17. Kapitel
Eulenstern lief mit geduckter Haltung durch den Wald. Ihr Pelz war komplett durchnässt und überall um sie herum hörte sie den Regen auf die Blätter prasseln, die den Waldboden unter sich begruben. Die Anführerin war bei der Jagd von einem plötzlichen, heftigen Regenschauer überrascht worden und war nun auf dem Weg zurück zum Lager. Der Regen dämpfte die Sinne der Anführerin, weshalb sie den Kater, der plötzlich direkt vor ihr auftauchte erst bemerkte, als sie schon fast in ihn reinlief. Es war keiner ihrer Clangefährten und auch nicht Herzschlag sondern ein ihr fremder Streuner.
Eulensterns Pelz sträubte sich und sie bereitete sich auf einen Kampf vor, doch der Kater der ihr gegenüber stand schien andere Absichten zu haben. Er war ihr weder feindselig gestimmt noch ignorierte er sie. Es wirkte eher so, als wollte er zu ihr. „Du musst Eulenstern sein", miaute er und es beunruhigte die HimmelClananführerin ein wenig, dass der fremde Streuner ihren Namen kannte. „Ich habe dir eine Nachricht von Herzschlag zu überbringen", erklärte er und das änderte natürlich einiges. Ein komisches Kribbeln zog durch Eulensterns Bauch und sie nickte dem Kater zu als Aufforderung zu sprechen. „Er lässt ausrichten, dass er dich morgen bei Sonnenhoch an der Grenze beim verlassenen Fuchsbau treffen will."
Die HimmelClananführerin spürte die Aufregung und freudige Erregung die durch ihre Adern flossen. Sie würde da sein. „Gut danke für die Nachricht. Und nun verlasse bitte unser Territorium, sonst muss ich nachhelfen." Auch wenn es um Herzschlag und sein Gefolge ging, konnte Eulenstern nicht zulassen, dass Streuner sich auf ihrem Territorium aufhielten wann immer es ihnen gerade passte. Doch der Streuner machte keine Anstalten sich ihrem Befehl zu wiedersetzen. Er machte augenblicklich kehrt und verschwand im Wald. Die Anführerin konnte bloß hoffen, dass er das Territorium auch wirklich verließ.
Sie lief weiter in Richtung Lager und zu ihrer Erleichterung ließ der Regen bald nach. Als sie das Lager betrat fielen nur noch vereinzelt ein paar Tropfen die sie auf ihrem durchnässten Pelz sowieso kaum noch spürte. Die Lagerlichtung war soweit verlassen, die Katzen waren wohl schnell in ihre Baue geflüchtet. Die Frischbeute hatten sie auch mitgeholt. Jede Katze wusste, dass durchnässte Beute kaum noch genießbar war. Bloß die Schüler spielten unbeirrt vor ihrem Bau. Sie jagten ein paar Regentropfen nach, sprangen in frisch gebildete Pfützen und wälzten sich im Schlamm.
Eulenstern schüttelte bloß amüsiert den Kopf. Sie hatte früher auch gerne im Regen gespielt, aber heute war sie einfach nur noch froh, wenn sie einen trockenen Bau hatte, sobald es anfing zu regnen. Der Anführerbau war sogar besonders trocken, da er schließlich eine Höhle war und die Tropfen sich nicht wie in den anderen Bauen langsam durch die pflanzlichen Wände durchdrücken konnten.
Eulenstern dachte einen Moment lang nach. War es nicht irgendwie unfair, dass sie mit trockenem Fell aufwachen sollten und ihre Clangefährten alle durchnässt sein würden, obwohl in ihrem Bau und auch im Heilerbau, der schließlich auch eine Höhle war, noch genug Platz war? Vielleicht lag es daran, dass Eulenstern noch nicht so lange Anführerin war und sich noch eher auf derselben Ebene mit ihren Clangefährten sah, doch sie würde wirklich kein Problem haben, ihren Bau mit diesen zu teilen. Sie war es ja auch noch vom Leben als Kriegerin gewohnt, nachts immer viele Katzen um sich zu haben und manchmal fühlte sie sich im Anführerbau sogar etwas einsam.
Also machte sie kurzen Prozess und lief zum Kriegerbau hinüber, wo sich auch Fichtenfell eingefunden hatte. Die Anführerin erklärte den Kriegern, dass sie sich gerne auch im ihrem Bau oder dem von Tigersturm einquartieren konnten, wenn ihnen der Regen unangenehm war und manche von ihnen nahmen die Einladung dankend an.
Als sich Eulenstern gerade auf den Weg zurück zum Anführerbau machte, kamen die drei Schüler zögerlich auf sie zugelaufen. „Wir also...naja... wir wollten fragen, ob wir vielleicht auch in den Anführerbau dürfen?", fragte Bernsteinpfote sie etwas kleinlaut und Eulenstern schnurrte. „Aber natürlich. Es ist ja genug Platz. Aber belästigt die Krieger nicht zu sehr!" Die Anführerin fühlte sich mit den jungen Schülern immer in ihre eigene Schülerzeit zurückversetzt. Sie hätte auch unbedingt in den Anführerbau gewollt, wenn sie die Gelegenheit dazu bekommen hätte. Das wäre schließlich sooo aufregend gewesen! Welcher Schüler konnte schon von sich behaupten dass er schon mal eine Nacht im Anführerbau verbracht hatte?
Pünktlich bei Sonnenhoch des nächsten Tages traf Eulenstern wie vereinbart am verlassenen Fuchsbau an der Außengrenze ihres Territoriums ein. Es hatte aufgehört zu regnen, aber im Wald fielen ständig noch einzelne Tropfen von den Bäumen, weshalb ihr Pelz doch schon wieder halb durchnässt war. Die Anführerin konnte eine Spur von dem Geruch ausmachen, den sie die letzten Tage ziemlich vermisst hatte.
„Herzschlag?", fragte sie und es war das erste Mal, dass sie den Namen des Streuners laut aussprach. Sie hätte nicht erwartet, dass es eine solch starke Wirkung auf sie hatte. Der Name hörte sich merkwürdig in ihren Ohren an, wenn sie ihn mit ihrer Stimme sprach und gleichzeitig floss ein enormes Gefühl durch ihren Körper, dass ihr unmöglich fiel in Worte zu fassen. Beim SternenClan hatte sie den Kater vermisst.
„Regel drei: Habe immer alles im Blick was hinter dir ist. Die Gefahr kommt selten von vorne", flüsterte ihr Herzschlag in die Ohren, der direkt hinter ihr stand. Eulenstern fühlte, wie sich ihr Nackenfell aufstellte und ein Gefühl der starken Zuneigung durch ihre Adern floss. Ihr Herz schlug schneller und sie drehte sich zu dem Streuner um. Die Anführerin war überzeugt, dass ihre Augen aufleuchteten sobald sie Herzschlag ansah und dieser erwiderte dies mit einem Lächeln.
„Ich habe dir etwas mitgebracht", erklärte er schließlich und blickte hinab auf einen Wühler, der vor seinen Pfoten lag. „Iss", befahl er und schob ihn mit seiner weißen Vorderpfote direkt vor Eulensterns Pfoten. Seine Pfote berührte dadurch sacht die der Anführerin und das ließ deren Herz noch schneller schlagen. Es war das erste Mal, dass sie den Streuner berührte. Doch als er seine Pfote wieder zurück zog, dachte sie darüber nach, was er gerade gesagt hatte. Er wollte, dass sie den Wühler jetzt aß. Doch irgendetwas an diesem Gedanke beunruhigte sie. Vielleicht war es die Tatsache, dass sie als Clankatze dazu verpflichtet war, ihre Beute mit ihren Clangefährten zu teilen und außerhalb des Lagers normalerweise keine Nahrung zu sich nahm. Aber die Anführerin hatte das Gefühl, dass noch etwas anderes sie unruhig machte, doch sie wusste nicht genau was.
Herzschlag eines blaues Auge sah sie eindringlich an. „Ich bin nicht hungrig, aber danke für die Beute, ich werde sie später essen", sagte sie daher schnell. Sie musste erstmal wieder klar denken können und das ging nur, wenn Herzschlag nicht da war. Dann würde sie darüber entscheiden, ob es eine gute Idee war die Beute zu sich zu nehmen oder nicht. Doch der Streuner gab sich damit nicht zufrieden.
„Regel vier: Mein Wort ist Gesetz", erklärte er ihr daher unbeirrt und Eulenstern erinnerte dies unweigerlich an eine Passage aus dem Gesetz der Krieger: „Das Wort des Anführers ist Gesetz." Doch er war nicht ihr Anführer und wenn überhaupt war ihr Wort Gesetz. Außerdem fand es die Anführerin etwas unfair, dass Herzschlag alle Regeln aufstellen durfte und sie sie befolgen musste. Wo war denn da der Sinn geblieben? Doch sie hatte sich entschieden, das Spiel mitzuspielen.
Zögernd musterte sie den Wühler. Ihre erste Mahlzeit dieses Tages lag schon einige Zeit zurück und sie hatte schon wieder etwas Hunger, aber irgendwas hielt sie dennoch zurück. Herzschlag wartete noch einen Moment, dann fragte er: „Vertraust du mir etwa nicht?" Diese Frage drang tief in Eulensterns Inneres ein und ließ sie einen merkwürdigen Schmerz spüren. Sie wusste, dass sie jedes gute Recht hatte, dem Kater nicht zu vertrauen. Er war schließlich ein Streuner und sie wusste quasi nichts über ihn. Aber sie wollte ihm so gerne vertrauen. Allerdings würde sie es ihm nicht so einfach machen.
„Mein Vertrauen musst du dir erst einmal verdienen", erklärte sie ihm daher. „Es sei denn natürlich, du erstellst wieder so eine dämliche Regel dass ich dir vertrauen muss." Eulenstern erwartete, dass Herzschlag das mit der Regel wirklich tun würde, aber da hatte sie den Kater falsch eingeschätzt. „Vertrauen ist ein Gefühl", erklärte er ihr. „Und Gefühle kann man nicht mit Regeln bestimmen oder beeinflussen."
Oh wie wahr das wohl war. Das Gesetz der Krieger befahl der Anführerin keine Katze außerhalb ihres Clans zu lieben und doch hatte sie sich nicht davon abhalten können, Gefühle für Flugmond aufzubauen und wenn sie ehrlich war, jetzt auch für Herzschlag. „Also es ist deine Entscheidung", offenbarte ihr der schwarze Kater und sprang zu einem Baum hinüber um sich dort seine Krallen an der Rinde zu schärfen. Eulenstern bewunderte seine Muskeln, die dabei unter seinem Fell spielten. Er sah einfach nur so verdammt gut aus.
Schließlich fällte die Anführerin eine Entscheidung: *Ich vertraue dir, Herzschlag* und biss in den Wühler hinein. Ihr war klar, dass sie das nicht hätte tun sollen. Sie hatte das Gefühl, als würde sie diese Entscheidung noch bereuen. Als sie die den Wühler komplett verspeist und die unverdaulichen Reste vergraben hatte, kam Herzschlag wieder auf sie zu. In seinem Gesicht ein Grinsen und auch wenn dieses umwerfend aussah, gefiel der Anführerin irgendetwas an der Art wie er grinste gar nicht. „So ist es gut", miaute er zufrieden und das war das letzte was Eulenstern hörte, ehe ihr schwarz vor Augen wurde.
Ja ihr seht ganz richtig, nach etwa 1,5 Jahren bin ich tatsächlich wieder zurück mit einem neuen Kapitel. Es tut mir leid, dass es so lange gedauert hat und ich ewig nicht mehr auf Wattpad war. Vielleicht habt ihr euch schon längst in alle Winde verstreut und meine Geschichte schon halb vergessen, aber vielleicht gibt es ja doch den ein oder den anderen unter euch, der sich darüber freut, Neues von Eulenstern zu hören. Ich werde die restlichen Kapitel dieses Buches nun regelmäßig einmal die Woche updaten. Seid gespannt :)
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