6. Kapitel
Alle Blicke wandten sich nun Eulenflug zu und das Herz der Kriegerin setzte für einen Moment aus. Die ganze Zeit schwirrte ihr nur eine Frage im Kopf umher: *Warum ich?* Die Versammlung löste sich wieder auf. Es gab keinen Grund sie zu beglückwünschen, schließlich war es keine zeremonielle Ernennung, sondern bloß eine Ankündigung. Doch Faltersprung, Braunpelz und Karottenschweif taten es trotzdem.
Eulenflug nahm ihre Beglückwünschungen aber nur stumm entgegen. Sie war nun die vorübergehende Anführerin des HimmelClans? Sie? Manche Katzen warfen ihr merkwürdige Blicke zu. Eulenflug schien nicht die einzige zu sein, die nicht verstand, warum sie zu diesem Rang ausgewählt worden war. Stachelkralles Augen funkelten sogar leicht wütend.
"Was ist mit den Patrouillen, zweite Anführerin?", fragte er mit einem verächtlichen Unterton. "Ähm..." Sie war immer noch viel zu überrumpelt von der Situation. "Führe du eine Patrouille zur HöhlenClangrenze an. Und sage Krallenpelz, er soll eine Jagdpatrouille anführen", bestimmte sie schließlich und machte sich dann auf den Weg zum Anführerbau.
*Ich muss mit Heidenstern reden!* Niemals hätte sie damit gerechnet, dass die Anführerin ausgerechnet sie für diesen Rang auswälen würde. "Ich wusste, dass du kommen würdest", schnurrte Heidenstern mit einem leicht amüsierten Unterton. "Mache es dir doch bequem."
Eulenflug gehorchte zögerlich und setzte sich ins weiche Moos. "Du willst wissen, warum ich dich dafür ausgewählt habe, nicht wahr?", fragte Heidenstern. Eulenflug nickte nur. "Nun, du bist etwas Besonderes Eulenflug. Der SternenClan hat eine große Zukunft für dich vorhergesehen." Entrüstung machte sich in der Kriegerin breit.
"Jeder sagt mir, dass mir der SternenClan eine große Zukunft vorhergesehen hat", blaffte sie. *Oder der WolkenClan* "Aber das ist doch nicht fair, oder? Es geht doch um das, was ich bisher getan habe! Und ich habe nichts getan! Gar nichts! Ich war lediglich unloyal."
Eulenflug wusste selbst nicht, warum sie sich sosehr dagegen sträubte für diesen Rang auserwählt worden zu sein. Warum sie versuchte, ihre Anführerin vom Gegenteil zu überzeugen. Jede andere Katze hätte sich geehrt gefühlt für diesen Rang auserwählt worden zu sein. Doch Eulenflug wollte sich diesen Rang verdienen, wollte von den anderen Katzen respektiert und nicht verspottet werden.
Heidenstern schmunzelte. "Du täuscht dich, Eulenflug. Du hast dem Clan mehr gegeben, als jede andere Clankatze. Du hast deinen Traum aufgegeben, Kriegerin zu werden und wurdest stattdessen Heilerin, um deinem Clan bestmöglich zu dienen und du warst die, die die Clans in den Kampf gegen die Dachse führen wollte und die die letztendlich die Hilfe der Streuner geholt hat. Und als es uns schlecht ging und Tigersturm auch zu sehr vom Rauch geschwächt war, da hast du den MoorClan zurückgelassen und kamst dem HimmelClan wieder zur Hilfe.
Was könnte man sich mehr von einer Katze wünschen? Außerdem hast du ein großes Herz, bist klug und stark und weißt immer, was zu tun ist. "Eulenflug schnaubte nur. Sie hatte das Gefühl, dass Heidenstern alles etwas zu sehr ins positive Licht rückte. "Aber ich habe meinen Clan verlassen! Ich habe dann gewechselt, wann es mir gerade gepasst hat. Verstehst du nicht, ich habe Loyalität zur Liebe vor die meines Clans gestellt!"
Heidenstern lächelte schwach. "Wie könnte ich dich jemals dafür verurteilen,dich in eine Katze eines anderen Clans verliebt zu haben?" Ein sehnsüchtiger Blick trat in ihre Augen. Eulenflug war sich nie sicherer als in diesem Moment. "Es geht um Felsstern, nicht wahr?" Ein erschrockener Ausdruck trat in Heidenstern Blick. "Wie... woher weißt du?", stammelte sie. Eulenflug hatte die weiße Kätzin nie so verwundbar gesehen. Sie war immer die starke, noble Anführerin gewesen, an die man nicht herankam.
"Ich bin nicht blind, weißt du?", bemerkte sie und lächelte schief. Es kam ihr falsch vor, mit Heidenstern über deren Geheimnis zu reden. *Das geht mich nichts an! Sie ist meine Anführerin!* Die weiße Kätzin senkte den Kopf. "Verstehst du jetzt, was ich meine? Das ist es, was eine Anführerin braucht. Diesen Blick, mit dem sie ihre Clangefährten durchschaut, weiß, wer loyal ist und wer nicht, wer den Clan betrügt und wer sein Leben mehr für den Clan aufgibt als alle anderen.
Du hast diesen Blick, Eulenflug und ich weiß, dass du fair bist. Mit deiner Entscheidungskraft wird dem Clan nichts passieren." Sie seufzte. "Ich wusste schon seit deiner Geburt, dass du meine Nachfolge antreten würdest. Aber ich habe gewartet, bis du bereit warst. Dir Zeit gegeben, dich zu entwickeln und zu beweisen. Mich hast du schon überzeugt. Nun gehe heraus und überzeuge auch deinen Clan. Denn deine Zeit hat gerade erst begonnen."
"Aber..." Nun war Eulenflug noch viel sprachloser als zuvor. Die ganze Zeit war es ihr zu viel gewesen, vorübergehender zweiter Anführer zu sein und jetzt sprach Heidenstern schon davon, dass sie Anführerin wurde? Das war immer ihr Traum gewesen, aber jetzt war das alles so viel komplizierter geworden!
*Bevor ich Anführerin werde, müssen Kurzschweif und Heidenstern sterben*, wurde ihr klar. Und das wollte sie nicht! Was würde ihr Clan ohne die noble Anführerin machen, jetzt, wo sie auch schon Fleckenkralle verloren hatten?
"Geh jetzt, Eulenflug und ruh dich aus. Ich glaube, du musst das alles erstmal verkraften", miaute Heidenstern verständnisvoll und Eulenflug wandte sich bereits zum Gehen, als die Anführerin sie noch mal zurückrief. "Und Eulenflug: Du musst immer bereit sein. Du stehst kurz davor deine Bestimmung zu erfüllen. Ich lebe mein letztes Leben."
Eigentlich hätte die Kriegerin jetzt sagen müssen, dass das letzte Leben nicht bedeuteten musste, dass Heidenstern in baldiger Zukunft starb und dass selbst wenn dies der Fall sein sollte, dass dann ja Kurzschweif Anführer werden würde, aber das Einzige, was sie sagte, war: "Ich bin bereit."
"Schnell! Wir brauchen eine Heilerkatze! Orchideenschweif ist verletzt!" Eulenflug hatte sich gerade zu einem kleinen Schlaf in ihr Nest gelegt, als Stachelkralles Ruf vom Dornentunnel her durchs Lager hallte. Die Kriegerin war sofort auf den Pfoten. Sie war zwar nicht die Heilerkatze, aber das spielte keine Rolle, schließlich konnte sie genauso sehr helfen.
"Tigersturm ist Kräuter sammeln!", erklärte Kristallschimmer dem grauen Krieger gerade panisch, ehe sie von einer Hustattacke überwältigt wurde. Sie kam gerade aus dem Heilerbau und sah so aus als sollte sie dahin schnell wieder zurückkehren. Eulenflug kam angerannt. "Ich kümmere mich darum, geh du zurück in dein Nest", befahl sie Tigersturms Wurfgefährtin und wandte sich dann an Stachelkralle.
"Wo ist er? Wie schlimm sind seine Verletzungen?" "An der HöhlenClangrenze. Er hat tiefe Kratzer und eine offene Wunde am Bauch." "Ich komme!", erklärte Eulenflug und raste zum Heilerbau. Sie nahm sich die wichtigsten Kräuter mit und so viele Spinnenweben, wie sie tragen konnte, ehe sie zurück zu Stachelkralle lief und die beiden Krieger Seite an Seite das HimmelClanterritorium durchquerten.
Einige Zeit später waren sie an der Grenze zum HöhlenClan angekommen. Orchideenschweifs Anblick schockierte Eulenflug. Seine Bauchwunde verlor viel Blut. Sein ehemaliger Schüler Karottenschweif kauerte neben ihm. Auch er hatte eine kleine Wunde an der Flanke und erst jetzt fiel ihr auf, dass auch Stachelkralle mit Kratzern besäht war.
"Was ist passiert?", fragte sie die Krieger der Patrouille, während sie schnell einige Spinnweben auf Orchideenschweifs Bauchwunde drückte. Der Kater hatte die Augen geschlossen. Sein Atem ging unregelmäßig. Ehe die Krieger antworten konnten, jaulte Eulenflug: "Ich brauche Wasser, schnell!"
Sofort rasten Stachelkralle und Karottenschweif los, um ihr das Wasser zu holen. Lerchenklang und Magieblüte blieben an Eulenflugs Seite. Eulenflug hörte ihr eigenes Herz, das vor Angst schneller schlug.
*Nein, nein, nein! SternenClan, ihr könnt Orchideenschweif nicht auch noch sterben lassen!*, dachte sie sich verzweifelt. Doch in ihrem Inneren wusste sie, dass es zu diesem Gebet zu spät war. Der dreifarbige Kater zuckte noch ein letztes Mal, dann lag er still.
Kleine weiße Flocken bahnten sich ihren Weg vom Himmel herab und ließen sich langsam auf Orchideenschweifs Leichnam nieder. Nie wieder würde der Kater die Schneeflocken aus seinem Fell schütteln können.
Da melde ich mich auch endlich mal wieder :) das nächste Kapitel kommt auch bald ;)
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