Kapitel 9
Dunkelpfote öffnete die Augen. Einzelne Sonnenstrahlen drangen durch das Blätterdach des Schülerbaus und kitzelten sie.
Verschlafen stand sie auf. Von draußen drangen schon viele aufgeregte Stimmen, die dann aber von einem lauten Schnarchen übertönt wurden.
Verärgert kräuselte Dunkelpfote ihr Nase und warf Nelkenbart einen wütenden Blick zu. Vor ein paar Sonnenaufgängen hatte der gelbe Kater angefangen zu husten, konnte aber nicht in den Heilerbau ziehen, da dort bereits Wolkenschweif und Funkenpelz untergebracht waren. Im Kriegerbau war auch kein Platz. Seit letzter Nacht regnete es in ihn hinein.
Gedankenversunken schlüpfte Dunkelpfote aus dem Bau. Enttäuscht musterte sie den Frischbeutehaufen. "Ich hasse Blattleere.", seufzte sie und setzte sich an den Brombeerbusch neben der Kinderstube.
Plötzlich fiel ihr ein Schatten ins Gesicht. Als sie den Kopf hob, sah Lerchenlied ihr freundlich ins Gesicht.
"Guten Morgen, Lerchenlied. Ist es schon Zeit für die Jagdpatrouille?" Der schwarze Kater nickte. "Komm schnell. Die anderen warten schon.", fügte er hinzu und deutete auf Eichhornschweif, Pflaumensprung und Hummelstreif.
Damit drehte er sich um. Dunkelpfote eilte ihm hinterher. "Du solltest deiner Schülerin beibringen, pünktlich aufzustehen.", knurrte Eichhornschweif. Damit trottete sie davon, Pflaumensprung und Hummelstreif folgten ihr. Lerchenlied schnippte Dunkelpfote mit der Schwanzspitze über die Ohren, dann tat er es ihnen gleich.
Dunkelpfote ließ beschämt ihren Kopf sinken, schließlich lief sie ihm hinterher.
"Wo jagen wir denn?", flüsterte sie ihrem Mentoren zu. "Von hier aus bis zur Himmelseiche.", entgegnete Eichhornschweif knapp. Pflaumensprung und Hummelstreif liefen beide in Richtung Windclan-Grenze, Eichhornschweif in die entgegengesetzte Richtung.
Lerchenlied stupste Dunkelpfote an. "Ich denke, du möchtest lieber alleine jagen?", schnurrte er. Sie wedelte belustigt mit dem Schwanz, dann schlich Lerchenlied davon. Dunkelpfote blieb zurück. Plötzlich entdeckte sie ein Kaninchen.
Es war abgemagert, aber für die Blattleere ein prachtvoller Fang. Vorsichtig näherte sie sich der Beute. Ich darf jetzt nichts falsch machen., schärfte Dunkelpfote sich ein. Doch dann trat sie auf einen Stock. Fuchsdung! Das Kaninchen rannte los, Dunkelpfote hinterher.
Zu ihrem Glück stolperte es über eine Wurzel und sie schoss vor. Mit einem raschen Biss ins Genick tötete sie die Beute.
Sie schnurrte zufrieden. Plötzlich glomm die Luft vor ihr und eine getüpfelte Kätzin kam zum Vorschein. "Tüpfelblatt", rief Dunkelpfote aus.
"So sieht man sich wieder, Dunkelpfote. Hast du dich gut erholt?" "Ja, danke der Nachfrage. Aber deshalb bist du doch nicht hier, oder? Ich bin doch keine Heilerin." Tüpfelblatt schüttelte den Kopf. Sie schien zu überlegen, wie sie antworten sollte. "Da ist richtig.", fing sie an und lächelte höflich.
"Aber trotzdem bist du besonders." Dunkelpfotes Pfoten fingen an zu kribbeln. Warum wurde sie immer vom Sternenclan aufgesucht? Bin ich etwa sauer? "Ich bin nicht besonders.", presste sie hervor. "Ich bin eine einfache Schülerin des Donnerclans."
Da erinnerte sie sich an Creme und wie Tüpfelblatt sie anscheinend aufgesucht hatte. Dunkelpfote musste schlucken. Ich habe den Befehl des Sternenclans missachtet.
Doch bevor sie die Heilerin um Entschuldigung bitten konnte, verblasste diese.
"Warum immer ich?" Sie seufzte. "Wie bitte?" Dunkelpfote zuckte zusammen. "Es ist nichts, Hummelstreif. Ich habe nur vor mich hin miaut." Der hellgraue Kater nickte anerkennend. "Beeindruckender Fang.", lobte er.
Dunkelpfote leckte sich rasch die Schulter, hob das Kaninchen auf und folgte ihm, als er davonlief.
Der Mond erleuchtete den Himmel, als Dunkelpfote mit ihren Clangefährten die Baumbrücke überquerte. Viele glänzende Augen fixierten den Donnerclan misstrauisch.
Dunkelpfote erkannte Hasenstern, der sich munter mit Nebelstern unterhielt, daneben die helle Kätzin Ottersee, die wütend die Zähne bleckte. Sonnenpfote vom Schattenclan stritt sich aufgebracht mit Efeupfote vom Wolkenclan.
Dunkelpfote trabte zu einer Gruppe von Schülern, hielt dann aber an. Unter ihnen saß Himbeerpfote.
Ein Knurren stieg in ihrer Kehle auf, als sie sah, wie die gefleckte Kätzin sich köstlich amüsierte. Bestimmt erzählt sie gerade, dass sie ein saftiges Kaninchen gefangen und anschließend den Ältesten geschenkt hat. Dunkelpfote schlug mit dem Schwanz.
Und Igel können fliegen. Bestimmt hat sie eine magere Wühlmaus gefangen und anschließend selbst gefressen. Ihr wurde fast schlecht, als Bienenpfote sich mit einer weiteren Kätzin zu Himbeerpfote gesellte.
Dunkelpfote tappte wütend zu einer weiteren Schülergruppe. Sie erkannte Lichtpfote vom Schattenclan, die auf Dunkelpfotes Versammlung ebenfalls vorgestellt wurde.
"Hallo.", miaute Dunkelpfote. "Ich bin Dunkelpfote." Ein dunkelgrauer Kater neigte den Kopf.
"Ich bin Steinpfote.", stellte er sich vor. "Und ich bin Haferpfote und das hier ist Laubpfote.", stimmte ein beiger Kater mit ein und deutete auf eine dunkelbraune Kätzin.
"Ich bin Vogelpfote.", murmelte eine silberne Kätzin schüchtern. "Das ist meine erste Versammlung." Dunkelpfote hob feierlich eine Pfote. "Herzlichen Glückwunsch. Wer ist dein Mentor?"
Vogelpfote blinzelte erleichtert. "Nesselspritzer.", antwortete sie.
Überrascht sah Dunkelpfote Lichtpfote an, als ihr ein Knurren aus der Kehle polterte. "Hast du etwas gegen Nesselspritzer?" Lichtpfote schnippte verächtlich mit dem Schwanz. "Fahr doch nicht gleich aus deinem Pelz."
Dunkelpfote legte verwirrt den Kopf schief. "Was?" "So sind die Donnerclan-Katzen. Denken, sie können sich alles nehmen, egal mit welchem Ton.", spottete Haferpfote und trat an Lichtpfotes Seite.
Dunkelpfote starrte sie an. Ich war doch gar nicht unhöflich, oder doch? Sie wollte trotzdem nicht auf den Streit eingehen.
"Ach sei doch nicht so streng mit ihr. Wir sollten sie bemitleiden, so wie sie jagen kann.", fügte Laubpfote gehässig hinzu.
Wut kochte in Dunkelpfotes Bauch auf. "Besser, als wie ein fettes Hauskätzchen durch die Gegend zu torkeln.", fauchte sie und fuhr die Krallen aus. Erschrocken quiekte Vogelpfote auf.
Vergiss nicht die Waffenruhe., ermahnte Dunkelpfote sich. "Ihr seid es nicht wert."
"Hört doch auf, so aufeinander rumzuhacken.", miaute Steinpfote. Lichtpfote verengte wütend die Augen zu Schlitzen und Haferpfote zuckte verächtlich mit dem Schwanz.
Plötzlich ertönte ein lautes Jaulen. Dunkelpfote fuhr herum. Die Anführer standen auf der Baumkrone und beobachteten vergnügt, wie alle Katzen sich versammelten.
Dunkelpfote funkelte die Schüler noch einmal an, dann gesellte sie sich zu Bienenpfote.
Tigerstern trat vor. "Ist es in Ordnung, wenn ich anfange?" Die anderen Anführer murmelten zustimmend. "Gut. Der Schattenclan wurde von starkem Frost heimgesucht. Die kleinen Sümpfe in unserem Territorium sind komplett vereist, aber zum Glück haben wir einen großen Tümpel mit Echsen und Fröschen gefunden."
Dunkelpfote verzog die Schnauze. Frösche und Echsen, igitt! Tigerstern fuhr fort. "Wir haben auch eine neue Kriegerin. Sonnenflieder." Er deutete auf die gelbe Kätzin mit braunen Streifen, die verlegen auf ihre Pfoten sah.
Dunkelpfote versuchte sich vorzustellen, wie ihre Kriegerzeremonie ablaufen würde. Bestimmt würden alle Clans jubeln, sobald Brombeerstern meinen Namen ankündigt. An meiner Seite werden Bienenpfote und Habichtpfote stehen.
Doch plötzlich wurde sie von einem lauten Schrei aus den Gedanken gerissen.
Ein grelles Leuchten zischte auf den Baum der Anführer zu. Dieser krachte beim Einschlag bedrohlich und schwankte leicht. "Donnerclan lauft!", jaulte Brombeerstern. Er und die anderen Anführer versuchten rechtzeitig hinabzuspringen, doch der Baum knickte ab.
Starr vor Schreck versuchte Dunkelpfote zwischen dem Gewusel durchzublicken. Bernsteinmond und Kirschfall stellten sich schützend vor ein paar Schüler, während Schneevogel und Fischflosse den Ältesten beim Überqueren der Baumbrücke halfen.
Dunkle Wolken schoben sich vor den Mond und es fing an zu regnen. Auf einmal hallte die Stimme von Blaustern in ihrem Kopf. Wenn Wolken die Sonne verdunkeln, zeigt sich, wer die Clans vor dem Sturm bewahren kann. Finde Creme, finde Stefan! Dunkelpfote schüttelte sich energisch.
Ich kann nicht. Meine Familie. Doch Blaustern ließ nicht locker. Du schaffst es. Weißt du noch, wo der Mond aufging? Dunkelpfote konnte nicht weg, sie wollte nicht weg.
Vertrau mir einfach. Dunkelpfote schloss ihre Augen. Was würde passieren, wenn sie jetzt weglief? Sie wusste nicht, was sie erwartete, außerdem hatte Blaustern ihr gerade etwas von Wolken und Sonne erzählt. Konnte es noch schlimmer werden?
"Ist gut, ich mache es!", knurrte sie. Sie lief zur Baumbrücke. Doch als sie diese betreten wollte, stellte Himbeerpfote sich ihr in den Weg. "Feigling! Du wirst jetzt nicht abhauen.", drohte sie.
"Lass mich durch, sei kein Kaninchenhirn." "Nein." Mit einem gespenstischen Jaulen warf die ältere Schülerin sich auf sie. Dunkelpfote wich ihr geschickt aus und schubste sie hart beiseite.
Himbeerpfote fauchte überrascht. Dann taumelte sie und fiel in den vom Regen aufgeweichten Schlamm. In dem Moment krachte es. Mehrere Ästen lösten sich von dem Baum über ihnen. Dunkelpfote sprang weg, doch Himbeerpfote wurde von ihnen begraben.
Es knackte, nichts regte sich mehr.
Dunkelpfote starrte schockiert auf den Baumhaufen. "So hätte es nicht enden müssen.", hauchte sie. Mit vor Schreck geweiteten Augen bohrte sie ihre Krallen in die Erde. Verschwende deine Zeit nicht mit Trauern, lauf weiter!, knurrte Blaustern. Mit zitternden Beinen lief Dunkelpfote weiter.
Nachdem sie über die Baumbrücke geklettert war, ertönten panische Schreie hinter ihr und sie zuckte zusammen. Es fühlte sich an, als ob jemand seine Krallen in ihr Herz rammte und immer tiefer drückte.
Dunkelpfote sah noch einmal zurück. Funkenpelz und Erlenherz saßen dicht gedrängt unter einem Busch und Adlerfeder und Weißflug suchten aufgeregt nach Brombeerstern.
Ein weiterer Blitz schlug ein. Für einen Moment war alles in gleißendes Licht getaucht. Lauf, Dunkelpfote. Dunkelpfote nickte und machte ein paar Schritte nach vorne. Ich werde euch finden und wenn es das letzte ist, was ich tu.
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