5. Kapitel

Ihre ehemalige Anführerin trat langsam zurück und machte für eine nächste Katze Platz, die die angehende Anführerin schon seit unzähligen Monden nicht mehr gesehen hatte. „Rotbart!", miaute sie fröhlich und senkte respektvoll den Kopf vor dem erfahrenen SternenClankrieger. Dieser sagte nichts zur Begrüßung, aber auf seinem Gesicht zeichnet sich ein Lächeln ab und er nickte ihr anerkennend zu.

„Mit diesem Leben gebe ich dir Mut", verkündete er. „Nutze ihn gut, um immer dein bestes für deinen Clan zu geben. Habe keine Angst und zögere nicht, dein Leben zu riskieren. Dein Mut wird auch deinen Clan mutig machen und ihm Zuversicht schenken. Mut ist in einem Kampf mindestens so wichtig wie das Kampfgeschick selbst."

Eulenflugs Geist wurde wieder davon getragen und sie fand sich in Rotbarts zärtlicher Schülergestalt wieder. Es war die erste Jagdprüfung, die der junge, rotfarbene Schüler allein absolvieren musste. Eulenflug war überrascht wie ängstlich sie war. Das rote Fell stand vor Angst in alle Richtungen ab und sie ließ ihren Blick die ganze Zeit von der einen zur anderen Seite wandern. Ihr Blut hörte sie in den Ohren pochen. Sie hätte niemals erwartet, dass Rotpfote ein solch ängstlicher Schüler gewesen war. Sie kannte bloß den erfahrenen, mutigen Rotbart.

Bald witterte Eulenflug etwas im Unterholz. Ein Eichhörnchen. Rotpfote war kein guter Jäger, Rotbart war es auch nie gewesen, aber dennoch gelang es der angehenden Anführerin relativ geschickt und geschmeidig durchs Unterholz zu gleiten. Das Eichhörnchen bemerkte sie zunächst nicht, als es zwischen den Wurzeln einer großen Buche an einer kleinen Nuss nagte, doch als Eulenflug schon sehr nah an dem kleinen Nager heran war, verriet sie das Rascheln des Unterholzes dennoch und das Eichhörnchen flüchtete ganz schnell den Stamm hinauf.

Die Kätzin wollte es verfolgen. Es würde ein gutes Stück Fleisch für ihren Clan bieten und Eulenflug wollte sich diese Chance nicht entgehen lassen, doch als sie mit einem kräftigen Sprung ihrer Hinterbeine auf dem ersten zaghaften Ast landete, packte sie doch die Angst und sie sprang wieder hinab zum Boden. Das Eichhörnchen war vermutlich sowieso schon in den höchsten Baumwipfeln verschwunden.

Sie spürte ein Schamgefühl in ihr aufsteigen, dass sie die Beute entwichen lassen hatte und dass sie zu feige gewesen war, dem Tier hinterher zu klettern. So würde sie nie zum Krieger ernannt werden. Kopf und Schwanz hängend trottete sie weiter durch den Wald. Sie war eine viel schlechtere Jägerin als ihre Schwester Weizenpfote und die anderen Schüler in ihrem Alter. Im Kämpfen schlug sie diese zwar meistens, aber als sie einst in einem wirklichen Kampf mitgekämpft hatte, war sie so eingeschüchtert von all den großen, feindseligen Kriegern gewesen, dass sie vor Angst nach dem ersten Kampf mit einem jungen Schüler zurück zum Lager geflohen war. Den anderen hatte sie vorgespielt dass sie starke Schmerzen in der Schulter hatte.

Ihre Weichlichkeit und diese Notlüge waren ihr einfach nur so peinlich gewesen. Warum konnte sie nicht mutiger sein, so wie alle anderen Clankatzen auch? Sie kam sich ja selber wie ein verweichlichtes Hauskätzchen vor. Während sie so gedankenverloren durch den Wald stapfte bemerkte sie gar nicht, wie sich ein Fuchs an sie anschlich. Erst mit einem Mal stieg ihr ein heftiger Gestank in die Nase und sie wirbelte erschrocken zu ihrem Verfolger um. Der Fuchs knurrte zunächst, dann stürzte er sich auf sie.

Eulenflug war wie erstarrt und sie vermochte es nicht, all die Kampftricks die sie in letzter Zeit erlernt hatte, anzuwenden. Sie schlug bloß wild drauf los in der Hoffnung, den Fuchs irgendwie los zu werden. Doch er war viel größer als sie. Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen endlich zwei Krieger, Ottersprung und Raurabe, und griffen den Fuchs an, der schnell besiegt war und ins Unterholz floh.

Eulenflug blieb einen Moment lang zitternd liegen. Sie konnte nicht verstehen, wie andere ohne Angst den Wald betreten konnten und das obwohl es wirklich lebensgefährlich war, wie sie jetzt am eigenen Leib hatte erfahren müssen.

Die Zeit flog wieder an ihr vorbei. Sie bekam mit, wie ihre Wunden langsam heilten und sie älter wurde. Sie bekam ihre Angst nun besser in den Griff, traute sich auch alleine in den Wald. Ihr muskulöser Körper gab ihr da auch ein wenig Sicherheit, aber dennoch war sie feiger als die anderen Katzen in ihrem Alter, die auch schon bereits zu Kriegern ernannt worden waren und das Trauma mit dem Fuchs hatte sie auch nie wirklich überkommen.

Eines Tages, als die Zeit wieder langsamer lief, hatte Eulenflug den Auftrag, die jüngsten Schüler Weißpfote und Haselpfote mit auf die Jagd zu nehmen. Es brachte ihr ein bisschen Selbstvertrauen ein zu sehen, wie sehr die kleinen Schüler sie bewunderten. Sie zeigte ihnen ein paar Jagdtechniken und erntete Bewunderung, als sie mit einem Schlag einen kleinen Wühler tötete.

Als sie gerade Haselpfote mit einem Moosbüschel zeigte, wie sie sich daran anschleichen sollte, lief Weißpfote ein paar Schwanzlängen weiter um neugierig in eine große Kuhle hinabzusehen, in der sich oft Wasser sammelte wenn es viel regnete, bei diesem Wetter dürfte diese aber ziemlich trocken sein.

Doch plötzlich schrie Weißpfote laut auf. „Rotpfote schnell!" Eulenflug lief sofort bestürzt zu der Schülerin, die ihren entsetzten Blick auf die Kuhle gerichtet hatte. Die werdende Anführerin folgte ihrem Blick und spürte wie sich ihr Nackenfell aufstellte. In der Kuhle war der Schüler Orchideenpfote, doch er war nicht allein. Zwei drahtige, muskulöse Füchse schlugen auf ihn ein, umrundeten ihn und gaben ihm keine Möglichkeit zu fliehen. Orchideenpfote hatte sich ganz dicht auf den Boden gepresst, seine Augen waren weit aufgerissen, aus einer Wunde an seiner Flanke tropfte bereits Blut auf den trockenen Boden.

„Rotpfote, was sollen wir denn jetzt machen?", fragte Windpfote bestürzt. Sie mussten Orchideenpfote helfen, so viel war klar, aber Eulenflug konnte die beiden jungen Schüler unmöglich in diesen Kampf mit hinein verwickeln. „Ihr rennt zurück zum Lager und holt Hilfe", befahl sie ihnen und schon rannten die beiden jungen Kätzinnen los. Nun war da nur noch der verwundete Schüler, die beiden Füchse und Eulenflug.

Eine Katze alleine konnte eigentlich keine zwei Füchse besiegen und die angehende Anführerin spürte die Angst in ihr aufsteigen. Sie spürte den Drang, einfach zu warten bis Verstärkung eintraf und die Krieger dann machen zu lassen.

Ein Fuchs sprang wieder vor und bohrte seine Zähne in Orchideenpfotes Schulter, der junge Kater heulte schmerzvoll auf. *Feigling!*, beschimpfte sich Eulenflug selbst. *Wenn dieser Schüler stirbt ist es alles deine Schuld! Sei einmal in deinem Leben mutig und handle wie eine richtige Clankatze!* Und ohne noch weiter darüber nachzudenken, spannte sie schließlich ihre Muskeln an und sprang mit einem gewaltigen Satz in die Grube hinab.

Sie landete direkt auf dem Rücken von einem der Füchse, der erschrocken aufjaulte und sich wild im Kreis drehte, um das Gewicht von seinem Rücken loszuwerden. Er bäumte sich auf, doch Eulenflug war darauf vorbereitet gewesen; sie schnellte ihre Pfoten nach vorne und umklammerten mit diesen den Hals des Fuchses. Damit schlug sie gleich zwei Mäuse mit einer Pfote: Sie konnte sich festhalten und fiel nicht vom Rücken des Raubtieres hinab und gleichzeitig würgte sie ihn. Der Fuchs machte gurgelnde Laute und ging zu Boden, doch Eulenflug ließ ihren Griff nicht locker.

Plötzlich wurde sie jedoch von einem schweren Gewicht in die Seite gerammt und konnte sich nicht länger halten. Hart traf sie auf dem Boden der Grube auf und fühlte, wie ihr Kopf laut pochte. Doch sie durfte jetzt nicht aufgeben! Sie nahm nochmal all ihren Mut zusammen und sammelte ihre Kräfte. Mit einem Satz war sie auf den Pfoten und fand sich mit dem Fuchs, der sie gerade in die Seite gerammt hatte Auge um Auge.

Das andere Raubtier lag noch benommen auf dem Boden und erholte sich von dem Würgegriff. Der Fuchs dem sie nun direkt gegenüber stand funkelte ihr in die Augen. Er war um einiges größer als sie und seine Zähne, die er mit einem bedrohlichen Knurren entblößte waren größer und schärfer als die ihren. Sein stinkender Atem der nach Krähenfraß roch, stieg ihr in die Nase. *Das ist mein Kampf. Und ich werde siegen.*

Sie schnellte vor und attackierte die Brust des Fuchses. Sie erinnerte sich an einen Kampftrick den sie im Training immer perfekt beherrscht hatte. Nun würde sich zeigen, ob sie ihn auch in einem wirklichen Kampf umsetzen konnte. Ehe der Fuchs eine Gelegenheit hatte auch sie zu attackieren sprang sie wieder zurück. Sie täuschte dem Raubtier an, ihn von links anzugreifen, sprang dann aber doch auf seine reichte Seite und zog ihm die Vorderpfote weg, sodass er überrascht zu Boden ging. Ehe er wieder aufstehen konnte, sprang Eulenflug auf seinen Rücken und bohrte ihre Krallen tief in sein Fleisch.

Er heulte laut auf und drehte immer wieder seinen Kopf und versuchte sie mit seinen kräftigen Kiefern zu fassen zu bekommen. Doch Eulenflug war vorsichtig und gab ihm nicht die Chance dazu.

Schließlich packte sie seinen Kopf mit ihren Pfoten. Sie hatte diese Technik immer nur an Katzen ausprobiert und der Kopf des Fuchses war bedeutend größer. Aber dennoch gelang es ihr diesen mit ihren Pfoten nach hinten in den Nacken zu reißen und biss ihm dann ohne Gnade in den entblößten Hals. Sie schmeckte warmes Blut und konnte sehen, wie der Fuchs seine Augen weit aufriss vor Entsetzen. Er versuchte sich verzweifelt aus ihrem Griff zu entwenden und schließlich ließ Eulenflug ihn gewähren. Sie wollte ihn nicht töten wenn es nicht unbedingt nötig war.

Sobald sich der Fuchs losgerissen hatte, sprang er auf und die angehende Anführerin glitt von seinem Rücken. Diese Chance ließ sich der Fuchs nicht entgehen und floh aus der Kuhle hinaus und verschwand im Wald. Eulenflug rappelte sich wieder auf und musterte den anderen Fuchs, der inzwischen auch wieder auf seinen Pfoten stand. Er zögerte einen Moment und sah die angehende Anführerin unsich er an. Es schien als wüsste er nicht ganz, ob er sie nochmal angreifen sollte. Schließlich entschied er sich aber dagegen und folgte seinem Gefährten in den Wald.

Eulenflug spürte Stolz in ihr aufsteigen. Sie hatte es tatsächlich geschafft, sie hatte die Füchse ganz alleine besiegt und Orchideenpfote gerettet. Der kleine Schüler stand wackelig auf seinen Pfoten. „Danke...Rotpfote", keuchte er und blinzelte sie dankbar an. „Du hast mir das Leben gerettet."

Eulenflug spürte, wie sich die Landschaft um sie herum wieder langsam begann aufzulösen und sie auf der Reise zurück zum SternenClan war. Sie wusste, dass dieser Tag, ja dieser Kampf gegen die Füchse Rotbart für immer verändert hatte. Es hatte ihn zu dem Kater gemacht, den der ganze Clan respektierte und ehrte, weil er mutig genug gewesen war, sein Leben für seinen Clangefährten zu riskieren. Sie wusste, dass sie dasselbe für ihren Clan tun würde. Das hieß es, eine wahre Clankatze zu sein.

Sie blinzelte müde als sie wieder im SternenClan die Augen öffnete. Sie war so erschöpft von all dem was sie jetzt schon erlebt hatte. Sie fühlte sich als wären schon Monde vergangen und langsam begann sie sogar schon ihre Clangefährten und Freunde zu vermissen.

Rotbart trat wieder zurück. Er sah wirklich so ganz anders aus als wie sie ihn nun als Schüler kennengelernt hatte. Viel erhabener, weiser, mutiger und ehrenvoller. Er hatte sich den Respekt seines Clans wirklich verdient.

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