15. Kapitel
Schließlich raschelte es im Unterholz und ein Kater kam zum Vorschein. Eulensterns Herz machte einen Satz und ihr Blick verlor sich einen Moment in dem blauen Auge des Streuners. Erst jetzt stellte sie fest, dass Herzschlag trotz seiner straffen Muskeln und den vielen Narben dennoch unglaublich attraktiv und hübsch war. Sie wollte sich gerade wegen dieser Gedanken selbst beschimpfen, als der Streuner seine Stimme erhob."Schön dich mal wieder zu sehen, Eulenstern. Ich schätze mal, meine Freude beruht ganz auf Gegenseitigkeit?"
*Oh ich werde ihm jetzt ganz bestimmt nicht zugeben, dass er Recht hat!* „Du stehst eine Schwanzlänge von der Grenze zu meinem Territorium entfernt", wies sie ihn versucht selbstbewusst darauf hin. Er stahl sich ein Lächeln ab. „Ich wusste, dass ich dich schon noch zum Reden bekommen würde", erklärte er und Eulenstern schnippte wütend mit dem Schwanz dafür, dass er ihre Aussage einfach ignoriert hatte.
„Was willst du hier?", fragte sie bemüht genervt klingend, auch wenn sie sich ziemlich sicher war, dass ihr dieser Versuch misslungen war. „Glaube mir, das willst du gar nicht wissen", erklärte er ihr und schritt ein paar Schritte näher auf sie zu. Eulenstern hörte, wie ihr Herz schneller schlug und war wütend auf sich selbst, dass es dem Kater gelang, sie so schnell und leicht aus der Fassung zu bringen.
Einen Moment standen sich die beiden Katzen schweigend direkt gegenüber, dann überquerte Herzschlag ohne dass es ihn auch nur ein bisschen zu kümmern schien die Grenze und umrundete sie langsam. Eulensterns Pelz stellte sich auf. „Hast du gerade etwa die Grenze übertreten?", fragte sie ihn drohend, doch ihre Drohung schien den Streuner eher zu amüsieren als irgendeine andere Wirkung zu erzielen. Eulenstern war sehr frustriert darüber, dass der Streuner ihre Autorität, die sie als Anführerin besaß, keineswegs anerkannte.
„Ich würde mich nicht mit mir anlegen", warnte sie den Kater, aber auch diese Warnung beeindruckte ihn ganz so wie sie erwartet hatte nicht im Geringsten. Und auf einen Kampf der für sie sowieso aussichtslos war, hatte sie auch wenig Lust. Also änderte sie ihren Plan und versuchte, mehr über Herzschlag heraus zu finden. „Warum warst du eigentlich letztens in meinem Traum? Wie kamst du darein?"
Der Streuner setzte bloß ein verführerisches Lächeln auf. „Wenn ich dir das jetzt sage, wäre unser liebes Spiel ja schon bald zu Ende und du weißt gar nicht, wie sehr ich das bedauern würde." Dieser Kater war einfach nur so frustrierend. Alles was er sagte, warf Eulenstern bloß weitere Rätsel auf und ihr wurde bewusst, dass sie einfach rein gar nichts über den Kater wusste.
Ihr war klar, dass sie sich nicht auf ihn einlassen sollte. Das Beste war, wenn sie ihn einfach ignorierte und vielleicht auch ein für alle Mal vergaß. Doch das wäre einfach nur so langweilig und die Verlockung war so unwiderstehbar groß, ein Teil von dem mysteriösen Spiel des mysteriösen Katers zu sein. „Wenn es ein Spiel ist, wie lauten dann die Spielregeln?", fragte sie und ihr war klar, dass sie mit dieser Aussage bereits mitten dabei war, dieses Spiel mitzuspielen. Sie hätte nicht darauf reinfallen dürfen.
Aber was tat es denn zur Sache? Es würde eine Abwechslung von ihrem Alltag bedeuten und sie würde doch ganz gewiss keiner Katze damit schaden. Wenn sie sonst schon ihr ganzes Leben für ihren Clan opferte, konnte sie sich doch getrost einmal auf einen solchen Kater einlassen. Sie würde schon bemerken, wenn es zu gefährlich wurde.
„Finde es heraus", war die einzige Antwort, die Herzschlag ihr gab und er schien sichtlich erfreut, dass sie sich auf ihn eingelassen hatte. Doch dann mit einem einzigen Satz war der Streuner plötzlich im Wald verschwunden. Als wäre er in ein Loch im Erdboden gesprungen, dass ihn nun verschlungen hatte. Das einzige was noch von ihm blieb, war eine Spur seines Duftes.
Eulenstern blinzelte verwirrt. Weder verstand sie, warum der Kater verschwunden war, noch wohin. Einen Moment überlegte sie ob sie ihm folgen sollte, doch sie wusste, dass das nun wirklich zu weit gehen würde und sie nun endlich zurück zum Lager gehen sollte. Vorher musste sie allerdings noch etwas Beute fangen, schließlich hatte sie ihrer Patrouille mitgeteilt, dass sie auf der Jagd wäre.
Und während sie so durch den Wald lief, konnte sie an nichts anderes denken als an Herzschlag und sie fragte sich inbrünstig, wann sie diesen mysteriösen Kater endlich wieder sehen würde.
Am Ende des Tages rollte sich Eulenstern erschöpft in ihrem Nest zusammen. Es war ein anstrengender Tag gewesen und die Anführerin fiel sofort in einen tiefen Schlaf. Als sie ihre Augen wieder öffnete wurde ihr bewusst dass sie träumte. Den Ort an dem sie stand kannte sie nicht, aber irgendwoher wusste sie, dass sie sich im WolkenClanterritorium befand. Erst dachte sie, sie wäre alleine doch dann erkannte sie die weiße Gestalt, die gut getarnt vor einem hellgrauen Fels saß. Es war Schneewolke, die sie das letzte Mal bei ihrer Übergabe der neun Leben gesehen hatte.
Als sie Eulenstern entdeckte löste sie sich von dem Fels und kam auf Eulenstern zugeschritten. Ihr Blick war ernst und besorgt. „Ist etwas passiert?", fragte die HimmelClananführerin ängstlich und sie spürte, wie sich ihr Nackenfell sträubte. Die WolkenClankriegerin gab ihr keine Antwort auf diese Frage, sie sagte überhaupt nichts und ihr Blick glitt von Eulenstern ab in die Ferne. Hatte sie sie nicht gehört oder wollte sie ihr nicht antworten?
Ehe sich die Anführerin entscheiden konnte, ob sie die Kätzin noch einmal fragen sollte, wechselte plötzlich das Bild vor ihren Augen. Das WolkenClanterritorium und Schneewolke verschwanden und Eulenstern wurde an einen finsteren Ort gerissen. Sie konnte schwach die Umrisse einer Lichtung ausmachen doch, um genaueres auszumachen war es einfach viel zu dunkel. Kein Mond oder Sterne beschienen diesen Ort. Obwohl es nicht sehr kalt war fröstelte die Anführerin. Was hatte sie hier zu suchen an diesem sternenlosen Ort?
Plötzlich drangen leise Stimmen an ihre Ohren und sie schlich vorsichtig, damit sie nicht über irgendetwas stolperte, näher an die Stimmen heran. Bald konnte sie zwei Katzengestalten ausmachen. Ihre Pelzfarben konnte sie unmöglich bestimmen, aber sie sah die starken Muskeln unter ihren drahtigen Körpern. „Was werden wir jetzt tun, Kratzer?", fragte eine der Katzen. Eulenstern zuckte mit den Ohren. Irgendwo hatte sie den Namen „Kratzer" doch schon mal gehört, doch wo? „Na das was wir am besten können. Wir wandeln in den Schatten wie eh und je", erklärte der andere Kater. Seine Stimme war kalt und rachelustig, sodass Eulenstern das Blut in den Adern gefror.
„Aber sie sind in letzter Zeit so aufmerksam und unsere besten Tricks kennen sie schon", wandte der andere Kater vorsichtig ein. Es war leicht zu sagen, wer bei den beiden das Sagen hatte. „Wir haben bisher immer einen Weg gefunden, unsere Gegner aus den Schatten zu besiegen und wir werden einen solchen Weg auch dieses Mal wieder finden", erklärte der Kater, der den Namen Kratzer zu tragen schien schroff.
„Ich glaube... ja ich glaube es ist Zeit dass wir unsere Strategien ändern. Zeit, dass wir aus den Schatten treten." „Wagst du es, meine Entscheidungen zu hinterfragen?", fragte Kratzer drohend und fletschte seine Zähne. „N...nein"; stotterte der andere Kater kleinlaut. „Aber ich denke, dass es vielleicht die sicherere Variante wäre. Wir sind mehr als die und stärker sowieso. Wir könnten sie einfach im Kampf besiegen."
„Wage es nicht mir zu widersprechen!", fauchte Kratzer wütend. „Du bist genauso ein Verräter und Feigling wie deine Schwester es war." Die Verachtung in der Stimme des Anführers fuhr Eulenstern durch Mark und Knochen und sie ging davon aus, dass es dem unterstellten Kater ganz ähnlich erging und er noch kleinlauter werden würde. Doch zu ihrer Überraschung sprang dieser plötzlich auf und funkelte Kratzer aus bernsteinfarbenen Augen an, die wie zwei Flammen im Dunkeln plötzlich aufblitzten. „Sprech nicht so von Flammenzahn!", fauchte er den überlegenen Kater an. Die HimmelCananführerin hatte die ganze Zeit geglaubt, dass er kleiner als Kratzer war, doch jetzt wo er sich so aufbäumte, wirkte er fast doppelt so groß.
„Auf welcher Seite stehst du eigentlich?", zischte Kratzer und seine gelben Augen funkelten ebenfalls wütend auf. „Auf der dieser Verräterin oder auf meiner? Überlege dir gut, was du jetzt sagst, denn bei einer falschen Antwort könntest du mit deinem Leben bezahlen." „Lieber sterbe ich, als dass ich mich gegen meine Schwester stelle", entgegnete der unterlegene Kater mutig und dann ging alles ganz schnell. Mit einem „Du hast es ja so gewünscht" sprang Kratzer auf den anderen Kater zu und verpasste ihm einen gnadenlosen Biss direkt in die Kehle und es dauerte nicht lange, da erschlaffte der Kater in seinem Maul. Er ließ ihn abschätzig zu Boden fallen und trottete davon.
Eulenstern war entsetzt über das was sie gerade gesehen hatte. Wie konnte eine Katze nur so emotionslos sein und so kaltblütig töten? Sie wollte dem Kater zur Hilfe eilen, doch ihr Körper war vor Schock wie festgefroren und außerdem wusste sie nur zugut, dass jede Hilfe sowieso schon zu spät kommen würde. Also saß sie einfach nur da und hörte ihren zitternden Atemzügen zu, bis sich die Landschaft um sie herum begann aufzulösen und sie sich zurück im WolkenClanterritorium wiederfand. Schneewolke starrte immer noch wie benommen an ihr vorbei und als Eulenstern sie mit zitternder Stimme fragte: „Was war das da gerade?" gab sie ihr wieder keine Antwort.
Die WolkenClankriegerin wirkte abwesend und in ihrem Blick lag etwas das Eulenstern nicht deuten konnte, aber es gefiel ihr nicht. Schließlich riss sich die Kätzin aus ihrer Starre und sah die HimmelClananführerin direkt an. „Pass gut auf dich und deinen Clan auf, Eulenstern. Die Zeiten die dich erwarten werden härter als je zuvor und wenn du nicht vorsichtig genug bist, wird dies der Untergang des HimmelClans bedeuten."
Die Worte der WolkenClankätzin jagten Eulenstern Schauer über den Rücken. Was sollte das bedeuten? Doch ehe sie noch irgendetwas fragen konnte, wurde plötzlich alles um sie herum schwarz und ein Chor aus Stimmen drang an ihre Ohren: „Wenn die Gefahr nicht länger in den Schatten bleibt, dann ist auch das Licht nicht länger vor ihr sicher. Du bist die Hüterin dieses Lichtes und nur du kannst es vor dem Untergang beschützen. Lerne das Verborgene zu sehen und das was zu offensichtlich ist, als dass du es realisieren kannst. Fälle dein eigenes Urteil und höre auf dein Herz. Und vergesse nie, du bist nicht alleine. Finde die anderen beiden Hüter des Lichtes und zusammen werdet ihr es retten können."
Während Eulenstern langsam erwachte wurde ihr mit einem Mal bewusst, was Asche an sich gehabt hatte, das die Anführerin schon mal an einer anderen Katze gesehen hatte und zwar an keiner geringeren als Blitzfang. Ihr war nun klar: Asche war die dritte Katze der Prophezeiung. Die dritte Hüterin des Lichts.
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