wollt ihr?“
Er stand den dreien nun gegenüber. Als er sah, wie Häherfeders Stimme beim Versuch etwas zu sagen brach, ging er vom schlimmsten aus. Sein Fell sträubte sich und er grub seine Krallen in die weiche Erde, wie um sich festzuhalten. Distelblatt holte tief Luft, doch dann sprach Löwenglut, der als einziger nicht zögerte. „Brombeerkralle und Eichhornschweif sind nicht unsere Eltern“, miaute der golden getigerte Kater. „Blattsee ist unsere Mutter und du bist unser Vater.“
Verblüfft stockte Krähenfeder. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Wobei… bei Häherfeder und Distelblatts Pelzen hätte er es sich eigentlich denken können. Dann wurden ihm die Folgen dieses Satzes klar. Nachtwolke! Windpelz! Sie würden ihn hassen. Es durfte einfach nicht wahr sein. Häherfeder und Distelblatts Fellfarben war bestimmt nur irgendeinem Ahn zu verdanken. Vielleicht hatten ja Brombeerkralle oder Eichhornschweifs Großeltern dunkles Fell? Das musste es sein! Und diese drei jungen Katzen hatten nur irgendetwas falsch verstanden. Wohlmöglich waren sie ja wegen der Fellfarbe der Meinung er wäre ihr Vater.
„Sei kein Mäusehirn“, miaute Krähenfeder mit Nachdruck. „Das ist unmöglich!“ Er wusste, dass es nicht unmöglich war. Aber das musste er den dreien ja nicht unter die Nase reiben.
Der fast schwarze Kater erinnerte sich, wie er damals mit Blattsee an der Klippe zum Felsenkessel stand. Es schien ihm als wäre es unzählige Blattwechsel her. Dichtes Unterholz wucherte um ihn herum, er stand auf einem Felsen und konnte in das DonnerClan-Lager hinunterblicken. Blattsee hatte sich am Felsenrand festgeklammert, ihr Gesicht flehend nach oben gereckt. Noch heute wünschte er sich zu wissen, was sie in diesem Moment gedacht hatte. Krähenfeder packte sie am Genick und zog sie hinauf in Sicherheit. Wenn er damals gewusst hätte, wie viel Schmerz aufgrund dieser Begegnung folgen würde, hätte er sie wahrscheinlich fallen lassen. Nein hätte er nicht. Er war ein Krieger, er hätte sie so gerettet wie jede andere Katze auch. Und trotzdem…
Er dachte daran, wie sie beide dicht zusammengekauert unter einem Busch saßen. Es war die Nacht, in der sie flohen. Sie wollten für immer beieinander sein. Ihre eigene Familie gründen. Frei sein von den Problemen, die das Gesetz der Krieger ihrer Verbindung brachte. Er hatte ihr versprochen gut für sie zu sorgen. Und das hätte er auch getan. Wenn nicht Mitternacht aufgetaucht wäre und mit wenigen kurzen Sätzen alles zu Fall gebracht hätte, woran er geglaubt hatte. Diese mäusehirnige Dächsin hatte ihnen von den Problemen der Clans erzählt. Und sofort war klar gewesen: Blattsee konnte ihren Clan nicht vergessen. Sie musste zurück.
Und dann, als sie das Lager erreicht hatten, gellte Katzengeschrei durch die Luft. Die vielen angreifenden Dachse umzingelten sie, knurrten, schlugen. Schließlich standen Blattsee und Krähenfeder auf der Lichtung, inmitten den Trümmern des DonnerClan-Lagers. Er hatte es erkannt. Ihr Herz war nicht bei ihm sondern bei ihrem Clan. Und das würde es für immer sein.
War es nun möglich, dass Blattsee zu diesem Zeitpunkt Junge erwartet hatte und nichts davon wusste? Doch wenn das so war, hätte sie es ihm doch spätestens nach ihrer Geburt erzählt, oder etwa nicht?
Häherfeders Worte rissen ihn aus seinen Gedanken: „Es stimmt.“ Die blinden blauen Augen blickten Krähenfeder direkt an. Augen, die seinen so ähnelten… „Du hast es nicht gewusst, oder?“
„Nein…“ Einen Herzschlag lang klang Krähenfeders Stimme wie benommen. Es machte keinen Sinn es zu leugnen. Blattsee und er hatten Junge. Und sie hatte ihm nie etwas davon erzählt. Wenn er es gewusst hätte… Ja, was wäre dann gewesen? Er hätte Löwenglut, Distelblatt und Häherfeder nie ein guter Vater sein können. Mit Brombeerkralle waren sie besser dran gewesen. Sollte sie sich doch zu ihm zurück scheren! Sie hatten hier nichts zu suchen. Sie sollten verschwinden! Er hatte ihnen gegenüber keinerlei Schuld. Sollte sich ihre Mutter doch um das Problem kümmern!
„Ich habe eine Gefährtin“, fauchte er wütend. „Ihr Name ist Nachtwolke. Wir haben einen Sohn, Windpelz. Ich weiß nicht, warum ihr mit diesen Lügen zu mir kommt. Geht nach Hause und lasst euch hier nie wieder blicken. Warum sollte ich mich um Donnerclan-Katzen scheren? Ihr bedeutet mir nichts. Gar nichts!“
Krähenfeder konnte hören, wie Distelblatt nach Luft schnappte. Distelblatt, seine Tochter. Löwengluts Krallen scharrten an den Steinen unter seinen Pfoten. Krallen, die er eigentlich von Brombeerkralle hätte erben sollen. Brombeerkralle war der Vater dieser Katzen und nicht er. Brombeerkralle hatte sie groß gezogen, ihnen ihre ersten Kampftechniken gezeigt. Es war besser, wenn die drei vergaßen, in welcher Verbindung sie zu ihm standen und ihr Leben lebten. Sie brauchten ihn nicht, er war nur Ballast. Und er brauchte sie nicht. Er hatte eine Familie.
Unnatürlich ruhig richtete Häherfeder seine blinden Augen auf ihn. „Die Wahrheit ist herausgekommen“, miaute er mit einem warnenden Unterton. „Und keiner von uns kann sich je wieder vor ihr verstecken.“
Mit diesen Worten wandten sich die jungen Katzen ab und rannten davon. Zurück in den Wald, der ihr Territorium war. Krähenfeders Fell hatte sich bei Häherfeders letzten Worten aufgestellt. Was sollte er nur Nachtwolke erzählen? Würde sie ihm vergeben können? Wahrscheinlich nicht. Die Wahrheit durfte einfach nicht ans Licht kommen! Wieso nur konnten sie es nicht einfach auf sich ruhen lassen? Wollten sie wirklich, dass alle Katzen wussten, dass sie Halb WindClan waren? Das konnte doch nicht ihr ernst sein! Wenn sie schon wegen ihm nicht schweigen wollten, konnten sie es doch wenigstens für ihre Mutter tun. Und für Eichhornschweif. Die rote Kätzin hatte sicherlich auch ihre Pfoten im Spiel, sonst hätte sie wohl kaum all die Monde allen etwas vorgespielt.
Ohne es zu merken hatten die Pfoten des dunkelgrauen Katers ihn zurück zum WindClan-Lager getragen. Möglichst gelangweilt trottete er durch die Ginsterzweige hindurch. Er würde sich eine gute Lüge ausdenken müssen, weshalb die drei hier gewesen waren. Irgendetwas würde ihm schon einfallen. Hoffentlich.
Ja ich weiß, es hat ewig gedauert. Ich kann ehrlich gesagt aber nicht versprechen, dass es das nächste Mal schneller gehen wird.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top