4. Kapitel
„Kalbstern?" Es war früh am nächsten Morgen und Eulenflug wollte mit dem Anführer über den Verbleib der Streunerin und des jungen Fuchses reden. Am Abend war sie nur noch zu Seeblüte, der MoorClanheilerin gegangen, die sich der beiden angenommen hatte, doch jetzt wurde es Zeit dass auch Kalbstern mal von den beiden Gästen erfuhr. Es war der Kriegerin etwas unangenehm, den Anführer möglicherweise zu wecken, aber sie wollte, dass er es nicht durch eine andere Katze erfuhr und den Verdacht bekam, dass sie hinter seinem Rücken handelte und außerdem wollte sie auch vorerst Flugmond und Spatzenpelz aus dem Weg gehen. Klar, Spatzenpelz wusste nicht, dass sie sein Gespräch belauscht hatte und er würde ihr normal gegenüber treten, aber sie brauchte erst ein wenig Zeit um darüber nachzudenken, wie sie ihm jetzt gegenübertreten sollte. Und was Flugmond anging... Eigentlich wollte sie ja mit ihm sprechen. Und jetzt nach diesem Vorfall sollte sie das erst recht. Aber sie hatte ein wenig Angst davor. Angst, dass er auch wütende auf sie sein könnte. Angst, dass seine Trauer und Enttäuschung die er für seinen Freund empfand Eulenflug wieder niederschlagen könnten. Und vor allem Angst, dass sie nicht die richtigen Worte finden würde. „Komm rein, Eulenflug", kam die Stimme des Anführers aus seinem Bau und riss sie somit aus ihren Gedanken. Sie trat ein. Es war das erste mal dass sie in dem großen, hellen Bau war. Im Gegenzug zu der Höhle in der der Anführerbau im HimmelClan lag, war Kalbsterns Bau ein pflanzliches Gewebe aus Farn und Brombeerranken, so ähnlich wie der Kriegerbau, nur in kleiner. „Setz dich", lud der MoorClananführerin die Kriegerin freundlich ein und zögerlich machte sie es sich in dem weichen Moos das Kalbsterns Bau auspolsterte, bequem. „Was führt dich zu mir?", fragte der Kater und seine Schnurrhaare zuckten neugierig. „Nunja, ich muss dir was gestehen... „, begann Eulenflug unsicher. Hoffentlich würde Kalbstern verstehen, wieso sie das getan hatte. Und dann noch ohne ihn zu fragen. Sie hatte ihn nicht so spät noch wecken gewollt, doch würde Kalbstern ihr das auch glauben? „Ich habe gestern Nacht eine Streunerin in unser Lager gebracht. Sie war sehr erschöpft und verwundet... Und Seeblüte hat sich um sie gekümmert." Als der Anführer nichts sagte, fügte sie zu ihrer Verteidigung noch schnell hinzu: „Ich konnte sie nicht da draußen alleine lassen. Sie brauchte Hilfe." Kalbstern nickte langsam. „Nun, das verstehe ich... Das hast du gut gemacht, Eulenflug, ich werde mich darum kümmern." Der MoorClankater wollte gerade schon seinen Bau verlassen, doch da hielt Eulenflug ihn schnell zurück: „Halt! Da ist noch was..." „Nun", forderte Kalbstern sie zum Sprechen auf und sie miaute: Die Streunerin war nicht alleine. Sie hatte noch ein Junges bei sich... Ein Fuchsjunges." Einen Moment blitzte Ärger in den Augen des Anführers auf. *Du hast einen Fuchs in unser Lager gebracht?*, stand ihm auf der Stirn geschrieben, doch dann wurde sein Blick von Verwirrung und Neugier abgelöst und er verließ mit einem kleinen: „Danke für deinen Bericht", den Anführerbau. Eulenflug vermutete, dass er sich nun zu Seeblütes Bau begeben würde, um mit der Streunerin zu reden und sie wusste auch, dass sie ihren Teil getan hatte und sich da nicht einmischen sollte. Aber die Verwirrung und Neugier, die den Anführer erfüllt hatten, plagten sie selber und sie wollte wissen wie die Streunerin zu dem Fuchs gekommen war und wie Kalbstern darauf reagierte. Also folgte sie Kalbstern und schlitterte hinter ihm in den ehemaligen Fuchsbau, der nun als Heilerbau diente. *Na da müsste sich das Fuchsjunges ja wie zuhause fühlen...*, fiel Eulenflug plötzlich ein und sie wusste nicht ob sie darüber amüsiert sein sollte oder eher beunruhigt sein sollte. „Guten Morgen Seeblüte", miaute Kalbstern und neigte den Kopf respektvoll vor der Heilerin. „Guten Morgen Kalbstern", entgegnete diese. „Ich dachte mir schon dass du kommen würdest." „Eulenflug hat mir erzählt, wer im Moment hier zu Gast ist... Kann ich mit der Streunerin sprechen?", fragte Kalbstern und Seeblüte nickte. „Klar, sie schläft dort hinten. Ist gerade aufgewacht. Ich habe mich um ihre Verletzung gekümmert und ihr etwas Frischbeute gegeben. Sie heißt übrigens Lina." Die Heilerin und der Anführer gingen tiefer in den Bau hinein und Eulenflug folgte ihnen bis zum Schlafplatz der Streunerin und des Fuchses. Kalbstern maß erst Eulenflug mit einem strengen Blick, als bemerkte dass sie sich hinter ihm hineingeschlichen hatte, sagte aber nichts und wandte dann seinen neugierigen aber auch ein wenig misstrauischen Blick der Streunerin und dem kleinen Fuchs zu, der noch dicht an den Bauch seiner Mutter gedrängt schlief. Er sah so friedlich, so klein und unschuldig aus... *Vielleicht hat Flügelbeere ja recht*, überlegte sich Eulenflug. *Vielleicht ist diese Fuchs wirklich anders.* Doch dann viel ihr ein dass er auch einmal wachsen würde und dann genauso ein Katzenfeind sein würde wie jedes andere Tier auch. „Hallo Lina", begrüßte der Anführer bemüht freundlich die fremde Kätzin. In dem dämmrigen Höhlenlicht wirkte der dunkelgraue Pelz der Streunerin fast schwarz und sie verschmolz mit den Tunnelwänden. Nur ihre blauen Augen stachen hervor. „Ich bin Kalbstern, Anführer dieses Clans." Lina blinzelte bloß gleichgültig. Sie schien nicht zu wissen, welch hoher Rang der Kater hatte, der mit ihr sprach und dass sie ihm den gebürtigen Respekt entgegenbringen sollte. „Kannst du mir sagen, wie du zu dem da kamst?", fuhr Kalbstern daher fort und deutete mit seiner Schnauze auf das schlafende Fuchsjunge. Eulenflug entging nicht, dass ein wenig Abschätzung in der Stimme des Anführers lag, als er von dem Fuchs redete. Das schien auch der dunkelgrauen Kätzin nicht entgangen zu sein. Sie sah den Anführer herausfordernd an. „Das ist mein Sohn", erklärte sie. „Und nur weil er keine Katze ist, ist er trotzdem genauso viel wert", erklärte sie, doch der MoorClananführer ging nicht auf ihre Provokation ein. Stattdessen fragte er bloß mit ruhiger Stimme: „Aber er ist doch nicht dein leiblicher Sohn, oder?" *Wenn sie jetzt ,doch' sagt, ist sie entweder eine Lügnerin, geistesgestört, oder ich fresse einen Igel!*, machte sich Eulenflug im stillen aus, doch dazu kam es nicht denn Lina erklärte mit gleichgültiger Stimme: „Nein. Aber sofort am Tag der Geburt meiner Jungen, sind diese gestorben und ich habe dieses einsame Fuchsjunge gefunden. Natürlich habe ich es aufgenommen. Das hätte jede Kätzin an meiner Stelle getan, die den kleinen so kurz vorm Verhungern gesehen hätte", erklärte Lina. *Warum denkt sie nur, sie müsste sich rechtfertigen?*, fragte sich Eulenflug. Sie schien jedenfalls eine ziemlich kluge Katze zu sein, konnte sehen was andere dachten und war nicht auf den Mund gefallen. Anders war es aber vermutlich als Streunerin auch nicht möglich zu überleben, oder? Wenn man immer gleich der kürzeren zog, würde man ja jämmerlich verhungern wenn man keinen Clan hatte, der für einen sorgte. *Und trotzdem sollte sie ihre Zunge hüten!*, dachte sich Eulenflug. Jedenfalls wenn sie vorhatte, noch ein bisschen hier bleiben zu dürfen. „Nun gut...", miaute Kalbstern langsam und wandte sich dann ein wenig hilfesuchend an die Heilerin. Er schien nicht recht zu wissen, was nun zu tun war. „Wie lange denkst du dauert es, bis sie wieder reisefähig ist und unser Territorium wieder verlassen kann?", fragte Kalbstern Seeblüte, diese überlegte einen Moment. „Das kann ich nicht genau sorgen. Ich möchte auf jeden Fall erst ihre Wunde heilen. Ein Viertelmond dauert dies bestimmt noch..." Der MoorClananführer nickte langsam. „Gut", miaute er. „Solange können die beiden noch hier bleiben", sagte er, auch halb an die Streunerin gerichtet. Leiser und an Seeblüte gewandt fügte er dann noch hinzu: „Und du sorgst mir dafür, dass die Streunerin und vor allem das Fuchsjunge da uns keine Schwierigkeiten bringen, in Ordnung?" Seeblüte nickte. „Keine Sorge. Das wird nicht passieren. Tupfenwind wird sich um die beiden kümmern." Die Heilerschülerin schien ihren Namen gehört zu haben, jedenfalls kam sie genau in diesem Moment aus einem der vielen Nebengänge des Baus, gähnte verschlafen und gesellte sich zu ihnen. „Gut. Und berichte mir, wenn es irgendwelche Neuigkeiten gibt", fügte Kalbstern noch dazu und verließ mit einer kühl höflichen Verabschiedung zu Lina den Bau. Eulenflug blieb noch. Sie hätte sich zu gern die Wunde der Streunerin selber einmal angesehen und mit den beiden MoorClanheilerkatzen beraten, wie diese am schnellsten heilen würde, doch sie hütete sich in die Heilerangelegenheiten einzumischen. Sie war nun eine Kriegerin und sie sollte jetzt auch besser mal ihren Kriegerpflichten nachgehen. „Ich werde für die beiden Jagen", erklärte sie noch Seeblüte mit einem kurzen Blick auf die Streunerin die ihr schlafendes Junges gerade sauberleckte. Die Heilerin nickte bestätigend und Eulenflug suchte sich wieder ihren Weg aus dem Heilerbau heraus. Sie wusste, dass es nicht nötig war für die Streunerin extra zu jagen. Tupfenwind könnte ihr einfach regelmäßig etwas Beute vom Frischbeutehaufen holen, schließlich hatte ja auch der Anführer sein Einverständnis gegeben. Und doch fühlte sich die Kriegerin irgendwie verantwortlich für die beiden. Und es war schließlich ihre Schuld, dass sie nun im Lager waren. Sie hatte sie hierhergebracht, sie würde sich auch die Verantwortung dafür tragen. Oder hatte es einen anderen Grund? War es vielleicht auch dieses merkwürdige Gefühl der Zuneigung, dass sie plötzlich für den jungen Fuchs empfunden hatte, als sie ihn so friedlich und so klein und hilflos schlafen gesehen hatte. Hatte er etwa den Beschützerinstinkt in ihr geweckt? Ein Fuchs?
Schöne Ferien allen die jetzt auch Ferien haben!!! :*
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