2. Kapitel
,,Was willst du?", miaute Schleier und bemühte sich, dass seine Stimme dabei nicht zitterte.
Trotzdem stellte sich das Fell auf seinem Rücken leicht auf.
Was wollte der Kater hier bloß?
,,Ich möchte dir nur ein paar Fragen stellen."
Etwas verwirrt sagte er: ,,Na gut, aber nur wenn du mir danach auch ein paar Fragen beantwortest."
Schleier wollte unbedingt wissen, woher der Kater kam und was er von ihm wollte.
,,Wenn du darauf bestehst. Also ich möchte mit dir über die Zweibeiner sprechen", miaute der kräftige Kater und verdrehte die Augen.
,,Ich wüsste nicht, was man da besprechen sollte", miaute Schleier möglichst dumm.
,,Ich möchte dir etwas sagen, über das du nachdenken solltest", erzählte der braune Kater weiter.
,,Also doch keine Fragen?"
,,Erstmal nicht! Sind eigentlich alle Hauskätzchen so neunmalklug wie du?", seufzte er und verdrehte die Augen.
,,Also...", fuhr er fort. ,,Wie kommst du mit den Zweibeinern in diesem Zweibeinerbau zurecht?"
Er schnippte ungeduldig mit dem Schwanz.
,,Das war jetzt doch eine Frage!"
,,Na und", knurrte der Kater. ,,Beantwortest du sie mir jetzt?"
Schleier wich erschrocken zurück.
Der braune Kater entspannte sich wieder: ,,Oh, habe ich fast vergessen. Ihr Hauskätzchen seid ja alle so ängstlich."
Der graue Kater fauchte empört: ,,Ich bin nicht feige."
,,Entspann dich wieder. Das war ein Scherz...Also?"
,,Also was?"
,,Meine Frage?!", miaute der Kater nun etwas geduldiger.
Schleier überlegte. Wie sollte er ihm bloß antworten? Eigentlich waren seine Zweibeiner immer nett zu ihm...
,,Also ich finde sie eigentlich ganz in Ordnung. Nur manchmal machen sie etwas, was ich nicht möchte."
,,Und das wäre?"
,,Sie tragen mich immer weg oder lassen mich nicht raus. Neulich habe ich sie gekratzt", miaute der graue Kater, was er sofort bereute.
Wieso erzähle ich einem fremden Kater so viele Details, ohne dass er gefragt hat?
,,Oh heiliger HimmelClan, das solltest du nicht zu oft machen", miaute der Braune schaute ihn erschrocken an.
,,Wieso?"
,,Weil du sonst ganz schnell vor der Tür landest."
,,Aber meine Zweibeiner würden mich niemals einfach vor die Tür setzen."
Da war sich Schleier ganz sicher. Er hatte noch nie erlebt, dass jemand eine Katze einfach aussetzte.
,,Das denkst du, aber Zweibeiner sind einfach nur mäusehirnig", miaute er und knurrte leicht.
,,Wieso? Nenn mir auch nur ein paar Gründe, warum Zweibeiner mäusehirnig sind."
Der braune Kater verdrehte genervt die Augen. ,,Na gut. Erster Grund ist, dass sie dir so ekeligen Fraß zu fressen geben. Du weißt gar nicht was..."
,,Ich finde das Essen aber lecker und...", fiel ihm Schleier ins Wort.
,,Lass mich ausreden. Du willst, glaube ich, gar nicht wissen, was in diesem Essen drin ist. Grund Nummer zwei ist, dass die Zweibeiner mit dir Sachen machen, die du nicht möchtest. Zum Beispiel tragen sie dich weg. So, kommen wir zum dritten Grund. Zweibeiner sind immer so laut und sie haben laute Monster und außerdem stinken ihre Donnerwege. Der nächste Grund ist, dass sie dich zum Abschneider verschleppen wollen. Da wo ich herkomme, haben wir einen Heiler, der sich um Verletzungen kümmert. Und dann noch etwas, was ich sehr schlimm finde."
Der Kater machte eine kurze Pause. Schleier war neugierig geworden und schaute ihn an.
,,Manche Zweibeiner schaffen sich Katzen nur als Spielzeug an. Und wenn sie größer werden und nicht mehr so niedlich sind, landen sie vor der Tür", miaute der Kater und betonte jedes Wort verächtlicher.
Schleier wusste nicht, was er sagen sollte. Stimmte es, was der Fremde sagte, oder war er einfach nur ein Streuner, der Langeweile hatte und gerne Hauskätzchen ärgerte? Aber so gemein waren doch Zweibeiner nicht, oder?
,,Meine Zweibeiner würden so etwas niemals tun!", miaute er mit überzeugter Stimme.
,,Doch das würden sie, weil sie schrecklich sind. Du kannst aber gerne mit mir mitkommen", endete der Kater.
,,Nein, danke. Ich bin mit meinem Hauskätzchenleben ganz zufrieden."
,,Na gut, deine Entscheidung. Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt."
Der braune Kater sprang ohne ein weiteres Wort auf, lief zum Zaun, sprang leichtfüßig nach oben und verschwand im dunklen Wald.
Die letzen Worte des Katers hallten immer wieder in Schleiers Kopf nach: ,,Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt."
Schleier fiel ein, dass der Kater ihm keine Fragen beantwortet hatte.
Naja, egal.
Er hievte sich mühsam auf die Pfoten und ging zu der Katzenklappe, sah, dass sie nicht mehr zu war und quetschte sich hindurch.
***
Schleier ging der braune Kater einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und besonders wunderte er sich über seine Worte. Leider hatte der Kater ihm keine Fragen mehr beantwortet. Er hätte gerne gewusst, woher er kam und wieso er mit ihm reden wollte. Und was ein Heiler war. Aber am meisten wunderte ihn, dass der Kater die Zweibeiner nicht mochte und dass er im Wald lebte. Wo bekam er überhaupt sein Essen her? So viele Fragen hätte er ihm stellen wollen, doch der Kater war einfach abgehauen.
Schleiers Bauch grummelte laut. Er trottete langsam zu seinem Futternapf. Aber das Essen schmeckte nicht so gut, weil ihm der Appetit vergangen war. Er fauchte genervt. Jetzt hatte ihm der Kater auch noch das Essen verdorben.
***
Schleier wachte auf. Er schaute nach draußen. Die Sonne ging schon wieder unter. Da er fast den ganzen Tag geschlafen hatte und jetzt nicht müde war, ging er nach draußen. Dort sprang er auf den Zaun und schaute nachdenklich in den Wald. Wo bloß der Kater jetzt war?!
Plötzlich raschelte es im Wald. Schleier spitzte die Ohren. Da war irgendwo eine Maus. Der Wind trug ihm den Geruch direkt in die Nase. Er leckte sich das Maul. Der Kater war sofort vergessen.
Er sprang vom Zaun und lief auf das Geräusch zu.
Wieso sind diese dummen Mäuse auch immer so laut? So kann man sie doch leicht fangen!
Vorsichtig setzte er eine Pfote vor die andere. Aber da sein Schwanz vor Aufregung, über den Boden hin und her strich, hörte ihn die Maus und rannte schnell weg. Kurz danach war ein lautes Quieken zu hören. Schleier schlich vorsichtig näher heran und sah einen Kater, der die Maus einfach zubuddelte. Schleier hielt erschrocken die Luft an.
,,Die holen wir später. Hast du das gesehen? So fängt man eine Maus", miaute der Kater.
Schleier dachte, er redete mit ihm, bevor er einen kleinen schwarzen Kater entdeckte, der neben dem großen Kater saß. Der Schwarze sagte irgendwas. Danach gingen die beiden einfach weiter. Schleier traute sich nicht weiter und lief deswegen schnell zurück.
Als er zu Hause war, fing es an zu schneien. Was die Katzen, die im Wald lebten, bloß bei dieser Kälte machten? Da stieg Schleier ein köstlicher Duft in die Nase.
Maus! Was für ein Glück, gleich zwei Mäuse nacheinander zu finden.
Schleier versuchte herauszubekommen, von wo der Duft kam. Aus dem Nachbargarten? Aus dem Garten von seinen Geschwistern. Er kroch unter der dunklen Dornenhecke durch. Plötzlich blieb er an etwas Spitzem hängen. Fast hätte Schleier laut aufgeschrien. Er versuchte sich stattdessen aus den Dornen zu befreien. Doch sein Pelz verfing sich so nur noch mehr. Schleier bekam Panik. Wie sollte er je wieder hier rauskommen?
Die Maus war mittlerweile schon weg. Er schaute nach oben. Nichts als Dornen und Geäst. Wenn er hier nicht bald rauskam, dann erfror er. Da hörte er ein vertrautes Geräusch und kurz danach die Stimmen seiner Zweibeiner. Bestimmt würden sie ihn rufen. Der Zweibeiner rief tatsächlich etwas. Schleier gab als Antwort einen lauten Klagelaut von sich. Hoffentlich hörten sie ihn. Kurz danach zog etwas an ihm. Schleier heulte auf vor Schmerz. Dann gaben die Dornen nach und schnitten ihm ein Büschel Fell ab. Der Kater heulte wieder auf. Die Zweibeiner liefen schnell zum Haus zurück und riefen nach ihm. Er wollte hinterher laufen, knickte aber sofort ein, weil in seinem Hinterbein ein Dorn steckte. Also humpelte er mühsam zum Bau.
Als er in seinem warmen Nest saß, betrachtete er die Wunde an seiner Flanke. Dort war ein tiefer Schnitt, aber es blutete kaum noch. Sorgfältig leckte er die Schneeflocken von seinem Pelz.
Wie das wehtut!
Schleier beugte sich nach hinten und zog einen Dorn aus seinem Hinterlauf und spuckte ihn auf den Boden. Mühsam zog er weitere Dornen aus seinem Pelz.
Nach einiger Zeit hatte Schleier alle Dornen entfernt. Er schaute aus dem Fenster. Die Sterne blinkten am Nachthimmel, als wollten sie ihn anlocken.
Ein Poltern ließ Schleier zusammenfahren. Wahrscheinlich kam es von seien Hausleuten.
Kurz danach kam ein Zweibeiner vorbei und trat genau in die Dornen. Er kreischte laut auf und taumelte davon. Schleier schaute ihm hinterher. Er beugte sich nach unten und leckte mit der Zunge vorsichtig über seine Wunde. Er zuckte vor Schmerz zusammen. Als er den Kopf leicht hob, stand ein Zweibeinerjunges über ihm. Es beugte sich runter und streichelte ihn. Schleier schnurrte laut. Plötzlich durchfuhr ihn wieder ein stechender Schmerz. Ohne nachzudenken zog Schleier dem Zweibeinerjungen die Krallen durchs Gesicht. Das heulte laut auf und hörte nicht mehr auf, wimmernde Geräusche von sich zu geben.
Die beide großen Zweibeiner kamen angerannt und zogen das Junge an sich ran. Der andere packte Schleier grob und nahm ihn hoch.
Wohin bringt er mich?
Der Zweibeiner lief nach draußen und lief wieder rein. Schleier wurde draußen, alleine und in der Kälte zurückgelassen.
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