Kapitel 4

Die hellen Sterne des Silbervlieses spiegeln sich in dem Teich, der ruhig in der Senke lag. Kein Lüftchen regte sich in der stillen Nacht. Flammenblüte lief zögernd die Senke hinab. Sie spürte die Pfotenabdrücke ihrer Ahnen unter ihr und wusste, dass sie sich, wie schon in der Nacht zuvor, am Mondsee befand. Sie träumte. Zwei Silhouetten hoben sich von den Felsen um sie herum ab. Es waren Katzen, die langsam auf sie zukamen. Sie erkannte die blaugraue Kätzin von letzter Nacht und einen rotbraunen Kater, den sie noch nie gesehen hatte. Die beiden SternenClan-Krieger liefen in solchem Einklang neben einander her, als wären sie es seit vielen, vielen Blattwechseln gewohnt. Es muss fast ein ehemaliger DonnerClan-Krieger sein, dachte Flammenblüte.

Der Kater begann mit einer vollen, tiefen Stimme zu sprechen: „Blaustern, ist das die Kätzin, die du und deine Heiler ausgewählt haben? Die Tochter deines treuen Schülers Feuerstern? Sie gleicht ihm ja sehr, aber die andere tut das schließlich auch.“ Dann handelte es sich bei der blaugrauen Kätzin wohl wirklich um Blaustern. Flammenblüte betrachtete die SternenClan-Kriegerin staunend. Dies war also die Kätzin, die so viel für ihren Clan gegeben hatte.

„Ja, Eichenherz. Das ist Flammenblüte. Sie ist die Tochter des Feuers und sie wird die Clans retten“, wisperte Blaustern  voller Überzeugung. Ihre Augen, die so blau waren wie der Mondsee neben ihnen, funkelten. „War dir klar, dass sie Junge erwartet, als du sie ausgesucht hast? Man kann doch keine trächtige Kätzin die Aufgabe übertragen, die Clans zu retten!“, der Kater, der dem Anschein nach Eichenherz hieß schien Flammenblütes Meinung zu sein. Sollten diese Katzen doch irgendeine andere Katze auf die Reise schicken.

„Ich bin Eichenherz Meinung. Ich kann unmöglich weiter weg reisen, wenn ich Junge habe!“, erklärte Flammenblüte voller Überzeugung. Wenn Eichenherz ihrer Meinung war, konnte sie die blaugraue Kätzin vielleicht umstimmen. Blaustern blickte sie verwundert an, als hätte sie ganz vergessen, dass Flammenblüte da war. „Natürlich kannst du diese Reise machen! Du wirst ja ein paar Reisegefährten haben. Es werden immer mehr werden, umso weiter ihr kommt. Du wirst in einem Halbmond aufbrechen und da will ich keine Widerrede hören! Dein Vater hat eine ähnliche Reise unternommen, als er schon Anführer war. Er und deine Mutter sind sehr weit gegangen um einem fremden Clan zu helfen und haben den DonnerClan verlassen, obwohl sie nicht einmal wussten, ob sie je wiederkehren würden. Du bist deines Vaters Tochter, also will ich nie wieder so etws von dir hören.“ Blausterns Augen blitzten wütend und Flammenblüte traute sich nicht ihr zu wiedersprechen. „J-aaa“, stotterte sie eingeschüchtert, bevor sie plötzlich aus ihrem Traum gerissen wurde. 

„Flammenblüte steh auf!“ Regenpelz stieß mit seiner Pfote gegen ihre Flanke. „Du bist für die Morgenpatrouille eingeteilt. Wenn du heute wieder verschläfst, werden bald alle Katzen wissen, dass du Junge erwartest.“ Sofort war die orangene Kätzin hellwach. „Mit wem bin ich eingeteilt?“, fragte sie. Gerade als Regenpelz zu einer Antwort ansetzten wollte begann Brombeerkralle zu sprechen, dessen Anwesenheit Flammenblüte noch gar nicht bemerkt hatte. „Mit Eichhornschweif, Staubwolke, Beerenpfote und mir. Herzlichen Glückwunsch noch.“ Der Zweite Anführer musste ihr Gespräch belauscht haben. Oder eher mit angehört, denn sie hatten nicht sehr leise gesprochen. Ihr viel wieder ein, wie gemein sie gestern zu Brombeerkralle gewesen war und entschloss sich, sich bei ihm zu entschuldigen. „Brombeerkralle, wegen gestern…“ Der Zweite Anführer unterbrach sie. „ Ist schon gut. Ich weiß ja jetzt den Grund. Du hast Recht. Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man Verwandtschaft in seinem Clan hat. Meine Mutter ist Tod, mein Vater war ein Verräter und meine Schwester ist beim SchattenClan. Ich habe überreagiert. Können wir es einfach dabei belassen?“ Die Kätzin war verwundert, denn der getigerte Kater entschuldigte sich nicht häufig für etwas. Er schien ihr immer zu stolz zu sein, um seine Fehler zuzugeben, aber da hatte sie sich wohl in ihm getäuscht. „Tut mir trotzdem leid. Ich hätte nachdenken sollen, bevor ich etwas sage.“ Der Kater nahm dies mit einem kurzen Zucken der Schnurrhaare zur Kenntnis und verließ den Bau. 

Nach einer schnellen Wäsche trottete Flammenblüte auf die Lichtung des Felsenkessels. Die Sonne ging gerade auf und es fühlte sich an, als würde es ein recht warmer Tag werden. Die Katzen, die für die Morgenpatrouille eingeteilt waren, standen schon bereit am Dornenwall-Ausgang des Lagers. „Guten Morgen Flammenblüte! Auch schon wach?“ Die Augen ihres Bruders Staubwolke blitzen neckisch. 

 Die Truppe machte sich auf den Weg zur WindClan-Grenze, an der sie heute Morgen patrouillieren sollten. Unterwegs knurrte Eichhornschweifs Bauch so laut, das Brombeerkralle, der die Katzen anführte, vorschlug eine Pause zum jagen zu machen. Flammenblüte spitzte erfreut die Ohren und machte sich auf die Suche nach Beute. Nach kurzer Zeit sah sie eine Maus auf der Wurzel einer Eiche sitzen, die gemächlich an einer Nuss knabberte. Die Kätzin verlagerte ihr Gewicht auf ihre Hinterbeine und schlich sich an das Tierchen an. Plötzlich knarzte ein Ast unter ihren Pfoten. Die Maus blickte auf und huschte mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ein Loch in der Erde zu. Die Kriegerin sprang hinterher, konnte sie aber nicht erwischen. Das ist mir seit meiner Schülerzeit nicht mehr passiert, dachte Flammenblüte. Eichhornschweif hatte sie wohl beobachtet, denn sie schaute ihre Schwester verwundert an. Da fiel ihr ein, dass sie ihrer Schwester und ihrem Bruder noch gar nicht von den Jungen erzählt hatte und ging auf Eichhornschweif zu. „Ich kann nicht zulassen, dass du denkst ich könnte nicht mehr jagen, also muss ich dir etwas Wichtiges erzählen.“ Die rote Kätzin mit der weißen Pfote unterbrach sie. „Du erwartest Junge“, kam ihr die Kätzin zuvor. Verblüfft schaute Flammenblüte sie an. „Ja. Woher weißt du es?“ Eichhornschweif schnurrte amüsiert. „Ich bin nicht blind. Es wird nicht mehr lange dauern, bis es jeder im Clan bemerkt hat. Außerdem bist du meine Schwester. Wir kennen uns seit wir geboren wurden. Ich merke wenn etwas nicht mit dir stimmt.“ Ein Rotkehlchen landete auf Futtersuche in ihrer Nähe. Eichhornschweif stand auf und schlich sich geschmeidig an den Vogel an. Sie sprang ab und tötete das Tier mit einem schnellen bis ins Genick. Sie ging zu ihrer Schwester zurück und legte ihr das Rotkehlchen vor die Pfoten. „Hier iss“, miaute sie. Dann sprang sie in den Wald um sich selbst etwas zu fangen.

Nachdem Flammenblüte aufgegessen hatte ging sie zum Rest der Truppe zurück und die Katzen machten sich wieder auf den Weg zur WindClan-Grenze. Sie gingen an dem Bach entlang, der die Territorien von einander trennte, als sie plötzlich Gejaule auf der anderen Seite hörten. Dann ein tiefes Knurren, das unmöglich von einer Katze stammen konnte… es hörte sich verdächtig nach einem Dachs an. Flammenblüte konnte auf dem Moor nichts entdecken, doch dann sah sie in dem kleinen Stück Wald des WindClans etwas Schwarzes auftauchen. Es war ein Dachs und er kämpfte mit einem dunklen WindClan-Krieger. Er konnte alleine unmöglich gewinnen. Die flammenfarbene Kätzin schaute sich fragend nach Brombeerkralle um. Er war der Anführer der Patrouille und sie würden nicht ohne seine Erlaubnis eingreifen. In den Augen des Katers konnte sie wilde Entschlossenheit sehen. Er wollte wohl genauso wenig wie sie, dass die WindClan-Katze starb. Die DonnerClan-Katzen sprinteten auf den Kämpf zu und setzten geschmeidig über den Bach, um dem Krieger zu helfen. Nur Flammenblüte konnte nicht weit genug springen, denn kurz vor dem Absprung fühlte sie ein Treten in ihrem Inneren, worauf sie ihr ursprüngliches Ziel aus den Augen verlor. Es war das erste Mal, das sie ihre Jungen spürte. Sie stürzte in den Bach, der diesen Blattfall viel Wasser führte, und ihr bis zum Brustfell reichte. Triefend vor nässe schleppte sie sich aus dem Wasser und sah gerade noch, wie Brombeerkralle und Staubwolke den Dachs über das Moor hinweg davon jagten. Beerenpfote eilte zu ihr und fragte: „Flammenblüte, ist alles okay bei dir?“, er schien etwas verwirrt, schließlich war er der junge Kater mit den noch kurzen Beinen und sie die Kätzin, die für ihre Wendigkeit und Schnelligkeit bekannt war. „Ja…ja alles gut, ich bin nur ausgerutscht“ Sie ging den kleinen Hügel hinauf zu Eichhornschweif, die gerade Staubwolke und ihren Gefährten zurück begrüßte. Neben ihr stand Krähenfeder. Dann war er es wohl gewesen, der ganz allein gegen einen Dachs kämpfen wollte, stellte Flammenblüte nicht im Geringsten verwundert fest. Der WindClan-Kater war schon immer sehr von sich selbst überzeugt gewesen. Als sie den dunkelgrauen Krieger sah erinnerte sie sich sofort an Blattsee, die seine Junge zur Welt bringen würde. Flammenblüte verstand immer noch nicht, warum sich ihre Schwester, von allen Katern der Welt, ausgerechnet in diesen eingebildeten WindClan-Krieger verlieben musste.

„Was wollt ihr auf dem WindClan-Territorium?“ fragte er feindselig. „Dir dein mäusehirniges Hinterteil retten!“ antwortete Eichhornschweif schnippisch. Sie hatte sich schon immer häufig mit ihm gestritten. „Ich wäre auch allein mit diesem Krähenfraßfressenden Dachs fertig geworden“ meinte Krähenfeder überzeugt. Bevor Eichhornschweif richtig anfangen konnte mit ihm zu streiten schnitt Brombeerkralle ihr das Wort ab. „Wir gehen zurück auf unser eigenes Territorium. Kommt mit“ Er setzte sich in Bewegung und die anderen folgten ihm widerstrebend. Flammenblüte konnte noch etwas von Beerenpfote vernehmen, was sich verdächtig nach „Von wegen“ anhörte, ließ es aber dabei beruhen. Mit immer noch tropfnassem Fell setzte sie ihren Weg fort.

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