21. Kapitel

Eulenflug blickte sich im Territorium des SternenClans um. Schon lange war sie nicht mehr dort gewesen, hatte nicht mehr von ihren Kriegerahnen geträumt. Sie erwartete, dass sie gleich von einer Katze begrüßt wurde, die ihr irgendetwas mitteilte. Vielleicht sogar eine Prophezeiung. Doch nichts geschah. Keiner ihrer Kriegerahnen war in Sicht.

Also beschloss sie, sich mal ein wenig umzusehen, wenn sie schon mal in einem solch wundervollen Territorium war. Die Sonne strahlte in ihrer schönsten Pracht und nur wenige weiße Wolken bedeckten den Himmel. Überall spross frisches, saftiges Grün hervor oder bunte Blumen säumten das Blickfeld. Vögel zwitscherten in ihren schönsten Klängen und ein wundervoller Duft nach Wald und Blumen erfüllte die Luft.

Es war ein bisschen ein Trost für Eulenflug zu wissen, dass all die Katzen die von ihr gegangen waren, nun an diesem wundervollen Ort verweilten.

Die zweite Anführerin kroch durchs Unterholz und jagte einem Schmetterling hinterher. Plötzlich hörte sie leise Stimmen hinter sich, die langsam näher kamen. Die HimmelClankätzin beobachtete die beiden näherkommenden Katzen. Sie hatte das Gefühl, dass sich ihr Magen umdrehte, als sie neben dem verstorbenen Schüler Tannenpfote Spatzenpelz mit Sternenstaub im Pelz erblickte.

Eulenflug wachte keuchend auf. Alles in ihr drehte sich. Ihr Herz schlug wild, ihr Magen krampfte sich zusammen, ihre Sicht war verschwommen und sie zitterte am ganzen Körper. Sie hatte solange gewartet, auf irgendein Zeichen von Flugmond und Spatzenpelz, die verschwunden waren, ohne dass je eine Katze wusste, ob sie tot waren oder nicht.

Eulenflug hatte die Hoffnung irgendwann aufgegeben und sich damit abgefunden, dass ihre Freunde nun in die Reihen ihrer Kriegerahnen eingetreten waren. Doch erst als sie nun Spatzenpelz gesehen hatte, in blasser Gestalt und mit Sternenstaub im Fell war ihr klar geworden, wie sehr sie eigentlich an dem letzten Funken Hoffnung der noch irgendwo in ihr übrig geblieben war, festgehalten hatte.

Diese Ungewissheit hatte sie zwar zerfressen und sie hatte immer gedacht, zu wissen dass ihre Freunde tot seien, würde sie ruhiger stimmen als diese ganze Ungewissheit, doch da hatte sie sich getäuscht. Nun als sie Spatzenpelz gesehen hatte, hatten so viele Gefühle sie überkommen. Es war nicht nur, dass sie ihn so vermisst hatte, sondern auch dieser Schock der sie durchflutet hatte. Der Schock den Kater als SternenClankatze zu sehen.

Er war tot, daran gab es nun keine Zweifel mehr. Er war tot! Eulenflug atmete schwerfällig, dennoch hatte sie das Gefühl, dass ihr Kopf immer noch nicht genug mit Sauerstoff versorgt wurde, denn das Schwindelgefühl wollte sie einfach nicht verlassen. Die zweite Anführerin kam wankend auf ihre Pfoten und stolperte aus dem Kriegerbau. Die Morgendämmerung hatte eingesetzt und färbte die ganze Umgebung in ein warmes, orangenes Licht.

Doch die zweite Anführerin schenkte dem keine Beachtung. Sie hatte nicht erwartet, dass die Erkenntnis dass Spatzenpelz tot war sie so schwer treffen würde. Sie frage sich, was das nun für Flugmond bedeutete. Aschenpfote hatte ihr ohne dass sie das gewollt hatte neue Hoffnungen gemacht. Doch Eulenflug hatte das Gefühl, dass diese Hoffnung nun total lächerlich war. Flugmond war auch tot. Eine SternenClankatze genau wie Spatzenpelz. Sie musste sich damit abfinden und darauf vorbereitet sein, dem Kater den sie so sehr liebte auch eines Tages im SternenClan zu begegnen.

Wenn sie hoffte, war sie verwundbar. So verwundbar wie sie es jetzt gewesen war. Diesen Schmerz und dieses Entsetzten würde sie nicht noch einmal durchstehen können. Langsam, ganz langsam, beruhigte sich ihr Atem wieder und sie konnte einen klaren Gedanken fassen. Sie durfte sich davon jetzt nicht schwächen lassen. Sie musste stark bleiben, für ihren Clan! Ihr Clan brauchte sie jetzt als zweite Anführerin und sie musste ihren Clan über alles stellen.

Ein Rascheln im Kriegerbau lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich. Eulenflug drehte ihren Blick dem Bau zu. Sie wollte jetzt eigentlich lieber alleine sein. Sie musste ihre Schwäche vor ihren Clangefährten geheim halten, zum Wohl des Clans. Es gab keine Katze, der sie ihre Probleme anvertrauen wollte oder konnte. Doch als sie sah, wer den Kriegerbau verließ, erkannte sie, dass es diese Katze doch gab. Diese eine Katze im Clan der sie alles, ja selbst ihr Leben, anvertrauen Würde.

„Karottenschweif", wisperte sie. Ihr Blick war mit Kummer getrübt. Sie wollte ihre Gefühle nicht vor dem orangenen Kater verstecken und sie wusste auch, dass er es sofort bemerken würde, wenn sie ihm etwas vorspielte. Karottenschweif sah verschlafen aus, doch als er sie erblickte blinzelte er sich den Schlaf aus den Augen und kam geradewegs auf sie zu.

„Was ist passiert?", fragte er besorgt. „Oh Karottenschweif...", wisperte die zweite Anführerin und vergrub ihre schnauze im dichten, orangenen Fell ihres Freundes. Er leckte sie tröstend zwischen den Ohren. Seine Gegenwart beruhigte sie ein wenig. Sie wusste, dass Karottenschweif immer hinter ihr stand. „Willst du reden?", fragte dieser schließlich. Sie nickte langsam. Sie brauchte jemanden zum reden und neben ihrem Bruder war Karottenschweif der beste Zuhörer, den sie sich wünschen könnte.

Gemeinsam verließen die beiden HimmelClankatzen das Lager und machten es sich unter einem Ginsterbusch nicht weit vom Lagereingang entfernt, bequem. Eulenflug erzählte ihrem Clangefährten alles. Von dem Feuer, in dem sie ihre beiden Freunde das letzte Mal gesehen hatte und der Ungewissheit über deren Leben, die sie zerfressen hatte.

Schließlich berichtete sie Karottenschweif auch von Aschenpfote. Ihrem Sohn, der keine Fehlgeburt gewesen war, sondern lebte. Im MoorClan. Sie erzählte ihm auch von der ersten Begegnung mit Aschenpfote und über dessen Hoffnungen, dass Flugmond noch lebte. Sie fuhr fort mit Aschenpfotes Verschwinden und ihren Ängsten um den jungen Kater und gleichzeitig den Hoffnungen dass er zurückkehrte. Und möglicherweise nicht allein.

Und zuletzt berichtete Eulenflug dem orangenen Kater dann von ihrem Traum diese Nacht. Im SternenClanterritorium und wie sie dort Spatzenpelz als SternenClankater gesehen hatte. „Ich habe so Angst, Karottenschweif. Ich möchte Flugmond nicht auch im SternenClan begegnen. Ich könnte das nicht verkraften."

Sie sah dem HimmelClankater in seine grünen Augen. Er hatte sie kein einziges Mal unterbrochen und in seinen Augen flammten Mitgefühl und Verstänstdnis auf. Sie hatte erwartet, dass Karottenschweif, der selber ein so stolzer Vater war, sie dafür hassen würde, dass sie ihren Sohn verlassen hatte. Doch sie hätte wissen müssen, dass er sie nie für ihre Entscheidungen verurteilen würde und wenn er sie noch so wenig billigte. Er würde immer auf ihrer Seite sein, hinter ihr stehen und sie unterstützen.

„Sei stark, Eulenflug. Ich weiß dass du das schaffen kannst. Habe Vertrauen und höre nie auf zu hoffen. Tief in deinem Herzen weißt du die Wahrheit. Lass sie an dich ran. Verstecke dich nicht länger vor ihr. Du bist stark genug um dich ihr zu stellen. Du bist die stärkste Kätzin die ich kenne, Eulenflug." Ein leises Lächeln spiegelte sich auf ihren Lippen wieder. „Danke", wisperte sie. „Danke dass du mir hilfst, obwohl du wohl gar nicht willst, dass Flugmond zurückkehrt..."

Sie könnte ihm keinen Vorwurf machen. Der MoorClankater hatte ihm all seine Wünsche und Hoffnungen von einer Zukunft mit Eulenflug genommen. Doch Karottenschweifs Blick wurde ernst und seine Augen sahen sie aufrichtig an. „Was auch immer mir dieser Kater genommen hat, Eulenflug und was auch immer er mir wieder nehmen wird. Ja wenn du vielleicht sogar wieder zurück zum MoorClan gehst. Du musst mir glauben dass es nichts auf der ganzen Welt gibt, dass ich mir mehr Wünsche, als dass er wieder zurückkehrt. Wegen dir."

Diese Worte trafen Eulenflug tief in ihrem Herzen und sie wurde plötzlich von Gefühlen für den orange getigerten Kater überwältigt. Keine Gefühle im Sinne von Liebe, aber große Zuneigung, Vertrauen und Dankbarkeit. „Weißt du was? Du bist der beste Freund den ich je gehabt habe, Karottenschweif."

Na, seid ihr Team Karottenschweif oder Flugmond? ;p

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