☆16. Kapitel☆ ✅
„Eulenfeder." Eine sanfte Stimme drang der Heilerin ans Ohr und sie schlug ihre Augen auf. Dunkles Dämmerlicht drang in die Höhle und Braunpelz Gestalt zeichnete sich nur schwach von den Höhlenwänden ab. „Die Krieger haben mit der Totenwache begonnen. Ich denke, du willst dich ihnen anschließen", flüsterte der Krieger und Eulenfeder nickte, während sie sich bereits erhob.
Die Heilerin tappte schweigend neben Scheinfell und ließ sich neben Seejunges Leichnam nieder. Es war ein merkwürdiges Gefühl, die Kätzin jetzt wieder tot hier liegen zu sehen, obwohl sie sie eben noch „lebendig" im SternenClan gesehen hatte. Auch Braunpelz ließ sich jetzt zur Totenwache nieder. Er saß dicht neben seinem Wurfgefährten Fleckenkralle und legte seinen Schwanz tröstend über dessen Rücken.
So kauerten die HimmelClankatzen die ganze Nacht durch bei der toten Gestalt des Jungen, bis die frühen Sonnenstrahlen sie endlich erlösten. Eulenfeder hatte die ganze Nacht lang immer leicht gezittert und freute sich auf ihr warmes Nest, wenn sie Zeit zum schlafen finden sollte. Die Ältesten kamen schweigend aus ihrem Bau getrottet und nahmen die tote Seejunges behutsam ins Maul. Als sie das Lager verlassen hatten, um die kleine Kätzin zu begraben, verließ das Schweigen das Lager langsam.
Die Katzen rekelten sich und streckten ihre steifen Glieder. Manche murmelten etwas und Fleckenkralle teilte eine kleine Morgenpatrouille aus Katzen ein, die sich nicht an der Totenwache beteiligt hatten. Die Heilerin überlegte, ob sie jetzt mit Krallenpelz reden sollte, oder lieber erst später. Sie entschied sich für später, denn jetzt war sie trotz ihres kurzen Schlafes am vergangenen Abend sehr müde und wirklich dankbar für einen langen, erholsamen Schlaf.
Ob Flugmond sich diese Nacht gefragt hatte, warum sie nicht kam? Doch ehe die Heilerin sich über diese Frage noch mehr den Kopf zerbrechen konnte, war sie auch schon in einen tiefen, traumlosen Schlaf gesunken.
Als sie wieder aufwachte, fielen ein paar Sonnenstrahlen in die Höhle hinein und zeichneten interessante Muster an deren Wände. Die hellen Strahlen vertrieben Eulenfeders Müdigkeit sofort und lockten sie hinaus auf die Lagerlichtung, die von Katzen gesäumt war, die sich fröhlich die Zunge gaben. Kein Wunder, es war schließlich etwas wärmer geworden, Schnee war auch kein neuer gefallen und außerdem war es Sonnenhoch, die perfekte Zeit um sich mit seinen Clangefährten auszutauschen.
*Sonnenhoch...*, überlegte Eulenfeder auf einmal. Irgendwas war doch bei Sonnenhoch gewesen... Da fiel es ihr wieder ein: Das Treffen mit Felsstern an der Grenze, wo er ihr seine Entscheidung mitteilen würde! Wie konnte sie das nur vergessen? Hastig schlängelte sich die Kätzin zwischen ihren Clangefährten durch, bis hindurch zum Lagereingang. Als sie sich sicher war, dass niemand sie mehr sah, sprintete sie los in Richtung HöhlenClangrenze.
Der Waldboden unter ihren Pfoten raste nur so vorbei und die Bäume nahm sie nur noch wage war. Es bescherte der Heilerin für einen Moment ein Glücksgefühl, so unbeirrt durch den Wald zu preschen und zu testen, was ihre Muskeln so alles drauf hatten. Doch dass das Training im Traum mit Flugmond nur ihr Gehirn und nicht die Muskeln trainiert hatte, musste sie dann doch sehr schnell bedauernd zugeben.
Ihre Schritte verlangsamten sich automatisch und Eulenfeder keuchte, als wäre sie gerade zum großen Versammlungsort und wieder zurückgelaufen, doch sie war noch nicht einmal bei der Hälfte der Strecke, die sie zur HöhlenClangrenze führte, angekommen. Mit einem resignierten Seufzen verfiel sie in einen Trab und merkte, wie die Zeit verging, während sie gefühlt in der Geschwindigkeit einer Raupe durch den Wald lief.
Nach einer ganzen Weile roch sie dann doch endlich die Grenzmarkierung und legte nochmal zu einem Endspurt hin. Völlig außer Atem und mit Schnee bespritzt kam die Heilerin dann schließlich direkt vor der Grenze zum Stehen. Doch zu ihrer Verwunderung war weit und breit keine HöhlenClankatze zu sehen oder zu riechen.
*Ob sie schon wieder gegangen sind?*, fragte sich Eulenfeder einen Moment lang nervös und prüfte angestrengt die Luft. Es war sehr schwer, durch die starke Grenzmarkierung noch andere einzelne HöhlenClangerüche auszumachen, doch schließlich einigte sich die HimmelClankätzin darauf, dass es keine anderen gab, zumindest keine von Felsstern. Also ließ sie sich an einem einigermaßen trockenen Plätzchen nieder und begann mit einer ordentlichen Fellwäsche.
Währenddessen ließ sie ihre Gedanken schweifen. Was sollte sie tun, wenn Felsstern nicht kam? Sollte sie wie am vergangenen Tag einfach ins Lager marschieren und dort den Anführer einfach „überfallen"? Sie wusste nicht, ob das eine gute Idee war und überhaupt hatte sie die Zeit für einen solchen Trip auch gar nicht. Somit ließ Eulenfeder ihre Gedanken einfach weiter schweifen.
Ohne es zu wollen, blieben sie wie so oft wieder einmal bei Flugmond haften und sie merkte, dass sie es sehr vermisste, diese eine Nacht nicht „bei" ihm gewesen sein zu können. Wie sehr sie sich freuen würde, ihn hier und jetzt wieder zu sehen. Sein geschmeidiges, einzigartiges Fell, seine strammen Muskeln und natürlich die Weite seiner tiefgrünen Augen... Und mal wieder machte ihr Herz einen kleinen Sprung. Warum nur? Was hatte dieser Kater, der noch dazu einem anderen Clan entstammte, bloß an sich, dass Eulenfeder das Gefühl hatte, sie müsste alles für ihn tun, auch wenn das hieße, dass sie ihren Clan im Stich lassen würde, und das Gesetz der Heiler sowie auch das der Krieger verletzen würde.
Doch wenn dieses Gefühl so schlimm war, warum fühlte es sich dann so unglaublich toll an? *Das Ganze wäre so einfach, wenn Flugmond ein HimmelClankater wäre und ich eine Kriegerin. Außerdem sollte Karottenschweif eine Gefährtin haben... Ja, dann wäre alles so einfach... Doch das Schicksal lässt sich einfach nicht verändern...* Und ausgerechnet in diesem unpassenden Moment musste die HimmelClankätzin natürlich einen Geruch wahrnehmen, der sie aus ihren Gedanken riss.
Zwei HöhlenClankatzen näherten sich der Grenze und kurz darauf kamen die beiden Katzen Eulenfeder auch zu Gesicht. Das eine war natürlich Felsstern und er wurde von einer kleinen, stämmigen Kriegerin begleitet, deren Namen sie nicht kannte. Ihr Fell war grau getigert und ihre Augen blau. Sie wirkte recht schüchtern, was Eulenfeder auch gerade recht kam, denn auf eine nervige Kätzin, die unbedingt alles wissen wollte, hatte sie gerade wirklich keine Lust.
„Sei gegrüßt, Eulenfeder", miaute der Anführer und neigte freundlich sein Haupt vor der Heilerin. „Ebenfalls", sagte diese und verneigte sich auch. Die kleine graue Kätzin verneigte sich zwar ebenfalls, sagte aber nichts. Felsstern wandte sich an diese und miaute: „Ich danke dir, Zauberschweif, dass du mich bis hierher begleitet hast, doch ich würde gerne alleine mit Eulenfeder reden. Geh in der Zeit jagen oder was es sonst noch so zu tun gibt." Der Ton des Anführers war freundlich, aber bestimmt und die Kätzin, die allem Anschein nach den Namen Zauberschweif trug, gehorchte sofort und ehe sich die HimmelClanheilerin versah, war die Kriegerin auch schon zwischen den Bäumen verschwunden und Felsstern wandte sich nun ihr zu.
„Ich könnte jetzt viel drum herum reden und dir viele Aspekte auflisten, die meine Entscheidung beeinflusst haben, doch ich weiß, dass diese Worte meine Wahl auch nicht gut stimmen können." Der Anführer stieß einen langen Seufzer aus, ehe er mit ehrlichem Bedauern erklärte: „Ich würde dem MoorClan so gerne helfen, aber es geht leider nicht. Ich werde mich mit meinem Clan nicht diesem Kampf anschließen." Eulenfeder sah den Kater lange an. Sie hatte die Antwort von Anfang an gewusst, doch jetzt wollte sie doch eine Rechtfertigung hören, warum Felsstern dem Kampf nicht beitreten wollte.
„Warum nicht? Ist etwas mit deinem Clan, oder ist es das übliche Gerede, das bloß dazu dient, dass die Katzen nicht zugeben, dass sie Angst vor einem Kampf haben und ihn einfach bequem aufschieben." Die HimmelClanheilerin hatte diese Worte bedeutend schnippischer gedacht, als sie sie schließlich ausgesprochen hatte, doch der HöhlenClananführer sah sie trotzdem erstaunt und auch ein bisschen gekränkt an.
„Ich weiß, dass du das so siehst", miaute er mit weiterhin ruhiger und freundlicher Stimme, ja fast ein wenig belustigt. „Du bist jung und trägst noch keine Last auf dir, da ist es einfach so naiv und mutig zu sein." Er schwieg. *Pah, von wegen*, dachte sich Eulenfeder. *Du weißt ja gar nicht wie viel Last ich schon trage! Schon viel früher als andere Katzen getragen und was ich schon alles durchgemacht habe!* Doch von alledem erzählte die Heilerin dem Anführer nichts, sondern wirbelte einfach nur herum und preschte in den vertrauten HimmelClanwald hinein.
Was sollte sie nur machen? Wenn sich weder der HimmelClan, noch der HöhlenClan diesem Kampf anschlossen... Der MoorClan konnte ihn nicht alleine gewinnen! Doch in diesem Moment kam der Heilerin eine Idee, wie sie vielleicht mehr Anhänger für diesen Kampf finden konnte... das war schließlich ihre Aufgabe, kostete es was es wolle! Doch sie konnte den HimmelClan nicht im Stich lassen... Sie musste erst gut für dessen Zukunft sorgen.
*Bevor ich meinen neuen Plan ausführe, muss ich Tigerjunges zu einer so gut wie möglich ausgelernten Heilerschülerin ausbilden. Erst dann kann ich es riskieren. Erst dann kann ich mein eigenes Leben für das Gesetz der Krieger in Gefahr bringen, oder wenn nötig auch opfern.*
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top