17 Kapitel
Eulenflug lief gefolgt von ihrer Patrouille durch den Wald. *Aschenpfote will seinen Vater suchen...* Immer wieder wiederholte die zweite Anführerin den Satz den Regen ihr offenbart hatte in ihren Gedanken. Also hatte Aschenpfote es tatsächlich ernst gemeint. Um einiges ernster als Eulenflug es erwartet hätte. Die zweite Anführerin spürte, wie wieder ein Funken Hoffnung in ihr entflammte. Ein Funken, der für lange Zeit erloschen war. Konnte es wirklich sein? Ganz vielleicht sein, dass Flugmond doch noch lebte?
Dieser Gedanke sorgte dafür, dass Eulenflug schwindelig wurde. Natürlich freute sie sich, wenn es denn so sein sollte, aber das war grad alles zu viel für sie. Sie hatte mit dem Tod ihres Gefährten bereits abgeschlossen, nun wieder anfangen zu hoffen würde einen Rückschlag verursachen. Und wenn sich dann herausstellen würde, dass diese Hoffnung falsch wäre, würde sie innerlich daran zerbrechen.
Doch was konnte man schon gegen seine Gefühle machen? Seine Hoffnungen, Wünsche und Ängste? Eulenflug wünschte sich, sie hätte nochmal mit Aschenpfote geredet. Denn irgendwas sagte ihr, dass der junge Kater mehr wusste, als er vorgab. Vielleicht sogar etwas, dass er vom SternenClan selbst erfahren hatte.
*Warum lässt der SternenClan mich dann immer in Unsicherheit?*, schrie Eulenflug schon fast innerlich. Sie hatte die ganzen Geheimnisse und unklaren Worte und Prophezeiungen vom SternenClan so satt. Warum konnten sie ihr nicht einmal sagen, was Sache war? Das würde für sie alles sehr viel einfacher machen... Doch was erwartete sie schon? Der SternenClan und der WolkenClan gaben einem nie Antworten, besonders dann nicht, wenn man sie am dringendsten brauchte. Sie gaben bloß wieder neue Rätsel auf, wenn man das Gefühl hatte, alles verstanden zu haben.
Würde Eulenflug auch eine solche Katze sein, wenn sie in den SternenClan kam? Oder würde sie anders sein? Den Katzen die Augen öffnen und ihnen helfen, anstatt sich gegen sie zu verschwören. „Wir haben uns nicht gegen dich verschworen, Eulenflug. Das würden wir nie. Du verstehst nur nicht, dass wir das tun, was am besten für dich ist."
Die zweite Anführerin riss ihren Kopf hoch, blieb stehen und sah hecktisch von rechts nach links. Wer war das gewesen, der zu ihr gesprochen hatte? Doch sie konnte keine Katze im Wald sehen, außer Wolkensturm, Krallenpelz und Eichenfall, die Teil ihrer Patrouille waren und hinter ihr zum stehen kamen.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Eichenfall besorgt. „Hast du etwas gehört? Oder gewittert?", fragte Wolkensturm alarmiert und ließ seinen Kopf herum schnellen, um den ganzen Wald zu überblicken. Krallenpelz überprüfte währenddessen die Luft, sah jedoch so aus, als würde er nichts Besonderes wittern. „Ihr... habt nicht die Stimme gehört?", fragte Eulenflug, doch das wunderte sie nicht sehr. Die Katze die zu ihr gesprochen hatte war höchstwahrscheinlich eine Sternen- oder WolkenClankatze gewesen, die nur zu ihr gesprochen hatte. Eulenflug sollte sich darüber nicht wundern, schließlich hatte sie im Gegensatz zu normalen Kriegern schon viele Begegnungen mit ihren Kriegerahnen gehabt. Aber in den letzten Monden war sie denen so nah wie den Sternen selbst gewesen, die in unerreichbarer Ferne am kalten Himmel standen.
Die drei Katzen die Eulenflug auf ihrer Patrouille begleiteten, sahen sich ratlos an und schüttelten dann die Köpfe. „Naja, dann habe ich es mir nur eingebildet", murmelte die zweite Anführerin und lief weiter. „Wir sind an deiner Seite, Eulenflug. Das sind wir immer. Wir geleiten dich auf deinen Wegen, wohin diese dich auch führen mögen. Vergesse das nicht. Du bist nie alleine." Entrüstung machte sich in der HimmelClankätzin breit. Was fiel dieser Kätzin ein, als Stimme in ihren Gedanken irgendwelche weisen Worte von sich zu geben, ohne ihr wirklich zu helfen? „Habe Vertrauen, Eulenflug. Das ist das größte Gut, das einer Katze zu stehen kann."
*Habe Vertrauen...* Sie erinnerte sich daran, wie Aschenpfote ihr dies auch gesagt hatte, als sie das erste Mal mit ihm auf einer großen Versammlung gesprochen hatte. *Vertraue mir...* Sie seufzte. *Ich vertraue dir, Aschenpfote. Ich vertraue dir.* Dies machte die Sache für sie leichter, wenn sie vertraute. Darauf, dass ihr Sohn auf sich selbst aufpassen konnte und wusste, was er tat und vielleicht, ja ganz vielleicht auch Flugmond fand. Irgendwo. Und wenn es in den Reihen des SternenClans war. Hauptsache sie bekamen endlich mal Gewissheit. Denn alles andere würde sie beide früher oder später zerstören.
*Wie würde ich Flugmond begegnen, wenn...?* Doch Eulenflug zwang sich, nicht daran zu denken. Denn was war die Lösung? Wenn sie ihn lebend antraf oder ihm im SternenClan begegnete? „Lasst uns ein klein bisschen aufteilen um zu jagen", schlug Krallenpelz schließlich vor. „Wir können ja immer noch nah bei einander bleiben, aber wenn wir zu viert jagen, kommen wir zu keinem Ergebnis." Der Rest der Patrouille stimmte zu. „Gut, dann gehe ich mit Eichenfall und Eulenflug mit Wolkensturm."
*Das hätte meine Anweisung sein sollen, als Anführerin dieser Patrouille!*, fiel der zweiten Kätzin auf. Doch sie fühlte keine Missgunst zu Krallenpelz sondern eher ihre eigenen Schuldgefühle. Sie war nicht bei der Sache gewesen. Nicht aufmerksam genug, um als erstes eine Gefahr zu bemerken und ihre Patrouille somit warnen zu können, wie es eigentlich ihre Aufgabe gewesen wäre.
„Ja, so machen wir das", willigte sie schließlich ein. „Geht ihr dort drüben in Richtung des Baches, dann könnt ihr auch in einem überprüfen, wie weit dieser über die Ufer getreten ist. Wir bleiben hier in der Nähe." Die anderen gaben ihr Einverständnis und Kallenpelz machte sich gemeinsam mit Eichenfall auf den Weg in Richtung Bach und Eulenflug war ein wenig erleichtert, als sie mit Wolkensturm alleine war. Sie hatte Eichenfall immer noch nicht wirklich verziehen, auch wenn sie wusste, dass das lächerlich war.
Ja, der Kater hatte sie in ihren Träumen ausspioniert, aber zumindest angeblich nur, um sie zu schützen. Er hatte nie einer anderen Clankatze davon erzählt. Und er war doch die einzige Katze, die auch Kriegerahnen im WolkenClan hatte. An dieser Stelle stockten Eulenflugs Gedanken. Stimmte das? War er tatsächlich die einzige Katz neben ihr mit Wurzeln im WolkenClan? Die Prophezeiung sagte Eulenflug etwas anderes. Es waren insgesamt drei Katzen. Drei, die vom Pfad der Wolken auf den Pfad der Sterne gebracht werden sollten.
Die zweite Anführerin glaubte eine dieser Katzen in Blitzjunges, der mittlerweile schon Blitzpfote hieß, gefunden zu haben. Doch die dritte Katze kannte sie noch nicht. Konnte es nicht Eichenfall sein? Doch irgendetwas in Eulenflug sagte ihr, dass dies nicht so war. Der große, schwarze Kater war kein Teil dieser Prophezeiung. Er gehörte einer früheren an, die Eulenflug aber nur noch grob im Hinterkopf hatte und nicht mehr present in ihren Gedanken. Es war schon so viel Zeit seitdem vergangen. Doch sie wusste, dass Eichenfall ihr als eine Art Hilfe zur Seite gestellt worden war. Eine Unterstützung. Eine Katze die ihr in Angelegenheiten die den WolkenClan betrafen helfen konnte, da sie ja sonst mit keiner anderen Katze darüber sprechen konnte.
*Vielleicht ist es dann jetzt an der Zeit, zu verzeihen. Verzeihen und mit ihm über die Prophezeiung und so viel anderes zu reden. Er ist die einzige Hilfe die ich habe, die einzige Katze der ich etwas in dieser Richtung anvertrauen kann. Und außerdem ist er doch mein Freund...* „Ähm, Eulenflug?" Wolkensturm wirkte etwas unsicher. „Ich glaube, also, sollten wir uns nicht mal auf den Weg machen?" Die zweite Anführerin hätte sich am liebsten selbst gebissen. Warum musste sie immer auf Patrouillen in ihre Gedankenwelt abdriften?
„Du hast recht, das sollten wir", stimmte sie zu. „Gehe du voran", gestattete sie dem jüngeren Krieger, der dieses Angebot ohne zu Zögern annahm und aufmerksam die Luft auf Beutegeruch prüfte und gleichzeitig auch nach Gefahren Ausschau hielt. *Eindeutig ein besserer Patrouillenführer als ich momentan!*, dachte sie sich missmutig. Das musste aufhören. Sie musste für ihren Clan sorgen. Ihre eigenen Gedanken und Wünsche sollte sie dafür erstmal zurückstellen. Ihr Clan hatte immer an erster Stelle zu stehen.
„Ich rieche Eichhörnchen", verkündete Wolkensturm schließlich und umrundete eine Eiche. Eulenflug prüfte die Luft und konnte auch das Eichhörnchen wittern, das sich irgendwo in den Ästen über ihnen befinden musste. „Klettere du herauf", schlug sie vor. „Ich warte dann hier unten, falls das Eichhörnchen zu fliehen versucht." Sie wusste dass der große, graue Kater zumindest was Bäume anging ein besserer Kletterer war als sie.
Ohne zu zögern sprang er auf die ersten Äste und hangelte sich dann geschickt weiter hinauf. Er hatte schon bald eine beachtliche Höhe erreicht und Eulenflug hätte ihm am liebsten noch zugerufen, dass er kein unnötiges Risiko eingehen sollte, doch dann würde sie möglicherweise seine Beute verjagen und somit verharrte sie still. Bald hörte sie ein hohes Kreischen, das erpruppt abstarb und es dauerte nicht lange, da landete Wolkensturm wieder neben ihr auf dem Waldboden, in seinem Maul baumelte ein totes, saftiges Eichhörnchen.
„Guter Fang!", lobte sie mit leuchtenden Augen. „Am besten vergräbst du es hier, dann können wir noch ein bisschen weiter jagen." Der Krieger tat wie ihm geheißen und bald liefen sie wieder neben einander durch den Wald, das Maul geöffnet, damit ihnen keine Spur Beutegeruch entging. Plötzlich stockte Wolkensturm. „Riechst du das auch?" Er hatte eine sehr gute Nase, aber es dauerte nicht lange, da roch auch Eulenflug was er gemeint hatte. "Ratten!", zischte sie. „Fuchsdung..." Sie überlegte was sie jetzt am besten tun sollten. "Wir sollten zu den anderen gehen", verkündete sie schließlich. „Sicher ist sicher..."
Doch da war es schon zu spät. Drei hinterlistige Ratten brachen aus dem Dickicht hervor und stürzten sich auf die beiden Katzen. Ihnen folgten ein paar weitere, bis die beiden HimmelClankatzen vollkommen von Ratten umzingelt waren. *Diesen Kampf können wir nie alleine gewinnen!* Eulenflug rief so laut sie konnte nach Eichenfall und Krallenpelz. Die beiden Krieger konnten nicht so weit entfernt sein. Sie hatten ja extra gesagt, dass die Patrouille sich nicht weit voneinander entfernen sollte, so dass sie in der Not helfen konnten. Ihr Plan ging auf. Es dauerte nicht lange, da kamen die beiden Krieger schon angerannt und stürzten sich in den Kampf mit den Ratten.
„Dem SternenClan sei Dank!", keuchte die zweite Anführerin, doch ihr kurzer Moment der Unaufmerksamkeit wurde sofort von zwei Ratten ausgenutzt, die sich wie in Absprache von zwei Seiten auf sie zubewegten und sie im selben Moment angriffen und geschickt zu Boden brachten. Eulenflug war etwas beeindruckt von den Tricks der kleinen listigen Tieren. Sie hat immer gedacht, sie würden keine Kampftricks beherrschen und sich einfach nur ohne einen Plan auf ihr Opfer stürzen. Sie hatte sie wohl unterschätzt.
Am Boden mit den kleinen Tieren ringend, fuhr sie ihre Krallen aus und legte ihre Vorsichtigkeit ab, die sie immer im Training oder sogar mit Katzen in einem richtigen Kampf hegte, um diese nicht lebensgefährlich zu verletzen. Doch mit Ratten musste man ohne Rücksicht auf Verluste kämpfen. Die zweite Anführerin schlitzte der einen den Bauch auf und schleuderte die andere mit ganzer Kraft von sich. Doch ehe sie wieder auf die Pfoten kommen konnte, sprang ein weiteres graues Tier auf sie.
Diese Ratte war größer und schwerer als die anderen beiden und ehe die zweite Anführerin ihren empfindlichen Bauch schützen konnte, fuhr diese ihre kleinen, scharfen Krallen über ihr Bauchfell. Schmerz überflutete Eulenflug und sie schlug blind nach der Ratte, die sie bald auch hart am Kopf traf, sodass diese zurücktaumelte und schwankend davon lief. Endlich konnte die HimmelClankätzin keuchend wieder auf ihre Pfoten kommen.
Eine Ratte attackierte ihren Schwanz und biss sich daran fest, aber sie hatte sie schnell abgeschüttelt. Wolkensturm kämpfte direkt neben ihr. Er zielte gerade auf die Kehle von einem der Nagetiere. Doch währenddessen bemerkte er nicht, wie sich eine Ratte von hinten an ihn anschlich. Eulenflug machte kurzen Prozess. Sie sprang auf das kleine Tier und machte ihm schnell den Gar aus.
Auch Wolkensturm hatte seine Ratte getötet. Sie sahen sich um. Krallenpelz schickte gerade noch eine letzte Ratte in den Tod, dann sah auch er sich um. Ein paar tote Ratten lagen auf dem Boden und der Rest der Rotte war geflohen. Die Katzen hatten den Kampf gewonnen. Doch wo war Eichenfall?
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