12. Kapitel

Als Eulenstern mit einem großen Sprung auf dem Hochfelsen landete, überkam sie wieder ein überwältigendes Gefühl. Sie hatte schon einmal als zweite Anführerin hier oben gestanden und ihren Clan auf der großen Versammlung vertreten, als Heidenstern dazu nicht in der Lage gewesen war. Aber nun rechtmäßig als Anführerin hier zu stehen war doch nochmal was ganz anderes. Felsstern neigte seinen Kopf respektvoll vor der HimmelClananführerin und auch Kalbstern tat dasselbe. Er wirkte nicht überrascht, sie hier zu sehen und das bedeutete wohl, dass er über Heidensterns Tod bereits informiert war. 

Auch Eulenstern senkte ihren Kopf vor den beiden Anführern. „Felsstern, Kalbstern", miaute sie begrüßend. „Sei gegrüßt hier im Kreis der Anführer", hieß Kalbstern sie freundlich willkommen und auch Felsstern wirkte ihr gegenüber nicht feindselig, trotz des vor paar Tagen erst abgehaltenen Kampfes zwischen dem HimmelClan und dem HöhlenClan. Einen Moment verharrten die Anführer schweigend und lauschten dem Getuschel der Clankatzen, dann trat Felsstern schließlich vor und verkündete mit lauter Stimme. 

„Ich, Felsstern, Anführer des HöhlenClans, möge die heilige große Versammlung unter dem Waffenstillstand hiermit eröffnen." Er wartete bis Stille in die große Gruppe der versammelten Katzen eintraf und verkündete dann: „Dem HöhlenClan geht es soweit gut. Die Beute läuft reichlich und Krankheiten gibt es zurzeit keine und auch andere schlechte Nachrichten gibt es Dank sei dem SternenClan nicht zu berichten. Allerdings haben wir einen neuen Krieger. Blitzfang ist nun ein vollwertiges Mitglied des HöhlenClans. 

„Blitzfang, Blitzfang, Blitzfang!", stieg es aus der Menge der versammelten Katzen auf und Eulenstern stimmte fröhlich in den Ruf mit ein. Sie freute sich sehr für den gutherzigen Kater, dass er nun endlich auch mal wie seine Geschwister zum Krieger ernannt worden war. Er war zwar nicht der beste Kämpfer, aber so klug und gutherzig wie keine andere Katze in seinem Alter. 

Als die Rufe langsam verstummten, trat der HöhlenClananführer zurück und Eulenstern erwartete, dass Kalbstern nun seinen Platz einnehmen würde. Doch der MoorClananführer bedeutete ihr, dass er ihr den Vortritt ließ. Also trat die HimmelClananführerin an den Rand des Felsens und sah auf die versammelten Katzen hinab. „Wie die meisten von euch wohl schon wissen, ist Heidenstern vor ein paar Sonnenaufgängen von uns gegangen." Bedauernde Rufe stiegen von Katzen aller Clans auf, Heidenstern hatte wohl nicht nur den Respekt ihres eigenen Clans geerntet, sondern wurde auch von den anderen Clans hoch geachtet. „Ihr Tod ist ein großer Verlust für uns, aber wir ehren ihr Leben und ihre großen Taten und wissen, dass sie nun wohlbehalten mit ihren Kriegerahnen im SternenClan über uns wacht." 

Aus den Augenwinkeln nahm Eulenstern plötzlich eine Bewegung am Rande der Senke war und kniff ihre Augen alarmiert zusammen, um besser erkennen zu können, was dort vor sich ging. Drei Katzen schlichen am Rande der Senke entlang und beobachteten die große Versammlung von dort. Die HimmelClananführerin wusste, dass dies keine Clankatzen waren. Und obwohl sie nur sehr klein am Rande der Senke zu erkennen war und das Mondlicht schwach, war sich Eulenstern sicher, wer der Kater an der Spitze der kleinen Truppe war. Es war niemand geringeres als Herzschlag. 

Eine komische Mischung aus Angst und freudiger Erregung lief durch Eulensterns Adern und es brachte sie total aus dem Konzept. Sie konnte schwören, dass das eine blaue Auge des schwarzen Katers sie direkt ansah und dies ließ noch mehr Schauer über ihren Rücken laufen. Erst als Felsstern sie vorsichtig in die Seite stieß, wandte sie ihren Blick wieder von den drei Gestalten ab. 

„Ist alles in Ordnung, Eulenstern?", fragte der HöhlenClananführer leicht besorgt. Die HimmelClananführerin nickte schnell. „Ist wohl die Aufregung", versuchte sie schnell eine Ausrede zu finden und fuhr dann schnell an alle Katzen gewandt fort: „Äh, deshalb bin ich dann auch zu den Mondhöhlen aufgebrochen und habe meine neun Leben in Empfang genommen. Als meine neue Stellvertreterin habe ich Weißblume gewählt." 

Die Clans riefen den Namen der zweiten Anführerin und als wieder Stille einkehrte, schloss Eulenstern ihre Rede mit den Worten „Der HimmelClan ist zwar nun geschwächt, aber wir werden von Tag zu Tag wieder stärker und die Beute läuft auch sehr gut. Mehr gibt es nicht zu berichten" und gab das Wort an Kalbstern weiter. 

Während dem Rest ihrer Rede hatte die HimmelClananführerin es nicht gewagt, ihren Blick nochmal von den Katzen in der Senke abzuweichen, doch jetzt während Kalbsterns Rede ließ sie ihren Blick noch einmal zum Rande der Senke schweifen. Von den drei Katzen fehlte jede Spur und Eulenstern fragte sich einen Moment lang, ob sie sich das alles vielleicht nur eingebildet hatte. Aber das konnte sie sich eigentlich auch nicht vorstellen, sie hatte doch keine Halluzinationen. Daher beschloss die Anführerin einfach, das Ganze erstmal in ihre hinteren Gedanken zurück zu drängen und weiterhin der Versammlung zu lauschen. 

Kalbstern berichtete von Flugmonds Rückkehr, was bei den HöhlenClankatzen, die davon noch nichts wussten, großes Erstaunen auslöste. Außerdem erzählte Kalbstern, dass Aschenpfote und Asche auch zusammen mit Flugmond zurückgekehrt waren und Asche sich nun wie ihre Schwester auch dem MoorClan angeschlossen hatte und eine Ausbildung zur Kriegerin angetreten war. Mehr hatte auch der MoorClananführer nicht zu berichten und damit sprangen die Anführer vom Hochfels, was den Clankatzen ein Zeichen war, dass die Zeit des Zungengebens eingebrochen war. 

Die Clankatzen mischten sich wild durcheinander und tauschten Neuigkeiten aus. Eulenstern überlegte, zu wem sie gehen sollte. Es gab so viele Katzen mit denen sie sich gerne die Zungen geben würde, aber erst einmal wollte sie zu Aschenpfote. Schuldgefühle überkamen die Anführerin, als ihr klar wurde dass sie ihren Sohn seit seiner Rückkehr noch nicht begrüßt hatte und wenn sie ehrlich war, nicht einmal wirklich an ihn gedacht hatte. 

Flugmond hatte Recht wenn er dachte, dass sie eine schlechte Mutter war. Keine andere Kätzin dieser Welt würde ihr Junges einfach so zurücklassen und dann auch noch halb vergessen. Manchmal hasste sich Eulenstern wirklich selber dafür, dass sie eine solch herzlose Katze war. 

Sie fand den grauen Kater in einer Gruppe von jungen Schülern aus dem HöhlenClan, denen er von seinen großen Abenteuer berichtete. Der HimmelClananführerin fiel auf, dass der junge Kater ziemlich gewachsen war. Man konnte ihn kaum noch von den Kriegern unterschieden. Diese Entdeckung regte zwei Gefühle in Eulenstern: Zum einen Stolz auf ihr Junges, wenn Sie sah, welch ein großartiger Krieger aus ihm geworden war. Und zum anderen aber auch Bedauern, dass sie nicht da gewesen war, um ihm beim Aufwachsen zuzusehen. 

„Äh, Aschenpfote?", fragte sie ihn zögerlich und der Schüler drehte seine blauen, aufmerksamen Augen ihr zu. „Also, ich, äh...wollte dir nur sagen, dass ich froh bin, dass du wieder da bist und für dich da bin, wenn du mich brauchst." Aschenpfote erwiderte nichts aber sein Blick schien zu sagen: „So wie du immer für mich da gewesen bist." Und das schmerzte die Anführerin sehr. Doch ihr Sohn hatte natürlich Recht, es war ihre eigene Schuld und wenn sie jetzt nicht sein Vertrauen bekam, konnte sie das auch nur zu gut nachvollziehen. 

Gerne hätte sie sich ihm erklärt und nach einer zweiten Chance gefragt, doch unter den neugierigen Blicken der HöhlenClanschüler wollte sie das nicht tun. Sie hatte bestimmt noch irgendwann mal die Gelegenheit, alleine mit Aschenpfote zu reden und dann würde sie ihm alles sagen, was ihr auf dem Herzen lag. Die HimmelClananführerin überlegte zu welcher Katze sie als nächstes gehen sollte und entschied sich für ihre MoorClanfreundin Schieferglanz. Doch sie kam gar nicht erst bis zu ihr, als eine hübsche Tigerkätzin auf sie zulief, ihr Blick ernst. 

„Eulenstern, wir müssen reden", verkündete Tigersturm und deutete mit dem Schwanz auf ein Gebüsch, hinter dem sie ungestört reden konnten. Ehe Eulenstern irgendetwas erwidern konnte, machte die Heilerin bereits kehrt und verschwand hinter dem Busch, sodass ihr keine andere Möglichkeit blieb, als ihrer ehemaligen Schülerin zu folgen. „Was gibt es?", fragte sie ahnungslos und hoffte, dass nichts passiert war. 

„Die anderen Clankatzen haben es vielleicht nicht bemerkt, aber ich bin eine Heilerin, Eulenstern und nicht blind", erklärte Tigersturm und in ihrer Stimme war etwas von Wut zu vernehmen. „Was meinst du?", fragte die Anführerin gespielt ahnungslos, aber sie hatte schon eine dunkle Ahnung, was die jüngere Kätzin meinte. „Eben, als du deinen Aussetzer hattest", erklärte die Heilerin. „Du hast auf irgendetwas gestarrt und mir viel es nicht schwer deinem Blick zu folgen. Da waren drei fremde Katzen die am Rand der Senke herumgeschlichen sind und wie du es drehst und wendest, es war nicht das erste Mal dass du diese Katzen gesehen hast. Sonst hättest du die anderen Anführer vor den fremden Katzen gewarnt." 

Tigersturms scharfem Verstand entging nichts und leugnen wäre ein aussichtsloses Unterfangen. „Nun gut, mag sein, dass ich einer dieser Katzen schon mal begegnet bin...", gab sie zu und versuchte es unbedeutend klingen zu lassen. „Wo begegnet?", zischte Tigersturm. „In einem Traum, nehme ich an? Im Traum den du hattest, nachdem du die neun Leben vom SternenClan erhalten hast!" „Mag sein, mag sein... aber kein Grund dass du dich hier so aufregst...", versuchte Eulenstern die Heilerin zu beruhigen, doch das waren eindeutig die falschen Worte gewesen, denn sie machten Tigersturm bloß noch rasender. „Kein Grund dass ich mich aufrege?", fragte sie fassungslos. „Du hast mich angelogen! Ich habe dich gefragt, ob du irgendeinen Traum von fremden Katzen hattest, und du hast nein gesagt! Ich dachte du würdest mir vertrauen." 

In Tigersturms Stimme klang Schmerz mit und Eulenstern fühlte Schuldgefühle in ihr aufsteigen. „Das hat doch nichts mit dir zu tun!", beharrte sie schnell. „Natürlich vertraue ich dir und ich würde dir alles sagen, ehrlich. Doch dieses Treffen mit dem Kater hatte überhaupt nichts Besonderes an sich. Keine Zeichen über die ich mit dir sprechen müsste, nichts." „Und doch hast du mir ins Gesicht gelogen", bemerkte die Heilerin und ihr grüner Blick bohrte sich in Eulensterns. „Und wenn du es genau wissen willst, glaube ich dir auch nicht dass es nichts Besonderes damit auf sich hatte. Ich sehe, dass es dich beschäftigt und außerdem: Warum sollte ich dir überhaupt noch bei irgendwas vertrauen, das du sagst, wenn ich sowieso nie weiß, ob es die Wahrheit ist." 

Tigersturm sprang ohne Ankündigung auf und lief mit peitschendem Schwanz fort. Eulenstern seufzte. *Oh Tigersturm, wenn du nur wüsstest!*, dachte sie sich. Die Anführerin hätte sich so gerne ihrer ehemaligen Schülerin erklärt. Dass sie selbst nicht wusste, was mit ihr los war und dass sie das Treffen mit Herzschlag um jeden Preis hatte leugnen wollen, weil es so seltsame Gefühle in ihr geweckt hatte. Doch das konnte sie der Heilerin schlecht sagen. Keiner Clankatze würde sie das jemals anvertrauen, zumindest nicht bevor sie selber nicht wusste, was es zu bedeuten hatte. Sie hoffte bloß, dass diese kleine Auseinandersetzung mit Tigersturm nichts an ihrem Verhältnis zu der Heilerin änderte. 

Eulenstern trat hinter dem Busch hervor und lief über den Versammlungsplatz. Felsstern hatte seine Patrouille bereits um sich versammelt und auch die MoorClankatzen machten sich bereits auf den Weg zu Kalbstern. Eulenstern ärgerte sich, dass Tigersturm das unbedingt hier mit ihr hatte mit ausdiskutieren müssen und sie somit keine Zeit mehr gehabt hatte, sich mit ihren Freunden aus dem MoorClan zu unterhalten. Nun würde sie wieder einen weiteren Mond warten müssen.

Als die HimmelClankatzen ihre Anführerin erblickten, kamen sie nach und nach auf sie zu und versammelten sich um sie. Eulenstern wartete, bis die HimmelClanpatrouille vollständig war, dann gab sie das Zeichen zum Aufbruch und die Katzen stürmten sie die Senke hinauf und liefen dann weiter durchs HimmelClanterritorium, zurück zum Lager. 

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