21. Kapitel
Eulenstern spürte die angespannte Stimmung in der Luft. Fünf Sonnenaufgänge waren vergangen und die Katzen würden bald zu ihrem allesentscheidenden Kampf aufbrechen. Die HöhlenClanpatrouille war bereits eingetroffen und die beiden Clans tauschten sich hektisch noch ein paar Kampftricks aus und planten gemeinsame Strategien. Eulenstern konnte nur auf wackeligen Beinen gehen. Sie war entschlossen, diesen Kampf anzutreten, aber zu wissen, dass manche ihrer Clangefährten diesen vermutlich nicht überleben würden, ließ ihr den Magen umdrehen.
Die Anführerin machte sich schnell nochmal auf den Weg zu Tigersturms Bau, um zu überprüfen, ob die Heilerin auch wirklich alle wichtigen Kräuter bereit gelegt hatte. Stolz sah sie auf die vielen Kräuterbündel hinab, die ihre ehemalige Schülerin sorgfältig bereit gelegt hatte. Die letzen fünf Tage war Tigersturm nur damit beschäftigt gewesen, wichtige Kräuter zu sammeln und alles für den Kampf vorzubereiten. Sie hatte auch nochmal Eulenstern über ein paar Kräuter und bestimmte Situationen befragt und die Anführerin war sich sicher, dass ihre ehemalige Schülerin gut vorbereitet war und heute noch einige Leben retten würde.
Was sie auch besonders stolz machte, war Fichtenfell bei der Heilerin zu sehen, wie sie ihm nochmal die wichtigsten Kräuter für die Behandlung von verletzten Katzen erklärte. Der Älteste hatte selber beschlossen, dass er Tigersturm zum Schlachtfeld begleiten und ihr bei der Behandlung der verletzten Katzen helfen würde. Eulenstern wusste genau, wie schwach der alte Kater bereits war und dass bereits die Reise bis dahin ihn stark an seine Grenzen kommen lassen würde. Geschweige denn der ganze Stress, der ihn dann dort erwarten würde und die Möglichkeit angegriffen zu werden. Keiner wusste, ob der Älteste dies überleben würde, doch er war fest entschlossen zu helfen und Eulenstern ehrte ihn für diese Entscheidung.
Selbstlos und nur darauf bedacht, seinem Clan zu helfen, selbst jetzt, wo er schon so alt war. Wenn er dabei sterben würde, dann würde ihm wohl der ehrenvollste Tod zuteilwerden, der einem Ältesten überhaupt widerfahren konnte und der SternenClan würde sich geehrt fühlen, ihn in ihre Reihen aufzunehmen.
Seidenfell, Wolkensturm und Teichherz hatten sich ebenfalls dazu bereit erklärt, der Heilerin zu helfen, allerdings nicht bei der Behandlung der Katzen, sondern bei dem gefährlichen Unterfangen die verwundeten Katzen aus dem Kampffeld heraus zu befördern und dabei die Heilerin und den Ältesten vor Angriffen zu beschützen.
„Ist bei euch alles soweit in Ordnung? Seid ihr aufbruchsbereit?", fragte die Anführerin Tigersturm und Fichtenfell noch. „Es ist alles in Ordnung und sobald der MoorClan eintrifft, können wir sofort aufbrechen." Eulenstern schnurrte zufrieden. „Das ist gut. Ich werde euch dann rufen." Sie glitt wieder aus der Lichtung hinaus und gesellte sich zu ihrem Schicksalsgefährten Blitzfang. „Das ist dann wohl unser Kampf", miaute dieser und Eulenstern nickte. „Nun liegt es an uns, die Ehre unserer Vorfahren zu retten und uns in ihrem Namen zu rächen."
Die beiden Katzen standen eine Zeit lang schweigend nebeneinander und waren in ihren Gedanken an den WolkenClan und ihre Visionen von dem Untergang ihrer ehemaligen Clans aus denen sie abstammten versunken, bis es im Dornentunnel raschelte und eine große und starke Kampfpatrouille des MoorClans das HimmelClanlager strömte. So viele Katzen waren noch nie in diesem Lager gewesen und es war fast zu klein für alle, doch sie würden ja jetzt sowieso aufbrechen.
Eulenstern sprang auf den Hochstein und Ruhe kehrte ins Lager ein. Die Anführerin sprach ein paar mutmachende Worte und die Clankatzen jubelten. Alle wirkten kampfbereit und entschlossen, den Wald der Clans zu verteidigen. Dann setzte sich Eulenstern zusammen mit Felsstern und Kalbstern an die Spitze, hinter ihnen Aschenflug und Blitzfang und dahinter der Rest der Krieger und Schüler und die riesige Kampfpatrouille setzte sich in Bewegung. Die Anführerin wusste, dass es unmöglich sein würde, das Lager der Todeskrieger komplett überraschend anzugreifen. Sie hatten überall Wächter im Wald, die die riesige Patrouille schnell bemerken und den Rest ihrer Bande warnen würden. Aber viel Zeit würde diesen zumindest nicht mehr zum vorbereiten bleiben.
Der ganze Wald war von den raschelnden Pfotenschritten der Kampfpatrouille erfüllt, als diese über die knisternde Blätterdecke trabten. Vögel flogen schnell davon, wenn die Patrouille näher kam und der Rest der Beute versteckte sich ängstlich in ihren Bauen. Ein überwältigendes Gefühl überkam Eulenstern, als ihr bewusst wurde, dass sie im Namen von sechs Clans kämpfen würde, um deren Ehre ein für alle Male zu retten. Die Ehre der drei jetzigen Clans und die der drei Urclans. Und die Anführerin wusste: Der gesamte SternenClan sowie der gesamte WolkenClan würden sie bei diesem allesentscheidenden Kampf unterstützen und an ihrer Seite laufen, sodass ihr Geist Eulenstern beflügeln würde.
Bald konnte man den Geruch des Lagers bereits ausmachen und in der Ferne zeichneten sich die Gestalten der Todeskrieger ab, die sich in einer breiten, kampfbereiten Reihe aufgestellt hatten und auf ihre Gegner warteten. Die Kampfpatrouille der drei Clans lief unbeirrt und entschlossen weiter, bis sie wenige Schwanzlängen vor den Todeskriegern zum stehen kamen. Die HimmelClananführerin stellte erleichtert fest, dass sie weniger Katzen hatten als ihte eigene Kampfatrouille. Zwar nicht viel weniger, aber jede Kampfkraft, die die Clans mehr hatten, zählte.
Eulensterns Herz machte einen Sprung, als ein Kater mit schwarzem Fell und einer weißen Pfote vortrat. Sein blaues Auge glitt über die Kampfpatrouille der Clans und blieb schließlich an Eulenstern heften. „Was soll das hier?", fragte er an die Anführer der Clans gewandt, doch seinen Blick konnte er kaum von der HimmelClananführerin nehmen. „Warum seid ihr hier mit einer solch großen Kampfpatrouille eingetroffen?" Eulenstern ergriff das Wort. „Es ist Zeit für einen letzten Kampf", erklärte sie dem Anführer der Todeskrieger. „Möge der stärkere gewinnen und der schwächere auf immer und ewig dieses Land hier verlassen."
Herzschlag zögerte einen Augenblick, dann sagte er schließlich: „So soll es sein." Die Krieger von beiden Seiten machten sich kampfbereit. Krallen wurden ausgefahren, Pelze sträubten sich und Zähne waren gebleckt. „Angriff!" Auf Felssterns Ruf hin lösten sich die beiden Reihen auf und das Waldstück wurde zu einem riesigen Schlachtfeld. *Es ist soweit. Mein letzter, allesentscheidender Kampf hat begonnen.*
Ehe sich die Anführerin versah, waren überall um sie Katzen bereits in einen Kampf verwickelt. Kampfesgeheul toste überall um sie herum und sie sah bloß noch Pelze, Krallen, Zähne und entschlossen blickende, wutgeladene Augen. Ehe sie überhaupt nachdenken konnte, was sie nun zu tun hatte, wurde sie von hinten angegriffen und zu Boden geschleudert. Der Kater der nun auf sie sprang hatte orangenes Fell. „Du schon wieder!", zischte Eulenstern und erinnerte sich an ihren kleinen Kampf mit diesem Todeskrieger. Ihr stieg wieder die Erinnerung an die Verletzungen an dessen Schwanz in den Sinn, die sie ihm zugefügt hatte und sie, wusste was sie zu tun hatte.
Sie wartete auf den passenden Moment und versuchte, die Schmerzen zu ignorieren, die dessen Krallen ihr zufügten. Im richtigen Augenblick als sie gerade merkte dass der Krieger nicht mehr so viel Gleichgewicht auf ihrem Rücken hatte, wirbelte sie herum und biss kräftig in seinen Schwanz. Der orangene Kater heulte auf und versuchte verzweifelt, seinen Schwanz aus ihren Fängen zu befreien. Mit einem Mal ließ Eulenstern ihn los was für den Todeskrieger unerwartet kam und er viel hart auf den Boden. Die Anführerin nutzte diese Gelegenheit. Sie sprang auf seine Seite und ohne Gnade bohrte sie ihm Krallen und Zähne ins Fleisch, bis der Kater eine kurze Unaufmerksamkeit von ihr nutzte und in den Wald floh. *Feigling!*
Eulenstern sah sich auf der Lichtung um und suchte die einzelnen Katzen ab. Wo war Herzschlag? Im ersten Moment schalt sie sich dafür, dass sie jetzt an diesen unheimlich attraktiven Kater denken musste, doch dann fiel ihr auf, warum sie ihn eigentlich suchte. Sie wollte dem Ganzen hier ein für alle Male ein Ende bereiten und dafür würde sie den Anführer dieser Todeskrieger besiegen müssen. Sie war sich immer noch unschlüssig, ob sie wirklich bereit war, ihn zu töten, doch jetzt hier mitten im Kampf sah sie die Notwendigkeit darin besser. Dies konnte die Rettung der drei Clans sein und es hing ganz allein an ihr.
Da schließlich entdeckte sie den schwarzen Kater. Er hatte sich auf einem niedrigen Ast einer Eiche abseits des Geschehens niedergelassen und beobachtete den Kampf. Eulenstern konnte nicht verstehen, wie ein Anführer so feige sein konnte und seine Krieger für ihn kämpfen ließ, während er nur zuschaute. Doch das würde bald ein Ende haben. Die HimmelClananführerin kämpfte sich zwischen den kämpfenden Katzen hervor, bis sie diese auch hinter sich gelassen hatte und lief dann direkt auf Herzschlag zu. Sein blaues Auge musterte sie auf eine merkwürdige Weise, doch Eulenstern konnte nicht sagen, was er dachte. Ohne zu zögern setzte sie zu einem Sprung an um auf den Ast zu springen, aber während sie das tat, sprang der schwarze Kater vom Ast hinab. Eulenstern balancierte auf dem Ast bis zu dessen Spitze.
Herzschlag zögerte einen Moment, dann sah er zu ihr hoch. „Meidest du mich etwa?", fragte sie ihn herausfordernd, doch er gab ihr keine Antwort. Die Anführerin zögerte nicht länger und sprang von dem Ast hinab direkt auf den schwarzen Kater, sodass dieser sein Gleichgewicht verlor und nach hinten fiel. Eulenstern stemmte ihre Vorderpfoten auf seine Brust, um ihn am Boden fest zu halten. Beim SternenClan, warum fühlte sich diese Berührung nur so verdammt gut an. Die Anführerin hatte erwartet, dass Herzschlag wenigstens jetzt kämpfen würde, doch nichts geschah. Der Anführer sah sie nur mit seinem stechend blauen Auge an.
Entweder war er noch viel feiger als sie erwartet hatte oder da war etwas anderes, das ihn davon abhielt, sich gegen sie zur Wehr zu setzen. „Na los, töte mich!", forderte er sie auf. „Das ist es doch, was du willst." Eulenstern zögerte. Sie verstand nicht genau, warum er das tat. Warum wehrte er sich nicht? Warum forderte er sie auf, ihn zu töten?" „Ich bräuchte schon einen guten Grund, um deinen Befehl zu befolgen!", erklärte sie ihm bloß. „Ich glaube den kann ich dir geben", erklärte er ihr und die Anführerin verstand nicht ganz, was er meinte. Sie spürte, dass ihr Druck auf seine Brust ihn schlechter Luft holen ließ und er somit auch nicht so gut sprechen konnte. Sie wollte aber hören, was er ihr zu sagen hatte, deshalb lockerte sie ihren Druck ein wenig.
„Ich und meine Todeskrieger haben uns nicht erst jetzt auf euch gestürzt", fing Herzschlag an zu erzählen. „Seit etlichen Blattwechseln sind wir nun schon hinter euch her und haben versucht, euch zu zerstören, ungesehen und unbemerkt als Wandler in den Schatten, wie es schon immer unsere beste Kunst gewesen war. Wir waren es, die die Dachse auf euer Territorium gelockt haben, und die Ratten. Wir haben das Feuer gelegt und Gerüche über die Grenzen getragen damit sich die Clans bekriegt haben. Wir haben Beute infiziert und somit Krankheiten in eure Lager gebracht und alles andere was du dir noch so vorstellen kannst. Alle was euch in den letzten Monden und Blattwechseln wiederfahren ist, das waren wir."
Eulenstern hatte noch nie in ihrem Leben etwas gehört, dass sie so fassungslos und erschrocken machte. Herzschlag hatte wohl geplant, sie mit dieser Offenbarung wütend auf ihn zu machen sodass sie ihn schließlich doch tötete, doch dazu war sie viel zu starr vor Entsetzen. All die Probleme, mit denen sie ihr Leben lang zu kämpfen hatte. All die Sorgen, die finstere Zeiten ihr bereitet hatten und all das Leid, das ihr dadurch widerfahren war, sollten kein Zufall gewesen sein, sondern alles durch diese finsteren Todeskrieger auf sie geladen worden sein?
Doch noch ehe Eulenstern weiter nachdenken konnte, riss sie ein schweres Gewicht von Herzschlag herunter und messerscharfe Zähne bohrten sich in ihre Kehle. Sie sah graues Fell und wusste, dass dies ein Todeskrieger war, den sie nicht kannte. Erbarmungslos bohrten sich die Zähne tiefer in ihre Kehle und sie wollte sich wehren, doch sie war noch viel zu entsetzt dazu und außerdem war es auch schon zu spät. Ein paar gurgelnde Laute stiegen in ihrer Kehle auf und sie riss ihrer Augen noch ein letztes Mal groß auf, wobei sie Herzschlags entsetzten Blick wahrnahm, dann wurde ihr schwarz vor Augen.
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