Kapitel 80
Eiserne Furcht packte Herbstbrise und ließ sie erzittern. Die Worte der kleinen schwarzen Kätzin,
die mit leerem Blick in die Ferne starrte hinterließen ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen.
Schwalbenstern? Meint sie etwa.... nein, das kann nicht sein. Das DARF nicht sein!!! Wie betäubt taumelte Herbstbrise ein paar Schritte vor dem Jungen zurück.
Sie stieß gegen einen weichen Körper und spürte gesträubtes Fell hinter sich. "Herbstbrise..." ,drang Mondstrahls bebende Stimme in ihr Ohr,
"denkst du gerade das, was ich denke?" Langsam schüttelte Herbstbrise den Kopf und ließ ihre Krallen spielen.
"Das kann nicht sein, Mondstrahl. So sehr es auch danach klingt: Schwalbenjunges würde niemals einer Katze etwas zu Leide tun.
So ist sie nicht, so war sie noch nie! Blaubeerjunges genauso wenig! Es gibt dutzende von Katzen mit denselben Namen.
Mit Schwalbenstern muss jemand anderes gemeint sein." Mondstrahl wich ein paar Schritte von ihrer getigerten Freundin zurück.
"Bist du dir wirklich sicher?" ,fragte sie kleinlaut ,"immerhin fließt böses Blut in Schwalbenjunges Adern und..."
Zorn brodelte in Herbstbrise auf. "UND WAS?" ,fiel sie ihr ins Wort ,"Schwalbenjunges ist nicht nur Gewittersterns Tochter,
sondern ebenso meine, falls du das vergessen haben solltest! Und ich will mal behaupten, dass mit meinem Blut alles in Ordnung ist!"
Die Heftigkeit ihrer Reisegefährtin, verunsicherte Mondstrahl nur noch mehr. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie fortfur:
"Das stimmt, nur Schwalbenjunges und Blaubeerjunges leben schon seit über einem Jahr beim Dämmerclan.
Von dem her kann es sehr wohl sein, dass diese blutrünstigen Katzen, meinetwegen auch mit Drohungen deine Jungen sozusagen... verändert haben.
Ich hab ja keine Ahnung, aber da Schwalbenjunges Gewittersterns Tochter ist und der wiederum Anführer des Dämmerclans bis zu seinem Tod war,
müsste sie theoretisch seinen Platz einnehmen. Das ist bei den uns bekannten Clans nicht der Fall,
aber bei vielen anderen Katzengruppen eben schon." Herbstbrise fauchte nur und wirbelte trotzig zu der schwarzen Kätzin herum.
"Stimmt das? Ist Schwalbenstern eine Kätzin mit silber getigertem Fell und grünen Augen?"
Das kleine Junge antwortete nicht, sondern legte nur die Ohren an und ließ das Fell zu Berge stehen.
Herbstbrise unterdrückte ein Stöhnen. "Wirklich, ich tue dir nichts. Ich habe ganz andere Absichten, als diese.
Bitte gib mir eine Antwort! Ich habe dir soeben das Leben gerettet, also hilf mir doch im Gegenzug mit einem 'ja' oder 'nein' weiter."
Das schwarze Kätzchen presste sich ängstlich auf den staubigen Boden. "I-ich weiß... es nicht."
Herbstbrise knirschte mit den Zähnen und versuchte ihre Wut zu zügeln. "Wieso?" ,zischte sie.
"Weil ich sie noch nie gesehen habe. Mutter machte sich auch nicht die Mühe, von ihr zu erzählen" ,murmelte das Junge, diesmal mit Traurigkeit in der Stimme.
Herbstbrise bekam augenblicklich Mitleid mit der Katze. Zögernd trat sie ein paar Schritte näher an sie heran.
"Wie heißt du?" ,flüsterte sie so sanft wie nur möglich ",bist du Teil des Dämmerclans?" Das Kätzchen entspannte sich dank ihrer ruhigen Worte.
"Ich heiße Rabenschein" ,miaute es zaghaft ,"und naja... ich gehörte einmal zum Dämmerclan.
Diese Zeiten endeten aber rasch." Herbstbrise legte den Kopf schief. "Wieso?" Doch Rabenschein drehte ihr nur den Rücken zu.
"Muss ich darüber reden?" ,knurrte sie. Diese Worte brachten Herbstbrise zum Schweigen. Sie spürte einen dicken Kloß im Hals.
Was konnte eine Mutter seinem Jungen nur antun, dass es so dermaßen traumatisiert war?
Sie wusste nicht. Vorsichtig legte sie Rabenschein die Schwanzspitze auf die zierliche Schulter.
"Du musst natürlich nicht darüber reden" ,flüsterte sie ,"doch würdest du es tun, dann fände ich vielleicht einen Weg, dir zu helfen."
Rabenschein schüttelte traurig den Kopf. "Den gibt es aber leider nicht. Ich werde dir trotzdem erzählen, was mit mir geschehen ist.
Sollen es nur alle Katzen der Stadt hören, damit sie mich rächen können. Vor ein paar Tagen brach der Dämmerclan zum Kampf gegen den Himmelclan auf.
Da seine Krieger einen langen Weg vor sich hatten, um dessen Territorium zu erreichen, dachten sie sich grausame Methoden aus,
um schwache Katzen - damit auch mich - zu beseitigen. Wir würden den Dämmerclan nur belasten und auf der Reise so oder so sterben,
meinte Schwalbenstern. Deshalb befahl sie unter anderem meiner Mutter Nachtspritzer, mich im Fluss neben unserem Lager auszusetzen.
Sie ging davon aus, dass ich dann früher oder später ertrinken würde. Ich spreche es aus: Nachtspritzer ist genauso brutal wie alle ihre Clangefährten,
deshalb hörte sie auf Schwalbenstern. Nun, und dann fandest du mich eben im Fluss und hast mich gerettet,
wofür ich dir sehr dankbar bin."
Das Mitleid in Herbstbrise wuchs. Sie brachte vor Traurigkeit kein Wort aus ihr heraus.
Nach einer Weile schweigend vor sich herstarren, nahm sie Rabenschein sachte am Nackenfell hoch und setzte sie auf ihrem Rücken ab.
"Mondstrahl und ich sind auf einer Reise, weißt du" ,erklärte sie ," wir suchen nämlich meine Jungen,
die vor vielen vielen Monden von den Dämmerclan Katzen eingefangen wurden. Auf keinen Fall werde ich dich hier alleine lassen,
deshalb wirst du mit uns kommen. Keine Angst, wir geben auf dich acht. Außerdem werden wir dafür sorgen,
dass kein Dämmerclan Mitglied der Welt erfährt, dass du noch am Leben bist. Also kannst du uns bitte den Weg verraten,
der uns zum Lager deines ehemaligen Clans führt?"
Rabenschein überlegte kurz, dann nickte sie.
"Klar kann ich das. Ihr müsst einfach dem Fluss bis zu einem bestimmten Punkt folgen. Von dort aus kann ich euch dann zeigen,
wo es weitergeht. Ach übrigens: Vergesst nicht, dass die Dämmerclan Katzen schon auf Reisen sind. Mit ein bisschen Glück werden wir ihnen aber auf dem Weg begegnen.
Ich denke nämlich, dass sie auch nur flussabwärts laufen, denn von dort kamen Rosenblut, Adlerklaue und Dämmerfluss vom Himmelclan zurück.
Das weiß ich von Sturmblüte." Sturmblüte. Der verhasste Name traf Herbstbrise wie ein Schlangenbiss.
Diese räudige Heiler-Katze, die sich so nannte war an allem schuld, was ihren Clan, somit auch Gewitterstern betraf.
Herbstbrise knurrte in sich hinein. Aber ich werde alles was geschehen ist rächen, meine Liebe! Du wirst schon sehen!
Doch als sie Rabenscheins fragenden Blick sah, entspannte sie sich wieder. Die Kätzin mit dem schwarzen Fell musste sie wohl knurren gehört haben.
"Wir sollten nun aufbrechen" ,bemerkte Herbstbrise. Mondstrahl nickte heftig. "Und ob wir das sollten! Allerdings möchte ich zuvor jagen.
Rabenschein hat kaum was auf den Rippen und uns beiden fehlt es wohl auch ziemlich an Nahrung, wie man unschwer erkennen kann."
Herbstbrise stupste der cremefarbenen Kriegerin freundschaftlich in die Seite. "Gut, dann geh du jagen, während ich auf Rabenschein aufpasse."
Mondstrahl nickte erneut und hatte im Nu die Höhle verlassen. Herbstbrise nutzte die Zeit, in der sie weg war,
um Rabenschein noch ein wenig über den Dämmerclan auszufragen. Doch am Ende ihrer Fragerei wusste sie nicht viel mehr, als am Anfang.
Rabenschein hatte aufgrund ihrem kurzen Leben im Dämmerclan wenig Ahnung von seinen Geheimnissen.
Als Mondstrahl nach einer Zeit, die Herbstbrise wie Monde vorkam endlich mit einem Kaninchen im Maul wieder auftauchte,
ließen sich die drei Katzen noch eine ausgiebige Mahlzeit schmecken, um danach sofort aufzubrechen.
Rabenschein machte es sich auf Herbstbrises Rücken bequem, während diese Seite an Seite mit Mondstrahl ins zunehmende Licht des Morgengrauens trabte.
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