1. Kapitel
In Eulenflug drehte sich alles. Flugmond. Flugmond war hier, direkt vor ihr und er lebte! Am liebsten wäre sie sofort auf ihren Gefährten zugelaufen, doch irgendetwas in ihr hielt sie zurück. Langsam und zögerlich ging sie einen Schritt näher zu ihm und er tat das gleiche. Nun trennten sie nur noch wenige Schwanzlängen von einander. Flugmonds Geruch den sie so sehr vermisst hatte, umwirbelte und betörte sie.
„Flugmond", wisperte sie. „Eulenflug", entgegnete dieser. Ein Schauer lief über ihren Rücken und erfüllte ihren Körper. Jedes Haar in ihrem Pelz stellte sich auf als die Gefühle drohten sie zu übermannen. Dies war die Stimme des Katers, den sie so sehr liebte, den sie so sehr vermisst hatte. Die HimmelClankätzin spürte, wie sie schwach wurde. Sie hatte Angst, dass sie das nicht schaffen würde, dass sie all diese Gefühle nicht verkraften können würde. Ihr wurde leicht schwindelig vor Augen. *Nein!*, sagte sie sich dann entschieden. Sie musste jetzt stark sein, ihr Clan brauchte sie nun mehr denn je. Sie musste bevor die Sonne wieder aufging, bei den Mondhöhlen eintreffen um ihre neun Leben in Empfang zu nehmen.
Ein Schweigen hatte sich unter den Katzen ausgebreitet. Eulenflug drehte sich zu Karottenschweif, Faltersprung und Weißblume um, ein wenig in der Hoffnung, dass diese sie irgendwie aus dieser Situation herausholen würden. Doch sie wusste, dass sie das selber machen musste. „Flugmond, ich... ich muss jetzt weiter", erklärte sie ihm. Ihre Stimme war nur ein unsicheres Flüstern. Sie hörte sich wohl überhaupt nicht wie eine Anführerin an. „Können wir uns Morgen treffen?", fragte sie schließlich.
Kaum hatte sie den MoorClankater wieder gesehen, wollte sie ihn schon nicht wieder gehen lassen und gleichzeitig wünschte sie sich nichts sehnlicher als weg von ihm, damit sie endlich wieder atmen konnte. Sie wollte Flugmond, doch sie musste sich eingestehen, dass sie mit dieser Situation im Moment nicht umgehen konnte. Sie war vollkommen überfordert. Bis morgen würde sie genug Zeit haben, in Ruhe darüber nachzudenken.
„Bei Sonnenhoch am Versammlungsplatz", bestätigte Flugmond. Eulenflug konnte ihre Augen einfach nicht von den tiefgrünen Flugmonds abwenden. Sie war wie gefangen in seinem Blick. Weißblume rettete sie, in dem sie sich an die Spitze der Patrouille setzte und den Befehl gab, ihr zu folgen. Eulenflug riss sich von ihrem Gefährten los und schloss sich Weißblume an. Sie spürte Flugmonds Blick auf ihrem Pelz. Er brannte sich unter ihre Haut und erst als sie sich sicher war, dass sie außerhalb Flugmonds Sichtweite war, konnte sie wieder richtig atmen. Am liebsten wäre sie nun wimmernd zusammengebrochen, doch sie musste stark sein, für ihren Clan. Also setzte sie sich wieder an die Spitze der Patrouille und führte diese weiter zu den Mondhöhlen.
In ihr wirkten zwei Kräfte von denen sie noch nie so zu spüren bekommen hatte wie jetzt und deren Kampf schwächte sie so sehr, dass sie das Gefühl hatte, nicht weiter auf ihren Beinen laufen zu können. Die eine Kraft wollte sie zu Flugmond bringen. Sie befahl ihren Pfoten sich sofort umzudrehen und zu ihrem geliebten Gefährten zurück zu laufen und ihn nie wieder gehen zu lassen. Doch die andere Kraft in Eulenflug würde ihre Pfoten so schnell und so weit weg wie möglich von Flugmond rennen lassen, wenn sie die Überhand hätte. War es Feigheit, die diese Kraft erweckte? Angst davor, ihrem Gefährten gegenüber zutreten?
*Weglaufen kann nicht die Lösung sein. Nur weil dies der einfachere Weg wäre.* Eulenflug erinnerte sich an Aschenpfotes Worte, wie er ihr vorgehalten hatte, sie würde immer den einfacheren Weg gehen. Und dass der schwerere der bessere wäre. Vielleicht hatte er recht. Doch wenn sie der anderen Kraft in ihr die Überhand geben würde und zurück zu Flugmond laufen würde, was wäre dann mit ihrem Clan? Egal wie sie sich entschied, sie musste die Anführerin des HimmelClans bleiben. Ihr Clan brauchte sie mehr als ihr Gefährte.
Eulenflug spürte nach einer Weile, wie Karottenschweif sich einen Weg neben sie bahnte. Sie liefen im Gleichschritt nebeneinander, ihre Pelze streiften sich bei jedem Schritt sacht. Karottenschweifs Gegenwart tröstete sie und machte sie gleichzeitig auch wieder stärker. Sie brauchte nun Kraft, neun Leben zu erhalten war einer der härtesten Kämpfe, den eine Katze erleben konnte, das wusste sie. Was,wenn sie das nicht schaffte?
Die Mondhöhlen kamen in Sicht und die HimmelClankatzen kämpften sich noch die restlichen steilen Meter hinauf, bis sie an dem großen Felsen mit den vielfachen Höhleneingängen ankamen. Eulenflug drehte sich zu ihrer Patrouille um. „Wartet ihr hier, während ich dort drin bin und meine neun Leben erhalte. Weißblume, du hast die Aufsicht. Ihr könnt ein wenig jagen, aber seid vorsichtig wegen den Ratten."
Die drei Katzen nickten und wünschten ihr viel Erfolg, dann drehte sich Eulenflug um und kletterte bis zum Höhleneingang des HimmelClans. Ihre Pfoten leiteten sie durchs Dunkle bis sie beim Mondbach ankam. Das kleine Rinnsal, das ihren Weg kreuzte, funkelte von den Sternen, deren Licht durch tausend kleine Löcher in der Höhlendecke in die Höhle einfiel. Es war ein so heiliger und schöner Anblick. Die Kätzin fühlte sogleich die Macht des SternenClans überall um sie herum. Sie legte sich am Rand des kleinen Baches nieder und leckte ein paar Tropfen des heiligen Wassers auf, dann schloss sie ihre Augen und spürte. wie sie langsam in den Schlaf glitt.
Als sie ihre Augen wieder öffnete, war sie nicht mehr in der Höhle. Sie befand sich nun im SternenClanterritorium. Eulenflug erinnerte sich an das letzte Mal, als sie hier gewesen war. Keine SternenClankatze hatte sie dort besucht, aber sie hatte trotzdem eine gesehen. Spatzenpelz. Ein Schauer überfuhr die HimmelClankätzin, als sie sich daran erinnerte, wie sie ihren alten Freund wieder gesehen hatte, mit sternenbesticktem Pelz und leicht durchsichtiger Gestalt. Ob sie ihn wohl heute wieder sehen würde? Und was für Katzen würde sie vielleicht sonst noch begegnen.
Sie freute sich auf die Begegnung mit ihren verstorbenen Clangefährten, die sie so sehr vermisste, und gleichzeitig hatte sie Angst vor der Übergabe der neun Leben. Das würde viel Mut und Kraft von ihr erfordern. War sie dafür jetzt wirklich schon bereit?
Aufregung erfüllt ihren Körper. Das war sie, ihre Anführerzeremonie. Seit sie ein Junges gewesen war hatte sie sich so sehr gewünscht, eine Anführerin zu werden. Doch es war nur ein harmloser Jungenwunsch gewesen. Sie hatte damals niemals wissen können, wie hart der Weg bis hierher sein würde. Und sie hätte niemals erahnen können, wie viele Katzen vorher sterben mussten.
Eulenflug zuckte zusammen, als sie im Unterholz ein Knacken wahrnahm. Kurz darauf kamen acht Katzen zum Vorschein. All ihre Pelze waren mit Sternenstaub bestickt und Eulenflug fühlte, wie die Gefühle sie überrollten, als sie so viele ihrer Clangefährten wiedersah, die sie so sehr vermisste. Am liebsten hätte sie jede einzelne dieser Katzen freudig und ausgiebig begrüßt und sich mit ihr die Zungen gegeben, doch sie wusste, dass das ihr nicht gestattet war.
Stattdessen senkte sie ihren Kopf nur voll von tiefstem Respekt. Sie war einfach nur so froh und fühlte sich so geehrt, dass sie von diesen edlen Katzen, die sie selber hatte lebendig kennen dürfen, ihre neun Leben erhalten würde. Eulenflug war viel zu aufgeregt um sich zu fragen, warum es nur acht Katzen waren anstatt neun.
Die acht SternenClankatzen stellten sich in einer Reihe auf und als die erste Katze vortrat, machte Eulenflugs Herz vor Freude einen Sprung. Es war ihre Mutter Flügelbeere. Erst jetzt erkannte sie, wie sehr sie die gefleckte Kätzin vermisste. Es war schon unzählige Blattwechsel her, dass die ehemalige HimmelClankätzin gestorben war. Und auch schon etliche Monde, seit der Geist ihrer Mutter Eulenflug in ihrem Traum oder am Tag aufgesucht hatte.
Das letzte Mal an das sich die angehende Anführerin erinnern konnte war gewesen als sie den kleinen Fuchswelpen Feuer nicht hatte mit ins Lager nehmen wollen. Flügelbeere war gekommen um sie zu erinnern, dass Junges Junges war und es nicht zählte, von welcher Tierart es stammte. Feuer wäre ohne ihre Hilfe alleine mit einer verletzten Lina wohl gestorben. Eulenflug, die den kleinen Fuchs sehr lieb gewonnen hatte, wollte sich gar nicht erst ausmahlen, was passiert wäre, wenn ihre Mutter ihr nicht erschienen wäre.
„Eulenflug, oh Eulenflug meine Tochter. Ich bin ja so stolz auf dich", wisperte die gefleckte Kätzin und ihre Augen glänzten voller Wärme und mütterlicher Liebe. Eulenflug rieb ihre Nase an der ihrer Mutter. Wie schön es war, nochmal in deren Duft gehüllt zu sein. Flügelbeere legte ihre Schnauze auf Eulenflugs und miaute mit klarer Stimme: „Mit diesem Leben gebe ich dir Liebe und mütterliche Fürsorge. Nutze sie gut für deinen Clan und alle anderen hilflosen Geschöpfe die deine Hilfe brauchen. Behandle jede Katze deines Clans vom jüngsten Jungen bis zum ältesten Ältesten als wären sie deine eigenen Jungen und gebe ihnen den Schutz, den sie brauchen."
*So wie Heidenstern es getan hat*, schoss es Eulenflug durch den Kopf. Wie würde sie die Leben und deren Gaben nur je so nutzen können wie es ihre geliebte Anführerin immer getan hatte? Doch sie würde alles dafür geben, in ihre Pfotenstapfen zu treten und von ihren Taten zu lernen. Ein Gefühl der Geborgenheit und Wärme durchflutete Eulenflug, als ihr erstes Leben ihren Körper erfasste. Sie fühlte sich in die Kinderstube zurückversetzt, in dem Wissen, dass sie sich keine Sorgen machen musste. Dass sie eine Mutter hatte, die für sie sorgte. Doch dann fühlte sie, wie die Zeit an ihr vorbeistrich und sie ihren ersten Wurf gebar.
Erst jetzt realisierte sie, dass sie sich nicht in ihrem eigenen Körper befand, sondern in Flügelbeeres. Sie sah die drei kleinen Katzen und spürte ihren Schutzinstinkt und ihre Bereitschaft ihr eigenes Leben für die beiden Jungen zu geben. Sie erkannte sich selbst als winziges Fellbündel neben ihrem Bruder kaum wieder, das kläglich und mit geschlossenen Augen nach Milch schrie. Doch am meisten erschreckte sie nicht die Situation, dass sie ihre eigene Mutter war, sondern das winzige, braune Geschöpf neben ihr und ihrem Bruder. Es sah so schwach aus und war so mager.
Wer war diese Katze? Diese Frage schoss Eulenflug zwar durch den Kopf, sie hatte nie etwas davon gewusst, dass ihre Mutter drei Junge zur Welt gebracht hatte, aber sie war zu sehr in Flügelbeeres Rolle, als dass sie sich darüber Gedanken machen könnte. Viel mehr spürte sie ihre Sorge um das winzige Geschöpf, dass so viel schwächer als sie und Falterjunges aussah. Doch sie wusste, sie würde auch für dieses schwache Junge kämpfen. Für jedes einzelne würde sie ihr Leben geben.
Wieder verstrich ein wenig Zeit und sie spürte einen Schmerz tief in ihr, als das braune Junge immer schwächer wurde und dann schließlich an grünem Husten erkrankte und starb. Sie fühlte den Schmerz und den Kummer, die sie zu überwältigen drohten und ihr jegliche Kraft raubten. Sie verweigerte ihre Mahlzeiten und versank in tiefer Trauer. Doch dann realisierte sie schließlich, dass sie nicht aufgeben durfte, sie musste kämpfen, für ihre anderen beiden Jungen. Sie musste jetzt stark sein, für die beiden.
Eulenflug spürte, wie der Mix aus Liebe, Fürsorge, Angst, Schmerz und Trauer langsam abebbte und sie blinzelte, als sie sich im SternenClanterritorium wiederfand. Flügelbeere trat zurück in die Reihe der SternenClankatzen, doch sie wandte ihren Blick nicht von ihrer Tochter ab. Wissen stand in ihren Augen geschrieben. Sie hatte Eulenflug bewusst diese Erinnerungen gesendet. Die angehende Anführerin war nicht wütend, dass ihre Mutter ihr und Faltersprung ihren früh verstorbenen Bruder verschwiegen hatte. Sie konnte sie gut verstehen und war ihr dankbar dass sie sie an diesen schmerzhaften Erinnerungen hatte teilnehmen lassen.
Hey, ja es geht weiter :D und ich habe auch schon etwas vorgeschrieben, sodass jetzt regelmäßige Kapitel kommen ;) die nächsten Kapitel werden sich um Eulenflugs Anführerzeremonie drehen. Die mache ich ein bisschen ausführlicher als bei den normalen WaCa Büchern und ihr werdet noch ein paar Geheimnisse über die verstorbenen Katzen erfahren, ich hoffe es gefällt euch :)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top