Kapitel 99
Das Gezwitscher der Vögel drang in Herbstbrises Ohren. Langsam blinzelnd öffnete die goldene Kätzin ihre Augen und sah sich um.
Sie befand sich auf einer Lichtung. Diese war umhüllt von dem warmen Licht des Abendrots.
Staunend betrachtete Herbstbrise die untergehende Sonne - Ein wunderschöner Verlauf zwischen Rot- und Gelbtönen. Langsam wanderte ihr Blick wieder zur Wiese.
Sie war mit violettfarbenen Blumen bewuchert, um die bunte Schmetterlinge tanzten.
Entspannt legte sich Herbstbrise auf das angenehm kühle Gras. Sie wusste zwar nicht wo sie sich befand, doch das war ihr im Moment egal.
Hier war es wunderschön. Sie wollte den Duft nach Wildblumen genießen, der ihr in der Nase kitzelte,
den schönen Anblick des Sonnenuntergangs und das seltene Gefühl von Ruhe und Frieden.
Im schlummrigen Licht fielen ihre Augen wie von alleine zu. Berauscht von dem Pfeifen des Windes und dem Gesang der Vögel glitt Herbstbrise nach und nach in den Schlaf.
Doch als sie meinte, alles um sich herum zu vergessen und sich in ihre wilden Fantasie zu flüchten, erklang ein sanftes Miauen:
"Herbstbrise, wach auf meine Liebe." Verwirrt schlug Herbstbrise die Augen auf. Wer hatte da gesprochen? Sie kannte die Stimme nicht.
Eine hübsche weiße Kätzin mit einem cremefarbenen Rücken und blauen Augen blinzelte sie freundlich an.
"Du träumst bereits" ,schnurrte sie. In ihrer Stimme schwang Belustigung. " Es besteht also kein Grund erneut ein zu schlafen.
Du befindest dich in den Jagdrevieren des Sternenclans." Endlich erwachte in Herbstbrise ein Licht. Deswegen also hatte sie nicht gewusst, wie sie hier hergekommen war.
Die hübsche Sternenclan Katze hob eine Maus vom Boden auf und reichte sie ihr. "Du siehst hungrig aus" ,bemerkte sie, "friss sie bitte!"
Herbstbrise nickte dankbar und biss in das saftige Fleisch. In gierigen Happen verschlang sie das Beutetier und schleckte sich anschließend zufrieden über das Maul,
an dem noch der Geschmack von Fleisch haftete. Dann schaute sie wieder zu der Kätzin. "Wie heißt du?"
Die Weiße schnurrte. "Anscheinend hat dir meine Beute geschmeckt. Und nun zu deiner Frage: Mein Name ist Samtblume."
In der ersten Sekunde lächelte Herbstbrise bei dem Klang des schönen Namens, dann sträubte sich ihr Fell.
Sie hatte fast vergessen, WER Samtblume war.
"DU bist Samtblume!? Gewittersterns MUTTER!?"
Ein entschlossener Blick trat in Samtblumes Gesicht. "Und? Macht mich das böse?" ,gab sie zurück.
Darauf fiel Herbstbrise keine Antwort ein. Ein betretenes Schweigen machte sich breit. Dann aber seufzte Samtblume auf und fuhr ruhiger fort:
"Ich verrate dir mal was, Herbstbrise: Nicht jede Katze ist so, wie sie zu sein scheint. Lerne Freunde von Feinden zu unterscheiden,
denn das könnte beim großen Kampf mehrere Leben retten." Verwirrt legte Herbstbrise den Kopf schief. Diese Anweisung ergab für sie keinen Sinn.
"Wie meinst du das?"
Samtblume sah ihr ernst in die Augen. Ihr leuchtend blauer Blick schien sie zu durchdringen.
"Denk einfach an Hagelbruch und Nachtspritzer, dann wirst du mich verstehen." Mit diesen Worten löste sie sich allmählich in Luft auf.
Auch Herbstbrise spürte, wie ihr schwindelig wurde, bevor sie sich in der realen Welt wiederfand.
"Denk einfach an Hagelbruch und Nachtspritzer, dann wirst du mich verstehen." ,hallte Samtblumes Stimme in ihrem Kopf nach.
Was laut ihrer Vorstellung sollte sie nun tun? Doch bevor Herbstbrise sich darüber weitere Gedanken machen konnte,
lenkte sie Blaubeerfluss' fröhliches Miauen ab. "Guten Morgen, Schnarchnase! Wir sind nun nicht mehr weit von der Versammlungshöhle entfernt,
falls du das noch nicht bemerkt haben solltest. Nur noch ein, zwei Tagesreisen und wir sind beim Himmelclan angekommen."
Herbstbrise erschauderte. Im Gegensatz zu Blaubeerfluss machte ihr diese Vorstellung Angst.
Wie würden ihre Clangefährten nach ihrem jahrelangen Verschwinden über sie urteilen? Würden sie sie wegschicken? Waren sie überhaupt noch da?
Aber am meisten bereitete ihr der Gedanke an Schilfherz Schuldgefühle. War es richtig gewesen, ihn alleine zu lassen?
Eulenschlag und Lavendelsee waren auch ohne sie glücklich. Beide hatten eine Familie, aber er? Er hatte nur noch seine Schwester Bienenfeder.
"Herbstbrise? Alles in Ordnung?" Blaubeerfluss' besorgte Augen trafen ihren Blick. Herbstbrise nickte langsam. "J-ja. Alles ist gut" ,log sie.
Sie versuchte erst gar nicht, auf Blaubeerfluss' Misstrauen einzugehen, sondern drehte sich schnell weg.
Ihr Unbehagen war zu offensichtlich, als dass sie es verbergen könnte. Weiches Fell streifte das ihre und Herbstbrise sah sich Mondstrahl gegenüber.
"Lasst uns einfach aufbrechen" ,schlug die cremefarbene Kätzin vor. "Dann nichts wie los" ,schaltete sich Hagelbruch ein
und trabte ohne auf eine Antwort zu warten über die Wiese, Herbstbrise und Mondstrahl im Schlepptau. Blaubeerfluss schloss sich ihnen achselzuckend an.
Aufgrund des Magenknurrens der anderen fühlte sich Herbstbrise schlecht. Sie hatte schon etwas gefressen, während der Rest hungerte.
Die Katzen überschritten mehrere Pfade, an denen schwache Erinnerungen hafteten. Herbstbrise konnte das Umfeld nur bruchstückhaft wiedererkennen.
Es war einfach zu lange her, seitdem sie an ihm vorbeigekommen war. Doch mit viel Mühe schaffte sie es gemeinsam mit Mondstrahl die Erinnerungen zusammen zu puzzeln
und somit die Wege zu bestimmen.
Selbst am Mittag war die Versammlungshöhle noch immer nicht in Sicht.
Leise vor sich hergrummelnd tappte Herbstbrise über die steinigen Pfade. Die anderen folgten ihr mit etwa derselben Stimmung.
Nur Rabenschein machte einen munteren Eindruck. Sie quasselte Hagelbruch unaufhörlich die Ohren voll.
Sie ritt mal wieder auf seinem Rücken, wie so ziemlich an den meisten Tagen. Denn immer wenn Blaubeerfluss mit dem Tragen an der Reihe war,
übernahm der weiß-blaue Kater diese Aufgabe für sie. Herbstbrise schmunzelte. Was für ein Kavalier.
Ein spitzer Stein stach in in Ballen. Auffauchend sprang die rot getigerte Kriegerin rückwärts und leckte sich die schmerzende Pfote.
"Mäusedung!" ,schimpfte sie. Mondstrahl war sofort an ihrer Seite, um ihr auf zu helfen. Herbstbrise lief wankend ein paar Schritte vorwärts
und erkannte mit Erleichterung, dass sie weiter wandern konnte. Sie wartete noch kurz auf Mondstrahl, bevor sie losschritt.
"Danke für deine Unterstützung" ,miaute sie ihrer cremeweißen Freundin von der Seite zu. Ohne sie wäre sie wahrscheinlich nicht mal aufgekommen.
Schweigend trotteten die Katzen weiterhin über das Land, immerzu ihren Erinnerungen folgend.
Als die Dämmerung einbrach, konnte Herbstbrise endlich die hohen Seinwände der Versammlungshöhle vor sich erkennen.
Laut aufjauchzend rannte sie auf sie zu. Tausend Gerüche wehten ihr entgegen, die ihr schmerzhaft vertraut waren.
Wasserclan, Laubclan, Mondclan, HIMMELCLAN!!! Darunter meinte sie schon die Düfte verschiedener Katzen zu erkennen.
Herbstbrise tauschte einen vielsagenden Blick mit Mondstrahl. Wir sind zurück! Endlich zurück in unserem Zuhause!
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