Keuchend raste Herbstbrise über die Wiese. Mondstrahl hing wie ein nasses Bündel Fell in ihrem Maul. Schlaff und schwer.
Auch Blaubeerfluss und Hagelbruch erregten den Anschein, dass ihnen Mondstrahls Gewicht zu schaffen machte.
Sie schnauften laut und stöhnten immer und immer wieder. Trotzdem machten sie ebenso wenig wie Herbstbrise Anstalten, stehen zu bleiben.
Denn dann wären sie der blutrünstigen Streunerbande, die sie wie hungrige Wölfe jagte, hilflos ausgesetzt.
Mit jedem Schritt fühlte sich Herbstbrise schlapper. Ihre Beine schrien vor Anstrengung.
Doch die Kätzin versuchte verbissen, weiterzulaufen, immerzu weiter. Ansonsten ist es endgültig aus mit mir.
Der Wind bließ ihr frische Luft ins Gesicht und kühlte somit ihren überhitzten Körper. Herbstbrise seufzte.
Wenigstens das. Ein tiefer Atemzug, dann sah sie rasch hinter sich, um sich zu vergewissern, dass die Feinde noch auf Abstand waren.
Sie erhaschte einen schnellen Blick auf ein paar verschwommene Gestalten, die ihr gefährlich nahe waren.
Herbstbrise bleckte die Zähne und stieß Blaubeerfluss in die Rippen. "Komm schon" ,zischte sie, "wir müssen schneller rennen!"
Blaubeerfluss zuckte kurz zusammen, dann nickte sie und verschärfte ihr Tempo. Als auch Hagelbruch seine Schritte beschleunigte, atmete Herbstbrise erleichtert auf
und passte sich der Geschwindigkeit ihrer Gefährten an. Mondstrahl öffnete kaum ein Auge, während sie in Windeseile über die Felder getragen wurde.
Der Wind zerrte wie Habichtklauen an ihrem Pelz und wehte ihr Blut durch die frische Luft.
Ohne den Blutschleier über ihrem verletzten Auge, sah Mondstrahl noch furchterregender aus, als zuvor.
Nun konnte man die Schnitte, welche tief in ihr Fleisch eingeritzt waren, deutlich erkennen.
Mondstrahl Tränen noch dazu. Herbstbrise ließ einen kläglich Schluchzer vernehmen.
Ihre Verzweiflung wuchs von Herzschlag zu Herzschlag. Was wenn Mondstrahl nun auch noch starb?
Wäre dann sie, Herbstbrise an ihrem Tod schuld, weil sie diejenige war, welche die cremeweiße Kätzin hier hergeführt hatte?
Diese Vorstellung war unerträglich. Doch Herbstbrise fehlte die Zeit, sich drüber einen Kopf zu machen.
Sie musste weg von hier. So schnell es ging. Einfach nur weg. Ihre Kiefer schmerzten bereits, aufgrund Mondstrahls Gewicht, das sie schleppen mussten.
Doch nun war nicht der passende Moment, um anzuhalten. Ich muss weiterlaufen! ,mahnte sich Herbstbrise, obwohl sie mittlerweile nichts lieber wollte, als eine Rast einzulegen.
Dank der schmerzenden Kiefer und den erschöpften Beinen wurde mit der Zeit jeder Schritt schwerer.
Irgendwann schien Herbstbrises kompletter Körper vor lauter Anstrengung schier in sich zusammenzufallen.
Alles in ihr schrie nach einer Pause. Doch Herbstbrise hörte noch immer nicht auf ihre Pfoten, die ihr schier den Dienst versagten.
Der üble Dämmerclan Geruch schlug ihr immer stärker entgegen. Die Bande näherte sich ihr stetig.
Als nun auch noch der Pfad vor ihr endete, bekam es Herbstbrise so langsam mit der Panik zu tun.
Hektisch warf sie den Kopf in Richtung Hagelbruch und rief ihm schnaufend zu: "Wo lang jetzt?"
Der Kater knurrte. Sein weiß-bläuliches Fell sträubte sich. Ein rascher Blick über die Schulter,
dann raste er nach rechts. "Momentan ist es egal wo lang wir laufen" ,schallte seine Stimme von vorne zu Herbstbrise zurück,
"vorerst müssen wir sehen, dass wir dem Dämmerclan entkommen." Herbstbrise nickte schwer und preschte weiter.
Diesmal sah sie nicht zurück. Sie wollte lieber erst gar nicht wissen, wie nahe ihr die Feinde bereits waren.
Doch sie hörte das Pfotengedonner, das ihr ob sie wollte oder nicht, die Entfernung zwischen ihr und den Dämmerclan Katzen verriet.
Es war ohrenbetäubend laut. Kein gutes Zeichen. Herbstbrise stob nach links, geradewegs in einen Wald hinein, dicht gefolgt von trommelnden Schritten.
Im Dickicht der Bäume war es leichter, die Feinde zu verwirren, als auf der Wiese. Allerdings erwieß sich das Umschlängeln der Sträucher als schwierig,
da die Katzen zu dritt Mondstrahl trugen und jede Biegung, jede Bewegung erstmal absprechen mussten.
Dadurch blieb keiner von ihnen an einen Strauch oder Baum hängen und sie rannten nirgendswo dagegen.
Nur leider summte Herbstbrise irgendwann der Kopf, von den vielen Befehlen, die ihr pausenlos von der Seite zugeraunt wurden.
Am schwierigsten aber waren die vielen Richtungswechsel, welche die Feinde irritieren sollten.
Auch Mondstrahl schien die Flucht wenig zu gefallen, denn sie ließ ab und an ein Stöhnen hören, bevor sie leise vor sich hinmurmelnd eindämmerte.
Nur bedauernderweise war ihr momentan nicht zu helfen, weshalb sich Herbstbrise mit ihren Schmerzgeräuschen abfinden musste.
Als es ihr wie eine Ewigkeit vorkam, seitdem sie in den Wald gedrungen war, holte sie zum ersten Mal tief Luft.
Ein leichter Windhauch wehte ihr den frischen Duft von Wasser und Gras entgegen, woraus Herbstbrise schloss, dass sich der Wald bald lichten musste.
Und damit behielt sie recht. Schon nach kürzester Zeit öffneten sich die weite Baumdecke und machte saftig grünen Feldern platz.
Sie wirkten ruhig, friedlich, wodurch sich Herbstbrise irgendwie fehl am Platz fühlte.
Ihre stürmische Flucht vor den mordhungrigen Kriegern passte so gar nicht zu der geblümten Wiese vor ihr.
Ein Schwanzpeitschen von Blaubeerfluss riss sie aus ihren Gedanken und holte sie zurück in die Wirklichkeit.
Wir müssen weiter. Ein Blick nach hinten sagte, dass die Dämmerclan Katzen bisher außer Sichtweite waren.
Sie hatten sie also tatsächlich während der Jagd nach ihnen aus den Augen verloren.
Herbstbrise nutzte den Moment aus. Sie sah sich rasch um und entdeckte den Fluss. Ihr Blick wanderte weiter,
direkt neben sich und landete auf mehreren Felsbrocken. Langsam kroch eine Idee in Herbstbrise hoch.
Sie ließ Blaubeerfluss los und scheuchte die anderen hinter die sichtschützenden Felsen.
"Passt auf" ,murmelte sie, "ich bin mir sicher, dass die Dämmerclan Krieger wieder auftauchen.
Ich werde sie von hier weglocken, quer über die Wiese und durch den Wald rennen, bis ich sie abgehängt habe.
Eure Aufgaben werden sein, euch hier zu verstecken, bis der letzte Feind außer Sicht ist, dann sollt ihr euch kurz im Fluss abwaschen,
bis das Wasser euren Geruch überdeckt und euch anschließend irgendwo in der linken Waldhälfte verstecken!
Sobald ich den Dämmerclan los bin, werde ich nach euch suchen. Bleibt an Ort und Stelle, damit ich euch auch finden kann!
Ich weiß nun ja, dass ihr nach Flusswasser riechen werdet, weshalb ich eurer Fährte folgen kann."
Sobald Herbstbrise geendet hatte, ertönte auch schon gleich das erste protestierende Schnauben von Blaubeerfluss.
"Garantiert nicht!" ,miaute sie entschieden, "ich verstecke mich doch nicht wie ein Feigling, während du dein Leben für uns aufs Spiel setzt!"
Hagelbruch warf ihr einen kurzen Blick zu, dann nickte er. "Das sehe ich auch so. Wir können dich nicht alleine einer blutrünstigen Katzengruppe aussetzen.
Das wäre viel zu riskant."
Herbstbrise schüttelte stöhnend den Kopf. Sie hatte schon geahnt, dass ihr die anderen widersprechen würden.
"Uns bleibt nicht viel Zeit" ,zischte sie, "wir müssen das hier also schnell klären. Lasst mich doch einfach gehen. Mir wird schon nichts passieren, keine Sorge.
Blaubeerfluss, da ich viele Monde beim Himmelclan gelebt habe, kann ich schneller rennen als du und Hagelbruch. Mondstrahl ist verletzt wie du siehst.
Von dem her wäre es am vernünftigsten, wenn die Schnellste von uns allen den Dämmerclan von dem Rest wegführt."
Hagelbruch und Blaubeerfluss sahen sich zweifelnd an. Angst stand in ihre beiden Gesichter geschrieben.
Doch als Herbstbrise das Getrampel vieler Pfoten hörte, ließ sie ihnen keine weitere Sekunde, sich zu entscheiden.
Mit einem letzten warnenden Knurren flitzte sie aus dem Versteck, hinein inmitten der Felder.
"Da ist sie" ,drang ein Brüllen in ihr Ohr, woraufhin ihr starker Dämmerclan Geruch entgegenwehte.
Das zornige Jaulen mehrerer Katzen zerriss die Luft. Herbstbrise kniff die Augen zusammen, dann steigerte sie ihr Tempo.
Ihr Blick fixierte förmlich die Umgebung vor ihr, die riesige Wiese, welche am Waldrand entlangführte.
Herbstbrises Pfoten wirbelten nur so durch die Luft und hinterließen einen sanften Wind. Im Moment war es ihr egal, dass sie verfolgt wurde.
Sie fühlte sich endlich frei, konnte ohne jegliche Last rennen und rennen, bis zum Horizont und die Stadt mit dem grauenhaften Dämmerclan hinter sich lassen.
Begleitet vom Rauschen des Windes merkte Herbstbrise kaum, wie sie immer und immer schneller wurde.
Sie stürmte mit wehendem Schwanz durch den Luftstrom und verlor sich in ihrer Fantasie; wie sie an Schilfherz verbeirauschte,
der lachend neben ihr rannte, weit bis in die Ferne. Die Vorstellung fühlte sich auf einmal so echt an, als wäre sie nicht schön längst in Vergangenheit geraten.
Herbstbrise seufzte. Nach Gewittersterns Verrat war sie so sehr mit sich selbst und ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen,
dass sie ganz vergessen hatte, sich bei dem grau getigerten Kater für ihre Abweisung zu entschuldigen.
Er musste sich bestimmt schrecklich gefühlt haben, als sie ihm die heftigen Worte; dass sie schwanger war und er sie in Ruhe lassen solle, ins Gesicht geschleudert hatte.
Durch ein zorniges Jaulen schreckte Herbstbrise in die Wirklichkeit zurück. "Bleib stehen und kämpfe, du erbärmlicher Haufen Fell!"
Die Dämmerclan Katzen ,erinnerte sie sich. Sie sah kurz nach hinten und erkannte zu ihrer Befriedigung, dass ihre Verfolger ein ganzes Stück zurückgefallen waren.
Sie sind zu langsam für mich. Herbstbrise schüttelte verächtlich schnurrend den Kopf und rannte noch schneller weiter.
Zum ersten mal, seit ihrer Flucht, hatte sie Vergnügen, vor ihren Feinden davonzurennen.
Sie hatte seit ihrem Leben beim Himmelclan wohl kaum an ihrer Geschwindigkeit verloren.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top