10. Kapitel

Eulenstern sah sich unruhig auf dem Versammlungsplatz um. Es gab kein Zeichen von Flugmond. Langsam wurde sie nervös und lief die ganze Zeit von der einen Seite der Senke auf die andere und währenddessen beobachtete sie immer wieder den Sonnenstand. Sonnenhoch, ihre vereinbarte Zeit, war zwar noch nicht ganz erreicht, aber dennoch sorgte sich Eulenstern darum ob Flugmond vielleicht doch nicht kommen würde. 

Ihr Herz schlug die ganze Zeit so laut dass sie sich sicher war, dass es jede Beute im Umkreis verscheuchen würde. Sie würde sich gleich mit ihrem Gefährten treffen, wie in den guten alten Zeiten, als sie ihre Beziehung noch ganz heimlich ausgeführt hatten. Doch sie hatte keine Ahnung, was sie bei diesem Treffen erwarten würde. Wie sollte sie ihm nur nach all den Monden, in denen sie geglaubt hatte er wäre tot, gegenübertreten? 

Die Anführerin hielt plötzlich inne und drehte sich zum Hang auf der andern Seite um. Sie hatte gespürt, dass er da war. Flugmond stand am Rande der Senke und zögerte noch einen Moment, ehe er zu ihr hinab lief. Eine Schwanzlänge vor ihr kam er zum stehen. Eulenstern spürte, wie sich ihr Pelz langsam aufstellte, die Situation war immer noch viel zu viel für sie. Als sie früh am Morgen ins Lager zurückgekehrt war, hatte sie schon fast wieder zu ihrem Treffen mit Flugmond aufbrechen müssen, weshalb sie viel zu wenig Schlaf in ihrem neuen Bau gefunden hatte, um alles Geschehene des letzten Tages zu verarbeiten. 

„Hey", begrüßte sie Flugmond. „Hey", erwiderte sie, weil sie einfach keinen blassen Schimmer hatte, was sie sonst sagen sollte. Einen kurzen Moment der ihr wie eine Ewigkeit vorkam herrschte peinliche Stille zwischen den beiden Gefährten. „Wie geht es dir?", fragte Eulenstern schließlich. Irgendwie musste sie ja schließlich ein Gespräch anfangen, wenn Flugmond es nicht tat. „Es ist viel passiert die letzten Monde und ich muss das alles erstmal verkraften... Aber soweit geht es mir gut", erklärte er kurz angebunden. „Willst du mir... also natürlich nur wenn du willst... erzählen was die letzten Monde so passiert ist?" Der Kater überlegte einen Moment, dann nickte er langsam und begann zu erzählen.

„Nachdem ich über die Feuerwand gesprungen bin und Spatzenpelz gefunden habe, habe ich ihn und mich irgendwie aus diesen Flammen raus geschafft, ich weiß selbst nicht mehr so ganz wie. Aber irgendwie ist es mir gelungen. Spatzenpelz war ohnmächtig von dem ganzen Rauch und ich war auch total erschöpft, also blieb uns nichts anders übrig als zu warten. Irgendwann kamen dann Zweibeiner in riesigen roten Monstern. Sie haben das Feuer gelöscht und uns dann schließlich mitgenommen. Ich war viel zu schwach um mich dagegen zu wehren. Ich habe nur halb mitbekommen, wie sie uns in diesem Monster transportiert haben und wir schließlich in einem Zweibeinernest ankamen. Dort hat man sich aber zu meiner Überraschung zunächst sehr gut um uns gekümmert und unsere Wunden versorgt. Nahrung haben sie uns auch gegeben, zwar keine Frischbeute, aber trotzdem irgendwelche komischen Sachen die den Magen gefüllt haben. Sie haben sich wirklich sehr gut um uns gekümmert aber ich weiß dennoch, dass ich auf gar keinen Fall ein Hauskätzchen sein will. Du bist die ganze Zeit hinter diesen unnatürlich symmetrischen Wänden gefangen und alles was ich am Wald so sehr liebe war plötzlich so unerreichbar fern. Noch dazu stank es nach Zweibeinern und die Langeweile drohte mich in den Wahnsinn zu treiben." 

Flugmond schwieg für einen Moment und versank ganz in seinen Erinnerungen. Eulenstern störte ihn dabei nicht indem sie ihn mit irgendwelchen Fragen löcherte. Schließlich fuhr der Kater fort, sein Blick hatte sich verdunkelt. „Auch Spatzenpelz wachte irgendwann auf und es ging ihm schon wirklich viel besser, aber... nach und nach wurde er dann wieder schwächer. Seine Lungen hatten bleibende Schäden davon getragen und es gelang ihnen nicht sich wieder zu erholen. Eines Tages kam dann einer dieser Zweibeiner und..." Flugmond schluckte schwer. „Und tötete Spatzenpelz mit einer merkwürdigen, haardünnen Kralle." 

Eulenstern stockte der Atem. Ihr Freund war gar nicht durchs Feuer gestorben sondern von einem Zweibeiner getötet worden? Eulenstern sah die Trauer in den Augen ihres Gefährten. Zu wissen, dass sein bester Freund tot war war die eine Sache, aber dann noch dabei zugesehen zu haben, wie er getötet wurde, das würde man nie in seinem Leben vergessen. 

Eulenstern spürte plötzlich das Bedürfnis, Flugmond zu trösten. Zögerlich trat sie einen Schritt näher an ihn heran und presste ihre Schulter tröstend gegen die seine. Er ließ es zu und einen Moment lang blieben sie schweigend so stehen. Es war ein überwältigendes Gefühl für Eulenstern ihrem Gefährten wieder so nah zu sein, sein Fell an ihrem zu spüren und seine Körperwärme die auf sie überging. Schließlich lösten sie sich zögerlich wieder von einander. Nun zum ersten Mal seit Flugmond angefangen hatte zu erzählen, sah er sie wieder direkt an. In seinen Augen flammte etwas Verwundbares auf. Waren es Gefühle für sie? Liebte Flugmond sie immer noch?

„Und was hast du dann gemacht?", fragte Eulenstern vorsichtig, um die peinliche Situation irgendwie zu umgehen. „Nachdem... Spatzenpelz gestorben ist." „Ich bin natürlich nicht länger bei den Zweibeinern geblieben, ich hätte sie sonst nur noch zu Tode zerfetzt", erklärte der MoorClankater und sein Blick schweifte wieder von ihr ab. Hasserfüllt fuhr er seine Krallen aus. „Bei der nächst besten Gelegenheit als der Eingang ihres Baues offen war, schlüpfte ich heraus und rannte los. Kein Zweibeiner hielt mich auf und voller Erleichterung kam ich dann endlich irgendwann wieder in einem Wald an, doch es war ein mir völlig unbekannter Wald." Flugmond machte eine kurze Pause. „Ich dachte wirklich, ich würde nie mehr zurück zu den Clans finden. Nie mehr zurück zu dir." 

Nun sah der Kater sie wieder an und seine intensiv grünen Augen brannten sich in die ihren. „Ich dachte auch ich würde dich nie wiedersehen", erklärte sie ihm flüsternd. „Ich habe dich so vermisst." Etwas traf die Anführerin hart in die Brust, wie ein Pfeil der ihr mitten ins Herz ging als ihr auffie,l dass sie bei diesen Worten nicht an Flugmond dachte, sondern an Herzschlag. *Was bin ich nur für eine unglaublich herzlose Katze. Dies ist mein Gefährte, den ich liebe und nach so langer Zeit endlich wieder sehe. Und ich bin in meinen Gedanken bei irgendeinem komischen Kater aus meinen Träumen?* 

Plötzlicher Schmerz trat in Flugmonds Augen und Eulenstern glaubte schon, dass es daran lag, dass sie gerade an Herzschlag denken musste, aber das konnte ihr Gefährte ja gar nicht wissen. „Eulenstern ich... ich kann das hier glaub ich nicht", erklärte er, den Schmerz in seinen Augen drängte er ein wenig zurück und stattdessen musterte er sie mit einer gewissen Kühlheit in den Augen, die Eulenstern das Blut in den Adern gefrieren ließ. So hatte sie Flugmond seit sie ihn das erste Mal begegnet war noch nie gesehen. 

„Was meinst du?", fragte sie ihren Gefährten und spürte, wie Angst in ihr aufstieg vor dem, was der MoorClankater ihr nun sagen könnte. „Du hast geglaubt ich wäre tot. Hast jede Hoffnung in mich aufgegeben." Eulenflug schluckte als ihr bewusst war, dass ihr Gefährte Recht hatte. Sie hatte tatsächlich viel zu früh aufgegeben an ihren Gefährten zu glauben, aber konnte er es ihr wirklich so sehr verübeln? Was hätte sie denn tun sollen. 

„Und unseren Sohn... unseren Sohn hast du auch aufgegeben. Du hast ihn zurückgelassen. Hast ihn geleugnet." Eulenstern spürte die Schuldgefühle bei den Worten ihres Gefährten in ihr aufsteigen und ihre Nackenhaare stellten sich auf gegen die Wut und das Entsetzen die ihr von Flugmond entgegen schlugen. Der MoorClankater atmete tief durch und beruhigte sich wieder, seine Stimme wurde sanfter, als er sagte: „Es tut mir leid, Eulenstern. Ich nehme dir nichts übel, aber es ist nun mal so: Du hast dich gegen mich und für den HimmelClan entschieden. Und vermutlich war das sogar die richtige Entscheidung, aber dann musst du sie jetzt auch selber einhalten. Ich muss es schließlich auch akzeptieren. Ich weiß, dass du eine großartige Anführerin sein wirst, aber meine Gefährtin kannst du dann nicht mehr sein. Ich bin ein MoorClankrieger, schon immer gewesen. Und du bist nun die Anführerin des HimmelClans. Wir sind Clanrivalen, und das müssen wir nun einfach akzeptieren." 

Eulenstern atmete langsam ein und aus. Sie musste jetzt erstmal verkraften, was Flugmond gesagt hatte. Doch er hatte Recht, das wusste sie. Sie war diejenige gewesen, die ihr Junges zurückgelassen hatte und zurück zum HimmelClan gegangen war. Und sie war nun deren Anführerin. Ihr Clan brauchte sie und sie hatte versprochen ihr Leben fortan nun komplett für ihren Clan zu geben, so wie es Heidenstern und so viele Anführer vor ihr schon getan hatten. Sie durfte nicht an ihre eigenen Interessen denken, nicht das tun, was sie wollte, sondern das was für ihren Clan das Beste war. Und das machte es einfach unmöglich für sie noch irgendeine Beziehung mit Flugmond zu führen. Sie hatte sich damals indirekt gegen ihn und für ihren Clan entschieden und mit dieser Entscheidung würde sie nun leben müssen. 

„Das wars dann wohl?", fragte sie Flugmond und spürte einen Schmerz in ihr aufsteigen, den sie schon fast wieder vergessen hatte. Sie wollte ihn nicht gehen lassen, doch sie musste. „Das wars dann", bestätigte ihr ehemaliger Gefährte und Eulenstern wandte sich zum Gehen. Besser jetzt gehen ohne zurückzusehen anstatt noch ewig hinterher zu trauern. Die Anführerin lief die Senke hinauf ohne sich bei Flugmond zu verbschieden, sie schaffte das irgendwie nicht. Sie wollte nicht zurück gucken. Sie musste jetzt in die Zukunft blicken. Ihre Zukunft als Anführerin des HimmelClans. 

Doch als sie am Rand der Senke ankam, rief Flugmond nochmal ihren Namen und ihr blieb nichts anderes übrig, als sich doch nochmal zu ihm umzudrehen. Es schmerzte ihn zu sehen, ja zu wissen, dass er sogar lebte und trotzdem zu wissen, dass sie ihn verloren hatte. „Lebe wohl. Ich werde dich nicht vergessen, du bist eine großartige Katze, Eulenstern. Nur ich bin nunmal nicht der Richtige für dich." „Lebe wohl, Flugmond", war das einzige was sie erwiderte. Doch innerlich fühlte sie sich ein wenig erleichtert, dass Flugmond es ihr nicht übel nahm. Sie realisierte, dass er jeden guten Grund dazu gehabt hätte.                                                                              

Nun riss sich die Anführerin letztendlich von seinem Blick los, der sie weiterhin folgte bis sie aus Flugmonds Sichtweite kam und lief ins HimmelClanterritorium hinein. Auf dem Weg zurück zum Lager versuchte sie sich abzulenken und nicht weiter an ihren ehemaligen Gefährten zu denken. Sie musste ihn jetzt ein für alle Male vergessen wenn sie dem HimmelClan eine gute Anführerin sein wollte. Doch dieser Versuch führte nur dazu, dass Eulensterns Gedanken wieder an ihre vergangene Nacht glitten in der sie ihre neun Leben erhalten hatte. Und ganz besonders dachte sie wieder an eine bestimmte Katze. An Herzschlag.

Ja ihr seht richtig, es kann jetzt doch schon wieder weiter gehen, da mein Laptop wieder funktioniert. Jetzt kann wieder regelmäßig gepostet werden :)

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