2. Kapitel
Zwei Monde vergingen ohne weitere Zwischenfälle. Kein Blatt hing mehr an den Bäumen und es wurde immer kälter. Zwar war der Clan stark und alle Katzen hatten sich vom Feuer erholt, aber Eulenflug beobachtete doch jeden Tag, wie die Katzen dünner wurden und die Fänge der Patrouillen spärlicher ausfielen. Manche Eichhörnchen hatten sich bereits für ihre Winterruhe versteckt.
Doch um den Clan durch eine Blattleere durchzubringen, waren die Voraussetzungen eigentlich recht gut. Die Krieger waren stark, die beiden Jungen bereits vier Monde alt, die Schüler schon fast Krieger und nur ein Ältester der versorgt werden musste. Doch Eulenflug hatte trotzdem ein schlechtes Gefühl, denn Tigersturm hatte ihr berichtet, dass Seidenfell und Kristallschimmer in den letzten Tagen ziemlich viel gehustet hatten und sie ihnen bereits Huflattich geben musste und wie sie auch bereits Kurzschweif dabei erwischt hatte, wie er eine Hustattacke hatte unterdrücken müssen.
*Wenn das weißer Husten ist und schließlich zu grünem Husten wird, dann können wir noch zum SternenClan beten, dass wir nicht zu viele Katzen verlieren!*, dachte sich Eulenflug besorgt. Sie erinnerte sich daran, wie Olivenschweif ihr von einem Grünen Husten erzählt hatte, der einem Drittel der Clankatzen das Leben geraubt hatte.
„Es hatte bereits angefangen, als das letzte Blatt von den Bäumen fiel, noch bevor der Frost einsetzte", hatte der alte Heiler erzählt. „Erst waren es nur ein paar Katzen, die gehustet hatten, diese konnte ich noch mit Katzenminze und Huflattich in Schach halten. Doch es war kaum vermeidbar, dass sie weitere Katzen ansteckten und die Reserven an Katzenminze wurden immer knapper, und das noch bevor es überhaupt schneite.
Und als der Schnee dann zum ersten Mal den Boden bedeckte, war der Clan bereits so entkräftet, dass ich fast schon dem Untergang des ganzen HimmelClans ins Auge sah. Sobald ich glaubte, eine Katze sei gesund und ich diese aus dem Heilerbau entließ, kehrte diese völlig entkräftet und mit mehr Hustattacken nach einer Patrouille zurück und musste sofort wieder in den Heilerbau.
Die Katzen waren viel zu geschwächt, um ganz gesund zu werden, und die wenigen die gesund waren, mussten so viel heraus in die Kälte und den Schnee, dass sie drohten zu erfrieren. Und die Nahrungsknappheit gab vielen Katzen dann den Rest. Es dauerte drei Monde bis der Schnee geschmolzen war und neue Beute, neue Kräuter und somit neue Kraft für den Clan kamen.
Doch das war zu spät für einige, ja für so viele. Merk dir, junge Eulenpfote, wenn eine Katze hustet, bevor der Frost einsetzt, wird diese Blattleere leben rauben. Das wird immer so sein und nicht die beste Heilerkatze kann dies verhindern." Eulenflug schauderte, als sie sich an diese Worte zurückerinnerte. Natürlich war der Clan momentan noch stark und der Husten noch nichts Ernstes.
Sie hatten noch einen großen Vorrat an Katzenminze und vielleicht würde es ja eine harmlose Blattleere mit wenig Schnee werden. Aber Olivenschweif hatte ihr gesagt, dass wenn eine Katze vor Frostbeginn hustete, dass diese Blattleere immer Leben raubte. Und das große Vertrauen, das die Kriegerin in die Weisheit des bereits verstorbenen Heilers hatte, sorgte nun dafür, dass Angst, Entsetzen und Verzweiflung durch ihre Adern flossen und ihr Blut gefrieren ließen und die Kriegerin regelrecht erstarrte.
Erst Kurzschweif, der vom Kriegerbau auf sie zugelaufen kam und ihren Namen rief, befreite sie aus ihrer Starre. Die gefleckte Kriegerin drehte sich zu dem zweiten Anführer um und wartete mit gespitzten Ohren, was er ihr mitzuteilen hatte. „Ich möchte, dass du Stachelkralle auf der Sonnenhochpatrouille begleitest", erklärte der zweite Anführer. Eulenflug blinzelte verwirrt. Warum sollte sie auf Patrouille? Da fiel ihr wieder ein, dass sie Kriegerin war und keine Heilerin. Sie nickte schnell und ehe Kurzschweif auf ihre merkwürdige Reaktion eingehen konnte, verabschiedete sich die Kriegerin von dem Kater und ging mit schnellen Schritten zur Kinderstube.
Sie würde Karottenschweifs Junge besuchen. Nichts wollte sie weniger, als länger über Heilerkram nachzudenken und mehr und mehr zu vergessen, dass sie eigentlich eine Kriegerin war. *Tigersturm ist unsere Heilerin, und eine sehr gute noch dazu!* Und trotzdem erwischte sich Eulenflug ständig dabei, wie sie ihre ehemalige Schülerin beobachtete und ihr Ratschläge erteilen, ihr helfen und sich mit ihr über die Behandlung beraten wollte.
*Tigersturm schafft das alleine!*, mahnte sie sich nochmal. *Wenn sie meine Hilfe braucht, dann wird sie sich schon an mich wenden!* „Eulenflug, schön dich zu sehen!", wurde sie freundlich von Blitzherz begrüßt. Pfützenjunges und Teichjunges unterbrachen ihre spielerische Rauferei und kamen mit wackelndem Schwanz auf die Kriegerin zuglaufen. „Guten Morgen ihr zwei", lachte Eulenflug auf und begrüßte die Jungen Nase an Nase. Sie waren um einiges kleiner als sie, aber trotzdem viel größer, als sie sie in Erinnerung hatte.
An Blitzherz gewandt miaute sie: „Das ist wirklich unglaublich, wie die beiden wachsen! Komme ich euch nur einen Tag nicht besuchen, sind sie schon wieder doppelt so groß!" Die Königin schnurrte. „Ja, sie wachsen gut und sind schon sehr stark! Ich hoffe, dass die bevorstehende Blattleere ihnen nichts mehr anhaben kann." Eulenflug sah berechtigte Sorge in Blitzherz Augen aufflackern.
„Das kann sie ganz bestimmt nicht", miaute die Kriegerin mit zuversichtlicher Stimme, um ihrer Freundin Mut zu machen. Sie verstand sie nur zu gut. Aschenjunges war etwa einen halben Mond jünger als Pfützen- und Teichjunges. Auch wenn sie sich vorgenommen hatte, den Kater zu vergessen, dachte sie doch jeden Tag an ihn und machte sich große Sorgen. In zwei Monden würde ihr Sohn bereits ein Schüler werden. Sie hatte ihn so lange nicht gesehen!
Ein Teil von ihr freute sich auf die große Versammlung, an der sie ihren Sohn, den sie als kleines Fellbündel bei Schieferglanz zurückgelassen hatte, wiedersehen würde, nun als großen, starken, neugierigen und lernwilligen Schüler. Doch ein anderer Teil von ihr fürchtete sich auch vor diesem Tag. Diesem Tag, an dem alle Erinnerungen wieder in ihr hochkommen würden und an dem sie sich vermutlich Vorwürfe machen würde, ihren einzigen Sohn allein gelassen zu haben.
Ein schmerzliches Gefühl durchdrang sie bei dem Gedanken, wie sie Aschenjunges ansehen, ja vielleicht auch mit ihr reden würde, ohne dass er wusste, dass es seine Mutter war, mit der er redete. Doch dazu sollte es nicht kommen...
Die Sonne schien durch eine Wolkenlücke und wärmte Eulenflugs Fell, die darauf wartete, dass die Patrouille aufbrach. Stachelkralle wartete bereits ungeduldig am Lagerausgang und Sturmpfote jagte einem roten Buchenblatt hinterher, das durch die Luft gewirbelt wurde. Eulenflug und sein Mentor Moosfell beobachteten ihn dabei amüsiert.
„Dein Schüler macht sich wirklich gut", lobte die Kriegerin den ehemaligen Streuner, den sie einst gemeinsam mit Wassersprung und Tigersturm außerhalb des HimmelClanterritoriums vor einem Dachs gerettet hatte. Es war eine gute Entscheidung von Heidenstern gewesen, dem klugen, ruhigen, geschickten und starken Kater Sturmpfote als Schüler anzuvertrauen. Einem Blatt hinterherzujagen war zwar keine Meisterleistung, aber Eulenflug beobachtete währenddessen, wie wendig und geschickt der kleine graue Kater war und wie gut er seine starken Beinmuskeln zum Springen einsetzen konnte.
Lerchenpfote, seine Schwester, war das exakte Ebenbild ihres Bruders. Genauso geschickt und kräftig. Klein gebaut, aber muskulös und voller Tatentrang. Der einzige Unterschied war ihr braunes Fell und ihre bernsteinfarbenen Augen, die zwar genauso groß waren wie Sturmpfotes und genauso begeistert leuchteten, aber viel dunkler, ja fast braun waren, wobei Sturmpfotes gelb-gold leuchteten.
Moosfell schnurrte. „Ja, das stimmt. Er ist wohl bald bereit für seine Kriegerprüfung." Doch ehe Eulenflug darauf noch etwas erwidern konnte, kam Tropfenfell, das letzte Mitglied der Patrouille, zu ihnen gelaufen und Stachelkralle gab mit einem ungeduldigen Schnauben zu verstehen, dass er jetzt aufbrechen wollte. Er lief voran, gefolgt von Sturmpfote, der ohne Probleme mit seinem Mentor schritt hielt, der neben ihm lief und manchmal sein Wissen überprüfte.
Eulenflug bildete gemeinsam mit Tropfenfell die Nachhut. Der junge Krieger hatte lange Beine und musste viel weniger Schritte machen, als sie selbst mit ihren kurzen Beinen. Und trotz der drahtigen Figur des Kriegers, zeichneten sich die Muskeln unter seinem Fell ab und seine Pfoten flogen leichtfüßig über den Waldboden. Seine blauen Augen hatten einen so ruhigen, aber entschlossenen Glanz, dass Eulenflug ihn einfach nur bewundern konnte.
Immer wieder hatte sie das Bild des kleinen, wehrlosen grauen Katers vor Augen. Erinnerte sich an die Freude darüber, dass dieser Kater gelebt hatte aber auch an die Angst, die sie hatte, dass er doch noch wie seine Schwester Seejunges sterben könnte. Doch er war stark und hatte gegen den Tod angekämpft und Weißblume, die ihn zunächst verachtet hatte, weil er der Sohn ihres Gefährten Krallenpelz war, der sie betrogen hatte, konnte er schließlich auch von sich überzeugen und die Kriegerin war ihm eine gute Mentorin gewesen.
Tropfenfell hatte es nie leicht im Clan gehabt. Er musste sich immer beweisen und hatte anfangs nicht viele Freunde. Aber Dank Scheinfells und Fleckenkralles so liebevoller Aufzucht war er zu dem Kater geworden, der er nun war. Ein regelrechtes Ebenbild seines Adoptivvaters. Genauso klug und freundlich, hilfsbereit und loyal, entschlossen und mutig. Der HimmelClan konnte sich glücklich schätzen, dass dieses eine Junge von Regenwolkes Wurf überlebt hatte. Er war ein edler Krieger und würde dem Clan noch viel geben können, da war sich die Kriegerin sicher.
„Eulenflug?", fragte Tropfenfell sie da und hatte eine Augenbraue hochgezogen, als er sie studierte. „Gibt es irgendeinen Grund, warum du mich die ganze Zeit so... anguckst?" Ein Hauch von Belustigung schwang in seiner Stimme mit und Eulenflug knuffte ihn freundschaftlich in die Seite. „Ich staune nur darüber, was für ein großartiger Krieger du geworden bist! Regenwolke wäre stolz auf dich, wenn sie..." Eulenflug brach ab. Warum sollte sie das Junge in Trauer über eine verstorbene Kätzin versetzte, die er nie gekannt hatte?
Er hatte andere Katzen verloren, die ihm wichtig waren. Seejunges und Fleckenkralle zum Beispiel. „Nun... ich glaube es wird Zeit für dich, einen Schüler zu übernehmen", wechselte sie schließlich schnell das Thema. „Ich habe gesehen wie du mit den Jungen gespielt hast. Teichjunges hat es dir besonders angetan, stimmts? Ich werde Karottenschweif vorschlagen, dass du ihr Mentor werden könntest."
Tropfenfell blinzelte überrascht. Er wirkte etwas überwältigt von dem Angebot. „Da...danke", stotterte er. „Aber es gibt doch noch so viele ältere Krieger als ich, die noch keinen Schüler hatten", warf er ein und Eulenflug musste zugeben, dass er Recht hatte. Flutenkralle hatte zwar Lerchenpfote als Schülerin, aber seine drei Geschwister hatten auch noch keinen Schüler gehabt und waren alle älter als Tropfenfell.
*Es wird eindeutig mal Zeit für mehr Junge!*, dachte sich Eulenflug. Warum auch hatten Windblume und Blitzherz beide nur zwei Junge bekommen? Aber der Clan war ja eigentlich ziemlich groß. Deutlich größer als zu der Zeit, als Eulenflug geboren wurde, einen halben Mond nach einer Blattleere, die viele Leben geraubt hatte. Nicht so viele, wie die legendäre Blattleere mit dem grausemen grünen Husten, von dem Olivenschweif ihr immef berichtet hatte, aber dennoch hatte der grüne Husten auch in dieser Blattleere viele Leben genommen. Eulenflug hoffte nur, dass sie eine solche Blattleere nie würde miterleben müssen.
„Vielleicht hast du recht", miaute die Kriegerin schließlich an Topfenfell gewandt. „Aber im nächsten Wurf ist bestimmt auch ein Schüler für dich dabei! Weißt du, ob irgendeine Katze Junge erwartet?" Neue Junge waren immer ein gutes Zeichen, aber eigentlich hoffte Eulenflug trotzdem auf ein „Nein" als Antwort, denn wenn eine Königin jetzt Junge erwartete, würden sie mitten in der tiefsten Blattleere zur Welt kommen. Die denkbar ungünstigste Zeit für Junge.
„Es wird gemunkelt, dass Wassersprung einen Wurf erwartet", erklärte Tropfenfell mit einem Funken Sorge in der Stimme. Ihm war genauso bewusst wie der ehemaligen Heilerin, welche Schwierigkeiten Junge in der Blattleere bringen würden. „Aber wenn du das sicher wissen willst, solltest du wohl besser mit Moosfell als mit mir sprechen", merkte der junge Krieger an und deutete mit dem Schwanz auf den Gefährtin der mutmaßlichen Königin, der gerade Sturmpfote erklärte, dass Lärchen die einzigen Nadelbäume waren, die in der Blattleere ihre Nadeln verloren, und der nichts von ihrem Gespräch mitbekommen hatte.
*Oder ich frage später einfach Tigersturm, die wird es auch wissen*, dachte sich Eulenflug. Auch wenn sie wundern würde, wenn Tigersturm ihr noch nicht mitgeteilt hätte, wenn eine Katze Junge erwartete. Stachelkralle, der seinen Schwanz gerade in die Luft streckte um seiner Patrouille zu signalisieren, dass sie still sein sollten, riss Eulenflug aus ihren Gedanken und sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Wald vor ihr.
Sie hatte nicht mitbekommen, wie sie sich der HöhlenClangrenze genähert hatten. Nun lag die Grenze direkt vor ihnen und der Geruch von HöhlenClankatzen, die sich ganz in der Nähe aufhielten, riss ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Blick glitt durchs Farn, aber sie konnte keine Katzen erkennen. Aber sie waren unverkennbar da. Drei oder vier Krieger dem Geruch nach. Und sie befanden sich auf HimmelClanterritorium!
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