12. Kapitel

Eulenflugs Fell sträubte sich und sie spürte die Panik in ihr aufsteigen. „Pfützenpfote!" Keine Antwort. Mit zitterndem Atem prüfte sie die Luft. Sie konnte den Geruch des Schülers deutlich wahrnehmen, aber er war nicht in nächster Nähe. *Ganz ruhig. Soweit kann er noch nicht gekommen sein.*

Die zweite Anführerin versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren. Doch die Angst ließ ihr Herz immer noch so laut wie einen Steinschlag poltern. Sie hätte den jungen Schüler nicht alleine draußen lassen dürfen. Und erst recht nicht so lang. Was wenn ein Fuchs oder ein Dachs ihn angegriffen hatte? Oh gar nicht auszudenken, wenn Eulenflug am Abend ohne den jungen Kater zurückkehrte.

*Du musst dir auch immer sofort das Schlimmste ausmahlen!*, schalt sie sich selbst. *Er wird schon irgendwo in der Nähe sein.* Die HimmelClankätzin prüfte wieder die Luft und folgte dem zarten Katzengeruch, wie sie sonst den Geruch eines Beutetiers verfolgte. Mit jedem Schritt wurde der Duft etwas intensiver und Eulenflug raste förmlich den Hang hinauf, wo sie die Spur hinführte. Und da, als sie oben ankam, stand er da. Pfützenpfote mit einem kleinen Spatzen im Maul, sein Blick stolz und gleichzeitig etwas eingeschüchtert, als er seine Mentorin erblickte.

„Oh, Pfützenpfote!", rief diese aus mit einer Mischung aus Wut und Erleichterung. Sie leckte dem jungen Kater überschwänglich über den kleinen Kopf. „Oh was fällt dir denn nur ein, heimlich jagen zu gehen? Ich habe dir doch befohlen, bei der Höhle zu bleiben! Was wenn dir etwas passiert wäre? Versprich mir, dass du das nie wieder machst!"

Der junge Kater kauerte sich kleinlaut zu Boden. „Ich... tut mir leid Eulenflug. Ich wollte zurück sein, bevor du irgendwas bemerkst." Die zweite Anführerin rollte mit den Augen. „Das macht deine Tat aber jetzt auch nicht verzeihlicher", bemerkte sie, aber mit einem Anflug von Verständnis und Belustigung in der Stimme. War das nicht wie jeder Schüler handelte und dachte? Auch sie als sie kleingewesen war.

„Komm, lass uns zur Höhle gehen. Ich habe Regen versprochen dich ihr vorzustellen." „Ich habe diesen Vogel für sie gefangen", verkündete Pfützenpfote stolz. „Denkst du sie wird sich freuen?" Eulenflug konnte nicht anders als liebevoll zu schnurren. „Natürlich wird sie das! Und ich bin auch sehr, sehr stolz auf dich, das ist ein großartiger Fang!" Der Schüler zuckte fröhlich mit dem Schwanz. „Aber du hast trotzdem meinem Befehl keine Folge geleistet. Du hast mein Vertrauen missbraucht und ich kann dich nicht eher wieder mit raus in den Wald nehmen, bevor ich mir sicher sein kann, dass ich dir vertrauen kann."

Der Schüler hatte die Ohren schuldbewusst angelegt. Eulenflug fragte sich, ob sie wohl zu streng mit ihm war. *Aber nur so wird er lernen. Disziplin, Vertrauen und Gehorsam sind ein wichtiger Teil im Clanleben. Das wird er früher oder später auch selbst merken.* „Das kommt nicht wieder vor Eulenflug, ich verspreche es dir! Ich werde in Zukunft auf dich hören." Die Mentorin schüttelte den Kopf. „Es freut mich das zu hören. Aber ein Versprechen reicht nicht aus. Ich werde dich bestrafen müssen. Hoffen wir, dass du fürs nächste Mal aus deinen Fehlern lernen wirst."

Pfützenpfote sah sehr geknickt aus, aber Eulenflug hatte nicht den ganzen Stolz aus seinen Augen vertrieben. Er war ein starker, junger Kater und wenn man ihm zeigte was der richtige Weg war, dann würde er all diese Stärke und Weisheit fürs Gesetz der Krieger und den Clan aufbringen, das wusste Eulenflug. Und ihre Aufgabe war es ihm den richtigen Weg zu zeigen.

„Du bist also Pfützenpfote?", fragte Regen und sah den kleinen Kater interessiert an. „Du wirst bestimmt eines Tages ein großer Krieger werden. So wie es deine Mentorin eine ist." Der Schüler legte den Spatzen vor der Streunerin ab. „Den habe ich für dich gefangen", erklärte er. „Oh vielen Dank, der sieht köstlich aus! Ich werde ihn mir für heute Abend aufheben, wenn ich wieder alleine bin."

In den Augen der grauen Kätzin flammte Trauer auf. „Wir werden Asche finden. Ich verspreche es dir!", erklärte die Kriegerin. Pfützenpfote sah sie fragend an, doch Eulenflug war nicht bereit, dem kleinen Kater von ihrem Plan zu erzählen. Zumindest nicht, bevor Heidenstern zugestimmt hatte. „Wir müssen uns dann auch mal wieder auf den Weg machen. Es dämmert schon bald und ich muss doch auf die kranken Katzen aufpassen, wenn Tigersturm zum Heilertreffen geht."

Dieses Mal sah Regen sie fragend an, aber Eulenflug wischte nur mit dem Schwanz als Zeichen, dass es nichts Wichtiges war. „Ich werde Morgen wieder kommen Regen. Bis dahin mach's gut." Auch Pfützenpfote verabschiedete sich von der Streunerin und die beiden HimmelClankatzen traten den Rückweg an. Eulenflug konnte in den Augen des Schülers die Müdigkeit erkennen. Es war ein langer, anstrengender Tag für ihn gewesen. Aber er hielt trotzdem tapfer durch ohne nach einer Pause zu betteln.

Bald überquerten sie die HimmelClangrenze ziemlich nah an der zum MoorClan. „Wenn wir schon mal hier sind, kann ich dir auch gerade die MoorClangrenze zeigen", erklärte sie ihrem Schüler und die beiden liefen noch ein kleines Stückchen durch den Schnee, bis der Geruch des MoorClans ihnen in die Nase stieg. Die Grenze lag nun direkt vor ihnen.

Pfützenpfote verzog das Gesicht. „Ih, das stinkt aber!" Eulenflug zuckte mit den Schultern. Derselben Meinung war sie früher auch gewesen, doch seit sie mal im MoorClan gelebt hatte, hatte sie sich an diesen Geruch gewöhnt. „Nun wird es aber Zeit zurückzukehren." Sie machte sich auf den Weg von der Grenze weg, doch Pfützenpfote blieb noch stehen. Wie sie damals, als sie das erste Mal Flugmond gesehen hatte. Die zweite Anführerin versuchte, diesen schmerzlichen Gedanken zu verdrängen.

„Nun komm schon Pfützenpfote. Es wird Zeit, dass wir gehen." Der Schüler winkte sie mit dem Schwanz heran. „Da sind Katzen!", wisperte er. Eulenflug rollte mit den Augen. Dies war ja auch das MoorClanterritorium. Natürlich konnten da Katzen sein. Aber sie machte trotzdem kehrt und folgte dem Blick ihres Schülers. Das waren nicht nur irgendwelche Katzen. Das waren Aschenpfote mit seiner Mentorin Höhlenfall. *Oh mein Junges, oh mein großes, starkes Junges.*

Die beiden MoorClankatzen schlenderten gerade mit ein bisschen Abstand an der Grenze entlang. Sie waren sich am unterhalten. Eulenflug spitzte ihre Ohren um zu hören was sie sagten. „Asche ist unglaublich!", beschwerte sich Aschenpfote gerade bei seiner Mentorin. „Ständig kommandiert sie mich herum, nur weil sie älter ist. Dabei ist sie doch hier die Gefangene und nicht ich!" „Nunja, sie ist keine wirkliche Gefangene...", wandte die schwarze MoorClankriegerin ein. „Schließlich kannte Kalbstern ihren Vater. Deshalb sollten wir sie mit Respekt behandeln." „Aber sie darf nicht aus dem Lager", miaute der kleine graue Schüler mit Nachdruck. „Für mich ist das dasselbe wie eine Gefangene." „Du musst halt noch viel lernen Aschenpfote...", schnurrte Höhlenfall. Ihre Stimmen wurden leiser. Sie verschwanden fast aus Eulenflugs Sichtweite.

„Wartet!" Die zweite Anführerin des HimmelClans sprang aus ihrem Versteck auf. In ihren Pfoten prickelte es. Konnte es sein, dass es die Asche war, von der die beiden MoorClankatzen gesprochen hatten? Höhlenfall schien Eulenflug nicht gehört zu haben. Aber Aschenpfote drehte sich sofort um. Die Blicke der beiden Katzen kreuzten sich und Eulenflugs Herz schmolz dahin, als sie wieder in die blauen, aufrichtigen Augen ihres einzigen Sohns blickte.

Der kleine Kater sagte irgendwas zu Höhlenfall, dann drehte sich diese auch um, seufzte und kam dicht gefolgt von ihrem Schüler zur Grenze getrottet. Die schwarze Kätzin hatte Eulenflug schon als diese im MoorClan gewesen war nicht wirklich leiden können. „Was gibt es?", fragte sie genervt. Aschenpfotes Blick gab nichts über seine Gefühle preis. Nichts Feindseliges wie bei Höhlenfall lag in seinem Blick, aber auch nichts Liebevolles, wie es eigentlich bei Sohn und Mutter sein sollte. Er musterte sie und ihren Schüler nur aufmerksam. Mit einer Mischung aus Interesse und Gleichgültigkeit.

„Nun... es geht um diese Kätzin, Asche, von der ihr gerade geredet habt." Höhlenfall zuckte überrascht mit den Schnurrhaaren, Aschenpfotes Blick blieb unverändert. „Stimmt es, dass sie eine Gefangene von euch ist?" „Ich wüsste nicht, was dich das angeht!", zischte Höhlenfall. „Komm Aschenpfote, wir gehen." „Warte!", hielt Eulenflug sie schnell auf. „Ich kenne Asches Schwester. Regen. Sie liegt verletzt in einer Höhle und macht sich sorgen, weil sie Asche schon seit einem halben Mond nicht mehr gesehen hat."

Der Blick der schwarzen Kätzin blieb kühl. „Dummes Gerede, du Lügnerin. Du verschwendest nur unsere Zeit. Wenn wir dann jetzt gehen könnten?" Wobei die letzte Frage eher an Aschenpfote gerichtet war. Doch dieser hob seinen Schwanz. „Eulenflug sagt die Wahrheit", erklärte er. „Asche hat eine Schwester namens Regen. Und sie macht sich auch große Sorgen um sie, da sie das Lager ja nicht mehr verlassen darf um sich um Regen zu kümmern."

„Bist du jetzt vollkommen mäusehirnig geworden Aschenpfote? Oder steckst du wohlmöglich sogar mit deiner Mutter unter einem Moosnest." Der graue Schüler blieb gelassen. „Nein, Höhlenfall. Asche hat es mir selber gesagt." Die MoorClankriegerin schnaubte verächtlich. „So so, mit dir spricht sie also, ja?" Darauf gab der Schüler keine Antwort, aber Eulenflug verwunderte der fürsorgliche Tonfall ihres Sohns. Eben hatte sich Aschenpfote doch noch über Asche aufgeregt. Und jetzt sorgte er sich um sie?

„Ich muss mit Kalbstern reden", erklärte die zweite Anführerin schließlich. Höhlenfall schnaubte schon fast belustigt. „Kommt nicht infrage! Du setzt keine Pfote in unser Territorium du Verräterin!" Mit solch offenem Hass wurde Eulenflug eigentlich sonst nur von Grünblick empfangen, aber sie ließ es sich nicht so sehr zu Herzen kommen und ließ sich auch nicht von der HöhlenClankätzin provozieren.

Aschenpfote musterte seine Mutter einen Augenblick länger, dann wandte er seinen Blick zu seiner Mentorin. „Du kannst einer zweiten Anführerin eines anderen Clans nicht verbieten, mit unserem Anführer zu sprechen, wenn es dringend ist. Und ich bin mir sicher, Kalbstern würde gerne hören, was sie zu sagen hat." Höhlenfall schnaubte wieder nur, war aber nun etwas unsicherer geworden und blickte von Eulenflug zu Aschenpfote hin und her.

Die zweite Anführerin bewunderte ihren Sohn für die Art und Weise mit der er sich getraute mit seiner Mentorin zu sprechen und für den Respekt, den er sich bei ihr schon eingehandelt hatte. „Nun gut", stimmte Höhlenfall schließlich zu. „Sie soll die Möglichkeit bekommen, mit Kalbstern zu reden, aber ich werde ihr höchstpersönlich die Kehle aufreißen, wenn sie auch nur einen Schritt in unser Lager macht."

Eulenflug wollte schon die Grenze überqueren und sich in die Eskorte der beiden MoorClankatzen begeben, als sie sich an Pfützenpfote erinnerte. Der kleine Schüler stand neben ihr. Total verunsichert durch die Anwesenheit der MoorClankatzen. Ganz anders als Aschenpfote, der nicht viel älter war als Pfützenpfote.

Eulenflug überlegt fieberhaft, was sie tun könnte. Um den Schüler mitzuholen, war er schon viel zu erschöpft. Aber sie konnte ihn auch nicht an der Grenze warten lassen und genauso wenig konnte sie ihn alleine zum Lager zurücklaufen lassen. Er kannte ja noch nicht einmal den Weg, schließlich war das hier sein erster Tag als Schüler.

Sollte Eulenflug ihr Treffen mit Kalbstern vielleicht lieber verschieben? Nein, das konnte auch nicht die Lösung sein. Wer wusste schon, wann die MoorClankatzen das nächste Mal so gnädig waren und sie in ihr Territorium ließen. Erleichterung erfasste die zweite Anführerin, als sie den Geruch der Abendpatrouille des HimmelClans auffing. „Hör zu Pfützenpfote. Du riechst ja mit Sicherheit auch die HimmelClanpatrouille. Geh zu ihnen und schließ dich ihnen an. Und erzähle ihnen, wo ich bin. Ich verlass mich auf dich."

Pfützenpfote nickte. Nun schien er wieder mehr Selbstvertrauen aufgebaut zu haben und lief mit aufrechtem Kopf und Schwanz in den dämmrigen Wald hinein, wo die HimmelClanpatrouille irgendwo ihrer Wege ging.

„Können wir dann?", fragte Höhlenfall ungeduldig. Eulenflug nickte und übertrat die Grenze. Die schwarze Kätzin lief voran, hinter ihr trabten Eulenflug und Aschenpfote nebeneinander her. Ihre Pfoten bewegten sich im gleichen Rhythmus, nur dass der kleine graue Kater immer zwei Schritte machte, während sie nur einen machte. Es war wie ein unsichtbares Band zwischen ihnen. Zwischen Mutter und Sohn, das sie zusammenhielt. Und Eulenflug fragte sich unwillkürlich, ob Aschenpfote dieses Band auch spürte.

Ihr seht richtig: ES GEHT ENDLICH WEITER! :D Ich hoffe, dass mir nach dieser langen Pause vielleicht doch noch der ein oder andere Leser treu geblieben ist? :)



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