Kapitel 6

Schwarzpfote saß vor dem Heilerbau. Erlenherz hatte ihr eine Pause gegeben, die ihr gerade recht kam. Sie musste viele ihrer Clangefährten behandeln.

Sie erinnerte sich an Dunkelpfote, die triumphierend in das Lager gelaufen war. Eigentlich wollte sie sich gar nicht von Schwarzpfote verarzten lassen, um Narben zu behalten, doch Schwarzpfote konnte sie überzeugen, wenn auch mit Geduld.

Die Kälte riss an Schwarzpfotes Fell und sie schauderte. Die Temperatur war in den letzten Tagen rapide gefallen. Der Blattfall war bereits weit fortgeschritten und Erlenherz vermutete, dass es nicht mehr lange bis zur Blattleere dauerte.

Der Kampf gegen den Wolkenclan war ein paar Sonnenaufgänge her, doch ihre Clangefährten liefen durch das Lager, als wäre er gestern gewesen.

Schwarzpfote seufzte. Ihre Gedanken schweiften ab, als das heisere Krächzen von Löwenglut aus dem Heilerbau drang.

Seitdem der Blattfall zugenommen hatte, nahmen auch die Krankheiten zu. Löwenglut und Schalenkralle hatten Weißen Husten und Schnapppelz Fieber. Außerdem war Punktglanz auf einer Jagdpatrouille von einem Baum gefallen.

Schwarzpfote schlüpfte zurück in den Heilerbau. Löwenglut versuchte verzweifelt einen Hustenanfall zu unterdrücken. "Schwarzpfote, bitte hilf ihm.", miaute Punktglanz und suchte den Blick der weißen Schülerin. "Er quält sich schon seit Sonnenaufgang. Er bat mich, dir, Erlenherz und Häherfeder nichts zu sagen."

Schwarzpfote neigte höflich den Kopf. "Keine Sorge, Punktglanz. Es wird ihm gleich besser gehen. Ich hole nur schnell ein paar Kräuter.", erklärte sie und tappte davon.

"Mach schnell.", rief Punktglanz ihr hinterher.

Schwarzpfote hielt vor dem Kräutervorrat. "Huflattich gegen die Atemnot und Gänsefingerkraut gegen den Husten.", murmelte sie, suchte sich die entsprechenden Blätter heraus und trug sie zurück zu Löwenglut.

"Hier, iss die.", sagte sie und ließ sie fallen. "Einfach auflecken und schlucken, nicht kauen."

Löwenglut murrte, leckte sie jedoch gehorsam auf. "Igitt" Er kräuselte angeekelt seine Lippen. Ein belustigtes Schnurren ließ sie aufschrecken.

Erlenherz trat neben sie und betrachtete Löwenglut, der sich erschöpft in seinem Nest zusammengerollt hatte. "Du machst deine Arbeit sehr gut.", lobte er Schwarzpfote. "Kannst du vielleicht den Kräutervorrat sortieren, nachdem Häherfeder mit neuem Fenchel wieder zurück ist?"

"Natürlich.", antwortete Schwarzpfote rasch. "Soll ich auch die welken Blätter aussortieren?"

Erlenherz nickte. "Das wäre wirklich toll. Ich muss nochmal nach Rosenblatt sehen, sie behauptet, dass sie Junge erwartet. Aber vielleicht hat sie nur Bauchschmerzen."

"Ich gebe Löwenherz vorsichtshalber nochmal ein bisschen Sauerampfer. Er wollte vorhin nichts fressen.", miaute Schwarzpfote ihm zu, als er den Heilerbau verließ. "Das ist eine gute Idee.", entgegnete er und verschwand.

Schwarzpfote setzte sich erschöpft. Die dunklen Schatten verschlangen die müden Sonnenstrahlen und tauchten den Wald in ein dunkles Schwarz.

Sie träumte. Verwirrt lief Schwarzpfote durch einen stockdunklen Wald und hoffte, die Sterne würden ihr den Weg erleuchten.

Ein kleiner Bach plätscherte sanft neben ihr entlang. Die Bäume rauschten angenehm und warfen lange, sich gespenstisch bewegende, Schatten. Unter einem besonders großen Baum mit dichtem Blätterdach ließ Schwarzpfote sich nieder.

Plötzlich brach der Boden unter ihr weg. Sie schrie und wurde von finsteren Schatten verschluckt, doch so schnell wie sie gefallen war, landete sie auch wieder. Zitternd erhob sie sich.

Unter ihren Pfoten spürte Schwarzpfote weiches und feuchtes Moos. Die Luft war warm und trocken. Plötzlich stachen zwei braune Augen aus der Dunkelheit heraus.

Panik machte sich in Schwarzpfote breit. Schnell fuhr sie die Krallen aus.

Auf einmal flackerten die Augen wild und flossen in einen Blauton um. Blaustern kam zum Vorschein.

"Blaustern...a-aber w-wieso?", stotterte Schwarzpfote.

"Ich habe dir etwas zu sagen.", begann die ehemalige Anführerin des Donnerclans. Schwarzpfote spitzte die Ohren.

"Wenn Wolken die Sonne verdunkeln, zeigt sich, wer die Clans vor dem Sturm bewahren kann." Blausterns Worte klangen weise, dennoch unheilvoll. Schwarzpfote fing an zu zittern. Meine erste Prophezeiung.

Doch sie begriff nicht, was das bedeuten sollte. Ehe sie Fragen stellen konnte, trat Blaustern zurück und wurde von den Schatten verschlungen. "Balustern warte! Was für ein Sturm?"

Schwarzpfotes Jaulen hallte den langen Gang wider. Dann wurde es still. Schwarzpfote wurde schwindlig, ihr wurde schwarz vor Augen.

Wenige Herzschläge später fand sie sich im Schülerbau wieder. Habichtpfote lag zusammengerollt in ihrem Nest und schlief. Schläfrig streckte Schwarzpfote sich.

Die Prophezeiung., schoss es ihr durch den Kopf. Wenn Wolken die Sonne verdunkeln, zweigt sich, wer die Clans vor dem Sturm bewahren kann. Aufgeregt stolperte Schwarzpfote zum Heilerbau.

"Erlenherz", keuchte sie. "Ich muss dir etwas sagen."

"Können Schüler nicht einmal den Mund halten?", fauchte Häherfeder und schob sich an ihr vorbei. "Schon gut, Häherfeder.", miaute Erlenherz. Er sah von Punktglanz hoch. "Sie kann bald zu ihren Pflichten als Kriegerin zurück kehren. Was gibt es denn?"

Schwarzpfote holte tief Luft. Sie schlüpfte in den Heilerbau und berichtete Erlenherz von ihrem Traum. Ihr Mentor setzte sich nachdenklich hin. Traurig senkte Schwarzpfote den Kopf.

"Was kann das nur bedeuten?" "Der Sternenclan schickt uns oft Träume, die wir nicht verstehen. Aber am Ende helfen sie uns immer.", tröstete Erlenherz sie. "Wir haben heute Halbmondtreffen am Mondsee und müssen bald los. Ich zeige dir gleich die Reisekräuter."

Schwarzpfote nickte knapp und folgte dem dunkelroten Kater zu dem Kräutervorrat.

"Wir brauchen Pimpernell, Ampfer, Gänseblümchen und Kamille. Du weißt, wofür sie da sind, oder?" Erlenherz legte fragend den Kopf auf die Seite. Schwarzpfote überlegte. "Ich denke schon. Pimpernell gibt Kraft, Ampfer beruhigt Wunden und verletzte Ballen, Gänseblümchen ist gegen Gelenkschmerzen und Kamille hilft gegen Müdigkeit."

Erlenherz schnurrte vergnügt. "Das ist richtig. Möchtest du sie zusammenstellen?"

Schwarzpfote nickte eifrig und schnupperte an den Kuhlen im Boden entlang, um die richtigen Kräuter zu finden.

Nachdem sie alle beisammen hatte, betrachtete sie die drei Haufen sorgfältig. Erlenherz kiff prüfend die Augen zusammen. "Perfekt. Jetzt nur noch auflecken und es kann losgehen." Er beugte sich runter und leckte sorgfältig ein paar der Blätter auf.

Schwarzpfote tat es ihm gleich. Der bittere Geschmack überraschte sie. Angeekelt sträubte sie ihr Nackenfall. Als der süßliche Geschmack der Kamille nachwirkte, legte sie es erleichtert wieder an.

Erlenherz schnippte gleichgültig mit den Ohren. "Beim ersten Mal ist es immer etwas ekelig, aber es wird besser. Versprochen." Schwarzpfote seufzte. Ich hoffe es. Sie tappte aus dem Heilerbau auf die Lichtung.

Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel. "Schwarzpfote, wir dürfen nicht zu spät kommen." Sie drehte zu Erlenherz, der bereits gemeinsam mit Erlenherz am Eingang stand. Sofort rannte sie zu ihnen. Häherfeder schnaubte genervt. Schwarzpfote schauderte und meinte, dass der graue Kater sie trotz seiner blinden Augen genau ansah.

"Warte!" Bei Bienenpfotes Ruf wirbelte Schwarzpfote herum. Ihre Schwester kam hektisch auf sie zugelaufen. "Du verpasst die Kriegerernennung von Nelkenpfote, Stachelpfote und Schnipspfote. Sie haben ihre Prüfung bestanden.", keuchte sie.

Schwarzpfote strich ihr mit dem Schwanz über den Rücken. "Tut mir leid, aber dieses Treffen ist wichtig. Du erzählst mir nachher alles, ja?"

Bienenpfote schnippte zweifelnd mit den Ohren, nickte aber und tappte davon. "Können wir dann endlich?", grummelte Häherfeder. Er wartete aber erst gar nicht, sondern verließ das Lager durch den Dornentunnel.

Schwarzpfote verkniff sich eine bissige Bemerkung, neigte höflich den Kopf und folgte ihm. Erlenherz hinter ihr.

Der kalte Wind zerrte an Schwarzpfotes Pelz, als sie den steilen Hang zum Mondsee hochstieg. "Nur noch ein bisschen.", rief Erlenherz ihr zu, der bereits am Ende stand.

Schwarzpfote knirschte mit den Zähnen. Schließlich kam sie bei ihm an. Sie staunte. Der Abstieg fiel in eine flache, kreisförmige Senke hinab. Ein klarer See glitzerte in der Mitte, ein Teil am Rand mit Schilf umgeben. Unten saßen vier Katzen, die sich vertraut miteinander unterhielten.

Schwarzpfote erkannte sie sofort. Es waren die Heilerkatzen aus dem Fluss- und Wolkenclan.

Erlenherz tappte leichtfüßig, Seite an Seite mit Häherfeder, den Hang hinunter und gab ihr zu verstehen, es ihm gleichzutun. Ohne zu zögern gehorchte sie. Der weiche Sand tat ihren Ballen gut und sie knetete ihn mit ihren Pfoten durch.

"Seid gegrüßt ihr drei. Jetzt fehlen nur noch Falkenflug und Hirschpfote.", miaute Mottenflügel freundlich. "Freut mich, euch zu sehen.", entgegnete Erlenherz.

Schwarzpfote neigte den Kopf und lief und zu Schattenpfote. "Hallo Schattenpfote. Tut mir leid für die Verspätung." Schattenpfote wedelte mit Schwanz. "Nicht schlimm. Das Leben eines Heilers ist anstrengend und stressig."

Schwarzpfote blinzelte besorgt. "Es wird später doch besser, oder?"

Schattenpfote schnurrte. "Es wird eher schlimmer." Sie stimmte seinem Schnurren mit ein und zuckte belustigt mit den Schnurrhaaren.

"Können wir anfangen?", meckerte Häherfeder scharf. "Der Windclan kommt doch sowieso zu spät."

"Kommen wir nicht.", entschied Falkenflug, der gerade den Abstieg herunterlief. Hinter ihm Hirschpfote. "Ich weiß noch genau, wer früher immer zu spät kam."

"Stecken wir unsere Nasen ins Wasser und verschwenden nicht das Mondlicht.", sagte Tupfenwunsch herrisch und schritt zum Wasser. Zappelflocke eilte ihr hinterher. Gemeinsam steckten die Wolkenclan-Heilerkatzen ihre Nasen in das Wasser.

Erlenherz streifte Schwarzpfotes Fell. "Alles ist gut. Du steckst deine Nase einfach in das Wasser und teilst Träume mit dem Sternenclan.", wisperte er ihr zu. Damit hockte er sich an das Ufer.

Schwarzpfote beugte sich argwöhnisch über die Wasseroberfläche. Die vom Wind aufgepeitschten Wellen schwappten sanft an das Ufer und durchnässten ihren Pfoten. Also gut. Argwöhnisch berührte sie mit ihrer Nase das Wasser.

Sofort wurde sie von großen Wellen überschwappt. Für wenige Herzschläge wurde sie hin und her gewirbelt, dann wurde das Wasser flacher und sie wurde an Land gespült.

Zu ihrer Überraschung war sie trocken. Als sie wieder klar denken konnte, spürte sie die Sonne auf ihrem Fell. Im Blattfall? Das ist ziemlich ungewöhnlich. Vögel tschilpten laut aus den Bäumen heraus.

Schwarzpfote erhob sich. Sie tappte einen hardgetrampelten Pfad entlang und lauschte dem Rauschen der Bäume, die angenehmen Schatten boten.

Plötzlich lief eine schwarze Kätzin vor ihr entlang und purzelte einen Hügel hinab. Ein brauner Kater mit hellen Streifen folgte ihr. "Warte Puma, gleich hab ich dich.", jaulte er. Puma warf den Kopf zurück und ließ sich auf den Rücken fallen. "Das denkst auch nur du."

Schwarzpfotes Mund wurde trocken, als der Kater ihren Blick erwiderte. Irritiert tappte er auf sie zu. "Kommst du, Stefan?", rief Puma ungeduldig. Stefan stockte, warf Schwarzpfote noch einen Blick zu und holte zu der schwarzen Kätzin auf.

Plötzlich verblasste die Umgebung um Schwarzpfote herum. Ihr wurde schwarz vor Augen.

Als sie die Augen öffnete, blinzelte sie kurz, um sich zu orientieren. Mottenflügel saß ruhig am See und beobachtete die plätschernden Wellen. Neben Schwarzpfote lag Erlenherz und schnippte unruhig mit der Schwanzspitze.

Ich weiß nicht wieso, aber mein Gefühl sagt mir, dass er schon genug Sorgen hat. Ich warte lieber den richtigen Zeitpunkt ab, um es ihm von meinem Traum zu erzählen. Ich könnte es aber schon Brombeerstern sagen. Hoffentlich versteht er das. Auf einmal rappelte Häherfeder sich auf und sträubte sein Fell.

Jetzt wachten auch Pfützenglanz, Schattenpfote und Erlenherz auf. Anschließend auch die beiden Windclan-Katzen, Maulbeerglanz und Tupfenwunsch. Zum Schluss erhob sich Zappelflocke.

"Was habt ihr geträumt?", fragte Pfützenglanz erwartungsvoll. Maulbeerglanz sah ihn zittrig an. "Mich hat Leopardenstern aufgesucht und vor einem Sturm gewarnt, der die Clans bedroht."

Falkenflug horchte auf. "Mich hat Rindengesicht aufgesucht und mit das gleiche erzählt.", berichtete er. Zappelflocke ließ den Blick über die anderen Heiler schweifen.

"Ich denke, wir haben alle den gleichen Traum gehabt.", miaute er. Seine Stimme war leise und bedrohlich. Schwarzpfote fröstelte. Die beunruhigende Stimme des Katers überraschte sie.

Erlenherz nickte zustimmend. "Jetzt gilt es zu erfahren, wie wir ihn verhindern können."

Unbehagen wuchs in Schwarzpfote und sie ließ ihren Blick hin und her schweifen. Sollte ich ihnen doch von Stefan erzählen?

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