22. Kapitel

Eulenflug trabte durch den Wald. Faltersprung lief an ihrer einen Seite zusammen mit seiner Gefährten Frostblüte. Die Kätzin war nun wieder seit einiger Zeit aus der Kinderstube draußen. Sie hatte eine Totgeburt gehabt. Drei kleine Kätzchen, doch alle ohne Leben. Weder Tigersturm noch Eulenflug konnten einen Grund dafür ausmachen, warum die Jungen nicht überlebt hatten, doch es schien so, als wären sie schon im Bauch gestorben.

Die hoffnungsvollen Eltern hatten lange gebraucht, bis sie über die Totgeburten hinweggekommen waren. So etwas ging nicht spurlos an einer Katze vorüber, auch Eulenflug hatte es sehr mitgenommen. Auch wenn man noch keine Beziehung zu den kleinen Fellbündeln aufgebaut hatte, hatte man sie doch schon vor deren Geburt ins Herz geschlossen und würde sein Leben für sie geben. Das hatte Eulenflug selbst erlebt und sie war sich sicher, dass das jeder Königin so ging.

Sie wusste, wie sehr sich Faltersprung und seine Gefährtin Junge wünschten, doch es würde hart für sie sein, es noch einmal zu versuchen. Und noch härter, wenn sie dann schon wieder eine Totgeburt miterleben mussten. Doch keiner konnte ihnen garantieren, dass sie je einen lebendigen Wurf zur Welt bringen würden.

Pfützensprung, der frisch ernannte Krieger, lief an Eulenflugs anderer Seite. Er und seine Schwester Teichherz hatten vor wenigen Sonnenaufgängen ihre Kriegerfertigkeiten in einem Grenzgefecht gegen ein paar HöhlenClankatzen, die unerlaubter Weise die Grenze überquert hatten, bewiesen.

Die zweite Anführerin sah sich die Kampfpatrouille an, in der sie mitlief. An der Spitze lief Heidenstern, schlank und stark. Sie hatte den Kopf erhoben und ihre Pfoten trugen sie mit einer Leichtigkeit und Zielstrebigkeit, dass Eulenflug die Anführerin nur bewundern konnte.

Wenn sich die zweite Anführerin umsah, blickte sie in die Gesichter vieler kampfbereiter Krieger ihres Clans. Sie alle waren entschlossen zu kämpfen, für ihren Clan. Der erste wirkliche Kampf seit Monden. Eulenflug konnte nicht wirklich behaupten, dass sie sich darüber freute. Sie wollte unnötiges Blutvergießen wenn möglich lieber verhindern. Doch sie war eine Kriegerin und würde für ihren Clan kämpfen, selbst wenn sie dabei ihr Leben riskierte.

Nach den Grenzgefechten hatten die HöhlenClankatzen den HimmelClan nämlich zu einem Kampf herausgefordert. Sie wollten ihr Territorium vergrößern und wenn die HimmelClankatzen mit den neuen Grenzen nicht zufrieden wären, dann müssten sie kämpfen. Natürlich ließ sich der HimmelClan das nicht so einfach bieten. Grenzen waren Grenzen und jetzt mitten in der wärmsten Zeit der Blattgrüne, verkroch sich die Beute zwar manchmal wegen der Hitze, es war aber immer noch genug für einen Clan zu versorgen aufzutreiben.

Also gab es keinen triftigen Grund für den HöhlenClan sein Territorium zu vergrößern. Die HimmelClankatzen würden ihnen schon zeigen, dass sie sich eine solche Aktion beim nächsten Mal lieber zweimal überlegen sollten.

Nach einer Weile gab Heidenstern ein Zeichen mit dem Schwanz, dass sie stehen bleiben sollten. Die Katzen waren an der neuen HöhlenClangrenze auf ihrem Territorium angekommen. Eine Kampfpatrouille hatte sich entlang dieser aufgestellt. Sie warfen ihnen herausfordernde Blicke zu. Eulenflug spürte wie sich die Pelze ihrer Clangefährten sträubten. Feindseligkeit knisterte in der Luft.

Auf ein Zeichen von Heidenstern hin verteilte sich die HimmelClanpatrouille ebenfalls entlang der Grenze und standen somit ihren Gegnern direkt gegenüber. Felsstern und Heidenstern standen sich Angesicht zu Angesicht. In ihren Augen stand nichts geschrieben was auf ihre Beziehung hindeutete. Entweder versteckten sie ihre Gefühle nur gut gekonnt, oder sie hatten gerade selber ein paar Schwierigkeiten miteinander. Eulenflug konnte es nicht genau sagen. Sie vermutete etwas von beidem.

„Seid gegrüßt HimmelClankatzen", miaute der HöhlenClananführer förmlich und neigte seinen Kopf vor Heidenstern. „Ihr seht, dies ist die neue Grenze. Entweder ihr akzeptiert sie und die Clans können in Frieden weiterleben, ohne sinnloses Blutvergießen. Oder ihr kämpft und seid somit Schuld an diesem Kampf." Heidenstern gab ein verächtliches Schnauben von sich. „Klug eingefädelt, Felsstern. Die Schuld auf uns schieben, ja? Wir werden kämpfen, aber sage noch einmal, dass dieser Kampf unsere Schuld sei und ich zerfetzte dir die Ohren."

Nun war sich Eulenflug sicher, es war definitiv nicht alles reibungslos in der Beziehung der beiden Anführer im Moment. Heidenstern gab ihrem Clan das Zeichen zum Angriff und Eulenflug spürte das Adrenalin das durch ihre Adern lief, als sie sich in den Kampf stürzte. Bald schon hatte sie Fell unter ihren Krallen. Es war Zauberschweif, die sie gerade angriff. Die schlanke, grau getigerte Kätzin war sehr wendig und geschickt und wich Eulenflug Schlägen immer wieder aus.

Doch die zweite Anführerin war eine bessere Kämpferin. Sie trickste die HöhlenClankriegerin aus, indem sie einen Angriff vortäuschte, sich dann aber blitzschnell unter der grauen Kätzin duckte und herumschleuderte. Nun entblößte die Kriegerin unfreiwillig ihren empfindlichen Bauch, den Eulenflug sofort attackierte. Die Kriegerin schrie auf und sobald die HimmelClankätzin ihr die Möglichkeit gab, floh sie ins HöhlenClanterritorium.

Zufrieden wirbelte Eulenflug herum und hielt nach einer anderen Katze Ausschau, die sie angreifen konnte. Sie entdeckte Pfeilblitz, der sich einen Weg durch die Katzen bahnte. So einfach würde sie ihn nicht entkommen lassen. Sie sprang den Kater von der Seite an, doch dieser rollte geschickt ab und wagte dann einen Angriff auf sie von vorne. Im letzten Moment konnte die zweite Anführerin jedoch noch ausweichen und sie versetzte dem weißen Kater einen Schlag mit der Pfote an den Kopf.

Dieser war jedoch darauf vorbereitet gewesen und schlang während dem Fall mit einer Pfote nach ihr. Er brachte sie so aus dem Gleichgewicht, sodass sie stürzte. Die beiden Katzen rangen noch etwas am Boden zusammen, bis Eulenflug ihn endlich am Boden festhalten konnte. Pfeilblitz war ein ihr ebenbürtiger Gegner und sie war nicht ohne Kratzer davongekommen. Gerade wollte sie ihre Pfoten von dem weißen Kater nehmen und ihm so die Möglichkeit geben zu fliehen, als ein schweres Gewicht sie unsanft von dem MoorClankrieger runterzog und zu Boden drückte.

Es war Bogenpelz, Pfeilblitz Wurfgefährte. Bogenpelz war ein Kater, dem man lieber nicht zu nah kommen wollte. Zwar klein wie alle HöhlenClankatzen, aber sehr kräftig und muskulös. Seine Pfote presste ihr die Luft aus der Lunge und sie schlug wild um sich, um den Kater von ihr weg zu bekommen. Bogenpelz ließ sie einen Moment Luft holen, dann stemmte er seine beiden Vorderpfoten fest auf ihre Brust. „Niemand hält meinen Bruder davon ab, seinem Schüler zu helfen!", warnte er und bohrte seine Krallen zur Verstärkung seiner Worte in Eulenflugs Fleisch.

Sie verbiss sich ein schmerzhaftes Aufheulen, schleuderte den grau-weißen Kater mit aller Kraft und einem gekonnten Kampftrick von sich runter und kam schließlich keuchend auf die Pfoten. Pfeilblitz war auch schon wieder aufgestanden und schlängelte sich zwischen den kämpfenden Katzen hindurch. Eulenflug folgte ihm, allerdings nicht um den HöhlenClankater erneut anzugreifen, sondern um auch nach seinem Schüler zu sehen.

Jeder wusste, dass Blitzpfote nicht der beste Kämpfer war. Er hatte eine verkrüppelte rechte Vorderpfote und seine gesunden Pfoten waren in Sachen Kämpfen alles nur linke Pfoten. Sein fehlendes Kampfgeschick war auch der Grund, warum er noch nicht wie seine Schwestern Herzblick und Glanzwolke zum Krieger ernannt worden war, auch wenn er ein guter Jäger war und den Verstand eines Kriegers schon seit dem ersten Tag als Schüler gehabt hatte. Mittlerweile hatte er sogar fast schon die Weisheit eines Ältesten.

Eulenflug zweifelte nicht daran dass er seinen Weg gehen würde. Den Weg den der SternenClan sowie auch der WolkenClan für ihn bestimmt hatten. Doch er würde sich vorher allen beweisen müssen und das würde schwer werden. Doch sie hatte großes Vertrauen in den Schüler. Sie würde ihm nie vergessen, wie er als er noch ein Junges gewesen war, den HimmelClan gerettet hatte, indem er diesem Katzenminze hatte zukommen lassen. Er hatte ein großes Herz für jede Clankatze und wenn eine Katze eines Tages Frieden in den Wald bringen würde, dann war er es.

Doch auf großen Versammlungen hatte Eulenflug auch oft gehört, dass er es nicht leicht im Clan hatte. Durch sein fehlendes Kampfgeschick viel es ihm schwer, Anerkennung von den Kriegern zu erhalten. Vor allem die jungen Katzen, sowie seine beiden Schwestern, verspotteten ihn oft und ließen ihm immer die minderen Arbeiten zukommen. Doch die zweite Anführerin hatte auch gemerkt, wie sich der kluge, hilfsbereite Kater langsam den Respekt seiner älteren Clangefährten verschaffte.

Besonders Felsstern hatte ein Auge auf ihn geworfen. Der Anführer schien erkannt zu haben, dass der junge, cremefarbene Kater etwas ganz besonderes war. Doch er würde ihm nicht eher einen Kriegertitel verleihen, ehe ihm dieser auch von seinen anderen Clangefährten zugesprochen wurde. Doch Blitzpfote ging gelassen damit um, weigerte sich nicht gegen seine Schülerpflichten die ihm vom Alter her eigentlich gar nicht mehr zustanden und lernte bereitwillig dazu.

Eines Tages würde der Clan verstehen, welches Geschenk es für ihn war, Blitzpfote als Clangefährten zu haben. Eulenflug hatte das Leben des Schülers seit der ersten Begegnung mit ihm verfolgt. Besonders auf den großen Versammlungen hatte sie viel von ihm erfahren. Oft hatte sie Katzen befragt, es einfach nur zufällig mitbekommen, oder sogar selber mit dem cremefarbenen Schüler geredet, ohne im allerdings je von der Prophezeiung zu erzählen.

Sie hatte ihn immer für zu jung gehalten, auch wenn sie ganz genau wusste, dass er es verstehen würde. Sie fühlte sich in gewisser Weise für den jungen Höhlenkater verantwortlich. Schließlich waren sie beide Nachkommen des WolkenClans, da war sie sich mittlerweile sehr sicher und solange die dritte Katze der Prophezeiung nicht gefunden war, auch die einzigen. War es das, was Eichenfall für sie gefühlt hatte, als er noch lebte? Den Beschützerinstinkt der ihn dann auch dazu verleitet hatte, ihr in ihre Träume zu folgen, damit er sie auf den rechten Weg führte und ihr Rat geben konnte, wenn er das Gefühl hatte, dass sie falsche Entscheidungen traf.

Eulenflugs Magen krampfte sich zusammen. Sie hatte den Kater nie verstanden, aber jetzt glaubte sie es zu tun. Ihr tat es so leid, dass sie ihm nicht verziehen hatte, dabei wäre sie ja fast dazu bereit gewesen, doch da war es schon zu spät gewesen. Doch sie konnte aus Eichenfalls Fehlern lernen und es bei Blitzpfote besser machen. Und sie war bereit ihm nun zu helfen.

Pfeilblitz kam jedoch plötzlich vor ihr zum stehen und prüfte die Luft. Eulenflug kam schlitternd neben ihm zum halten. Auch sie prüfte die Luft und jedes einzelne Haar in ihrem Pelz stellte sich auf. Pfeilblitz drehte sich zu ihr um. Entsetzten spiegelte sich in seinen Augen wieder, doch dieses war lang nicht so groß wie das der zweiten Anführerin. *Wenn du nur wüsstest, was ich weiß!*, dachte sie sich fröstelnd. Denn der Geruch, der ihre Nase strömte und überall um sie herum zu sein schien, war der Geruch nach Ratten.

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