8. Kapitel
Schleierpfote musste eingeschlafen sein, denn als er aufwachte, sickerte fahles Sonnenlicht durch den hohlen Baumstamm. Er schaute sich im Bau um. Jetzt sah alles ganz anders aus, als am Tag zuvor bei Dämmerung. Rotpfote und Bachpfote waren schon weg. Stummelpfote streckte sich gerade und trottete dann aus dem Bau. In der gegenüberliegenden Ecke von Schleierpfote lagen Lawinenpfote und Weißpfote. Daneben lag Wieselpfote in seinem Nest. Neben Schleierpfote schlief Flammenpfote und schnarchte leise vor sich hin. Langsam tappte er aus dem Bau, um die anderen nicht zu wecken. Draußen begrüßte ihn Vogelgezwitscher. Er musste kurz die Augen zusammenkneifen, da ihn die Sonne blendete.
,,Die Blattfrische fängt endlich an", schnurrte Graufell, der sich vor dem Kriegerbau ausgiebig streckte.
Der Dornentunnel raschelte und Kieselstein und Spatzenfluss kamen mit drei Mäusen ins Lager. Birkenpelz kam auf die Lichtung geeilt. Als er die Ausbeute sah, fing er laut an zu schnurren.
,,Die Jagd läuft immer besser", miaute Spatzenfluss zufrieden.
Schleierpfote sah der Patrouille hinterher, bis sie verschwunden war. Er hatte eigentlich Hunger, doch nicht sonderlich Lust etwas zu essen. Lieber ging er zu Mondglanz und Steinpfote, die miteinander redeten.
,,Wird Hasenjunges wieder gesund?", fragte Mondglanz gerade besorgt.
,,Ja, ich denke schon. Ich habe ihm eine Salbe aus Brennnessel und Beinwell gegen die Verstauchung gegeben."
Plötzlich kamen Streifenjunges und Nebeljunges über die Lichtung gerollt. Die beiden kugelten in einem Knäuel aus Fell quer über die Lichtung. Graufell stolperte über die beiden. Schleierpfote musste ein Schnurren unterdrücken, als der graue Kater versuchte sich aufzufangen und dann unbeholfen auf dem Bauch landete. Sturmfell hinter ihm schnurrte amüsiert.
,,Streifenjunges, komm her", rief Mondglanz wütend über die Lichtung.
Streifenjunges schaute kurz auf und preschte dann zu den drei hin, dicht gefolgt von Nebeljunges.
Als die beiden kurz vor Mondglanz waren, sprang Nebeljunges Streifenjunges an und die beiden rollten auf Schleierpfote zu. Er ging schnell einen Schritt zur Seite.
Mondglanz fing laut an zu schnurren.
Streifenjunges kämpfte sich von Nebeljunges frei, doch die kleine Kätzin war schneller und gab ihm einen Tatzenhieb an den Kopf. Streifenjunges drehte sich schlagartig um und biss Nebeljunges in den Schwanz. Die heulte auf und leckte sich schnell den Schwanz ab, bevor sie sich wieder auf Streifenjunges stürzte.
,,Oh, nein, ich wurde besiegt", miaute er mit einem belustigten Unterton in der Stimme.
Nebeljunges hüpfte triumphierend um ihn herum. Dann drehte sie den Kopf zu Schleierpfote.
,,Kannst du uns ein paar Kampfzüge zeigen?", miaute sie unternehmungslustig.
,,Ich habe mein Training noch nicht begonnen", miaute Schleierpfote.
Die Jungen machten ein enttäuschtes Gesicht. Er war sich aber auch nicht sicher, ob man Jungen schon Kampfzüge beibringen durfte.
,,Komm jetzt. Es wird Zeit für dein Sonnenhochschläfchen", miaute Mondglanz und schob Streifenjunges mit dem Schwanz vor sich her.
,,Ich möchte aber mit Nebeljunges spielen", protestierte das Junge.
,,Das kannst du nachher", versprach seine Mutter.
Als die beiden in der Kinderstube verschwunden waren, drehte sich Schleierpfote zu Steinpfote um.
,,Wird Hasenjunges wirklich wieder gesund?", fragend schaute er sie an.
,,Natürlich! Glaubst du, ich lüge Mondglanz an?"
,,Nein, aber manchmal ist es doch besser, wenn eine Mutter sich nicht unnötig Sorgen macht. Wie geht es eigentlich Sardinenpelz?", fragte er, um schnell das Thema zu wechseln.
,,Naja, sie hat eine Schramme überm Auge und ein Riss im Ohr, aber sonst dürfte es nicht problematisch werden."
Er überlegte kurz, was er sie noch fragen konnte. Im Unterhalten war er wirklich nicht so gut.
,,Wieso bist du eigentlich Heilerin geworden?", fragte er deshalb.
,,Wieso bist du keiner geworden?", miaute sie abweichend.
,,Ich wurde nie gefragt."
,,Ich glaube, sie haben dich nicht gefragt, weil es schon eine Heilerschülerin gibt. Ich wollte es unbedingt werden, weil ich Katzen nicht auf so eine kämpferische Weise wehtun wollte, wie es Krieger manchmal tun", miaute sie leise.
,,Wieso sagst du das so? Tust du jetzt auch noch Katzen weh?", wunderte sich Schleierpfote.
,,Ja, zum Beispiel, wenn ich ein Bein wieder ausrenken muss. Oder manche Salben brennen auch gewaltig. Aber da ist alles zum Wohl meiner Clan Gefährten."
,,Gut zu wissen."
Schleierpfote hörte Schritte auf ihn zukommen. Es war Ginsterfarn.
,,Wir möchten mit dir heute auf die Jagd gehen", miaute der braune Kater.
,,Was heißt wir?", fragte der graue Kater vorsichtig.
,,Wir beide, Graufell und Flammenpfote."
Schleierpfotes Schwanz schoss erfreut in die Höhe. Die Vorstellung mit dem netten Kater und der schönen Kätzin jagen zu gehen, gefiel ihm.
,,Vorher zeige ich dir aber noch, wie man die Nester der Ältesten reinigt."
Sein Schwanz sank sofort wieder bis auf den Boden. Ginsterfarn schnurrte amüsiert.
Schlecht gelaunt trottete Schleierpfote zum Bau der Ältesten, wissend, dass Ginsterfarn ihm folgte.
Vor der kleinen Höhle standen Lawinenpfote und Weißpfote.
,,Was macht ihr hier?", fragte Schleierpfote.
,,Wir mussten die Zecken der Ältesten entfernen. Zum Glück war das nur eine. Die hatte Schneeblatt", miaute Weißpfote angeekelt.
,,Ich hole dir schon mal frisches Moos", rief Ginsterfarn, weil er schon auf dem Weg zum Heilerbau war.
,,Also, was war auf der Großen Versammlung?", wollte Schleierpfote jetzt wissen.
,,Nichts besonderes", miaute Weißpfote.
,,Außer, dass der NebelClan meinte, er wüsste nicht, wovon wir reden", ergänzte Lawinenpfote.
,,Ja, die sind totale Mäusehirne", bekräftigte sein Bruder die Aussage.
,,So, ich bin wieder da", miaute Ginsterfarn und kam auf ihn zugeeilt.
Schleierpfote stieß einen langen Seufzer aus.
Die beiden gingen in die Höhle rein. Wespenbart und Bienenschweif lagen in der hinteren Ecke. Schneeblatt tappte gerade zu Flickenauge und legte ihm einen Spatzen vor die Nase. Der alte Kater fing an zu schnurren und leckte Schneeblatt kurz über den Kopf, bevor er sich über den Spatz hermachte.
,,So, du musst einfach nur das alte Nestmaterial gegen neues austauschen", miaute Ginsterfarn an Schleierpfote gewandt.
,,Was soll ich mit dem alten Nestmaterial machen?"
,,Das kannst du einfach auf den Schmutzplatz bringen."
Als Schleierpfote fertig war, standen Graufell und Flammenpfote schon mit Ginsterfarn jagdbereit auf der Lichtung. Flammenpfote hüpfte aufgeregt hin und her.
,,Endlich kann ich mit Schleierpfote mal jagen gehen", miaute sie aufgeregt.
,,Wollt ihr beide denn zusammen jagen?", fragte Graufell.
,,Ja", antworteten beide Schüler gleichzeitig.
,,Aber Schleierpfote weiß noch gar nicht, wie man jagt", miaute Ginsterfarn.
,,Aber ich kann es ihm doch zeigen", versuchte Flammenpfote ihn zu überreden.
,,Ich habe einen Vorschlag. Als erstes jage ich mit Schleierpfote und Graufell mit Flammenpfote. Danach könnt ihr beiden noch zusammen jagen."
,,Ja, dann machen wir das so", stimmte Graufell ihm zu.
Die Vier verließen das Lager und gingen in Richtung Berge.
Nach einer Weile erreichten sie eine Stelle, wo ganz viele Bäume wuchsen.
,,Können wir nicht hier jagen?", fragte er.
,,Nein, hier haben wir einen Nachteil. Wir sind nicht so klein wie die Beute und können uns nicht so gut zwischen den Bäumen bewegen. Wir gehen noch ein paar Schritte weiter. Dann kommt eine Ecke mit wenigeren Bäumen und viel Unterholz."
Nach ein paar Fuchslängen erreichten sie den Ort, den Ginsterfarn meinte.
,,So, hier teilen wir uns auf. Ich gehe mit Schleierpfote dorthin."
Ginsterfarn schnippte mit dem Schwanz in die entsprechende Richtung. Graufell nickte kurz und ging dann mit Flammenpfote in die andere Richtung.
Ginsterfarn bedeutete ihm mit dem Schwanz leise zu sein. Plötzlich stieg Schleierpfote ein ungewöhnlicher Geruch in die Nase.
,,Riechst du das? Das ist ein Eichhörnchen. Sehr schwierig zu fangen. Ich zeige dir, wie man es fängt", miaute Ginsterfarn so leise, dass Schleierpfote ihn fast nicht mehr verstehen konnte.
Ginsterfarn sprang in einen Busch und Schleierpfote tat es ihm gleich. Der Krieger spähte vorsichtig aus seinem Versteck. Am Fuß eines Baumes saß ein Eichhörnchen und nagte an einer Nuss. Vorsichtig tappte Ginsterfarn aus seinem Versteck. Das Eichhörnchen knabberte ahnungslos weiter. Der kräftige Kater war jetzt nur noch eine Schwanzlänge von ihm entfernt. Leichtfüßig sprang er ab. Das Eichhörnchen drehte sich um und flitzte auf den nächsten Baum zu. Schleierpfote sprang, ohne zu zögern, aus seinem Versteck und versperrte dem Eichhörnchen den Weg zum Baum. Das Eichhörnchen rannte direkt auf ihn zu, dicht gefolgt von Ginsterfarn. Als es ihn erblickte, blieb es stehen, drehte abrupt um und lief Schleierpfotes Mentor direkt in die Pfoten.
Der tötete es mit einem schnellen Biss ins Genick. Dann grub er es ein.
,,Hast du das gesehen? Das Eichhörnchen hole ich später mit Graufell ab", miaute der Krieger.
,,Ja, habe ich. Das war großartig!"
,,Jetzt zeige ich dir, wie man Mäuse und Vögel fängt, oder besser gesagt, ich erkläre es dir. Also zuerst musst du dein Gewicht auf deine Vorderpfoten verlagern. Denk daran, die Maus spürt deine Pfotenschritte, bevor sie dich riecht. Du musst auch aufpassen, dass dein Schwanz nicht auf dem Boden schleift und..."
,,Das ist mir immer bei meinem Zweibeinergarten passiert", unterbrach Schleierpfote ihn.
,,Und ganz wichtig ist es, immer erst bis eine Schwanzlänge bis vor die Beute zu kriechen. Dann kannst du abspringen. Die Beute tötest du am besten mit einem Biss ins Genick, in den Hals oder in den Bauch. Probiere es aus, wenn wir etwas finden"
Schleierpfote schnupperte.
,,Öffne am besten dein Maul. So kannst du noch mehr Gerüche wahrnehmen", gab ihm Ginsterfarn als Ratschlag.
Schleierpfote öffnete sein Maul und zog die Gerüche des Waldes ein. Er konzentrierte sich.
,,Ich rieche Vogel", miaute Schleierpfote dann und leckte sich die Lippen.
,,Dann probiere gleich ihn zu fangen."
Schleierpfote sprang wieder ins Gebüsch und schaute hinaus.
,,Ich kann ihn nicht sehen."
,,Dort auf der Wurzel", flüsterte Ginterfarn.
Jetzt konnte ihn Schleierpfote auch sehen. Vorsichtig schlich er aus dem Busch. Er konzentrierte sich, sein Gewicht auf seine Vorderpfoten zu verlagern. Er konnte seinen eigenen Herzschlag hören, so aufgeregt war er. Als er fast an dem Vogel angekommen war, schleifte sein Schwanz vor Aufregung über den Boden. Mist, den hatte er vergessen. Der Vogel drehte sich um, flog davon und stieß einen Alarmruf aus.
,,Schade, beim nächsten Mal klappt es."
Ginsterfarn ging zu ihm hin und legte ihm tröstend den Schwanz auf die Schulter.
,,Komm wir gehen zu Flammenpfote und Graufell."
Als sie beim Treffpunkt waren, warteten die beiden schon auf sie.
,,Komm Schleierpfote, ich habe einen super Platz zum Jagen gefunden", miaute die rote Kätzin bereits.
Flammenpfote führte ihn in die Richtung, in die sie vorher mit Graufell verschwunden war. Die beiden Krieger blieben alleine zurück.
,,Da sind ganz viele Mäuse", fuhr sie fort.
Die beiden gingen ein kleines Stück, bis sie an eine kleine Anhöhe kamen.
,,Dahinter ist eine kleine Grube mit vielen Mäusen", flüsterte Flammenpfote.
,,Weiß Graufell davon?", fragte Schleierpfote.
,,Ja, der ganze Clan weiß von diesem Ort. Hier üben eigentlich die Schüler das jagen. Denn wenn wir hier zu oft sind, dann kommen die Mäuse nicht mehr. Aber in der Blattleere müssen wir hier auch öfters jagen."
Als sie am oberen Rand der Grube angekommen waren, miaute Flammenpfote: ,,Lass uns dort hinten an der Grenze jagen."
Sie preschte durchs Unterholz davon und Schleierpfote hastete hinter ihr her.
Plötzlich blieb Flammenpfote stehen. Schleierpfote spürte, dass sie Angst hatte. Er schaute an ihr vorbei und sah einen braunen Kater, der sie drohend anfunkelte.
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