14. Kapitel
„Wach auf, Flutpfote! Heute ist dein erstes Training!"
Jemand rüttelte an seinen Schultern. Er öffnete verschlafen die Augen. Über ihm stand sein Mentor Rattenkralle.
Sanft sprach der Krieger: „Wenn du dich beeilst, kannst du dich noch putzen und etwas essen. Ich hole dich dann."
„Danke", flüsterte er, stand auf und schüttelte sich ein paar Moosreste aus dem vom Schlafen struppigen Fell.
Als er sich umsah, bemerkte er, dass nur er in dem Bau war. Alle anderen Schüler schienen schon mit ihren Mentoren unterwegs zu sein, Rattenkralle war auch schon wieder draußen.
Hoffentlich trainieren wir anders als die Reißer...
Ein dicker Kloß bildete sich in seinem Hals. Er hatte Angst. Angst vor dem Training, das er jetzt bekommen würde. Er wollte nicht wieder Blut schmecken, nicht dieses schreckliche Gefühl haben, wenn es während der Übungsstunde um Leben und Tod ging.
Trotzdem verließ er nach seiner Morgenwäsche recht schnell den Schülerbau, nahm sich kurz Zeit, eine Maus zu fressen und begab sich gestärkt zu Rattenkralle. Das dichte, braun-schwarz getigerte Fell des großen Katers glänzte im Sonnenlicht, doch Flutpfotes graue Haarpracht stand dem in nichts nach. Er war sorgfältig gewesen.
„Gut, lass uns anfangen!", schnurrte sein Mentor.
"Gern!", antwortete er, froh, solch einen netten Kater als Mentor bekommen zu haben. Er wollte gleich am Anfang einen guten Eindruck machen, damit er auch gut behandelt wurde, auch, wenn das hier selbstverständlich zu sein schien. Bei Erdbeere funktionierte das ja auch.
Rattenkralle führte ihn durch den dichten Wald zu einer sandigen, mit weichem Laub bedeckten Kuhle. Das Territorium schien ähnlich wie das der Reißer, nur, dass das LaubClanterritorium aus einem Laubwald bestand und nicht aus einem Mischwald.
"Hier trainieren wir. Die meiste Zeit deines Trainings verbringen wir hier auf dem Laubplatz", erläuterte Rattenkralle und blickte die Senke mit einer derartigen Vertrautheit und Wärme an, dass der Schüler sich sicher war, dass
"Verstanden." Flutpfote nickte.
"Sehr gut."
Sie gingen weiter. Eine ganze Weile lief er neben dem Größeren her, bis dieser langsamer wurde. Der Wald hatte sich gelichtet und nun befand sich einige Fuchslängen weiter ein langer Bach, der weiter hinten zwei Seitenarme hatte. Flutpfote vermutete, dass sich ein Netz von solchen Bächen durch das Territorium zog, obwohl er sich nicht erklären konnte, wie man dieses Wasser mögen konnte.
"Das hier ist die Grenze", erklärte Rattenkralle ernst. "Du darfst sie niemals ohne Erlaubnis übertreten. Niemals, okay?"
"Ja. Verstanden", antwortete Flutpfote mit fester Stimme.
"Dort wohnt der BachClan", fügte Rattenkralle noch hinzu. "Der zerfetzt dich, wenn du in ihr Territorium eindringst."
Er nickte erneut, diesmal etwas eingeschüchtert.
Hoffentlich markieren sie ihre Grenzen auch gut, dachte er sorgenvoll.
Sein Mentor schritt weiter an der intensiv nach Fisch riechenden Grenze entlang, ohne auf das gegenüberliegende Territorium zu achten, das doch so anders wirkte als das LaubClanterritorium. Selbst als er genau hinsah, konnte er kaum Bäume entdecken.
Sie liefen eine Weile weiter, ohne, dass jemand etwas sagte. Rattenkralle nahm bei seinem Tempo Rücksicht auf seinen Schüler und lief langsam genug, dass dieser gut mithalten konnte.
Bald stieg dem grauen Kater ein neuer Duft in die Nase. Es roch fröhlicher, frischer. Etwas mehr nach Wind, aber auch ein wenig nach Schweiß.
Sie lebten wahrscheinlich nicht in einem Wald, vermutete der junge Kater.
"Dort lebt der LichtClan. Für ihn gelten die gleichen Regeln wie für den BachClan", miaute Rattenkralle zu ihm herüber und deutete auf eine hügelige Moorlandschaft.
"In Ordnung", erwiderte er und schlug nach einer lästigen Fliege, die um seinen Kopf herumschwirrte.
"Ja, das war's auch schon", bemerkte Rattenkralle.
"Wirklich?", sagte Flutpfote ungläubig. "Reis hat immer von riesigen Territorien mit super viel Beute gesprochen."
"Wer ist Reis?", fragte Rattenkralle. Seine Augen glühten wachsam, aber interessiert.
Flutpfote war sich nicht sicher, was er mit dieser Information anstellen würde.
"Meine Mutter", miaute er ausweichend und wandte den Blick ab. Er hatte keine Lust, jetzt von seiner Mutter zu erzählen, die nicht einmal nett zu ihm gewesen war.
"Deine Mutter?", hakte der getigerte Kater nach.
"Hab ich doch gesagt", murmelte er.
Rattenkralle schien zu bemerken, dass er nichts mehr sagen würde, und sah in den Himmel. Die Sonne ging gerade unter.
"Lass uns zurückgehen", meinte er.
"Ja", sagte der Schüler und wich Rattenkralle Blick weiterhin aus.
Plötzlich ließ ein Schrei sie zusammenfahren.
"Was lungert ihr hier ständig an der Grenze rum, Rattenkralle?", fragte jemand hinter ihnen.
Der Angesprochene wirbelte mit gesträubtem Nackenfell herum, die Augen zu Schlitzen verengt.
"Wir lungern nicht rum, Wirbelpelz. Ich zeige meinem Schüler unser Territorium", fauchte er.
"Ach ja?", höhnte der weiße, strubbelige Kater, "Ich wüsste nichts von neuen Jungen, die jetzt schon soweit wären. Brecht ihr etwa das Gesetz der Krieger?"
„Selbstverständlich nicht, wir sind ehrbare Krieger und halten uns daran", knurrte Rattenkralle und bedeutete Flutpfote unauffällig, er solle sich etwas von der Grenze entfernen, denn er stand relativ nah. Hastig befolgte der Schüler, was sein Mentor ihm gesagt hatte.
„Seit wann nimmt der LaubClan denn Hauskätzchen auf?", fragte Wirbelpelz gehässig und grinste den LaubClankrieger provozierend an.
Dieser verdrehte nur die Augen, hielt sich aber zurück, was der LichtClankater anscheinend als Nein wertete. Sein Blick nahm einen wilden Ausdruck an.
"Oder ist das etwa ein Reißer?", knurrte er gefährlich leise.
"Das geht dich nichts an. Wir nehmen auf, wen wir für geeignet halten!", entgegnete Rattenkralle kühl.
Flutpfote lief ein kalter Schauer den Rücken herunter. Es gefiel ihm nicht, dass der LichtClan schon von seiner Ankunft wusste. Und wenn er in Wirbelpelz' Augen sah, wusste er, dass der LichtClankater erkannte, dass er kein Hauskätzchen war.
Der weiße Kater rümpfte abfällig die Nase musterte Flutpfote verächtlich, während sich sein Fell langsam aufstellte und seine Schnurrhaare verdächtig zu zittern anfingen.
"Das werde ich Sonnenstern melden", zischte er und drehte sich um, "Einen Reißer aufzunehmen, ist gegen alle unsere Vorsätze! Das ist Verrat!"
Ein letztes Fauchen, dann rannte er in die entgegengesetzte Richtung los. Alles, was nach wenigen Herzschlägen von ihm übrig war, war eine Staubwolke, die sich bereits aufzulösen begann. Er war wirklich schnell.
"Oje", seufzte Rattenkralle und drehte sich wieder zu Flutpfote um, "Das wird Ärger geben."
Mit hängendem Schweif folgte er seinem Mentor wieder durch den Wald Richtung Lager.
„Weißt du", sagte Rattenkralle schließlich nach einer Weile des Laufens, „Wirbelpelz ist eine HalbClankatze. Seine Eltern stammen aus dem LichtClan und dem LaubClan. Sein Vater Flammensturm ist schon lange tot, aber seine Mutter lebt immer noch beim LichtClan. Er lebte eine Zeit lang beim LaubClan und wir waren beste Freunde, bis er wieder zum LichtClan zurückkehrte. Ich glaube, dass er neidisch auf mich ist, weil ich nie Probleme mit meinen Clangefährten hatte, er aber geärgert wurde." Er seufzte.
Der Schüler spürte einen Funken Mitleid für Wirbelpelz in sich aufkommen und er fragte sich, ob er akzeptiert werden würde. Immerhin war er ein Mitglied der Reißer gewesen und das schien mehr wert zu sein als eine HalbClankatze.
"Geh etwas essen", befahl er. "Ich erstatte Regenstern Meldung."
Flutpfote nickte betrübt und suchte sich eine Taube heraus.
Das Pech schien ihn schon wieder zu verfolgen, schon nach dem ersten Tag bei den Clans hatte er sich Feinde gemacht. Wie sollte es nur weitergehen, wenn es so blieb?
Trübselig zupfte er die Federn aus dem Gefieder der Taube und überlegte kurz. Er könnte sie doch Federpfote mitbringen, sie schien Federn ja zu mögen. Also verschlang er sein Beutestück eilig und ging mit den Federn in den Schülerbau.
"He, Federpfote."
Niemand antwortete. Flutpfote sah sich nach der Kätzin um, konnte sie aber nicht entdecken. Er seufzte leise. Sie war nicht da.
Also beschloss er, ihr die Taubenfedern einfach ins Nest zu legen. Er hatte extra die weichen Daunen genommen.
Der Schüler legte die Federn sorgfältig neben die, die Federpfote schon in ihrem Nest angesammelt hatte. Hoffentlich würde sie sich freuen.
Er rollte sich in seinem Nest zusammen und fiel in einen tiefen Schlaf.
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