Flucht

"Lauf, Motte, renn um dein Leben, wenn es dir lieb ist!", dröhnen Birkenhains energische Worte in meinem Ohr. Meine Muskeln brennen, genau wie die unzähligen Wunden an meinem weißem Hinterlauf.
Ich spüre, wie mir die Luft langsam aus den Lungen gepresst wird, während ich über die offene Wiesenlandschaft jage, in der Hoffnung, den morgigen Sonnenaufgang noch zu erleben.

Im Augenblick ist mein Fluchtinstinkt mächtiger als die Angst um Birkenhain, der mir noch in völliger Verzweiflung hinterherschreit: "Ich werde sie aufhalten! Sie werden dich nicht bekommen, das werde ich mit meinem Leben verhindern!" Doch diese entmutigt klingenden Worte aus dem Maul des Kriegers blendet mein Kopf instinktiv aus.

Mein sandfarbenes Fell wird im mir entgegen kommenden Wind zerzaust, die Kälte frisst sich in meine Haut, doch das spüre ich schon nicht mehr. Langsam geht mir die Kraft und die Puste aus, doch ich zwinge meinen Körper dazu, noch einmal sein bestes zu geben.

In meinem endlos scheinenden Sprint verdränge ich alle Gedanken die mich erreichen wollen. Ein erschütternder Fehler, das sollte sich später noch herausstellen.

Unermüdliche Angst brodelt in mir, meine eisblauen Augen sind weit aufgerissen, mein ganzer Pelz eigentlich aufgestellt, was der Wind jedoch wieder glättet. Ich will nach Luft ringen, doch mein Körper hat mich schon aufgegeben.

Mein Kopf dröhnt, meine Pfoten spüre ich schon gar nicht mehr. Das letzte was ich sehe ist die rötlich schimmernde Sonne die in einem flackerndem Tanz hinter den Hügeln langsam den tag zu Ende gehen lässt. Dann wird mir schwarz vor Augen und mit ein paar hoffnungslosen Atemzügen verlässt meine Seele diese grauenvolle Welt voller Blut, Tod und Trauer.

"W-wo bin ich hier?" frage ich stotternd als ich auf einer leuchtenden Wiese aufwache. Kleine Glühwürmchen flattern um mich herum, führen einen zärtlichen Tanz auf und erfüllen die Luft mit einem leisen Summen.

"Du bist an dem Ort, an dem jeder Stern zuhause ist. Wir nennen ihn das ewige Leben." Eine weiche Stimme, die mir nur allzu bekannt vorkommt erklingt hinter mir. Vorsichtig richte ich mich auf, bis mir auffällt, das meine Kopfschmerzen, sowie die ganzen anderen quälenden Schmerzen die mich plagten, wie vom winde verweht sind.

Als ich aufsehe, blicke ich in ein smaragdgrünes, reines Augenpaar. Freude kommt in mir hoch. "Vinuu? Hoffnung kehrt in mich zurück. Mein alter Freund ist doch nicht im Feuer umgekommen! Aber...wie kann das sein?

Der rotbraune Fuchs stieß ein leises lachen aus. "Nein, Motte, du irrst dich. Ich bin durchaus nicht mehr lebendig. Hier kommt jedes Tier nach dem Tod her, wenn es an keinem Glauben festhält, der wirklich existiert."

"D-das heißt ich bin..." mir stockt der Atem. Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Ich hatte doch noch wichtiges zu erledigen, das Schicksal aller Clans hing an mir, wie eine lästige Fliege. "...tot?" Als ich dieses Wort aussprach lief mir ein eisiger Schauer über den Rücken, instinktiv stellte sich mein Nackenfell auf.

"Ja, meine kleine. Das bedauere ich sehr...doch ich habe eine Bitte an dich." trotz Vinuus weicher und zuversichtlicher Stimme hörte ich die Trauer heraus. Ich stand unter Schock, hatte die Kontrolle über meinen Körper für kurze Zeit verloren und brachte keinen einzigen Satz an dem riesigen Klos in meinem Hals vorbei. Also nicke ich nur leicht um meinem Gegenüber zu zeigen, das meine Aufmerksam nur ihm gehörte.

"Bitte folge mir, wenn du den Mut dazu hast, und keine Pause brauchst. Bitte tue es einfach!" den letzten Satz wisperte er leise, als wären es seine ausgesprochenen Gedanken.

Ich willigte ein und trat vorsichtig zu ihm. Sein weiches Fell berührte mich und gab mir das Gefühl von Geborgenheit. Der Fuchs verließ mit mir die idyllische Wiese auf der die Glühwürmchen tanzten und trat in einen funkelnden Wald, der schöner war, als ich es mir je hätte erträumen können.

Alle Sorgen waren vergessen, dieser Ort überwältigte mich mit seiner Harmonie, seiner Schönheit. Jedes Tier schien hier mit den anderen in Frieden zu leben, niemand sah so aus, als hätte er etwas düsteres im Schilde, alle waren mit einem lebensfrohen Lächeln im Gesicht unterwegs, Eichhörnchen spielten mit Mäusen im Gestrüpp, die Vögel hüpften durch das dichte Geäst in den überragenden Baumkronen, Wölfe amüsierten sich mit Luchsen und Füchsen, plauderten und tauschten sich über all ihre Abenteuer des vergangenen Lebens aus, die Fische tummelten sich im Wasser, veranstalteten Wettschwimmen mit Bibern und Wasserratten und selbst die Hermeline und Waschbären schienen sich untereinander fröhlich auszutauschen.

Ein wundersamer Ort...solch eine Lebensfreude, solch eine Harmonie, solch ein Frieden zwischen den Tieren...weshalb kann es bei den Clans nicht ebenfalls so sein? Ständig diese blutrünstigen Kriege, unnötige Schlachten, so viel überflüssiges Blutvergießen...

Vinuu riss mich mit seinen Worten aus meinen Gedanken. "Wir sind da, Motte. Hier ist der Baum der Weisen."

Ich blickte nach oben und machte sofort einen ehrfürchtigen Schritt zurück. Das war mit abstand der größte Ahorn, den ich je gesehen hatte. Seine Zweige wuchsen wie eine Treppe und ganz oben in der Baumkrone thronte eine riesige Fläche, auf der sich mehrere Tiere verschiedenster Art in gemütlich aussehenden Moosnestern tummelten.

"Da müssen wir hoch?" fragte ich vorsichtig. Diese Größe flößte mir ein wenig Angst ein.

Der Fuchs nickte, sein Blick war steht's zur Baumkrone erhoben. "Es ist nicht schwer, du musst nur deine Furcht loslassen, du musst dich trauen. Ich werde immer hinter dir sein und dich halten, falls du fallen solltest, was aber wahrscheinlich nicht der Fall sein wird."

"Und was, wenn ich doch falle, und du mich nicht erwischst?" mein Schweif ist eingezogen, meine Ohren ängstlich nach unten gesenkt. Doch Vinuus nächste Antwort hilft mir auch nicht besonders viel weiter. "Vertraue mir einfach. Ich bin immer an deiner Seite."

Ich schlucke und schüttle mich einmal, einfach nur, um das Gefühl zu haben, die Angst damit vertrieben zu haben. "Na gut." Fasse ich meinen Entschluss. "Aber du musst hoch und heilig versprechen, das du sofort da bist, wenn ich auch nur das kleinste bisschen schwanke, okay?"

Ich muss nicht lange warten, da kommt Vinuus zuversichtliche Antwort: "Natürlich, ich werde dir sofort zur Hilfe kommen, wenn du meinst sie zu benötigen. Ich verspreche es hoch und heilig. Und ich versichere dir, das du es auch ohne meine Hilfe zur Baumkrone schaffen kannst. Du musst nur an dich und dein Können glauben."

Nur an mich und mein Können glauben... wiederhole ich seine Worte in Gedanken.

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-Noch nicht überarbeitet-

Geschrieben von Nebel ^~^ Wie findet ihr es? Schreibt eure Meinung und Verbesserungsvorschläge doch mal in die Kommentare, es würde mich sehr erquicken :D

Fortsetzung folgt...

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