Kapitel 3

„Baumgesiebt? Das ist doch der Ort, wo sich die Clans treffen, oder?"

Donnerpfotes Augen waren staunend auf die enormen Eichen gerichtet, die ihre recht dürren Äste gen Himmel reckten.

„Können wir da hin und es genauer anschauen?", fügte die Schülerin mit einem hoffnungsvollen Unterton in der Stimme hinzu. Ahornblatt war langsam etwas genervt von ihrer jüngeren Schwester. Seit sie aufgebrochen waren, um das Lager zu erkunden, hatte die Schildpattkätzin ununterbrochen Fragen gestellt. Wenn das so weiter ging, würde der Kleinen wohl demnächst das Kiefer ausfallen, so viel wie sie plapperte. Doch der Wissensdurst war noch lange nicht gestillt.

„Ist dort unten genug Platz für alle Katzen?", miaute sie und lief ohne Erlaubnis auf die Senke zu. „Auch dann, wenn die anderen Clans endlich kommen werden?"

Angestrengt versuchte Ahornblatt ruhig zu bleiben. Sie war jetzt eine Mentorin, wenn sie ihre Schülerin anfauchte würde Donnerpfote mit Sicherheit Angst vor ihr bekommen. Sie musste sich zusammenreißen, zumindest für die erste Zeit.

„Du wirst noch genug über das Baumgesiebt erfahren, wenn du in einem Viertelmond dort hin darfst", erklärte sie mit einem nicht zu strengen Blick, wodurch Donnerpfote glücklicherweise zu ihr zurückkehrte. Fliederschatten und Taupfote, die hinter ihnen liefen, hatten inzwischen aufgeschlossen.

„Wollen wir eigentlich das gesamte Territorium umrunden, oder von hier aus lieber zur Trainingslichtung, um etwas abzukürzen?", wollte die schwarze Kriegerin wissen, woraufhin die hellrote Kriegerin erst einmal einen genervten Hinweis darauf, dass Fliederschatten, jetzt da sie eine Mentorin war, sehr wohl selbst entscheiden konnte, hinunterschlucken.

„Sie müssen den Donnerweg und den Zweibeinerort sehen, damit sie später nicht auf dumme Gedanken kommen", beschloss sie und trottete, um dies in die Tat umzusetzen, am Baumgesiebt entlang, bis das bis dahin nur recht leise rauschen der rennenden Monster angeschwollen war und sie sich hinter der Hecke befanden, die das Territorium von dem schwarzen, steinharten Untergrund trennte.

„D...daas sind M...monster?", stammelte Taupfote ängstlich, während Donnerpfote eindeutig zu neugierig unter den Sträuchern hindurchschielte. Fliederschatten antwortete ihrer Schülerin, während Ahornblatt die ihrige sehr genau in den Augen behielt. Wer wusste, was die junge Schülerin vorhatte.

Die vier Kätzinnen trabten ziemlich lange am Donnerweg entlang, ohne ihn direkt zu sehen. Die Mentorinnen zeigten den jüngeren Katzen einen der von Zweibeinern gefertigten Tunnel, durch die sie, falls notwendig, ins WolkenClan-Territorium gelangen konnten. Schließlich erreichten sie die Stelle, an der der Wald endete und sich die Wiese, die zwar zu ihrem Territorium gehörte, auf der sie jedoch kaum jagten, ausbreitete. „Und das ist immer noch FeuerClan-Territorium?", staunte Donnerpfote, woraufhin Ahornblatt am liebsten verneint hätte. Sie hatte so eine Vorahnung, dass dies nur bis zur Ankunft der anderen Clans zum FeuerClan gehören würde.

„Wir werden euch jetzt den Donnerweg zeigen, weil wir später im Wald eitergehen wollen, statt die Wiese zu überqueren. Wehe eine von euch macht jetzt nicht genau das, was wir euch sagen", brummte Ahornblatt und schob sich als erste unter der Hecke hindurch auf den schmalen Grasstreifen, der zwischen ebenjener und dem Donnerweg lag.

Donnerpfote folgte ihr als erstes, gerade als ein Monster brüllend an ihnen vorbeirannte. Da Ahornblatt das selbst nicht so ganz geheuer war, krallte sie sich in der rissigen Erde fest, während sie ihre Schülerin mit Argusaugen beobachtete, immer bereit, sie zurück auf das Gras zu ziehen, im Falle, dass sie Dummheiten machen sollte.

„Ich hab mir das anders vorgestellt", murmelte die Schülerin, während Fliederschatten und Taupfote sich neben ihnen auf den Streifen schoben. Ein weiteres Ungetüm dröhnte vorbei, womit Ahornblatt die Besichtigung für beendet erklärte. Die Kätzinnen kehrten in ihr Territorium zurück und setzten die Führung fort.


Zwei Sonnenaufgänge später, es war der Tag, an dem Polarlicht die Namen für ihre drei Söhne Wolfsjunges, Himmeljunges und Aschenjunges verkündete, lag Ahornblatt dösend im Schatten der großen Eiche im Lager des FeuerClans. Neben ihr streckte sich ihr Gefährte Streifenfluss genüsslich und erzählte ihr dabei von den Fortschritten, die Blitzpfote neuerdings machte. Ahornblatt sah ihm einfach nur dabei zu, wie er stolz von dem vergangenen Training erzählte. Es machte sie glücklich, ihn einfach nur anzusehen.

Dummerweise war dieses ruhige Beisammensein jäh zu ende, als plötzlich ein Bündel bunten Fells auf die beiden zusauste. Ahornblatt stöhnte genervt auf, kurz bevor Donnerpfote in Hörweite kam.

„Ahornblatt! Ahornblatt! Flammenstern will, dass wir...", bei diesen Worten sank die gute Laune der Kriegerin in die Tiefe, wo sie sich versteckte, um den ganzen restlichen Tag nicht mehr hervorzukommen, „... mit Mondfeder und Diamantenpfote Kräutersammeln gehen." Die schildpattrote Kätzin hüpfte begeistert auf und ab, was aufgrund der Morgenpatrouille und dem anschließenden Jagdtraining, das hinter ihr lag, schon eine beachtliche Leistung war.

„Und wieso können das Mondfeder und Diamantenpfote nicht ohne uns machen?", brummte sie und rollte sich demonstrativ auf die Seite, mit dem Rücken zu ihrer Schülerin. Wieso freute sich die junge Kätzin so darüber, Kräutersammeln zu müssen? Immerhin war Ahornblatt bisher davon ausgegangen, dass ihre übertriebene Begeisterung daherrührte, dass sie möglichst schnell, möglichst viel Wissen wollte, um eine gute Kriegerin zu werden.

„Weil", dieses Wort zog sie in die Länge und trottete dabei um ihre Mentorin herum, um dieser wieder direkt in die Augen schauen zu können, „wir dafür das Territorium verlassen." Daher wehte der Wind also. Mondfeder brauchte Begleitschutz und dafür wurde natürlich eine der frischen Schülerinnen plus deren Mentorin abkommandiert. Wie sehr diese Logik Ahornblatt doch gegen den Strich ging.

Protest war zwecklos, so viel stand fest. Das hieß jedoch noch lange nicht, dass Ahornblatt das einfach so auf sich sitzen lassen würde. „Kann das nicht...", fing sie an, doch Streifenfluss fiel ihr ins Wort. „Wir teilen uns eine Wühlmaus, wenn du wieder da bist, in Ordnung?"

Die hellorangene Kriegerin schloss ihr Maul und rollte die Augen. Sie wusste, was Streifenfluss ihr damit sagen wollte, auch wenn es ihr nicht gefiel. Grummelnd erhob sie sich, leckte Streifenfluss zum Abschied über den Kopf und lief dann gemeinsam mit ihrer Schülerin zum Lagereingang, wo Mondfeder und Diamantenpfote bereits auf sie warteten.

Eine Begrüßung auslassend, trottete sie in der selbstverständlichen Annahme, dass die Kater ihr schon folgen würden, an den zweien vorbei und miaute: „Wohin genau müssen wir überhaupt?"

„Zu den neuen Sonnenfelsen, du weißt schon, die Felsen beim Fluss im zukünftigen DonnerClan-Territorium", erklang es von hinter ihr, womit Ahornblatt sich mit flotten Schritten in diese Richtung in Bewegung setzte. Dummerweise, sie waren gerade erst auf Höhe der Trainingslichtung, wurde sie sehr bald von Monfeder ermahnt, etwas langsamer zu laufen.

„Und wieso?", knurrte sie entnervt, immerhin hatte sie vor, noch vor Sonnenuntergang wieder heimzukehren. Der Heiler, der nun neben ihr lief, senkte die Stimme. „Diamantenpfote ist nicht so schnell." Damit hatte er gewonnen. Unglücklicherweise hatten sie mit dem untersetzten, hellgrau getigerten Kater nämlich die langsamste Katze im gesamten Wald dabei. Wobei sich dies nicht nur auf seine körperliche Geschwindigkeit bezog, nein, sondern auf alles an ihm. Rottupf meinte, er wäre krank, womit das zumindest erklärt war. Jedenfalls räumten die Heiler dem Schüler auch allgemein keine große Überlebenschance ein und hätten ihn am liebsten noch vor seiner Schülerzeremonie in den Ältestenbau gesteckt. Womit dem Clan wirklich geholfen wäre. Wäre da nicht Fischschweif, die felsenfest darauf bestand, dass ihr Sohn alles tun konnte, was andere Schüler taten. Was erklärte, weshalb er nun Mondfeder beim Kräutersammeln half. Geringes Risiko.

„Von mir aus", blaffte Ahornblatt und drosselte ihren Gang. Hoffentlich würde Streifenfluss ihr tatsächlich etwas von der Wühlmaus, die er wohl erst einmal fangen musste, übrig lassen.

Sobald die Katzen etwas später endlich an der Zweibeinernestruine vorbeiwaren, begann Donnerpfote wieder damit, Ahornblatt mit Fragen zu löchern. Darüber, wie der DonnerClan war, wieso die Clans noch immer nicht hier waren, bis hin zu dem Grund, weshalb der FeuerClan derzeit dieses Territorium nicht nutzte, obwohl hier ja niemand Anspruch erhob. Die hellorangene Kriegerin konnte kaum eine Frage zur vollen Zufriedenheit ihrer Schülerin beantworten. Woher sollte sie das auch wissen? Sie war immerhin erst geboren worden, als ihre Eltern den See bereits verlassen hatten.

Schließlich fand Donnerpfote wohl keine Fragen mehr und begann sich mit Diamantenpfote über die Vorteile des Lebens als Clankatze zu unterhalten, wobei der Schüler wohl kein sonderlich guter Gesprächspartner war, was mehr als eindeutig an den einfältigen, schleppenden Antworten lag, die Ahornblatt schon fast in den Ohren schmerzten. Er tat ihr leid, ja, aber es fiel ihr trotzdem nicht leichter, mit seinen Defiziten umzugehen. Es war kein Wunder, dass Donnerpfote schon bald verstummte.

Die Sonne stand bereits tief am Horizont, als die Katzen endlich die teils flachen, teils gezackten Felsen erreichten, die sich am Rande des recht stark zurückgegangenen Flusses, erstreckten. Aus irgendeinem Grund erschien es Ahornblatt mehr als passend, dass dieser Ort als „Neue Sonnenfelsen" bezeichnet wurde, auch wenn sie die alten ja gar nicht gekannt haben konnte. Ihr Vater hatte diesen Namen vorgeschlagen.

„Donnerpfote und ich halten Wache. Mondfeder, such deine Kräuter, damit wir endlich wieder heim können", bestimmte Ahornblatt und setzte sich demonstrativ auf die von der herabbrennenden Sonne aufgeheizten Felsen. Mondfeder verschwand mit dem Schüler beim Fluss, während Ahornblatt die Umgebung mit den Augen nach Gefahren absuchte. Sie entdeckte nichts, und da sie wie auf heißen Kohlen saß, beschloss sie, zum Fluss zu gehen, um dort etwas zu trinken.

„Ahornblatt! Ich glaube, ich rieche Fuchs!", jaulte Donnerpfote, die außer Sichtweite ihrer Mentorin war. Sofort wirbelte sie herum und eilte zu ihrer Schülerin, die aufgeregt an einem ausgetrockneten Farnbüschel schnupperte. Sie tat das ebenfalls. „Schal", brummte sie. Der Fuchs war schon seit einem Halbmond über alle Berge. „Aber trotzdem gut gerochen." Die letzten Worte musste sie sich abringen, die strahlenden Augen der Kätzin belohnten sie jedoch. Sie hatte das richtige gesagt.

Ahornblatt wollte zu ihrem Aussichtspunkt auf den Felsen zurückkehren, als sie plötzlich einen Hilfeschrei vernahm.

Verwirrt blickte sie sich um. Der Fuchsgestank war doch uralt, wunderte sie sich, das konnte doch gar nicht sein. Als Donnerpfote jedoch an ihre Seite geeilt kam, wurde ihr klar, dass es gar nicht die Schülerin gewesen war, die gejault hatte. Erst mit dieser Erkenntnis wurde ihr die mögliche Gefahr bewusst. Sie hatte Mondfeder und Diamantenpfote aus den Augen verloren!

Mit donnernden Pfoten eilte sie zusammen mit Donnerpfote zum Ufer des Flusses, wo sie Pfoten entdeckte, die im Wasser herumwirbelten. Langsam wirbelten. Diamantenpfote!

Noch bevor Ahornblatt dies ganz realisiert hatte, platschte es im Wasser, und ein weiß-grauer Kopf näherte sich den schlagenden Pfoten des Schülers. Mondfeder! Oh SternenClan, konnte der Heiler überhaupt schwimmen?

„Bleibt zurück, ich mache das!", jaulte er, bevor das Wasser über seinem Kopf zusammenschlug. Panisch lief die orangene Kätzin am Ufer auf und ab, während Mondfeders Kopf sich immer wieder mal zeigte und das paddeln von Diamantenpfote immer schwächer wurde, bis es schließlich nicht mehr zu sehen war. Ahornblatt bangte, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, auf Mondfeder zu hören. Auch dieser war inzwischen nämlich nicht mehr zu sehen. Nirgends. Untergegangen, wie auch Diamantenpfote.

Auch wenn ihr die Schwimmfähigkeiten von Glutherz und Wasserwirbel eindeutig fehlten, konnte Ahornblatt nach diesem Gedanken nicht mehr zusehen. Es ging nicht, sie musste etwas unternehmen. „Lauf, hol Hilfe. Aber wenn du in Gefahr bist, klettere auf einen Baum", befahl sie ihrer Schülerin, obwohl sie das schon im nächsten Augenblick als ziemlich dumme Idee enttarne. Da war sie aber bereits abgesprungen und Donnerpfote bereits losgerannt.

Das Wasser war, zumindest was die Temperatur anging, recht angenehm. Ansonsten gab es darüber nichts positives zu sagen. Es verschluckte die orangene Kätzin, wirbelte sie herum. Sie strampelte nur, fest entschlossen, ihren Weg zurück an die Oberfläche zu finden. Ihre Lungen schrien nach Luft, während sie paddelte und nicht wusste, wo jetzt eigentlich unten und wo oben war. Dann, plötzlich, durchbrach ihr Kopf eine Barriere und sie konnte Atmen, sie paddelte, bis sie ihr Gleichgewicht fand, sammelte sich, dann tauchte sie ganz bewusst wieder unter. Sie musste ihre Clangefährten finden. An der Oberfläche ging das nicht.

Der Fluss war, trotz der Dürre, überraschend tief. Es dauerte lange, bis ihre Pfoten den Schlamm fanden, an ihm entlang scharrten. Auch wenn es ihr schwer fiel, öffnete sie ihre Augen, doch die Bilder, die sich ihr boten, waren zu erdrückend, ohne Zusammenhang. Sie konnte weder Mondfeder, noch Diamantenpfote finden. Sie paddelte zurück zur erlösenden Luft, nur um dann wieder unterzutauchen, zu suchen, aber nicht zu finden. Sie war dabei aufzugeben, denn sie war unglaublich erschöpft, und trotz ihres systematischen Vorgehens, schluckte sie immer mehr Wasser. Ihr vollgesogenes Fell zog sie immer mehr zu Boden.

Niedergeschlagen paddelte sie zum Ufer, als ihre Pfoten etwas berührten, das sich verräterisch nach Fell anfühlte. Sie tauchte unter, wagte nicht zu hoffen. Doch da waren sie, zwei leblose Körper, verfangen in irgendwelchen ihr unbekannten Flusspflanzen.

Sie sammelte ihre letzten Kräfte, um die beiden mit ihren Krallen aus ihrem Gefängnis zu befreien. Dann zerrte sie sie zur Oberfläche, schob und biss in ihr Nackenfell, bis sie stehen konnte und die Kater an Land zog. Sie hustete, würgte, spie Wasser, bis sie glaubte, ihr Körper würde versagen und sie würde auf der Stelle tot umfallen. Sie war die einzige, die sich regte.

Ahornblatt versuchte noch, die Mäuler der Kater zu öffnen, ihnen gegen die Köpfe und Hälse zu schlagen. Hoffnungslos. Ergebnislos. Sie schüttelte sie, doch es brachte nichts. Der Heiler, der gewusst hätte, was zu tun war, hing schlaff und ohne Leben in ihrem Maul. Schließlich brach Ahornblatt zusammen.

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