20. Kapitel

Einige Herzschläge später taumelte der junge schwarze Kater zitternd und mit zerzaustem Fell in das Lager. In seinen blauen Augen spiegelte sich blanke Angst. Funkelpfote keuchte auf und die zwei Schwestern stürmten zu ihrem Bruder. Doch bevor sie ihn erreicht hatten, war Kristallfluss schon zu ihm gerannt und schnupperte ihren Sohn von oben bis unten ab.

"Woher kommen diese Kratzer?", fragte sie mit stockender Stimme. Nachtpfote sagte nichts. Seine Schwanzspitze zuckte nervös hin und her. "Ich...", fing er an, aber brach dann wieder ab. Silberpfote schien zu glauben, dass Finsterkralle Nachtpfote gerade einen warnenden Blick zugeworfen hatte. Der junge Schüler schluckte.

"Ich...bin in ein Dornengebüsch gefallen", miaute er heiser und sah auf seine Pfoten.
Ihre Mutter schwieg kurz. "Stimmt das?", fragte sie an Finsterkralle gewandt, ihre Augen waren voller Misstrauen.

Der zweite Anführer nickte. "Ja", miaute Finsterkralle in einer verdächtig ruhigen Stimme.
Kristallfluss hielt seinen Blick für einige Sekunden stand, ehe der schwarze Kater hinzufügte: "Denkst du etwa dein Sohn lügt dich an?"

Kristallfluss sagte nichts, sondern blickte zu Nachtpfote und leckte ihm gründlich das Fell. "Geh zu Grauwolke."
"Es ist nicht so schlimm", wiedersprach Nachtpfote leise.
Kristallfluss warf ihm einen strengen Blick, sodass der Schüler hastig zum Heilerbau humpelte.

Als Nachtpfote an Silberpfote und Funkelpfote vorbei ging, fragte Silberpfote besorgt: "Alles in Ordnung? Sollen wir mitkommen?"
Doch ihr Bruder schüttelte nur langsam den Kopf und schenkte seinen Schwestern kaum Aufmerksamkeit. Langsam schob er sich in Grauwolkes Bau.

Funkelpfote warf Silberpfote einen verzweifelten Blick zu. "Schon am ersten Tag verletzt nach Hause zu kommen, muss wirklich mies sein. Er tut mir Leid."
Silberpfote stimmte zu und miaute: "Ich kann irgendwie nicht glauben, dass Nachtpfote in einen Dornenbusch gefallen ist. Ich meine, sein Gesicht war voller Angst und Schock."

Funkelpfote sah ihre Schwester mit großen Augen an und fragte: "Aber wo kommen die Wunden dann her?"
Silberpfote versuchte den Gedanken, dass sein eigener Mentor ihn vielleicht verletzt hatte, zu verdrängen und antwortete stattdessen schulterzuckend: "Ich weiß es nicht."

Könnte es tatsächlich möglich sein, dass Finsterkralle Nachtpfote absichtlich diese Kratzer zugefügt hatte?
Silberpfore erschauderte. Es würde Sinn ergeben. Sie war sich ziemlich sicher, dass keine Katze so verstört wird, nur, weil sie in einen Dornenbusch gefallen war.

Aber warum würde Finsterkralle so etwas tun? Silberpfote fand dazu keine Antwort.
Sie spitzte die Ohren, als Nachtpfote wieder aus dem Heilerbau schlenderte. Sein Schwanz schleifte er hinter sich her, seine Augen leuchteten nicht mehr, sondern waren trüb.

"Geht es dir wieder besser?", fragte Funkelpfote und leckte Nachtpfote über seine Ohr. Der schwarze Kater nickte langsam. "Glaube schon." Seine Kratzer wurden mit einer Paste aus Kräutern behandelt. Der starke Duft der Pflanzen stach Silberpfote in die Nase.

"Wollen wir zusammen essen?", wollte Silberpfote wissen. Doch Nachtpfote lehnte ab. "Keinen Hunger. Ich bin wirklich müde. Heute war ein anstrengender Tag." Ohne ein weiteres Wort trottete der Kater zum Schülerbau und schlüpfte zwischen die zwei Farne, die den Eingang schützten.

Am nächsten Morgen wurde Silberpfote unsanft aus dem Schlaf geweckt.
"Silberpfote!", rief eine Stimme. Die junge Schülerin legte die Ohren an. "Lass mich", murrte sie und kuschelte sich tiefer in ihr Moosnest. Doch dann spürte sie ein sanftes Stoßen in ihren Rippen. Schläfrig hob Silberpfote den Kopf und erblickte den braunen Körper von Funkelpfote.

"Steh schon auf, du Faulpelz. Heute werden wir alle zusammen jagen gehen!"
Silberpfote war nun hellwach. Richtig! Wie konnte ich das nur vergessen?
Die silberne Kätzin rappelte sich auf, gähnte und streckte sich. "Ich komme gleich", miaute sie ihrer Schwester zu, die neben ihr wartet.

Funkelfpfote nickte und verließ den Schülerbau. Rasch putzte sich Silberpfote ihr zerzaustes Fell und schlüpfte dann aus dem Bau.
Die Luft war leicht kühl. Die Blattgrüne neigte sich dem Ende zu.
Vor dem Lagereingang saßen Funkelpfote und Nachtpfote mit ihren Mentoren und Flammensprung.

Hastig tappte Silberpfote zu ihnen und begrüßte sie mit einem Nicken. "Können wir los?", fragte Flammensprung freundlich. "Ja."
Silberpfote merkte, wie Finsterkalle sie mit schmalen Augen betrachtete und sie bekam ein mulmiges Gefühl.

Als die Katzen durch den Wald trabten, sah Silberpfote, dass Nachtpfotes Wunden fast verheilt waren. Er wirkte auch wieder etwas fröhlicher und lebendiger, doch einen Funken von Nervosität sah sie ihn den Augen des schwarzen Katers aufblitzen.

Silberpfote fragte sich stets, was an jenem Tag wirklich passiert war und warum Nachtpfote es seinen Wurfgefährten verschwieg.
Flinkläufer zuckte mit dem Schwanz, als Zeichen stehen zu bleiben. "Seht", flüsterte er den Schülern zu.

Auf einer kleinen laubbedeckten Lichtung krabbelte eine Maus zwischen den Blättern. Sie nahm die Katzen überhaupt nicht wahr.
Flinkläufer wandte sich an seine Schülerin Funkelpfote und erklärte ihr, wie sie sich lautlos anschleichen soll.
Die junge Schülerin kauerte sich nieder, sodass ihr Bauchfell das Gras knapp streifte.

Dann schlich sie sich geräuschlos an die Maus heran, die stets ihrer Beschäftigung nachging.
Funkelpfote verharrte kurz, dann preschte sie wie ein Blitz vor. Einige Herzschläge später tauchte sie mit der Beute im Maul zurück. Ihre blauen Augen glühten vor Stolz.

"Sehr gut", lobte Flinkläufer sie anerkennend. "Toller Fang!", miaute Silberpfote und sprang zu ihrer Schwester.
"Du bist wirklich flink", bemerkte Flammensprung. Funkelpfote trat verlegen von einer Pfote auf die andere. Silberpfote warf einen Seitenblick auf Finsterkralle, in der Hoffnung er würde die Schülerin auch loben, doch er schwieg.

Funkelpfote vergrub die Beute, um sie später mit zu nehmen. Daraufhin tappten die Katzen weiter. Nun war Nachtpfote an der Reihe.
Der schwarze Kater hob seine Nase in die Luft. Er erstarrte urplötzlich. "Ich rieche etwas!" Nachtpfote prüfte die Luft mehrmals und strich durch das Unterholz, bis Silberpfote eine Amsel zwischen einer Baumwurzel picken sah.

Nachtpfote hatte den Vogel nun auch bemerkt und drückte sich flach zu Boden. Finsterkralle zischte: "Du machst das nicht richtig. Dein Bauch darf den Boden nicht berühren und dein Schwanz muss viel tiefer gesenkt sein."

Nachtpfote folgte den Anweisungen und wartete einen Moment. Er zögerte etwas zu lange, denn die Amsel hatte ihn bemerkte und wollte gerade davon fliegen. Doch Nachtpfote rannte auf die Beute zu und packte sie gerade noch mit den Krallen am Flügel.

Mit einem Nackenbiss war die Amsel erledigt und Nachtpfote stürmte, fast stolpernd, mit dem Vogel im Maul auf seinen Mentor zu. "Meine erste Beute!", verkündete er stolz. "War ich gut?" Finsterkralle sah seinen Schüler mit einem kalten Blick an. "Du hast viel zu lange gezögert und der Sprung war katastrophal."

Entsetzt über die Worte des zweiten Anführers, wollte Silberpfote wiedersprechen. Doch Flinkläufer kam ihr zuvor. "Wie kannst du das nur sagen? Für seinen ersten Fang, hat er das ausgezeichnet gemacht." Der rot-weiße Kater zuckte verärgert mit dem Schwanz.

"Ganz recht. Außerdem hat er die Beute gefangen und das ist das Einzige was zählt", fügte Flammensprung scharf hinzu. Finsterkralle schnaubte nur und Nachtpfote ließ unglücklich den Kopf hängen.
Silberpfote und Funkelpfote tappten zu seiner Seiten und trösteten ihn.

Die Jagdpatrouille setzte ihren Weg fort und Silberpfotes Fell prickelte, als sie vergeblich versuchte Beute aufzuspüren. Flammensprung lief neben ihr her und warf ihr einen aufmunternden Blick zu. Silberpfote sog kräftig die Luft ein. Sie nahm einen schalen Geruch war.

"Riechst du was?", fragte Flammensprung. Seine Schülerin nickte und antwortete: "Einen Vogel. Ich glaube...eine Taube."
Ihr Mentor nickte. "Richtig. Führe uns hin."
Silberpfote bog um den nächsten Baum ab und erblickte unter einer Birke das graue Gefieder der Taube.

Die silberne Kätzin konzentrierte sich und warf sich in Kauerstellung. "Etwas tiefer, und spann deine Muskeln an", verbesserte Flammensprung sie leise. Silberpfotes Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sie wollte auf keinen Fall einen Fehler machen, besonders nicht vor Finsterkralle, der sie dann - genau wie bei Nachtpfote - kritisieren würde.

Gerade, als sie sich auf den Vogel stürzen wollte, merkte sie, wie der Boden unter ihren Pfoten wankte. Silberpfote schüttelte es ab und rannte taumelnd los. Doch durch den Schwindelanfall, war sie zu langsam und die Taube flog hastig auf einen sicheren Ast.

Silberpfote realisierte nur noch schwach die Stimmen ihrer Clangefährten. Einen Herzschlag später fiel sie in das sanfte Gras und wurde von der Dunkelheit übermannt.

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