5. Kapitel
Ein Husten um Eulenflug herum weckte sie schon sehr früh, als noch nicht einmal die Sonne aufgegangen war. Oder war es die Kälte, die ihren Pelz durchdrang? Ein erneutes lautes Husten von Abendwind dieses Mal durchdrang den Bau. Eulenflug seufzte. Nein, es war eindeutig das Husten. Ein halber Mond war seit der großen Versammlung vergangen und der Gesundheitszustand im Clan hatte sich alles andere als verbessert. Seidenfell, Kurzschweif, Kristallschimmer und Abendwind mussten bereits in den Heilerbau umziehen.
Diese Nacht war Halbmond und somit Heilertreffen. Eulenflug hatte sich bereit erklärt, solange Tigersturm weg war, sich um die Kranken zu kümmern. Also stand sie müde blinzelnd auf und schritt zum Kräutervorrat um sich etwas Katzenminze zu nehmen. Die Kriegerin hatte ihrer ehemaligen Schülerin geraten, dass sie nicht so sparsam mit der Katzenminze sein sollte, sondern den kranken Katzen so viel wie möglich geben sollte, damit sie vielleicht wieder ganz gesund worden, bevor sich Olivenschweifs Worte erfüllen konnten.
Doch das hatte sich als Fehler herausgestellt. Der plötzliche Wetterwechsel ins noch Kältere hatte allen Katzen an den Nerven gezogen und den kranken eine Heilung unmöglich gemacht. Jetzt hatten sie schon fast die Hälfte ihrer Vorräte an Katzenminze verbraucht und es hatte noch nicht einmal geschneit. Ja, der Frost hatte jetzt eingesetzt, aber die Blattleere hatte dennoch gerade erst begonnen und würde noch mehr Probleme mit sich bringen... *SternenClan, hilf uns!* Die Angst weitere Clangefährten zu verlieren, schnürte Eulenflug die Kehle zu. Was wenn es dieses Mal Faltersprung, Karottenschweif oder Braunpelz sein würden? Das würde sie nicht aushalten!
Nachdem sich Eulenflug um die kranken Katzen gekümmert hatte, betrat sie die Lagerlichtung und sah sich um. Ein eisiger Wind fegte durch das Lager und die Kriegerin plusterte ihr Fell gegen die plötzliche Kälte auf. Ein Rascheln vom Dornentunnel riss ihre Aufmerksamkeit auf sich. Tigersturm kam müde ins Lager getappt. Eulenflug begrüßte ihre Freundin und lud sie ein, sich mit ihr eine Amsel zu teilen. Die Kätzin nickte müde und sie ließen sich am Frischbeutehaufen nieder.
„Wie ist das Heilertreffen verlaufen?", wollte Eulenflug wissen. „Gut", miaute Tigersturm. „Ahornblatt hat nun einen Schüler. Nachtpfote." „Nachtpfote?", fragte die Kriegerin verwundert. „Aber er war doch schon fast ein Krieger!" Sie erinnerte sich an den Kampf an der Grenze zum HöhlenClan, bei dem Sturmschweif den größeren Schüler besiegt hatte. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sich der schwarze Kater nun entschieden hatte, ein Heiler zu werden. Und auch nicht, dass Pistazienfell ihn hatte gehen lassen. Der HöhlenClankater war ein nobler und erfahrener Krieger, aber er hatte auch eine Spur von der Kampfeslust und Machtgier wie Stachelkralle.
Tigersturm zuckte nur mit den Schultern. „Jedenfalls schien Nachtpfote sehr begeistert vom SternenClan. Ich glaube, er wird ein guter Heiler." Eulenflug nickte. „Vielleicht." Sie überlegte einen Moment. „Wie sieht es mit dem weißen Husten in den anderen Clans aus." Tigersturm lächelte. „Der HimmelClan ist vielleicht nicht besonders glücklich über die Nachricht, aber ich als Heilerkatze bin es. Der weiße Husten hat noch keinen Einhalt in den anderen beiden Clans gemacht."
Eulenflug seufzte erleichtert. Natürlich würde das bedeuten, dass der HimmelClan schwächer als die anderen Clans war. Aber eine Clankatze war eine Clankatze. Man wünschte keiner diese Krankheit oder den wohlmöglich damit verbundenen Tod. Und Eulenflug, die zumindest die MoorClankatzen fast so gut kannte wie ihre eigenen Clangefährten, war froh, dass es ihnen gut ging. Sie könnte es nicht ertragen, wenn sie sich die ganze Zeit Sorgen machen musste, dass ihr Junges es nicht durch die Blattleere schaffte.
„Hast du... hat der SternenClan dir irgendeine Nachricht geschickt?", wollte Eulenflug schließlich wissen. Tigersturm zog die Augenbrauen hoch und sah sie leicht schmunzelnd mit einem tadelnden Blick an. „Du weißt doch, Heilerkatzen dürfen nicht über ihre Träume reden." „Wenn es dringend ist, schon!", wandte Eulenflug sich selbst verteidigend ein. „Dann würde ich mit unserer Anführerin darüber reden und nicht mit einer Kriegerin", argumentierte Tigersturm und die Kriegerin spürte, wie ein Schmerz sie durchzuckte. War sie für die Heilerin etwa nicht mehr mehr als eine gewöhnliche Kriegerin?
Doch dann stieß Tigersturm ihr die Nase in die Schulter. Sie hatte scheinbar Eulenflugs geschockten Gesichtsausdruck gesehen. „Du bist und bleibst meine Mentorin, Eulenflug! Auch wenn du eine Kriegerin bist... Und du wirst immer die erste Katze sein, zu der ich gehe, wenn ich Rat brauche oder einen wichtigen Traum habe!" Die Kriegerin schnurrte. Womit hatte sie sich nur das Vertrauen ihrer ehemaligen Schülerin verdient? Dabei hatte sie sie doch im Stich gelassen.
Tigersturm seufzte. „Doch der SternenClan schweigt", bemerkte sie schließlich. „Es gibt keine wichtigen Nachrichten von ihm. Noch nicht einmal irgendeine unschlüssige Prophezeiung. Nichts." Ein wütendes Geheul aus dem Kriegerbau riss die Aufmerksamkeit der beiden Kätzinnen auf sich. „Kurzschweif hat mir den Auftrag gegeben, solange er krank ist, seine Aufgaben zu übernehmen!", miaute Krallenpelz mit Nachdruck. „Dann war das aber eine mäusehirnige Entscheidung!", knurrte Stachelkralle.
„Und überhaupt, das hat doch Heidenstern zu entscheiden und nicht Kurzschweif!" „Naja, jedenfalls wäre jede andere Katze keine so mäusehirnige Entscheidung gewesen, wie dich zu wählen!", keifte Krallenpelz zurück. Ein wütender Schrei erklang und schon kamen die beiden Krieger aus dem Bau gekullert. Sie balgten sich wütend am Boden, die Krallen hatten sie dabei ausgefahren und die Zähne gefletscht.
Eulenflug überlegte nicht lange. Sie sprang sofort auf und rannte zu den beiden Kriegern. „Sofort aufhören!", jaulte sie entrüstet. Zu ihrer Verwunderung befolgten die beiden Krieger sofort ihren Befehl, lösten sich voneinander und starrten sich aber immer noch wütend an. „Was fällt euch ein, gegeneinander die Krallen auszufahren?", wollte die Kriegerin wissen. „Wir sind doch schon schwach genug!"
Doch Eulenflug wusste, dass genau das der Grund war. Der Clan war schwach und schnell reizbar. Selbst die spielerischen Kämpfe der Jungen sahen in letzter Zeit ernster aus und die Gespräche wurden giftiger. Die Kälte, der Hunger und die Krankheit machten den Katzen ziemlich zu schaffen. „Ich werde Heidenstern fragen, wer vorübergehend die Aufgaben des zweiten Anführers übernimmt", verkündete die gefleckte Kätzin ruhig. „Ich empfehle euch zu eurem besten, dass ihr nicht wieder am kämpfen seid, wenn ich gleich mit Heidenstern aus ihrem Bau komme."
Und mit diesen Worten schritt Eulenflug zum Bau der Anführerin. Ein seltsames Gefühl durchflutete sie. Sie hatte noch nie älteren Katzen Befehle erteilt, außer vielleicht, dass sie gewisse Kräuter schlucken sollte. Aber noch nie so. Doch irgendwie schien es ihr im Blut zu liegen, Befehle zu erteilen und irgendwas respekteinflößendes hatte Eulenflug scheinbar auch an sich. Sie lächelte. Ein wenig Stolz erfüllte sie.
„Heidenstern?", rief sie nach der Anführerin am Eingang zu deren Bau. Sie hatte Angst, dass sie diese nun aus ihrem Schlaf aufweckte, doch die sofortige Antwort der weißen Kätzin: „Trete ein, Eulenflug", ließ darauf schließen, dass dem nicht so war. Die grünen Augen der Anführerin funkelten in dem schwachen Licht und mit einer Schwanzbewegung lud sie Eulenflug ein, es sich in dem großen Nest bequem zu machen. „Es ist so, dass...", begann die Kriegerin und überlegte, ob sie den Vorfall der beiden Krieger erwähnen sollte, entschied sich aber dagegen.
„Es ist nur so, dass Kurzschweif aufgrund seines weißen Hustens die Aufgaben eines zweiten Anführers ja momentan nicht ausführen kann. Und ich glaube es wäre besser für den Clan, wenn du nun eine Katze bestimmen würdest, die ihn vorübergehend vertritt."
Heidenstern nickte. „Darüber habe ich auch schon nachgedacht", gab sie mit ruhiger Stimme zu. Ein Anflug von Schmerz tauchte dann aber in ihren Augen auf. „Doch ich habe diese Gefühl, dass wenn ich jetzt einen vorübergehenden zweiten Anführer bestimme, dass dies dann sowas endgültiges hat."
Heidenstern hatte den Clan aufgefordert, sich unter dem Hochstein zu versammeln. Eulenflug putzte sich, während sie beobachtete, wie die Katzen langsam aus ihren Bauen gekrochen kamen und sich versammelten. Krallenpelz und Stachelkralle hatten sich langsam wieder versöhnt, warfen sich aber immer noch feindselige Blicke zu. Wir haben uns heute hier versammelt", begann Heidenstern, „da es Zeit wird, eine Katze zu bestimmen, die vorübergehend Kurzschweifs Aufgaben übernimmt."
Gemurmel brach unter den HimmelClankatzen aus. Nun verstand Eulenflug, was die Anführerin gemeint hatte. Es kam ihr wie eine normale Zeremonie eines zweiten Anführers. Als wäre Kurzschweif... schon tot.
Ein Schauer überfuhr Eulenflug. *Er hat lediglich weißen Husten*, erinnerte sie sich. Heidenstern ließ ihren Blick über die Menge schweifen. Wie bei der letzten Zeremonie blieb ihr Blick wieder bei Eulenflug hängen, doch dieses Mal länger und sie verkündete: „Der vorübergehende zweite Anführer des HimmelClans wird Eulenflug sein."
Heyho, da melde ich mich auch mal wieder :D Dieses Kapitel geht an die liebe Aschenwind, die mir ein wunderwunderschönes Bild von Karottenschweif kreiert hat 😍❤
Vielen vielen Dank nochmal dafür!!! ❤❤❤
Einen schönen Restsonntag euch allen! :)
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