4. Kapitel
„Eulenflug? Eulenflug, hast du mich nicht gehört?!" Kurzschweifs Stimme riss die Kriegerin aus ihren Gedanken. Die ganzen letzten beiden Tage war sie sehr unaufmerksam gewesen. Ihre Gedanken waren immer wieder zu dem verwirrenden Traum mit Schneewolke geglitten. Sie hatte rein gar nichts verstanden von dem, was Schneewolke ihr gesagt hatte.
Sie war nicht die Einzige? Die Einzige was? Wiedergeburt vom WolkenClan? Und was war aus den anderen beiden Clans geworden, von denen Schneewolke noch gesprochen hatte? Hatten die Todeskrieger sie auch vernichtet, sowie sie den LichtClan mit den Fluten vernichtet hatten, indem sie den Damm zerstört hatten? Und warum mussten die Todeskrieger besiegt werden? Waren sie etwa immer noch da? Würden sie den Clans im Wald gefährlich werden? Und wie sollte Eulenflug die andern auf den Pfad der Sterne lockte, wenn sie weder wusste wer die anderen waren, noch was mit dem Pfad der Sterne gemeint war...
Tausend Fragen spukten in Eulenflugs Kopf umher, doch sie hatte jetzt keine Zeit mehr, eine Antwort darauf zu finden, denn der zweite Anführer sah sie ungeduldig an. „Eh...was?", fragte sie und der Kater seufzte ungeduldig, doch ehe er sich nochmal wiederholen konnte, überkam ihn eine Hustattacke und als diese vorüber war und er Eulenflug wieder in die Augen sah, erkannte die Heilerin wie matt und klein diese waren.
„Die Patrouille zur großen Versammlung möchte nun aufbrechen", erklärte Kurzschweif. Eulenflug musterte den Kater noch einen Moment länger. Das Atmen schien ihm schwer zu fallen. „Du solltest aber besser hier bleiben", bemerkte sie scharf. Sie war nicht mehr die Heilerkatze und sollte es eigentlich nicht wagen, ihrem zweiten Anführer Befehle zu erteilen, aber ihr Heilerwissen ließ es einfach nicht anders zu, als dass sie stark hinterfragte, ob der zweite Anführer mit seinem schlechten Gesundheitszustand diese Reise antreten sollte.
„Das hat Tigersturm auch gesagt...", gab der getigerte Kater etwas zögerlich zu. „Aber ich bin doch der zweite Anführer! Was würde es denn für ein Bild machen, wenn ich meine erste Versammlung als zweiter Anführer versäume... Und außerdem ist das die erste Versammlung meiner Jungen als Krieger!" In den Augen des Kriegers lag schon beinahe ein Flehen, als er Eulenflug erklärte, warum er unbedingt zur großen Versammlung wollte.
Klar, er war der zweite Anführer und wollte auch als solchen den Clan auf der großen Versammlung vertreten, sowie es ein zweiter Anführer nun mal immer tat. Es würde Fragen aufwerfen, wenn er nicht käme. Und Eulenflug wusste, wie nahe der Krieger mit dem Stummelschwanz seinen Jungen stand. Er und Windblume waren großartige Eltern und natürlich wollte er Sturmschweif und Lerchenklang, die am vorherigen Tag ihre Kriegernamen bekommen hatten, begleiten, wenn sie von den andern Clans als Krieger empfangen wurden.
Doch er würde nach der Reise nur noch geschwächter sein und nicht auszudenken, wenn er die anderen Clans ansteckte. „Höre auf das Wort deiner Heilerin", miaute Eulenflug eifühlsam, aber betont. „Tigersturm weiß, was am besten für dich ist. Deine Jungen schaffen das auch alleine und du wirst bei der nächsten großen Versammlung die Gelegenheit haben, dich den anderen als zweiter Anführer vorzustellen." Doch ein ungutes Gefühl in der Kriegerin sagte ihr, dass der getigerte Kater dazu nie die Gelegenheit haben würde...
Ungeduldig beobachtete Eulenflug die Abhänge rund um die Senke. Der HöhlenClan hatte sich vor Kurzem zu den HimmelClankatzen gesellt, die als erstes in der Senke eingetroffen waren. Auch wenn sie sehr auf Distanz blieben. Feindseligkeit lag in der Luft und Eulenflug konnte sich nur zu gut an den Kampf erinnern. Aber es war Vollmond. Der heilige Waffenstillstand lag über den Katzen und sie würden es nicht wagen, diesen zu brechen.
Der MoorClan ließ auf sich warten. *Hoffentlich ist alles okay!*, dachte sich Eulenflug und sah besorgt zum Mond hinauf, der seinen höchsten Punkt bereits überschritten hatte. Doch in dem Moment tauchten dunkle Silhouetten am Rande der Senke auf und strömten zu den anderen beiden Clans hinab. Die Katzen vermischten sich und gaben sich untereinander die Zungen, während Felsstern auf den Hochfelsen sprang und die anderen beiden Anführer begrüßte.
Der Blick, den er Heidenstern zuwarf entging Eulenflug nicht. Sie hatte die Beiden schon sooft diese Art von Blicken austauschen gesehen. *Irgendwann komme ich hinter euer Geheimnis!* Doch Eulenflug konnte später darüber nachdenken. Sie machte sich auf die Suche nach Meisenflug, doch vorher begegnete sie noch einer Katze, die sie nicht auf der großen Versammlung erwartet hatte, sich aber ungemein freute, sie zu sehen.
Vier Monde war es schon her, dass sie den MoorClan verlassen und somit auch ihre Freundin nicht mehr gesehen hatte. „Schieferglanz!", rief sie fröhlich aus und die beiden Kätzinnen begrüßten sich laut schnurrend Nase an Nase. „Sag, was tust du hier? Müsstest du nicht in der Kinderstube sein?", fragte Eulenflug ihre Freundin. So lange ein Königin Junge säugte, besuchte sie eigentlich keine große Versammlungen, esseidenn eine andere Königin passte auf ihre Jungen auf.
„Mäusehirn!", schnurrte die schwarz-graue Kriegerin. „Meine Jungen sind doch jetzt sechs Monde alt! Nebelpfote, Natternpfote und Minzpfote wurden zu Schülern ernannt!" Die MoorClankätzin strahlte voller Stolz. „Und Aschenjunges?", fragte Eulenflug besorgt. Erst jetzt fiel ihr wieder ein, dass Schieferglanz Jungen zwei Monde älter waren als ihr eigenes. Das bedeutete, er konnte noch kein Schüler sein. Doch wie erklärte man einem Jungen, dass seine „Geschwister" schon Schüler werden durften und er noch nicht?
„Er ist im Lager. Die Ältesten passen auf ihn auf", erklärte Schieferglanz. Ihr Blick verdüsterte sich. „Was ist?", fragte Eulenflug besorgt. „Geht es ihm nicht gut?" „Doch, doch, es ist nur..." „Ich, Heidenstern, Anführerin des HimmelClans möge diese große Versammlung beginnen." Es wurde still in der Senk, als die weiße HimmelClananführerin ihre Stimme erhob.
Schieferglanz warf Eulenflug einen entschuldigenden Blick zu. „Ich erkläre es dir später", miaute sie im Flüsterton, ehe sie ihre Aufmerksamkeit Heidenstern zuwandte. Eulenflug nickte, auch wenn sie gerne sofort wissen wollte, was mit ihrem Jungen los war. Die HimmelClananführerin berichtete von Fleckenkralles Tod und dass sie Kurzschweif als neuen zweiten Anführer erwählt hatte, entschuldigte ihn aber, weil er krank seie. Außerdem stellte sie die neuen Krieger vor.
Dann gab sie das Wort an Felsstern weiter, ohne den Kampf gegen den HöhlenClan zu erwähnen. Und dieser erwähnte ihn natürlich auch nicht. Eulenflug fragte sich unwillkürlich, ob es an Heidensterns Beziehung zu dem grauen HöhlenClananführer lag, dass sie nichts über den Kampf preisgab, oder ob es dafür andere Gründe gab.
Die anderen beiden Clans hatten nichts besonderes zu berichten. Auch wenn Kalbstern ein paar Andeutungen auf Beutediebstahl machte und dabei Felsstern ein paar warnende Blicke zuwarf. Ob sich HöhlenClankatzen auch über die MoorClangrenzen gewagt hatten? Doch warum taten sie das? Eulenflug sah sich unter den HöhlenClankatzen um. Sie waren schlanker als üblich, aber in diesem Blattwechsel gab es ja auch wenig Beute. Und sie waren keinesfalls mager! *Seltsam...*
Die Versammlung war schnell vorbei und die drei Clans trennten sich wieder voneinander und bildeten jeweils eine Schar um ihren Anführer. Schieferglanz wollte sich gerade ihren Clangefährten anschließen, doch Eulenflug hielt sie mit dem Schwanz zurück. „Du wolltest mir noch sagen, was mit Aschenjunges los ist", erinnerte sie ihre Freundin. Diese seufzte. „Gut, dann komm mit."
Schieferglanz führte Eulenflug ins Gebüsch am unbenutzten Hang, wo sie von den anderen Katzen nicht gesehen werden konnten. „Also?", fragte die gefleckte HimmelClankätzin ungeduldig. „Ich...Er weiß es", erklärte Schieferglanz. „Weiß was?", fragte Eulenflug, doch sie glaubte zu wissen, was ihre ehemalige Mentorin meinte. „Dass ich nicht seine echte Mutter bin."
Eulenflug nahm einen tiefen Atemzug und seufzte dann. Sie hatte immer gehofft, dass er problemlos im MoorClan aufwachsen könnte. Mit Geschwistern und Schieferglanz als seiner Mutter. Und gleichzeitig hatte sie auch gehofft, dass sie das selber glauben konnte und ihn somit vergessen würde, doch ihr Plan war nicht aufgegangen.
„Woher weiß er es?", fragte sie. „Ich habe es ihm gesagt", gestand Schieferglanz. „Ich musste!", rechtfertigte sie sich. „Oder wie hättest du einem Jungen erklärt, dass seine „Geschwister" Schüler werden dürfen und es nicht?" Eulenflug leckte Schieferglanz zwischen den Ohren. „Schon okay. Du bist mir keine Erklärung schuldig. Du bist mir gar nichts schuldig. Du weißt ja gar nicht, wie viel es mir bedeutet, dass du Aschenjunges in deinem Wurf aufgenommen hast."
Schieferglanz rang sich ein Lächeln ab. „Er ist wie ein eigenes Junges für mich. Er wird ein großartige Krieger und guter Kämpfer, so wie du!", erklärte sie. *Oder wie Flugmond...* Ein Schmerz durchzuckte Eulenflugs Herz. Es war nicht fair, dass Aschenjunges nie seinen wundervollen Vater kennenlernen würde. „Hast du ihm... alles erklärt?", fragte die Kriegerin ihre Freundin schließlich. Diese nickte.
„Ich habe ihm gesagt, dass seine Mutter eine wundervolle HimmelClankriegerin ist und sein Vater ein ebenso toller MoorClankrieger war." „Aber wie hast du ihm erklärt, dass seine Mutter ihn im Stich gelassen hat?" Angst schnürte Eulenflug die Kehle zu. Nichts könnte sie jemals mehr verletzten, als wenn ihr eigener Sohn sie hasste. „Ich habe ihm erklärt, dass der HimmelClan dich brauchte. Und dass dies Clanloyalität war und er stolz darauf sein könnte, eine solche Mutter zu haben." Sie zögerte. „Ich weiß aber nicht, wie er es aufgenommen hat."
Eulenflug nickte. „Du solltest nun zurückgehen", bemerkte sie. „Du auch. Wir sehen uns spätestens bei der nächsten großen Versammlung..." Die beiden Kätzinnen verabschiedeten sich voneinander und liefen jeweils zu ihren Clanterritorien zurück. Eulenflug konnte auf dem ganzen Weg zurück zum HimmelClan an nichts anderes denken als ihren Sohn. *Oh Flugmond, warum habe ich ihn nur allein gelassen? Was bin ich für eine Mutter?*
Der SternenClan hatte recht behalten. Sie hatte falsche Entscheidungen getroffen. Sehr viele. Aber die falscheste war es gewesen, Aschenjunges zurück zu lassen. *Aber warum hat ausgerechnet der SternenClan mir dann diesen Rat gegeben, dass ich dies tun sollte?*
Karottenschweif empfing sie vor dem Lagereingang. *Und dahin ist mein schöner Plan, unbemerkt in den Kriegerbau zu schlüpfen.* „Du kommst spät, Eulenflug", bemerkte er und maß sie mit einem prüfenden Blick. „Ich habe mir nach der Versammlung noch mit Schieferglanz die Zungen gegeben. Das ist das erste Mal, dass ich sie wieder gesehen habe, seit ich den MoorClan verlassen habe", erklärte sie ehrlicherweise, ohne darauf einzugehen, über was sie mit der Königin gesprochen hatte.
„Nun, ich weiß, dass du ein Geheimnis hast, Eulenflug", erklärte Karottenschweif und Eulenflug starrte ihn an. Woher wusste er das? „Ich will dich nicht irgendwie drängen, es mir zu verraten oder so", miaute er und lächelte. „Es ist nur so...Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst. Ich bin immer für dich da." „Ich weiß", erwiderte die gescheckte Kätzin und lächelte auch leicht.
Sie war froh, zu wissen, dass es eine Katze gab, die immer hinter ihr stand. Und es gab so vieles worüber sie gerne mit jemandem sprechen wollte. Nicht nur über Aschenjunges. Auch über Flugmond. Auch wenn sie versuchte, ihn zu vergessen, dachte sie doch bei jedem einzelnen Atemzug an ihn und jedes Mal, wenn ihr Herz schlug, spürte sie diesen Schmerz. Sie war einfach nicht stark genug gewesen, diesem Schmerz standzuhalten und sich dennoch um das Junge zu kümmern, dass seinem Vater so ähnlich sah. Sie war wie ein Feigling geflohen und sie wusste, dass dies der wahre Grund war, warum sie zum HimmelClan zurückgekommen war. Und nicht wegen ihrer Loyalität zu ihrem alten Clan.
Sie seufzte. Doch sie konnte mit keiner Katze darüber reden. Erst recht nicht mit Karottenschweif. Daher schnurrte sie nur ein: „Danke" und wand sich dann an Karottenschweif vorbei. Ihre Pelze streiften sich sacht und sie fühlte Gefühle für sie in Wellen von dem orange getigerten Kater ausgehen. Ob der Schmerz, den er empfand, dass er sie immer sah und wusste, dass sie nicht dasselbe für ihn fühlte, ja nie seine Gefährtin sein würde, wohl so ähnlich war wie Eulenflugs Schmerz, wenn sie an Flugmond dachte, den sie so sehr vermisste. *Mit dem Unterschied, dass ich diejenige bin, die Karottenschweifs Schmerz löschen könnte.*
Hey Leute, ich wollte euch noch auf eine kleine Sache aufmerksam machen :D Und zwar habe ich ein Contest-Buch eröffnet. Dort wird es Cover- und Schreibwettbewerbe geben. Und wenn ihr keine Lust habt mitzumachen, könnt ihr auch ein Jurymitglied werden :D also schaut doch einfach mal vorbei ;) Schönes Wochenende/Ferien euch noch :)
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