2. Kapitel - Training
Die kleine Kätzin öffnete wieder ihre Augen und sah sich um. Die vielen Katzen um sie herum waren immer noch da. "...darum wirst du von nun an Finsterpfote heißen" Finsterpfote legte ihre Ohren an und richtete ihren Blick wieder auf die große Kätzin vor ihr. Diese ließ die kräftigen Muskeln unter ihrem gepflegten, silbernen Pelz spielen und entblößte scharfe Zähne beim Sprechen. Mit ihren hasserfüllten, eisblauen Augen ließ sie ihren Blick durch die Runde schweifen. Erst jetzt fiel Finsterpfote auf, dass ein rötlicher Schimmer darin lag. Ein blutroter Schimmer. Der nach Blut gierte. "Dein Mentor wird Dämonschrei sein"
Die kleine Kätzin drehte ihren Kopf und sah einen muskulösen, schwarzen Kater aus der Menge treten. Im schwachen Licht der Sonne wirkten die roten Streifen in seinem Fell wie Wunden, aus denen Blut floss. Genau so rot blitzten seine Augen grimmig, als er lustlos vor ihr stehen blieb und mit seinem Blick fixierte. Instinktiv sträubte sie ihr schwarz-silbern getigertes Fell, als ihr Blick auf seine vielen Narben vielen, die seine Schultern und seine Flanken übersäten. Das soll mein Mentor sein? Ängstlich riss sie ihre eisblauen Augen auf. Er ist ja gruselig! Wie, um es schnell hinter sich zu bringen, beugte sich der Kater zu ihr hinunter und berührte seine Nase mit ihrer. Bei der Berührung lief ihr sogleich ein kalter Schauder über den Rücken.
Blutstern peitschte ungeduldig mit ihrem buschigen Schweif und ließ ein Knurren ertönen. Augenblicklich sah Finsterpfote wieder zu der silbernen Kätzin, die bereits die Pfote hob und ihre langen Krallen ausfuhr. Die junge Schülerin starrte einen Augenblick entsetzt darauf, dann riss sie sich zusammen und starrte trotzig in die kalten Augen ihrer Anführerin, ohne ihrer Mutter auch nur einen Blick zu zuwerfen, die warscheinlich gerade eh nicht zusah, sondern sich lieber ihrer Fellpflege widmete.
Ja, Mondgeist interessierte sich nicht besonders für ihre Tochter, doch dieser war es es mittlerweile egal. Früher hatte sie gejammert, ihre Mutter angefleht, sie zu lieben, aber hatte es sehr bald aufgegeben und gelernt, zu schweigen. Sie hatte noch nie Liebe bekommen, also wusste sie auch nicht, wie man liebte. Unruhig zuckte sie mit einem Ohr. Eigentlich hätte Mondgeist ihr nicht erzählen dürfen, was genau bei ihrer Ernennung passieren würde, aber sie hatte es getan. Das schadenfrohe Grinsen war ihrer Mutter jedoch aus dem Gesicht gewichen, als Finsterpfote, anstatt zu schreien und Angst zu haben, einfach nur gleichgültig genickt hatte. Nein, sie würde nicht schreien. Nicht einen Mucks von sich geben!
Sie bohrte ihre kleinen Krallen in den Boden unter ihren Pfoten und versteifte sich. Gerade noch rechtzeitig, dann nun sauste Blutstern's Pfote nieder. Finsterpfote spürte die Wucht des Schlags und wäre fast umgefallen, doch zitternd vor Anstrengung schaffte sie es, sich dagegen zu stemmen und sich so nicht von der Stelle zu rühren. Schon schoss der Schmerz durch ihren Körper und als sie zu ihrer linken Schulter schielte, sah sie Blut aus einem großen Kratzer rinnen. Es kostete sie ihre ganze Willenskraft, nicht vor Schmerz zu wimmern und stattdessen gleichgültig in die Runde zu sehen.
Die Katzen sahen sie misstrauisch, überrascht oder wütend an und begannen, zu tuscheln. Mondgeist starrte einfach nur wortlos in die Richtung der jungen Schülerin. Finsterpfote hob stolz ihren Blick und erwiderte den Blick, während sie versuchte, den Schmerz zu ignorieren.
Blutstern kniff unterdessen wütend die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. Wie alle anderen hätte sie die junge Kätzin gerne vor Schmerz jammernd am Boden gesehen. Wie alle anderen hatte sie diese Reaktion nicht erwartet. Finsterpfote schwoll ihre Brust an und glaubte, vor Stolz zu platzen. Doch es war noch nicht vorbei. Über Blutstern's Gesicht huschte nun ein teuflisches Lächeln, das nichts Gutes bedeuten konnte. "Nun", sagte die silberne Kätzin und ihr Grinsen wurde immer breiter. "Wenn du ja angeblich keinen Schmerz verspürst, kannst du ja gleich mit deinem Training beginnen!" Sie sah Dämonschrei mit einem vielsagenden Blick an. "Wie wäre es mit Kampftraining?"
Dämonschrei begann ebenfalls zu grinsen. "Gerne" Er bedeutete Finsterpfote mit einem arroganten Grinsen, ihm zu folgen. Sie schluckte schwer, versuchte sich jedoch nichts anmerken zu lassen und gehorchte. Blutstern leckte sich belustigt die Schnauze und winkte einen jungen, flammenfarbenen Schüler zu sich. "Flammenpfote", knurrte sie. "Hol deinen Mentor und begleite die beiden!"
Der Schüler nickte knapp und flitzte los. Finsterpfote riss ihren Blick von ihm los, als Dämonschrei's Schwanzspitze gegen ihr Ohr schnippte, als Aufforderung, endlich zu kommen. Sie drehte sich in die Richtung ihres Mentors und folgte ihm durch die Höhle. Langsam löste sich die Versammlung auf und die kleine Schülerin musste aufpassen, den schwarz-rot getigerten Kater im Gedränge nicht zu verlieren. Er bahnte sich grob durch Schubsen und drängeln einen Weg, sie musste jedoch aufpassen, nicht unter den Pfoten ihrer Clanmitglieder zerquetscht zu werden. Im letzten Moment wich sie einem großen Riss mitten in der Höhle aus, aus dem es orange leuchtete. Die Hitze der Lawa, die unter dem Höhlenboden lag, strömte gnadenlos hindurch und ließ die Luft außenrum verflimmern.
Als sie sich endlich aus der Menge befreit und sich einen Weg zum Ausgang gesucht hatte, rannte sie schnell der schwarzen Schwanzspitze ihres Mentors hinterher, die nach draußen verschwand. Langsam trat sie ebenfalls nach draußen und spürte urplötzlich Gras unter den Pfoten, anstatt hartem Gestein. Sie blinzelte gegen das helle Licht der Sonne und öffnete die Augen. Der Anblick, der sich der jungen Schülerin bot, raubte ihr den Atem. Noch nie hatte sie den Vulkan, der das Lager des Blutclans war, verlassen dürfen, hatte nur kahle Felswände und die Lawa gesehen, doch nun erstreckte sich vor ihr eine wunderschöne Landschaft. In der Ferne sah sie ein paar Bäume und einen rießigen, roten Riss in der Erde, der Rest verschwand im Horizont.
"Mach deinen Mund zu", riss die barsche Stimme ihres Mentors sie aus den Gedanken. "Du sabberst ja gleich!" Sie klappte beschämt ihren Kiefer zu und sah zu dem rot-schwarzen Kater. In dessen roten Augen meinte sie, eine Spur Belustigung zu sehen. Langsam trat sie neben ihn. "Bitte zeig mir unser Territorium!", bat sie und sah sehnsüchtig in die Ferne.
"Vergiss es! Wir haben Kampftraining!" Sie wirbelte beim Klang dieser Stimme herum und erblickte den roten Schüler, der aus dem breiten Spalt in der Felswand, der den Eingang ins Lager darstellte, geschlüpft war und auf sie zugerannte kam. Hinter ihm trat ein kräftiger, braun-schwarz getigerter Kater aus dem Vulkan und folgte etwas langsamer. Der rote Kater blieb schlitternd neben der jungen Kätzin stehen und sah nach Luft ringend, aber trotzdem lächelnd auf sie herab. Er überragte sie um einen ganzen Kopf. Trotzdem schüchterte er sie nicht ein. Im Gegenteil. Sie genoss es, in seine tiefgrünen Augen zu sehen.
"Gehen wir!" Flammenpfote's Mentor war bei ihnen angekommen und übernahm die Führung. Sein buschiger Schweif peitschte rhythmisch zu seinen Schritten hin und her. Flammenpfote folgte sofort und schien kaum stillhalten zu können, während Finsterpfote wegen ihrer blutenden Schulter nicht so schnell voran kam. "Schneller!", murrte Dämonschrei hinter ihr schlecht gelaunt und um ihn nicht noch mehr zu verärgern beschleunigte sie, was jedoch ein großer Fehler war. Sofort schossen wieder Schmerzen durch ihren Körper.
Der rote Schüler hatte sich unterdessen etwas zurück fallen lassen und tappte fröhlich neben ihr her. Er schien wie eine kleine Sonne zu sein, denn Finsterpfote meinte, von seinem Fell ausgehende Wärme in der Luft zu spüren. Sie schüttelte sich. Einbildung. "Ich war bei deiner Ernennung richtig beeindruckt", flüsterte er ihr anerkennend mit blitzenden Augen zu. "Ich habe noch nie von einem Jungen gehört, das bei seiner Zeremonie nicht wenigstens vor Schmerz zusammen gezuckt ist!" Er schauderte. "Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Blutstern bei mir die rechte Schulter aufgeschlitzt hat! Oh, Wald der Finsternis, hatte sie scharfe Krallen" - "Hat sie immernoch", murmelte Finsterpfote etwas schüchtern und lächelte bei seinem Lob. Von einem älteren Schüler bewundert zu werden, fühlte sich gut an.
Habichtfrost blieb so plötzlich stehen, dass Finsterpfote fast gegen ihn gestoßen wäre. Im letzten Moment konnte sie bremsen. Flammenpfote brach in einen Lachanfall aus. "Still!" Die scharfe Stimme von Habichtfrost ließ die beiden Schüler sofort verstummen. Der getigerte Kater hatte sein Fell gesträubt und die Ohren steil aufgestellt. "Dämonschrei!" Mit einem Schwanzschnippen winkte er ihren Mentor herbei. "Riechst du das?" Der rot-schwarz getigerte Kater schnupperte und auch Finsterpfote hielt die Nase in den Wind, konnte aber nichts riechen.
Dämonschrei sträubte entsetzt und wütend sein Fell. "Ja!", entfuhr es ihm und er spannte seine Muskeln an, sodass sie unter seinem Pelz spielten. Finsterpfote blinzelte verwirrt. Was war los? "Kein Training heute!" Habichtfrost peitschte mit dem Schweif und rannte los. Lauter rief er: "Der Knochenclan ist in unser Territorium eingedrungen!"
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