Kapitel 2
Mit einem melancholischen Seufzen blickte Flammenstern Donnerpfote, Taupfote und ihren Mentorinnen hinterher. Damit hatte wohl auch das letzte ihrer Jungen das Nest verlassen. Regenpelz wäre mit Sicherheit stolz auf ihre Tochter. Sie war noch so jung, aber schon jetzt hatte sie einen ausgeprägten Charakter. Sie wusste was sie wollte, etwas, das Flammenstern nur von wenigen jungen Katzen behaupten konnte.
Dummerweise ging Donnerpfotes Schülerernennung damit einher, dass sie ganz alleine war. Ja, das Lager war gefüllt mit Katzen, doch keine dieser Katzen würde sich in der Nacht an sie kuscheln. Wenn sie nur ihren geliebten Regenpelz noch hätte. Doch dieser war nun schon über sechs Monde nicht mehr hier. Zurückgeblieben waren nur Erinnerungen, Träume und das leere Nest im Inneren von Flammensterns Bau, das sie noch immer nicht hatte entfernen können. Es tat zu sehr weh.
Die Patrouillen, angeführt von Glutherz, Rabensturm und Kämpferherz, verließen das Lager und die Senke leerte sich somit zunehmend. Als sich dann auch noch die übriggebliebenen Mentoren mit ihren Schülern, von denen es wirklich übermäßig viele gab, zur Trainingslichtung aufmachten, waren nur noch wenige übrig. Flammenstern hoffte sehr, dass Staubwolke bedacht hatte, dass Katzen in Wasser getränktes Moos mit ins Lager trinken mussten, immerhin konnte Polarlicht das Lager unmöglich verlassen. Und auch die ältesten Forellenpelz und Düstersturm hätte Flammenstern nur ungern außerhalb des Lagers gesehen. Auch wenn Düstersturm erst so alt wie ein Krieger war, verließ der das Lager doch nur dann, wenn ihn Laubsprenkel dazu zwang. Der blinde Kater hatte das Angebot, wieder ein Krieger zu sein ausgeschlagen, denn er fühlte sich selbst nicht dazu in der Lage. Der flammenroten Anführerin tat das Leid für den Kater, doch sie wusste, dass sie ihn nicht umstimmen konnte.
Gähnend sprang Flammenstern von der Wurzel, auf der sie gesessen hatte, herab und lief zu Staubwolke, der am Lagereingang saß. Anscheinend übernahm er einmal mehr persönlich den Wachdienst, der seit dem Sieg über die Ratten eigentlich überflüssig war.
„Hast du an das Wasser gedacht?", miaute sie anstelle einer Begrüßung und riss ihren Wurfgefährten damit anscheinend aus seinen Gedanken.
„Äh... ja, Herbstblatt und ich werden nachher welches holen", murmelte er und wirkte dabei etwas durch den Wind. „Sie ist nach den zwei Würfen bestimmt aus der Übung und ich möchte ihr für den Anfang nur einfache Aufgaben geben", fügte er noch hinzu, ganz leise, da er nicht wollte, dass seine Gefährtin ihn aus Versehen hörte.
„Schone sie nur nicht zu sehr, sie ist immerhin eine Kriegerin", entgegnete sie, weil ihr klar war, dass ihr Stellvertreter es, wenn es um seine Gefährtin ging, schnell übertreiben konnte.
Nachdem dies nun geklärt war, blickte Flammenstern sich nachdenklich im Lager um. Sie hätte sich wohl besser für eine Patrouille einteilen lassen sollen, denn augenscheinlich gab es für sie gerade nichts zu tun. Dafür war es nun aber zu spät, weshalb sie beschloss, Rottupf einen Besuch abzustatten. Zurzeit gab es von Staubwolkes Bein und Glanzschimmers Fallsucht einmal abgesehen keine ernsthaften Krankheiten und Verletzungen im Clan, weshalb der Heilerin und ihrem Schüler Mondfeder, der vor etwas mehr als einem Mond seinen Heilernamen erhalten hatte, bestimmt auch langweilig war.
Sie verabschiedete sich also von ihrem Bruder und trottete über die staubtrockene Lichtung, wobei sie noch nicht einmal über das Rinnsal springen musste, denn es war ausgetrocknet. Die welken Farne boten der Heilerlichtung keinen Schutz, was Flammenstern etwas beunruhigte, auch wenn der Clan derzeit keinerlei Bedrohung, von der Dürre einmal abgesehen, hatte.
In dem winzigen Teich innerhalb der Lichtung befand sich gerade einmal genügend Wasser, um im Notfall davon zu trinken. Die Erde rundherum war bereits aufgesprungen. Flammenstern seufzte. Wenn das so weiterging, würde noch die Beute auf der Suche nach Wasser aus den meisten Teilen des Waldes fliehen. Zum Glück gab es den Bach, der durch ihr Territorium floss. Und selbst wenn dieser einmal ausgetrocknet sein würde, wäre da noch immer der Fluss, der südöstlich durch die zukünftigen Territorien der restlichen Clans rauschte.
„Flammenstern! Ist etwas geschehen?", miaute Rottupf, die gerade mit Mondfeder vor einem recht kargen Haufen Kräuter saß, der wohl sortiert werden musste.
„Nein, mir war nur langweilig", erwiderte sie und gähnte danach. Die Hitze machte sie, genau wie alle anderen Katzen, müde. Am liebsten würde sie sich wieder in ihren recht einsamen Bau verkriechen und schlafen. Aber das war kein Benehmen, wie es sich für einen Krieger gehörte, geschweige denn für eine Anführerin.
„Ich hätte nie gedacht, das einmal von dir zu hören", bemerkte Mondfeder und blickte damit zum ersten Mal, seit Flammenstern den Bau betreten hatte, von den Kräutern auf, die er so intensiv betrachtet hatte.
„Mir geht's genauso", entgegnete sie und gähnte dann noch einmal. „All die Zeit in der ich mir einfach nur Ruhe und Frieden gewünscht habe und erst jetzt verstehe ich, wie eintönig das doch ist."
Die Heiler schnurrten amüsiert, während Rottupf daraufhin aber wieder ihren Blick auf die Kräuter senkte, blickte Mondfeder sie unverwandt mit einem nachdenklichen Ausdruck im Gesicht an. Die flammenrote Anführerin zog die Stirn kraus, als der weiß-graue Krieger miaute: „Vielleicht bedeutet das, dass es Zeit wird, für die anderen Clans sich uns anzuschließen."
Sofort hob seine Mentorin wieder ihren Kopf und musterte den Kater in Unglauben. „Hast du ein Zeichen vom SternenClan bekommen?", wunderte sich Rottupf, die Kräuter waren für einen Moment vergessen.
Flammenstern trat nach den Worten des jungen Katers ein paar Schritte näher. Konnte das sein? War es endlich soweit?
„Nein, nichts dergleichen. Aber es erscheint mir logisch", murmelte Mondfeder und wirkte dabei etwas peinlich berührt, da er wohl nicht erwartet hatte, dass seine Worte ein solches Interesse bei den Kätzinnen wecken würden. Flammensterns Hoffnungen verpufften wie das Wasser, welches bei dieser Hitze einfach verschwand.
„Nun, ich denke, der SternenClan wird uns schon ein Zeichen schicken, wenn es endlich so weit ist. Wer weiß, vielleicht sind die Clans ja sogar schon unterwegs?", miaute Rottupf mit einem leicht tadelnden Ton. Mondfeder nickte kurz, obwohl ihm anzusehen war, dass er noch immer eine andere Meinung vertrat.
„Die Petersilie schimmelt", bemerkte er dann plötzlich und damit war das Thema wohl offiziell beendet. Flammenstern überließ die Heiler ihrer Diskussion über den mangelnden Vorrat, brummte etwas zum Abschied und verließ die Heilerlichtung wieder.
Dummerweise wusste sie nun noch immer nicht, was sie jetzt tun konnte.
„Flammenstern, warte mal kurz", rief ihr Rottupf hinterher, gerade als die flammenrote Kätzin die bröcklige, staubige Erde betrachtete, wo eigentlich das Rinnsal fliesen sollte. Sie blickte sich über die Schulter um, nur um zu bemerken, dass Rottupf schon fast neben ihr stand.
„Ich hatte noch gar keine Gelegenheit, mich bei dir zu bedanken", miaute die gescheckt-getüpfelte Heilerin so leise, dass nur Flammenstern es hören konnte. Es war immerhin auch nur für ihre Ohren bestimmt, bemerkte sie, als sie sich entsann, wovon die Heilerin sprach.
„Fliederschatten sollte sowieso bald einen Schüler bekommen. Nichts zu danken", erwiderte Flammenstern achselzuckend. Natürlich hätte sie erst einmal Kieselpelz einen Schüler geben sollen, aber dieser würde sich auch gedulden können, bis Polarlichts Junge so weit waren.
„Ich bin dir trotzdem sehr dankbar", schnurrte die Kätzin, bevor sie wieder in ihren Bau zurückkehrte. Die flammenrote Kriegerin beobachtete ihre Freundin, wie sie zwischen den ausgetrockneten Farnen hindurchschritt. Auch wenn die Anführerin selbst keinerlei Bedenken gegenüber der Freundschaft zwischen Fliederschatten und Mondfeder hatte, welche sich entwickelt hatte, seit der Heilerschüler von den Wiedergeburten erfahren hatte, verstand sie Rottupfs Problem. Heiler durften sich nicht verlieben, einen Gefährten zu haben war ihnen untersagt. Dadurch, dass die schwarze Kriegerin nun aber Taupfote als Schülerin hatte, würde sie wohl weniger Zeit für Mondfeder haben. Soweit zumindest Rottupfs Theorie.
„Alles in Ordnung?", wurde sie plötzlich aus ihren Gedanken gerissen. Flammenstern löste ihren Blick von den Farnen, die sich leicht in einem viel zu warmen Luftzug wogen und bemerkte Düstersturm, der mit seinen blicklosen Augen neben ihr stand.
Die Anführerin nickte, als sie aber bemerkte, dass ihr Clangefährte das ja nicht sehen konnte, seufzte sie erst, bevor sie miaute: „Ich habe gerade nicht wirklich etwas zu tun, aber eigentlich geht es mir schon gut." Hastig ergänzte sie noch ein „und dir?", da sie nicht unhöflich sein wollte.
„Ich habe einen schwarzen Pelz, mir ist also viel zu warm. Dabei kann mir aber niemand helfen, damit muss ich halt leben. Oh, gleich ist dir bestimmt nicht mehr langweilig." Bevor sich Flammenstern fragen konnte, was der blinde Älteste, dem sie vor einiger Zeit angeboten hatte, wieder ein Krieger zu werden, der aber ausgeschlagen hatte, da er sich selbst nicht dazu in der Lage fühlte, ihr sagen wollte, raschelte es im Eingang der Kinderstube. Fischschweif stürzte hervor, einen panischen Blick im Gesicht.
Sofort eilte die Anführerin eine Entschuldigung murmelnd zu der schildpattfarbenen Königin. Diese wirkte erleichtert, als sie Flammenstern entdeckte und miaute aufgeregt: „Polarlichts Jungen kommen! Jemand muss Rottupf oder Mondfeder holen und Rabensturm... der ist doch auf Patrouille. Wir brauchen einen Stock und... und Wasser." Das Stammeln zu entschlüsseln war zwar keine leichte Aufgabe, Flammenstern verstand aber ziemlich schnell, was Fischschweif ihr sagen wollte und so kam es ihr gerade recht, dass Morgenschweif und Kieselpelz, die beide zu keiner Patrouille eingeteilt waren, gerade ihren Weg kreuzten.
„Morgenschweif, hol Rabensturm, er ist mit einer Patrouille bei der Grenze zum Zweibeinerort. Kieselpelz, sag im Heilerbau Bescheid, dass die Jungen kommen", verteilte sie die Anweisungen und ließ selbst bereits ihren Blick durch das Lager schweifen, auf der Suche nach einem geeigneten Ast.
Wider Erwarten liefen die jungen Krieger aber nicht sofort los, sondern beschwerten sich allen Ernstes, weil es sich bei diesen Aufgaben ihrer Meinung nach, um Schüleraufgaben handle.
„Polarlicht bekommt ihre Jungen. Ihr Mäusehirne bewegt euch jetzt und zwar ein bisschen flott, sonst seht ihr gleich, was Schüleraufgaben sind", knurrte die Anführerin erbost, da ihr eine solch direkte Misshandlung ihrer Befehle doch sehr zu denken gab. Gerade von Morgenschweif hätte sie anderes erwartet, immerhin war er die schnellste Katze des Clans und war es deshalb gewohnt, eilige Aufträge zu bekommen.
Ohne ein weiteres Wort verschwanden die jungen Krieger in entgegengesetzte Richtungen und Flammenstern konnte sich doch endlich auf der Suche nach einem Stock machen. Fischschweif war inzwischen schon zurück in der Kinderstube, um Polarlicht beizustehen.
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