22. Kapitel

Als Eulenstern ihre Augen wieder öffnete, erwachte sie nicht im Wald, wo sie gerade noch gewesen war, sondern im SternenClanterritorium. Panik stieg in ihr auf und sie fragte sich unweigerlich, ob sie wohl gestorben war, als ihr wieder einfiel dass sie ja neun Leben hatte. Doch hatte sie vielleicht eins davon gerade verloren? Fühlte es sich so an, ein Leben zu verlieren? Eine Katzer tauchte auf der Lichtung auf und riss sie somit aus ihren Gedanken. „Heidenstern!", miaute sie und freute sich, ihre ehemalige Anführerin wiederzusehen. Die SternenClankätzin trat zu ihr und die beiden begrüßten sich, indem sie ihre Nasen aneinander rieben. „Es ist schön, dich mal wieder zu sehen, Eulenstern, doch ich wünschte die Umstände wären besser. Du hast gerade dein erstes Leben verloren." 

Eulenstern nickte bedächtig, das hatte sie schließlich schon erwartet. „Wann kann ich wieder zurückkehren?", fragte sie und fühlte sich komisch, nun hier zu sein, während ihre Clangefährten kämpften. „Sofort", schnurrte Heidenstern. „Aber lass mich dir vorher noch eins sagen: Du wirst nun auf dein Herz hören müssen, Eulenstern. Nur du wirst wissen, was die richtige Entscheidung ist." Und mit diesen Worten löste sich Heidenstern und das gesamte SternenClanterritorium um sie herum auf und sie erwachte wieder an der Stelle, an der sie gerade ihr Leben verloren hatte. Was hatte Heidenstern mit ihren letzten Worten gemeint? Vor welche Entscheidung würde Eulenstern gestellt werden? 

Zu ihrer Überraschung war das erste, was die Anführerin sah, als sie ihre Augen öffnete, Herzschlag, wie er sich neben ihr niedergekauerte hatte. Sie spürte, wie ein Gefühl der Freude und Zuneigung sie überkam. Sie hätte nicht erwartet, dass der Anführer nach ihrem scheinbaren Tod bei ihr geblieben wäre. Sein blaues Auge wurde groß. „Du... du lebst! Aber wie ist das möglich? Du... du warst doch tot!", stammelte der schwarze Kater und Eulenstern sah sich um, um sicher zu gehen, dass der graue Kater, der ihr das Leben genommen hatte, nicht mehr bei ihnen war. Dann entschied sie sich dafür, Herzschlag die Wahrheit zu sagen. „Ich bin die Anführerin eines Clans und habe daher neun Leben", erklärte sie ihm sanft. 

„Aber... das ist doch gar nicht möglich!" Die Freude, die sich langsam in seinem Blick anbahnte, ließ Eulenstern lächeln. Sie richtete sich vorsichtig auf und fühlte, wie die neue Lebenskraft ihres zweiten Lebens sie flutete. „Warum wolltest du eigentlich, dass ich dich töte, Herzschlag?", fragte sie schließlich den schwarzen Kater. Alle Feindseligkeit zwischen den beiden Katzen wahr verflogen und alle Lüge auch. „Du hättest doch auch einfach mich töten können, um den Kampf für dich zu gewinnen." 

Herzschlag seufzte und zögerte einen Moment, dann entschied er sich aber scheinbar doch dazu, ihr zu antworten und die Wahrheit zu sagen. „Ich kann nicht töten, also keine Katzen", erklärte er. „Ich weiß, als Anführer der Todeskrieger sollte ich das können, aber es geht einfach nicht. Ich könnte das niemals tun. Weißt du warum ich den Namen Herzschlag erhalten habe? Weil ich innerhalb eines Herzschlags töten können sollte. Mein ganzes Leben lang hat man das auch von mir gedacht und dabei habe ich noch nie eine Katze getötet. Indirekt hatte ich kein Problem damit. Ich und meine Krieger waren immer die Krieger der Schatten gewesen. Wir haben uns bis heute niemandem gezeigt und nie einen direkten Kampf ausgeführt. Und wenn es doch mal darum ging, habe ich immer eine andere Katze vorgeschickt. Ich bin feiger als jedes Hauskätzchen. Ich bin nie der Ehre des Todeskrieger gerecht geworden und habe genauso wenig je etwas Gutes getan. Also los mach schon. Töte mich endlich und rette damit deinen Clan." 

Plötzliches Mitgefühl stieg in Eulenstern auf und tiefe Zuneigung für diesen Kater. „Du hast Recht, das wäre eigentlich meine Bestimmung. Weißt du, ich habe mir einmal geschworen, dass wenn ich je Kratzer oder einen seiner Nachfahren treffe, dann werde ich diesen töten. Doch du bist nicht wie die Herzschlag. Du bist anders. Dein Herz trägt mehr Güte als die all deiner Anhänger zusammen. Ich könnte dich genauso wenig töten, wie du mich töten kannst." Eine sanftes Lächeln zeichnete sich auf Herzschlags Lippen ab und Eulenstern erwiderte es. Nach einer Zeit lang Schweigen seufzte der schwarze Kater schließlich und miaute: „Ich werde gehen, werde dieses Land hier und meine Bande für immer verlassen. Sage ihnen... ja sage ihnen bitte, dass ich tot bin. Sie haben keinen Nachfolger und werde sich somit in alle Winde zerstreuen. Das Feld wird euers sein und diesen Kampf werden die Clans gewinnen, als dass sie hoffentlich noch lange hier leben werden." 

Eulensterns Herz verkrampfte sich, als ihr bewusst wurde, dass das ein Abschied für immer von diesem wundervollen Kater sein würde. „Das werde ich machen", versprach sie ihm und konnte sich nicht zurück halten, nochmal zu ihm zu treten und ihm sachte über die Wange zu lecken. „Lebe wohl", hauchte sie ihm ins Ohr und die beiden Katzen pressten ihre Stirnen noch ein letztes Mal gegeneinander. Dann drehte sich Herzschlag um und rannte los, doch als er schon fast im Wald verschwunden war, drehte er sich noch ein letztes Mal zu ihr um. „Und ach ja Eulenstern, unser kleines Spiel hast übrigens du gewonnen. An dem Augenblick, als ich dich das erste Mal gesehen habe, hast du es schon gewonnen, weil ich mich in dir verloren habe." Und mit diesen Worten drehte sich Herzschlag um und verschwand im Wald. 

Eulenstern lächelte nach seinen letzten Worten, aber es war ein schmerzvolles Lächeln, weil sie wusste, dass sie diesen Kater, der ihr Herz schneller schlagen ließ, nun ein letztes Mal gesehen hatte. 

Nachdem sie noch lange in den Wald gestarrt hatte, wo Herzschlag verschwunden war, riss sie sich schließlich los und machte sich auf den Weg zurück zu den anderen Katzen. Sie hatte ihnen noch eine Nachricht zu verkünden und diesen letzten Kampf zu gewinnen, um die Katzen die ihr ganzes Leben bisher schwer gemacht hatten, endlich ein für alle Male zu besiegen und zu vertreiben. Eulenstern spürte tief in ihrem Inneren, dass sich von diesem Zeitpunkt an ihr gesamtes Leben ändern würde, dass sie zum ersten Mal eine normale Clankatze sein würde. Sie würde vermutlich immer noch zum WolkenClan aufsehen, aber ihr Leben, dass sie im LichtClan geführt hatte, konnte sie nun hinter sich lassen. Das alles würde jetzt Vergangenheit sein. Und all die Probleme die sie gehabt hatte, all die Sorgen, das würde jetzt auch der Vergangenheit angehören. Natürlich würden wieder schlimmere Zeiten kommen und auf diese auch wieder bessere, aber es würde anders sein als zuvor. Eulenstern würde ihrem Clan über viele weitere Monde als Anführerin dienen und noch vieles erleben. Aber ihre große, außergewöhnliche Geschichte sollte an diesem Tage zu Ende sein.

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