10. Kapitel
Ein paar Sonnenaufgänge nach der großen Versammlung brach Eulenflug mit Wasserflug und Tigersturm zum alten Territorium der Streuner auf, um dort nach Kräuter gegen den grünen Husten zu suchen, der wie eine dunkle Gewitterwolke über dem Clan hing, die jeden Tag zuschlagen könnte um eine weitere Katze aus den Reihen der HimmelClankatzen zu holen. Seidenfell zum Beispiel würde als nächstes in die Reihe der SternenClankatzen übergehen, wenn ihr nicht bald geholfen wurde. Olivenschweif hatte mit seiner alten Weisheit Recht behalten. Wenn der weiße Husten vor dem Frost einsetzte, dann würde er immer Leben nehmen.
Die drei HimmelClankätzinnen liefen bereits eine ganze Weile auf unterritorialem Land. Eulenflug hatte ihre Ohren gespitzt und erschreckte sich bei jedem Rascheln im Laub. Dieser Wald war ihr vollkommen unbekannt und viele neue Gerüche überfluteten sie. „Wo laufen wir eigentlich hin?", fragte die zweite Anführerin schließlich ihre Clangefährtin, die ziemlich zielstrebig durch den ihr scheinbar bekannten Wald lief. „Wir sind gleich da", erklärte sie. „Es ist eine große Höhle, an deren Rändern früher immer viel Rainfarn gewachsen ist." *Rainfarn ist aber keine Katzenminze...*, dachte sich Eulenflug besorgt und sah ihr eigenes Besorgnis in Tigersturms Augen gespiegelt. Rainfarn würde fürs erste den schlimmsten Husten mildern, aber um grünen Husten zu heilen, brauchten sie dringend Katzenminze.
„Da wären wir", erklärte Wassersprung schließlich, als die drei Katzen auf einem seichten Hang ankamen, der Eulenflug an das HöhlenClanterritorium erinnert. Es kam nur wenig Licht durch das dichte Nadeldach und selbst der Schnee schien nicht durchgekommen zu sein, denn unter der dünnen weißen Schicht stachen bereits einige Nadeln hervor. Außerdem lagen ein paar Felsbrocken herum und eine große Höhle tat sich vor ihnen auf. Wassersprung hatte sich nicht geirrt. Alle möglichen Farnsorten wuchsen zu ihren Rändern. Tigersturm stürzte sich sogleich darauf und zog behutsam einige Stängel mit ihren Zähnen heraus. Eulenflug prüfte erst die Luft. Sie wollte sicher gehen, dass keine Füchse oder Dachse die Höhle als Unterschlupf erkoren hatten und den Katzen Probleme machen könnten.
Als sie die Luft am Höhleneingang überprüfte kam ihr tatsächlich ein Geruch entgegen. Doch es war ein Tier, das sie nicht erwartet hätte. Eine Katze. Eine verwundete Katze. Die zweite Anführerin gab ihren beiden Freunden ein Zeichen mit der Schwanzspitze und sie kamen zu ihr und prüften ebenfalls die Luft. Eulenflug und Tigersturm sahen sich an. Sie waren sich einig: Der Katze musste geholfen werden. „Ich gehe herein", erklärte sie. „Wenn wir alle drei gleichzeitig da drin auftauchen, verschrecken wir die Katze vielleicht."
Die beiden Kätzinnen nickten und Eulenflug tauchte ins Dunkle der Höhle ein. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an das dämmrige Licht und sie fand sich gut in dem breiten Höhlengang zurecht. „Asche? Bist du das?", drang eine unsichere Stimme einer Kätzin an Eulenflugs Ohren. Sie hallte von den Wänden wieder. „Erschreck dich nicht", fing sie an und überlegte, wie sie nun taktvoll klug fortfahren könnte. „Ich bin Eulenflug, eine Clankatze. Ich will dir helfen." Die fremde Kätzin antwortete nicht. Als die zweite Anführerin noch ein paar Schritte näher kam, konnte sie eine schwache Gestalt erkennen, die in einem Nest aus Farn lag. Sie hatte ein unscheinbares graues Tigermuster, das man in der dunklen Höhle kaum erkennen konnte. Nur ihre gelb-grünen Augen, die vor Angst geweitet waren, stachen aus dem Dunklen hervor.
„Was... was willst du von mir?" Der Plan sie nicht zu verängstigen schien schief gegangen zu sein. „Ich will dir nur helfen", erklärte Eulenflug sanft. „Ich habe deine Verletzungen gerochen und dachte mir, du bräuchtest vielleicht Hilfe..." Die graue Kätzin fauchte. Allerdings mehr aus Verzweiflung heraus als aus Wut. „Ich habe eine Katze, die mir hilft. Ich brauche keine andere Katze die vorgibt, mir helfen zu wollen. Geh wieder. Dies ist meine Höhle." Eulenflug machte nicht kehrt. Anstelle dessen ging sie vorsichtig noch einen Schritt näher an die verwundete Streunerin heran. Sie konnte deren Schwäche und Hunger riechen. Außerdem schien sie auch viel Blut zu verlieren, das bereits das ganze Farnnest verklebte.
„Diese Katze scheint aber schon lange nicht mehr da gewesen zu sein, um sich um dich zu kümmern...", bemerkte sie ruhig. „Asche hat mich nicht verlassen. Sie kommt bestimmt bald mit einem riesigen Beutefang zurück!", zischte sie, doch in ihrer Stimme konnte Eulenflug einen Anflug von Zweifel und Besorgnis erkennen. „Ich gehe jetzt und hole dir erst mal ein bisschen Schnee. Du musst ja verdursten. Und dann fange ich dir auch noch Beute und versorge dich mit Kräutern, ob du willst oder nicht." Die Kätzin grummelte nur was unverständliches und ehe sie es sich nochmal anders überlegen konnte, war Eulenflug auch schon wieder aus der Höhle heraus und glaubte sich ein wenig Schnee zusammen.
„Was ist jetzt mit der Katze?", fragte Tigersturm neugierig. Neben ihr lag bereits ein beachtlicher Haufen Rainfarn. „Sie ist verletzt. Ich werde ihr helfen, auch wenn sie sagt, sie bräuche keine Hilfe", erklärte die zweite Anführerin und verschwand auch schon wieder mit dem Schneeklumpen im Maul in der Höhle. Sie ließ das bereits schmelzende Wasser vor der grauen Kätzin nieder. „Ich kann mich auch um mich selbst kümmern", giftete diese sie an, leckte aber nach kurzem Zögern schließlich gierig den gesamten Schnee auf. „Das hat gut getan", murmelte sie mehr zu sich selbst und legte sich seufzend auf die Seit, wobei sie ihre Wunde entblößte. Es war ein tiefer Kratzer, der von der Flanke bis zum Bauch reichte. Blut und Eiter quollen hervor und die Kätzin zuckte zusammen als ein Farnstängel ihre Verletzung streifte.
„Das sieht aus, als wäre es entzündet", stellte Eulenflug fest. Viel Ahnung von Kräutern schien diese Katze, die sich angeblich um die Streunerin kümmerte jedenfalls nicht zu haben. Die zweite Anführerin sah sich die Wunde noch genauer an. Es war eine tiefe Fleischwunde. Der Form nach von den Krallen eines Dachses verursacht. Eulenflug schnüffelte an der Wunde und tastete vorsichtig drum herum mit ihrer Pfote um herauszufinden, wie weit die Entzündung bereits vorgedrungen war. Die graue Kätzin ließ sie gewähren. „Ich bin gleich zurück", versprach sie und schlängelte sich wieder aus der Höhle ans Tageslicht.
„Wir teilen uns auf", verkündete sie ihren Clangefährten. „Du Wasserprung fängst ein Stück Beute. Ich suche da drüben bei den abgestorbenen Bäumen nach Spinnenweben für die Wunden der Kätzin und du Tigersturm suchst ein paar Kräuter zusammen die entzündungs- und schmerzhemmend wirken." Die beiden Kätzinnen machten sich sofort auf den Weg. Keine von ihnen hinterfragte Eulenflugs Anweisungen. Sie war die zweite Anführerin. *Wenn nur all meine Clangefährten mich so respektieren würden...*, dachte sie sich. Selbst Krallenpelz hatte ihr seinen Respekt zugesprochen als sie den letzten Kampf verhindert hatte. Doch Stachelkralle... Sie war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen und er hatte sie ja auch schließlich an den Clan verraten. Nun wo sie zweite Anführerin war, trat er ihr noch feindseliger gegenüber. Dabei wusste sie, dass er im Grunde seines Herzens ein loyaler Kater war.
Schließlich trafen sich die drei HimmelClankätzinnen wieder vor der Höhle. Eulenflug hatte einen Haufen Spinnweben um die Pfoten gewickelt und Wassersprung überreichte ihr ein für die Jahreszeit recht fettes Eichhörnchen. Tigersturm hatte ein paar Beeren und Kräuter im Maul. „Soll ich mit reinkommen?", fragte sie, doch Eulenflug schüttelte den Kopf. „Ich glaube, es ist besser, wenn sie nur einer Katze vertrauen muss. Sie hat eben sehr verängstigt gewirkt." Die Heilerin willigte ein und gab Eulenflug die Beeren. Dann verschwand die zweite Anführerin zum dritten Mal in der Höhle.
Die Augen der grauen Kätzin leuchteten auf, als sie die Frischbeute erblickte und schon bald hatte sie das kleine Tier bis auf die Knochen abgenagt. Eulenflug wartete, bis sie fertig war und machte sich dann an der Wunde zu schaffen. Die Streunerin ließ sich nun ohne Einwand helfen und schluckte auch ohne Wiederrede die Kräuter und Beeren. Die zweite Anführerin sah, dass es ihr nach dieser Behandlung bereits viel besser ging und sie freute sich, helfen zu können. „Ich gehe jetzt", erklärte sie. „Aber morgen komme ich wieder." Eulenflug machte schon kehrt, als die graue Kätzin sie nochmal zurückhielt.
„Eulenflug?" „Ja?" „Danke" Die Streunerin blinzelte dankbar und die zweite Anführerin bemerkte, dass sie eigentlich ganz nett zu sein schien. „Wie heißt du eigentlich?", fragte sie noch. „Regen", erklärte diese kurz angebunden. Mehr gab es nicht zu sagen. Eulenflug machte kehrt und verließ die Höhle wieder. *Asche und Regen... Interessante Namen.*
Zurück im Lager erstattete Eulenflug Heidenstern Bericht und erklärte ihr auch, dass sie sich weiterhin um die Kätzin kümmern wollte. Heidenstern nickte zustimmend. „Du handelst richtig. Wir brauchen die Kräuter für Verletzungen im Moment sowieso nicht so dringend... Einer Katze in Not zu helfen, egal ob Clankatze oder nicht, ist eine ehrenhafte Aufgabe, zu der wir uns alle verpflichtet fühlen sollten. Doch pass auf, dass du deinen Clan nicht wegen dieser Streunerin vernachlässigst." Heidenstern sah sie mit ihren intensiv grünen Augen an. „Das werde ich nicht", versprach Eulenflug. Die Anführerin nickte langsam.
„Aber wäre es nicht vielleicht einfacher, wenn wir die Kätzin vorerst im Clan aufnehmen würden. Dann bräuchtest du nicht immer diesen langen Weg zu gehen und Tigersturm könnte sie in Ruhe im Clan gesund pflegen." Hatte Heidenstern „Tigersturm" gerade besonders betont, oder hatte sich Eulenflug das nur eingebildet? Sie schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Sie ist zu schwach zum reisen. Und selbst wenn sie es nicht wäre, bezweifle ich, dass sie freiwillig mit zum Clan kommen würde. Sie war schon stark verunsichert mit nur einer fremden Katze in ihrer Nähe. Ich glaube, es ist besser, wenn ich sie in der Höhle besuche. Zumindest solange, bis ich Vertrauen zu ihr aufgebaut habe."
Die Anführerin gab schließlich nach und ließ sie gehen. Aus Gewohnheit trottete sie zum Heilerbau um nach den kranken Katzen zu sehen. Doch Tigersturm hielt sie am Eingang auf. „Was willst du denn hier?" Es war kein verächtlicher, sondern eher schon amüsierter Tonfall. „Ähm, nach den kranken Katzen sehen?" „Glaubst du etwa nicht, dass sie bei mir in guten Pfoten sind?", fragte die Heilerin prüfend. „Doch natürlich. Ich... Dann geh ich halt wieder", entschied sich Eulenflug, doch ehe sie fortgehen konnte, miaute Tigersturm mit ernster Stimme: „Eulenflug, du bist zweite Anführerin. Du hast deine Pflichten als solche zu erfüllen. Bitte vergess das nicht. Du bist keine Heilerkatze mehr." „Ich weiß..." Die zweite Anführerin knirschte unwirsch mit den Zähnen. Tigersturms Blick wurde weicher. „Ich kann gut verstehen, dass es schwer ist, den Schützer- und Helferinstinkt einer Heilerkatze auszublenden. Aber dein Clan braucht dich als zweite Anführerin. Das ist deine Bestimmung. Ich will nur, dass du das nicht vergisst..."
Halli hallo Leudis :D na, dieses Mal war ich doch recht schnell im updaten? ^-^
Ich konnte mich nicht entscheiden, an wen ich dieses Kapitel widmen soll. Habe mich aber dann für Funkenpfote entschieden, da hier zum ersten Mal (endlich, ich weiß, der Wettbewerb ist schon ewig her...) ihre ausgedachten Charaktere Regen und Asche auftauchen. Mal sehen, wie es mit denen weiter geht... ;) außerdem ist sie eine treue Leserin meiner Bücher, vielen Dank dafür! :3 und auch eine tolle Autorin! Schaut unbedingt mal bei ihren Büchern auf fanfiction.de vorbei!
Schönen Sonntag euch noch! ❤
Aschenwind keine Sorge, ich habe dich nicht vergessen. Vielen Dank noch mal für das tolle Fanart, das nächste Kapitel geht dann an dich! :3
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top