10. Kapitel
Während Flut sich mit seinen Vorhaben beschäftigte, lag Asche in dem Gefangenenbau im Lager der Reißer. Verzweifelt starrte er auf die Decke.
Flut! Warum musste ich auch so schwach sein und mich von Apfel verschleppen lassen? Ich hätte dir helfen können! Stattdessen war ich bewusstlos und jetzt liege ich hier und du bist vielleicht sogar schon verdurstet!
Verzweifelte Gedanken füllten seinen Kopf aus, er konnte an nichts Anderes denken als an seinen armen Bruder. Schon lange hatte er sein Zeitgefühl verloren, er wusste nicht, wie viel Zeit schon vergangen war. Minuten? Stunden? Oder schon Tage? Eigentlich war es ihm egal, solange es seinem Bruder gut ging.
Er versuchte, die tappenden Pfotenschritte am Eingang zu überhören und sich einfach nur unsichtbar zu machen. Als er noch sehr klein gewesen war, hatte er eine Zeit lang daran geglaubt, dass man sich von einem Ort zum anderen teleportieren konnte, wenn man nur fest genug daran glaubte. Doch heute war das nur noch ein kleiner Kindheitstraum, der niemanden interessierte.
Er wurde unsanft in die Gegenwart zurück gerissen, als eine rote, vertraute Gestalt den Bau betrat, über ihm aufragte und ihn dann an den Hinterpfoten aus hinaus auf die Lichtung zerrte, ohne Rücksicht auf ihn zu nehmen.
Erdbeere.
Sein Kopf schleifte durch den Staub. Alles kopfüber erblickte er Blume, die ihn mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen beobachtete, ohne etwas zu unternehmen.
"Blume!", rief er, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Doch seine braune Schwester sah peinlich berührt weg, als sie seinen Ruf hörte.
Schnell schloss Asche die Augen, um keinen Staub in die Augen zu bekommen. Leider sah er deswegen nichts mehr, doch das spielte eh keine Rolle. Er wusste, wo er hingezogen wurde. Sein Körper hinterließ eine Schleifspur im Sand.
Jetzt spürte er, wie man ihn über einen Stein zog. Sein Fell rieb über einen rauen Steinboden und er fühlte den heißen Atem einer Katze auf seinem Gesicht. Deswegen öffnete er die Augen und blickte direkt in die von Blutfänger, der ihn mit seinem Blicken förmlich durchbohrte.
Der Kater gab Erdbeere ein Zeichen, die ihn unsanft fallen ließ und schnellen Schrittes nach draußen ging.
"Du." Blutfänger richtete seinen Blick wieder auf ihn. "Was hast du Schlimmes angerichtet, dass Apfel dich wegsperrt?"
Ein unwilliges Fauchen ertönte, als Apfel, dicht gefolgt von Fels, dem Stellvertreter Blutfängers, in den Bau gefegt kam.
"Ich habe Flut auf eine Probe gestellt, so wie du es befohlen hast. Ich wollte, dass er, wenn er treu ist, es aus dem Kaninchenbau schafft und zu uns kommt. Aber Asche hat sich meinem Befehl, ihn zurückzulassen, widersetzt.
Deswegen habe ich ihn eingesperrt, damit er ihm nicht hilft. Ich verlange, dass er bestraft wird für seinen Ungehorsam, so wie er es verdient hat!", knurrte die Kätzin aufgebracht. Ihre Augen glühten dabei unbarmherzig.
Blutfänger hatte schweigend zugehört, wobei sich sein Nackenfell immer mehr aufrichtete.
"Du hast vollkommen recht!", fauchte er. "Ich dulde hier keinen Ungehorsam."
Asche stand auf und öffnete das Maul, um zu widersprechen. Aber Fels reagierte blitzschnell. Augenblicklich stand er hinter ihm und bohrte ihm die Krallen in die Kopfhaut.
Sein Kopf pochte schmerzhaft an der Stelle und ihm entwich ein Wimmern. Der graue Kater drückte sein Gesicht in den Schmutz und er musste würgen.
"Du hast hier nichts mitzureden!", zischte Fels. „Welche Strafe erwartet ihn?", fragte er seinen Anführer und leckte sich die Lippen.
„Die übliche Strafe", entschied Blutfänger nach kurzem Überlegen.
Apfel nickte wissend. Sie war zufrieden.
Was ist denn die übliche Strafe?
Asche zitterte leicht. Blutfänger war bekannt für seine Grausamkeit. Da konnte eine gewöhnliche Strafe zu einer schweren Verletzung werden.
Nun stieß Fels ihn wieder auf die Pfoten und schubste ihn vor sich her aus dem Lager. Dabei fing Asche viele verwunderte und schadenfrohe Blicke auf, die er versuchte, zu ignorieren. Doch es klappte einfach nicht. Warum half ihm niemand?
Ohne sich dessen bewusst zu sein, war er langsamer geworden. Fels schnappte nach seinen Hinterläufen und biss zu. Asche jaulte auf und lief schneller.
Plötzlich hielten Apfel und Blutfänger an und Fels packte ihn an seinem sowieso schon von Apfel verwundeten Ohr, was ihn zusammenzucken ließ. Doch er wusste, dass es jetzt schlauer war, sich nicht zu wehren.
„Du wirst da drin bleiben, bis die Sonne untergeht", teilte Apfel ihm mit.
Wo drin denn?
Er blickte in den Himmel. Es war später Nachmittag. Die Sonne würde recht bald untergehen. Das konnte doch nicht so lang sein, oder?
„Viel Spaß!", grinste Blutfänger grausam.
Dann hob Fels ihn hoch und katapultierte ihn nach vorne. Sein Ohr schmerzte dabei, als würde er es ihm abreißen.
Er flog durch die Luft, dann landete er auf dem harten Boden einer Grube. Es knackte leise. Schmerzhaft langsam zog er sein Bein unter sich hervor. Es hing schlaff herab.
Gebrochen. Aua.
Stechender Schmerz schoss durch seinen Körper und er biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzujaulen, doch ein lautes Wimmern konnte er nicht unterdrücken. Der junge Kater versuchte mit Tränen in den Augen, ruhig und gleichmäßig zu atmen.
Ein. Aus. Ein. Aus...
Die Schmerzen schienen ihn innerlich aufzufressen. Asche fühlte sich, als hätte jemand sein Bein angezündet und es wäre nirgendwo Wasser.
Ich... brauche Hilfe...
Und kaum, dass er den Gedanken zu Ende gebracht hatte, hörte er ein leises Trippeln.
Er blickte zur Seite. Dort standen zwei Ratten. Er hörte ein Schnaufen. Hinter ihm eine Ratte, hinter ihr sechs andere. Vorne und auf der anderen Seite diese kleinen, listigen Nagetiere. Überall um ihn herum waren Ratten. Hungrige Nager, bereit, alles zu fressen, was ihnen unter die Pfoten kam. Und er mittendrin.
Asche stieß einen entsetzten Schrei aus. Und dann stürzten sich die Ratten auf ihn.
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