Prolog

Die Dämmerung brach an, der Mond kämpfte sich langsam einen Weg durch die dicken Wolken, die ihn verdeckten. Sämtliche Tiere, die tagsüber durch den kleinen Wald wuselten, verkrochen sich in ihre Nester, suchten sich Zuflucht in Bäumen oder verbuddelten sich tief in die Erde, während die nachtaktiven Tiere sich langsam aus ihren Verstecken regten. Doch sie alle, egal, ob nachtaktiv oder tagaktiv, bemühten sich, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und einer kleinen Lichtung zu bringen.

Einer kleinen Lichtung,die von unzähligen Katzen beheimatet wurde. Katzen,die schon viel Leben aus dem Wald vertrieben hatten. Katzen,die nie schliefen,weder am Tag noch in der Nacht. Katzen, deren Krallen so scharf und schmerzhaft waren wie hundert Messerstiche. Katzen,die schneller waren als der Wind und höher springen konnten als jedes andere Tier.

Mitten auf der Lichtung saß eine schwarze Kätzin, in der Dunkelheit kaum noch zu erkennen. Ihre blauen Augen huschten über die Lichtung,blieben an jeder Katze hängen,die sie sah. Ihre Ohren zuckten,sie spürte Wut in sich aufkeimen. Die Katzen kämpften,sie alle, natürlich,immerhin hatte es ihre Anführerin,die schwarze Kätzin,befohlen. Aber sie taten es nicht so,wie sie es gewollt hatte. Sie fuhren ihre Krallen nicht aus,sie zögerten,ihre Gegenüber zu verletzen.

Eine weiße Kätzin mit braunen Flecken hielt inne, wendete sich von der zitternden,kleinen Kätzin ab,auf die sie bis eben noch eingeredet hatte. Sie trat zu ihrer Anführerin,neigte den Kopf vor ihr. "Meinst du nicht,es reicht langsam,Schattenstern?",fragte sie. "Wir kämpfen jetzt schon seit Stunden,wir können doch morgen weitermachen."

Verärgert kniff die Angesprochene die Augen zusammen. "Es reicht noch nicht einmal ansatzweise. Setz deine Krallen ein,zeig ihr,was echter Schmerz ist. Sorg dafür,dass sie sich verteidigt. Dann denke ich vielleicht über eine Pause nach." Sie drehte den Kopf,funkelte die kleine,rote Kätzin an,die noch immer zitternd am Boden kauerte.

Der Blick der weiß-braun gescheckten folgte Schattensterns Blick. "Du kannst nicht verlangen,dass ich sie verletze!", protestierte sie." Minzrose ist erst fünf Monde alt! Warum muss sie überhaupt in ihrem Alter schon kämpfen lernen? Sie ist viel zu jung!"

Schattenstern bleckte die Zähne. "Man kann nie zu jung zum Kämpfen sein, Weißdornglanz!" Sie schoss urplötzlich vor,vergrub ihre Krallen in der Flanke der anderen Kätzin.

Weißdornglanz stolperte zurück, überrascht von dem plötzlichem Angriff. Blut rann aus der Wunde an ihrer Flanke, tropfte auf den Boden. Es tat weh, aber sie ignorierte den Schmerz. Was sollte sie auch tun? Niemand von ihren Clangefährten kannte sich mit Kräutern aus. Entweder ihre Wunde würde von selbst wieder heilen oder ihr Leben würde bald vorbei sein.

"Siehst du?", fuhr Schattenstern sie an. "Du tust jetzt das gleiche mit Minzrose wie ich mit dir."

Wieder sah Weißdornglanz zu der zitternden Kätzin. Sie war so schwach, so zerbrechlich. Sie würde es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht überleben, wenn man so mit ihr kämpfen würde wie Schattenstern es wollte.

Weißdornglanz atmete tief durch, nahm all ihren Mut zusammen. Sie hob den Kopf, sah Schattenstern in die Augen. " Was, wenn ich mich weigere, Schattenstern?"

Die schwarze Kätzin baute sich vor ihr auf, ihr Schwanz peitschte hin und her. " Du weißt ganz genau, was dann passiert." Sie knurrte leise, fuhr ihre Krallen aus.

Weißdornglanz wich zurück, ihr Mut verschwand. Es brachte nichts. 

"  Du hast es uns immer noch nichts erzählt, Schattenstern." Ein dunkelbrauner Kater tappte zu ihnen. Er sah müde aus, sein Fell hing nur noch in Fetzen, Blut tropfte ihm in die Augen. Aber er wirkte fest entschlossen, als er sich Schattenstern gegenüber stellte, einzig und allein seine zuckenden Ohren zeigten, dass er Angst hatte. " Wofür quälst du uns so? Wofür lässt du uns ununterbrochen kämpfen? Wir sind am Ende unserer Kräfte, wir alle. Clangefährten sind wegen dir gestorben, sei es an Erschöpfung oder ihrer Wunden.  Gib uns wenigstens bis morgen eine Pause."

Seine Anführerin musterte ihn abschätzend. " Nein. Morgen ist es zu spät. Morgen brechen wir auf."

" Wohin?",  fragte ein goldbrauner Kater.

Seufzend drehte sich Schattenstern zu den Katzen um. Sie kam wohl nicht drum herum, es ihnen zu erklären.

"Also gut. Hört ganz genau zu,ich erkläre es nicht noch einmal." Sie sah sich unter ihren Clangefährten um, die nun ihre Kämpfe unterbrachen und zu ihr gehumpelt kamen. " Wir sind nicht der einzige Clan. Die anderen leben nur nicht hier. Wir werden ein, zwei Monate laufen müssen,bis wir bei ihnen sind. Früher habe ich in einem dieser Clans gelebt, aber ich war nicht dort geboren. Und das war der Grund,warum mich dort niemand akzeptierte. Sie tuschelten hinter meinen Rücken über mich, sie grenzten mich aus. Ich versuchte alles, es ihnen Recht zu machen,aber sie waren nie einverstanden. Und irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich floh hierher,wo ich euch traf. Den Rest wisst ihr."

"Das erklärt aber immer noch nicht,warum du uns die ganze Zeit ununterbrochen kämpfen lässt.",miaute der dunkelbraune Kater.

"Oder wohin du morgen aufbrechen willst",ergänzte Weißdornglanz.

"Ich habe euch so hart trainiert,damit ihr die stärksten Krieger werdet. Stärker als die anderen Clans",knurrte Schattenstern, ihre Stimme zitterte vor Wut. "Sie verdienen Rache. Wir werden sie töten. Sie alle. Sie haben es verdient, ausgelöscht zu werden."

Die Katzen tauschten Blicke miteinander. So einige von ihnen misstrauten Schattenstern und so einige dachten, dass man die Clans für das, was sie mit ihrer Anführerin gemacht hatten, nicht töten musste, aber niemand traute sich, der riesigen, schwarzen Kätzin vor ihnen zu widersprechen.

***

Es war mitten in der Nacht. Die Katzen schliefen.

Nur Weißdornglanz war noch wach. Sie kauerte im Eingang des Kriegerbaus, spähte immer wieder auf die Lichtung. Erst nach ein paar Minuten, als sie sich sicher war, dass Schattenstern schlief, stand sie auf. Aber sie legte sich nicht wieder in ihr Nest, sie lief zu dem dunkelbraunem Kater und stupste ihn an. "Erdkralle!", zischte sie. "Wach auf!"

Die Wunde an ihrer Flanke hatte aufgehört, zu bluten. Sie schmerzte immer noch jedesmal, wenn sie sich bewegte, aber dagegen konnte sie nichts tun. Keiner konnte etwas für sie tun.

Verschlafen schlug Erdkralle eines seiner Augen auf. "Weißdornglanz, was ist? Es ist mitten in der Nacht!"

"Weiß ich doch, aber ich muss mit dir reden!"

Erwartungsvoll sah er sie an,aber sie schüttelte nur hektisch den Kopf. "Nicht hier,wo uns jeder hören kann." Und bevor ihr Gesprächspartner protestieren konnte,schlüpfte sie schon aus dem Kriegerbau.

Erdkralle seufzte, stemmte sich hoch und folgte seiner Clangefährtin. Er ahnte, worüber sie mit ihm reden wollte, sie hatte sich schon öfter bei ihm über ihre Anführerin beschwert.

Sie erwartete ihn schon außerhalb des Lagers. "Was denkst du über Schattensterns Vorhaben?"

"Naja..." Erdkralle klang nachdenklich. " So sehr Schattenstern es auch verdient hat, ausgegrenzt zu werden, so etwas sollte keine Katze tun, nur weil eine andere nicht als Clankatze geboren wurde."

Weißdornglanz sah ihn an,ihre Augen durchbohrten ihn förmlich. " Schon, aber ein Kampf beziehungsweise die Auslöschung der Clans ist zu viel. Es gibt Dinge,die kann man nicht ohne Kämpfe klären, aber bei dieser Sache reicht reden."

Erdkralle musterte sie halb belustigt,halb misstrauisch. "Wenn du das Schattenstern sagst, zerfetzt sie dich,bevor du auch nur Maus sagen kannst."

Weißdornglanz verdrehte die Augen. " Das ist kein Witz, Erdkralle! Wir müssen die Clans warnen."

Erdkralle, der befürchtet hatte, dass Weißdornglanz das von ihm wollte, schüttelte den Kopf. " Deine Idee in allen Ehren, Weißdornglanz, aber niemand außer Schattenstern weiß, wo diese anderen Clans überhaupt wohnen."

"Doch, ich weiß es." Weißdornglanz und Erdkralle wirbelten gleichzeitig herum. Ein goldbrauner Kater mit schwarzen Tupfen und eine hellgraue Kätzin traten zu ihnen. Die hellgraue Kätzin trug die schlafende Minzrose auf ihrem Rücken.

"Schilfwind! Flockenhauch!", begrüßte Weißdornglanz die beiden Neuankömmlinge. "Ich bin froh, euch zu sehen!"

"Du weißt also, wo die anderen Clans leben?", fragte Erdkralle an Schilfwind gewandt. Dieser nickte.

" Woher?", fragte Erdkralle weiter.

"Na dann los! Schilfwind kann uns auf dem Weg erzählen, woher er es weiß, aber wir müssen weg, bevor irgendjemand aufwacht.", drängte Weißdornglanz die anderen. " Wir müssen uns beeilen, wenn wir vor Schattenstern dort sein wollen." Ohne auf Antworten zu warten, drehte sie sich um und preschte davon, ihre Clangefährten folgten ihr ohne zu zögern.

Doch es gab etwas, was niemand bemerkt hatte,: Schattenstern war wach. Sie hatte alles gehört. Mit unverhohlenem Hass in den Augen saß sie da und sah den fünf Katzen nach. " Das war's", murmelte sie. " Sobald wir bei den Clans angekommen sind, werden wir sie wiedersehen. Und dann werde ich dafür sorgen, dass sie den qualvollsten Tod sterben, den eine Katze jemals gestorben ist."

Es tut mir wirklich leid, dass der Prolog erst jetzt kommt,ich hatte in den letzten Monat echt viel zu tun... Aber da ich momentan krank bin und somit nichts mehr zu tun habe, habe ich jetzt wieder mehr Zeit für dieses Buch.

-Schlangenseele

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