Kapitel 53

Als Flammenstern ihre Augen aufschlug seufzte sie leicht genervt. Was wollte der SternenClan den jetzt schon wieder? Sie kam sich langsam wirklich so vor, als wäre sie schon Tod. Eine Katze konnte doch nicht so häufig im SternenClan wandeln, wenn sie noch lebte, oder?

Still lag sie in der Mitte des Felsenkessels. Um sie herum wehte starker Wind, die Bäume rauschten und Schmutz, Dreck und dürre Äste und Blätter flogen durch die Luft. Im Lager des DonnerClans war es fast unheimlich still. Der kalte Morgen war wolkenverhangen und kein Fetzen blauen Himmels war zu sehen. Sie konnte keine Katze weit und breit hören, was aber auch mit dem rauschenden Wind zusammenhängen konnte. „Hallo?“ Sie bekam keine Antwort. Leicht irritiert drehte sie sich einmal um sich selbst.

Plötzlich raschelte es in den Haselnusssträuchern der Kinderstube und ein kleiner, grau getigerter Kater schob seinen Kopf zwischen den Zweigen hindurch. Mit aufgestellten Ohren und seltsam verwundert und erfreutem Blick schaute das Junge zu Flammenstern hinüber. Freundlich aber auch etwas unsicher lief sie auf es zu, blieb dann aber nach ein paar Schritten stehen. Ein Junges im SternenClan? Was hatte ein Junges ihr zu sagen, von ihrem eigenen einmal ausgenommen?

 „Hallo“, miaute der kleine Kater und trat aus dem Schutz des Haselnussstrauchs heraus. „Wer bist du? Deinen Geruch habe ich noch nie gerochen und trotzdem riechst du irgendwie nach DonnerClan. Und genau so wie du aussiehst, habe ich mir meine Mutter immer vorgestellt.“ So hatte er sich seine Mutter vorgestellt? Sie verstand nicht, was er damit meinen könnte. Noch immer starrte das Junge sie mit diesem seltsamen Blick an. Er machte fast den Eindruck, als würde er gerade einen unglaublich tollen Moment erleben, von dem aber nur er wusste. Mit schief gelegtem Kopf antwortete sie: „Ich bin Flammenstern, Anführerin des FeuerClans. Bist du denn nicht hier, weil du mit mir sprechen willst?“

Interessiert trat der kleine näher und betrachtete sie mit vor staunen großen Augen. „Ich bin Häherjunges!“, verkündete das getigerte Junge glücklich. „Kannst du mir sagen, wieso ich dich sehen kann? Kannst du doch bestimmt, oder? Eichhornschweif hat mir nämlich ganz viel von dir erzählt!“ In diesem Moment fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Das Junge, das da vor ihr stand, war Blattsees blinder Sohn! War er etwa gerade erst gestorben? Wusste er deshalb etwa nicht, wieso er im SternenClan sehen konnte?

Auf einmal kamen schlurfende Schritte vom Heilerbau her näher. Häherjunges zuckte zusammen und flüsterte: „Blattsee kommt! Ich muss wieder in die Kinderstube, sonst bekomme ich Ärger. Du hast mich nicht gesehen! Bis bald, Flammenstern!“ Mit diesen Worten hüpfte er zurück zur Kinderstube und kurz darauf verschwand sein getigerter Schweif zwischen den Sträuchern.

Traurig schaute sie dem Sohn ihrer Schwester hinterher. Es konnte doch nicht war sein, dass er Tod war. Ihre Schwestern wären beide am Boden zerstört. Nun ja, vielleicht war es so sogar das Beste, schließlich hätte er nie ein Krieger werden können.

Als Blattsees Schritte immer näher kamen drehte sich die flammenfarbene Kätzin zum Heilerbau um. Wenn Häherjunges tot war, würde sie es bestimmt gleich erfahren. Mit hängendem Kopf trottete sie ein paar Schritte auf den Bau zu, als sie plötzlich graues Fell neben sich schimmern sah. Überrascht stellte sie die Ohren auf, blieb stehen und drehte sich in die Richtung des schimmernden Fells. Nun blickte sie direkt in die Augen ihrer Tochter. „Hallo Mami! Ich habe nicht viel Zeit, aber ich muss dir sagen, dass Häherjunges lebt und du auf keinen Fall mit irgendeinem Wort erwähnen darfst, dass du ihn gesehen hast!“, murmelte Tüpfeljunges eindringlich und mit blitzenden Augen. „Ich werde es niemandem erzählen, meine Kleine. Aber wie…?“ Das graue Junge mit den roten Tupfen hatte sich schon abgewandt und rannte in Richtung des Eingangs zum Felsenkessel davon, als sie den Kopf hob und sie verstummte. Niedergeschlagen seufzte sie, als der getüpfelte Schweif ihrer Tochter im Lagerausgang verschwand. Wieso nur hatte sie sterben müssen? Sie hätte ein tolles Leben haben können. Ihre Geschwister konnten sich noch nicht einmal an sie erinnern. Und wie war es möglich, dass Häherjunges im SternenClan wandelte? Irgendwie ergab das für sie wirklich keinen Sinn.

„Flammenblüte! Du bist wieder da? Wo sind Staubwolke, Regenpelz und deine Jungen?“ Blattsee lies die Kräuter die sie im Maul trug fallen, rannte zu ihrer Wurfgefährtin und drückte sich schnurrend an sie. Etwas verwirrt begrüßte Flammenstern ihre Schwester Nase an Nase. „Blattsee, das ist ein Traum! Ich bin nicht hier, sondern in einem von Hunden bewohnten Wald!“

Die junge Heilerin trat einen Schritt zurück und musterte ihre Schwester von oben bis unten. „Ich träume? Dann muss ich während dem Sortieren der Kräuter eingeschlafen sein“, brummte sie abwesend. „Komm doch mit in meinen Bau, damit wir es uns gemütlich machen können. Es gibt bestimmt viel zu erzählen!“ Die orangene Anführerin des FeuerClans nickte, trabte zum Heilerbau und miaute: „Ja, das ist eine gute Idee. Im Übrigen heiße ich nun Flammenstern.“ Unvermittelt blieb Blattsee stehen und ihre bernsteinfarbenen Augen weiteten sich ungläubig. Da sie keine große Lust verspürte, die halbe Nacht vor dem Heilerbau zu stehen, ging sie nach einigen Herzschlägen, in denen keiner etwas gesagt hatte hinein, bahnte sich einen Weg durch Häufchen von Kräutern und lies sich gähnend in ein gemütliches Moosnest, das eigentlich für die kranken und verletzten Katzen gedacht war, fallen. Sie kringelte ihren Schweif neben sich ein, wobei sie zusammenzuckte, da ihre Schwanzspitze, oder eher das, was davon übrig war, gegen ihre Flanke stieß. Die hellbraun getigerte Heilerin war ihr gefolgt und setzte sich nun ihr gegenüber. Besorgt legte Blattsee den Kopf schief. „Hast du schon Spinnenweben drauf getan?“ „Ja. Rotpfote, die zukünftige Heilerin meines Clans, hat sich schon darum gekümmert.“ Interessiert nickte sie. „Gut erzähl mir, was es mit deinem Clan auf sich hat.“

Und Flammenstern begann zu erzählen. Davon, wie sie Rabensturm und die anderen Katzen getroffen,  ihre neun Leben erhalten und ihren Clan nach ihrem Vater benannt hatte. Den Teil mit dem Clan der neuen Chancen lies sie ganz bewusst aus, da dies eindeutig viel zu kompliziert war um es in einem Traum zu klären. Bei Rehfarns Tod musste sie kurz stocken, berichtete dann aber weiter von Geißel und Memory, von ihrer Reise durch den Zweibeinerort bis hin zum Wald. „Während die Jungen von Herbstblatt und Staubwolke geboren wurden, wurden wir angegriffen, aber es stellte sich heraus, dass das die Katzen waren, die wir gesucht hatten. Heute Nacht haben wir dann die restlichen Nachfahren Kampfherz‘ geholt und dann griffen die Hunde an. Jetzt sind aber alle Katzen in Sicherheit“, endete sie. „Wow“ Es hatten den Anschein, als hätte es der Heilerin die Sprache verschlagen und sie dachte erst kurz nach, bevor sich ein Wortschwall aus ihrem Maul ergoss. „Graustreif lebt? Staubwolke hat Junge? Du arbeitest mit Geißel zusammen? Bist du jetzt vollkommen mäusehirnig? Du hast die Gründer der Clans getroffen und es gab noch einen fünften Clan? Und jetzt hast du einen neuen Clan gegründet?“ Dann schüttelte sie einfach nur noch den Kopf und blickte zum Ausgang des Heilerbaus. „Graustreif ist auf dem Weg zu euch. Sag bitte niemandem etwas, es soll eine Überraschung sein!“ Stumm nickte die getigerte Kätzin. „Geißel will uns helfen und das hat er bisher auch gut. So schräg es auch klingen mag, ich vertraue ihm. Und auf deine letzten beiden Fragen: Ja und ja.“ Flammenstern konnte ihre Schwester verstehen. Das, was ihr in letzter Zeit passiert war, war bisher einfach unvorstellbar gewesen.

„Du hast eine meiner Fragen vergessen. Staubwolke hat also Junge?“, ein seltsamer Ton, den die flammenfarbene Anführerin nicht deuten konnte, hatte sich in die Stimme ihrer Schwester geschlichen, die ihr nun ernst in die Augen blickte. „Ja. Es sind fünf gesunde Junge und sie heißen Mondjunges, Morgenjunges, Glanzjunges, Dämmerjunges und Traumjunges.“

Plötzlich und vollkommen unerwartet sträubte sich der Pelz der Getigerten, sie bohrte ihre Krallen in den Boden und murmelte mit zusammengebissenen Zähnen: „Weißt du, ich wollte auch schon lange mit dir sprechen und bin wirklich froh, dass wir uns nun treffen konnten. Aber das, was ich dir zu erzählen habe, wird dir nicht gefallen. Ich bin nicht die einzige, deiner Wurfgefährten, die das Gesetz der Krieger gebrochen hat.“ Flammenstern zog scharf die Luft ein, sprang auf und wich etwas von ihrer Schwester zurück. NEIN! Das konnte jetzt nicht Blattsees Ernst sein! Er konnte doch nicht den gleichen Fehler gemacht haben wie Blattsee!? Sie wusste zwar, dass er sie gern hatte, aber ...nein! So mäusehirnig war er doch wohl nicht!

„Bernsteinpelz hat vor drei bis vier Monden Junge bekommen. Ich habe es gesehen. Sie heißen Tigerjunges, Flammenjunges und Lichtjunges. Es gibt keinen Zweifel. Ich habe mit ihr gesprochen. Sie hat Flammenjunges nach dir benannt, um ihrer guten Freundin zu gedenken, die sie zu diesem Zeitpunkt für Tod hielt. Und Flammenjunges sieht dir, Eichhornschweif und Feuerstern ähnlich. Sehr ähnlich. Und noch ähnlicher sieht er Staubwolke, als er jünger war. Die Fellfarbe ist natürliche anders, das Junge ist vollkommen rot und nicht schildpattrot, aber der Körperbau ist nicht zu übersehen, Flammenstern!“

In diesem Moment, noch bevor sie etwas antworten konnte, wurde sie aus ihrem Traum gerissen.

In meinem Buch sind Tigerherz, Lichtfell und Flammenschweif fünf Monde älter... und Eschenkralle ist nicht der Vater... 

Und noch etwas: Wo kommen die 9k reads auf einmal her? Ich freue mich gerade total ♥♥♥ Ihr seid wirklich die besten Leser dieser Welt! ♥♥♥

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