Kapitel 57
Es war bereits kurz vor Sonnenuntergang, als Flammenstern sich endlich aufmachte, um mit Rottupf zu sprechen. Dunkelheit füllte die Kinderstube, glücklicherweise war es aber angenehm warm, im Gegensatz zu den Temperaturen im Lager. Der Schnee war liegen geblieben, das ganze Territorium hatte an diesem Tag keinen Sonnenstrahl gesehen. Die Anführerin erschauderte schon bei dem Gedanken daran, jetzt gleich nach draußen zu gehen. Aber es half natürlich nichts, das musste jetzt einfach sein. Vielleicht hatte die junge Heilerin wichtige Informationen für sie. Die Frage war dann natürlich, weshalb sie ihr so lange nichts davon erzählt hatte.
Vorsichtig erhob sich Flammenstern also aus ihrem Nest und gab sich dabei alle Mühe, ihre Kleinen nicht aufzuwecken. Regenjunges murmelte etwas im Schlaf, als sie die Wärme ihrer Mutter nicht mehr an ihrer Seite spürte und wurde dafür von Blitzjunges angestoßen, der zischte, dass sie endlich leise sein sollte. Herzschläge später waren beide wieder eingeschlafen.
Einen Moment betrachtete Flammenstern die vier Jungen in ihrem Nest. Die kleinen Wollknäuele verschmolzen im Nest zu einem einzigen Haufen bunten Fells. Sie waren so niedlich, wie sie eng aneinandergekuschelt dalagen. Es fiel auch gar nicht auf, dass Hageljunges eigentlich überhaupt nicht ihr eigenes Junges war. Als würden sie zusammengehören, lagen sie dort. Wahrscheinlich taten sie das auch. Aber nicht nur die vier, sondern auch noch Blaumonds drei und Donnerjunges und Taujunges. Sie alle würden zusammen groß werden. Ein Schnurren stieg in der Kehle der Königin auf, wenn sie daran dachte, wie viele Schüler es in sechs Monden beim Clan geben würde.
„Was machst du?", erklang plötzlich und vollkommen unerwartet Glutherz' Stimme hinter ihr. Überrascht blickte sie über ihre Schulter zu Blaumonds Nest, wo ihr Sohn sich bisher leise mit seiner Gefährtin unterhalten hatte und dabei Eisjunges, Schneejunges und Frostjunges beim Schlafen zugesehen hatte. Flammenstern hatte eigentlich nicht erwartet, dass er nach ihrer Diskussion, die sie gleich nachdem die Krieger und Schüler vom Kampftraining zurückgekehrt waren, geführt hatten, so schnell wieder normal mit ihr Reden würde. Immerhin war sie nicht gerade freundlich gewesen, als sie ihm keine Widerrede erlaubt hatte, was ihre und Düstersturms Teilnahme am Kampf anging.
Es war ziemlich erleichternd, dass er es ihr wohl nicht mehr übel zu nehmen schien, weshalb Flammenstern natürlich sofort antwortete. Sie sollte in nächster Zeit wohl freundlicher zu ihm sein. Schließlich wollte sie nicht, dass die eigentlich ganz gute Beziehung zwischen ihr und ihrem Sohn zu Bruch ging.
„Ich gehe zum Heilerbau", flüsterte sie deswegen gerade so laut, dass der rote Kater sie verstehen konnte. Sofort wurde sein Gesichtsausdruck mitfühlend. „Wie geht es Donnerjunges denn?"
Selbstverständlich hatte Flammenstern auch vorgehabt, ihre Tochter zu besuchen. Laut Staubwolke, der seine eigenen Töchter besucht hatte und danach zu ihr gekommen war, um mit ihr über das eine oder andere zu reden, ging es den Jungen zunehmend besser. Während Gelbfang... es stand nicht gut um sie.
„Bald wird sie bestimmt wieder in die Kinderstube dürfen", erwiderte sie und die Erleichterung darüber schwang in ihrer Stimme mit.
„Das sind tolle Nachrichten!", miaute Glutherz und ehrliche Freude war zu erkennen, als er sprach.
Flammenstern nickte zustimmend, dann verließ sie mangels einer Idee, was sie nun noch sagen könnte, den Bau. Sofort schlug ihr eisige Kälte entgegen.
Noch immer fielen Schneeflocken herab, doch nun waren es wieder ziemlich winzige Flöckchen, die sich fast wie kalter Regen auf der Schnauze anfühlten.
Der Himmel hatte sich leicht rosafarben gefärbt, die Sonne war weiterhin nicht zu entdecken. Gemächlich setzte die flammenfarbene Kätzin eine Pfote vor die andere. Sie wollte erst einmal prüfen, wie tief der Schnee war. Wie zu erwarten, versank sie nicht einmal so weit, dass ihre Pfote bedeckt war. Das kalte Weiß war noch ziemlich flaumig, kaum fest. Es wirkte wie Pulver.
Als sie bereits beim Rinnsal, das oberflächlich gefroren aussah, blickte sich Flammenstern erst einmal im Lager um. Wie zu erwarten, war kaum eine Katze zu sehen. Sie entdeckte Rabensturm und Polarlicht, die sich durch die Wurzeln der knorrigen Eiche etwas vor der Kälte geschützt waren. Die zwei schienen sich die Zungen zu geben. Vor dem Schülerbau diskutierten Dämmerpfote und Morgenpfote, gleich darauf sprangen die beiden schnurrend herum. Wahrscheinlich übten sie irgendwelche Kampftechniken.
Die Schnurrhaare der Anführerin zuckte belustigt. Schüler zu sein, war einfach toll. So wenig Verantwortung...
Etwas schneller sprang sie über das Rinnsal hinweg und lief dann zwischen jenem und einer der Birken hindurch auf die Heilerlichtung. Dort angekommen stellte sie erst einmal fest, dass sie nicht wirklich wusste, wo die gescheckt-getüpfelte Heilerin sich gerade befand. Auf etwas Glück hoffend trottete sie also zu dem Felsen, unter dem die Heiler schliefen und ihre Kräuter aufbewahrten.
„Rottupf?", miaute sie und gleich darauf raschelte es unter dem Felsen. Statt der Heilerin steckte jedoch Mondpfote, der einen Büschel Kräuter im Maul hielt, seinen grau-weißen Kopf durch den Spalt, der den Eingang bildete.
„Flammenstern!", nuschelte der Heilerschüler durch die Kräuter, unter denen aufgrund des angenehm minzigen Geruchs Katzenminze sein musste. „Suchst du Donnerjunges? Herbstblatt liegt mit ihnen jetzt etwas geschützter näher an der Birke, gleich dort drüben."
Das zu wissen, war zwar gut, doch eigentlich musste sie nun erst einmal mit der Heilerin sprechen. Dies erklärte sie dem Schüler auch, woraufhin dieser ihr bedeutete, ihm zu folgen.
Zwischen den Farnen, wo sich die Nester der kranken Katzen befanden, war es noch ziemlich warm, die Wärme wurde wohl von den goldbraunen Pflanzen am entweichen gehindert. Bald kamen Flammenstern und Mondpfote an Glanzpfotes' Nest vorbei und kurz darauf auch an dem, in dem Forellenpelz lag. Während die Schülerin tief und fest geschlafen hatte, hob die schildpattfarbene Älteste sofort ihren Kopf. Ihre blauen Augen musterten zuerst den Heilerschüler und dann die Anführerin. Ihre Ohren zuckten und sie kräuselte ihre Nase. „Ich rieche Katzenminze. Geht es Gelbfang schlechter?", krächzte die alte Kätzin mit ehrlicher Besorgnis in ihrer Stimme. Überrascht blickte Flammenstern zu Mondpfote. Auf diese Idee war sie noch gar nicht gekommen! Als Mondpfote erst nicht antwortete und dann erklärte, dass es ihr gar nicht mehr schlechter gehen konnte, setzte der Herzschlag der orangeroten Königin einen Augenblick aus. Gelbfang! Die grau-weiß gescheckte Königin durfte nicht sterben! Es waren in letzter Zeit bei weitem zu viele Katzen von ihnen gegangen. Nicht auch noch die junge Königin! Das konnte der SternenClan doch nicht zulassen!
...aber sie haben keine Kontrolle über Leben und Tod, schoss es Flammenstern siedend heiß durch den Kopf. Wie hatte sie das nur schon wieder vergessen können?
„Fuchsdung", knurrte Forellenpelz und legte ihren Kopf auf ihren Vorderpfoten ab. Ohne ein weiteres Wort liefen sie weiter zwischen den Farnen umher, bis sie an das Nest kamen, neben dem Rottupf saß.
Flammenstern konnte erkennen, dass die gescheckt-getüpfelte Heilerin angestrengt auf ihre schwer kranke Wurfgefährtin, die schwer atmend in ihrem Nest lag, einredete. Kämpferherz saß gleich neben seiner Gefährtin, seine Schnauze ruhte auf ihrer sich langsam hebenden Flanke. Leise traten Mondpfote und die rote Anführerin zu den dreien. Rottupf war die einzige, die von ihrem Erscheinen Kenntnis zu nehmen schien.
„Gib mir am besten gleich die Katzenminze", murmelte sie zu Mondpfote, ohne den Blick von ihrer Schwester abzuwenden.
Während Rottupf zuerst die Minze zerkaute und sie Gelbfang, die zu schwach war, um auch nur ihren Kopf zu heben und immer wieder vom Husten geschüttelt wurde, ins Maul legte. „Du musst schlucken", murmelte die Heilerin und leckte ihrer Schwester unter dem Kinn, so lange, bis die gescheckte Königin das Kraut hinunterwürgte. Flammenstern schluckte, als sie ihre Clangefährtin so leiden sah.
„Steht es sehr schlecht?", presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, was dazu führte, das Rottupf sie zum ersten Mal direkt anblickte. Ihre entschlossen funkelnden Augen bohrten sich in die von Flammenstern, als sie verkündete: „Noch habe ich nicht aufgegeben."
Flammenstern war sich zwar nicht sicher, ob diese Antwort bedeutete, dass noch eine Chance für Gelbfang bestand, aber sie hoffte es aus tiefstem Herzen. Wieder wurde die Königin von starkem Husten geschüttelt und Kämpferherz leckte ihr tröstend über den Kopf. Sein bernsteinfarbenes Auge schien überzulaufen vor Sorge.
„Rottupf, ich muss nachher mit dir sprechen. Ich besuche Donnerjunges, bis du Zeit hast", murmelte sie und schlüpfte dann zwischen Mondpfote und Rottupf hindurch zu den Farnen. Sie hoffte, sich nicht zu verirren, schließlich sahen die mit Frost überzogenen Farne alle gleich aus. Glücklicherweise schliefen Taujunges und Donnerjunges noch nicht und quiekten aufgeregt, während Herbstblatt sie zur Ruhe bringen wollte, was nicht zu überhören war, als Flammenstern ihnen näher kam.
„Flammenstern!", miaute Donnerjunges aufgeregt, noch bevor ihre Mutter das Nest erreicht hatte. Überrascht stellte Flammenstern fest, dass ihre Tochter sie gerochen haben musste. Bestimmt würde die Kleine eines Tages eine ausgezeichnete Fährtenleserin werden!
Flott trottete die flammenrote Königin zu Herbstblatts Nest, da sie damit rechnete, dass Donnerjunges ihr entgegenlaufen könnte. Hier zwischen den Farnen war die Gefahr sich zu verirren viel zu groß, als dass sie das zulassen konnte.
Als sie neben dem Nest ankam, sprang ihr Donnerjunges sofort entgegen und quiekte vor Freude. „Du wirst nicht glauben, was Rottupf heute gesagt hat!", maunzte die schildpattrote Kätzin aufgeregt und schmiegte sich an Flammensterns Bein. Diese leckte ihrer Tochter zur Begrüßung über den Kopf.
„Was denn?", miaute sie und bemerkte dabei, wie Herbstblatt Taujunges davon abhielt, das Nest zu verlassen.
„In drei Sonnenaufgängen darf ich wieder zurück zu dir in den Bau!", verkündete Donnerjunges feierlich und hoppelte aufgeregt um Flammenstern herum. Fragend hob diese ihren Blick zu Herbstblatt. Konnte das stimmen? War Donnerjunges bald wieder ganz gesund?
Herbstblatts Augen, die so grau waren wie der Himmel es an diesem Tag gewesen waren, funkelten stolz, womit die Antwort eigentlich schon klar war. Die Jungen waren bald gesund! Erleichtert leckte Flammenstern ihrer herumhüpfenden Tochter gleich nochmal über den kleinen Kopf. „Das sind großartige Neuigkeiten!"
„Wobei ich denke, dass du, wenn du jetzt nicht schläfst, vielleicht noch länger bleiben musst", fügte Herbstblatt hinzu und blickte erst Taujunges und dann Donnerjunges streng an. Ein Schnurren stieg in Flammensterns Kehle auf. Die beiden sollten wirklich schon schlafen, immerhin war es schon spät. Trotzdem war Flammenstern froh, dass sie noch wach waren. So konnte sie sich davon überzeugen, dass es den Kleinen gut ging.
„Ich will nicht länger da bleiben! Hier ist es so", Taujunges zog den letzten Buchstaben ziemlich in die Länge, „langweilig!" Sowohl Herbstblatt als auch die Anführerin zuckten amüsiert mit den Schnurrhaaren. Ihre Töchter waren einfach zu hinreisend, wie sie schmollend und etwas besorgt, dass sie wirklich länger bleiben mussten, zu Herbstblatt ins Nest schlüpften und sich an ihren Bauch kuschelten.
Die beiden Königinnen tauschten einen langen Blick. Sie beide waren unendlich erleichtert, ihre Töchter nun nicht an den grünen Husten zu verlieren. Trotzdem war Herbstblatts Freude etwas getrübt, das konnte Flammenstern daran erkennen, dass die Fröhlichkeit ihre Augen nicht erreichte. Irgendwie war ihr klar, dass sie den Grund dafür bereits kannte, trotzdem fragte sie nach. „Glanzpfote hatte einen Rückfall, habe ich gehört."
Die braun-weiß gescheckte Königin schob die beiden Jungen mit ihrem Schweif näher an ihren Körper, dann antwortete sie, ohne Flammenstern anzublicken: „Ja. Rottupf macht sich Sorgen um sie. Rückfälle kommen beim weißen Husten nicht oft vor. Sie ist sich nicht einmal mehr ganz sicher, ob sie 'nur' Husten hat."
Bestürzt blinzelte Flammenstern erst mehrfach perplex. Mehr als weißer oder grüner Husten? Was konnte die junge Schülerin denn noch haben? Schnell durchforstete sie ihre Erinnerung, kam dann aber zu dem Schluss, dass sie keine anderen Krankheiten kannte. Hatte die gelbbraune Schülerin am Ende noch irgendeine Krankheit, die den Clankatzen gar nicht bekannt war? Oder war sie diesbezüglich einfach nur unwissend?
„Rottupf muss, um Klarheit zu schaffen, aber erst mit Echoklang und Tupfenwunsch sprechen. Wenn das nicht weiterhilft, hofft sie auf Unterstützung vom SternenClan, meint sie", Herbstblatt hatte ihre Stimme während der Erklärung gesenkt, da die Jungen bereits dabei waren, einzuschlafen.
„Bevor ich das getan habe, musst du dir aber noch keine Sorgen machen", erklang plötzlich Rottupfs Stimme hinter den beiden. Überrascht blickte Flammenstern über ihre Schulter. Ihr fiel auf, das dies an diesem Sonnenuntergang schon das zweite Mal war, dass sie so überrascht wurde. Dann wurde ihr klar, dass es nun wohl Zeit war, für ein weiteres Gespräch, auf das Flammenstern nicht wirklich Lust hatte. Was, wenn Rottupf einen guten Grund hatte, es ihr bisher nicht zu erzählen?
Herbstblatts Blick war ungläubig auf die junge Heilerin gerichtet. Flammenstern konnte das verstehen. Sie selbst war eine Katze, die sich ziemlich schnell ziemlich viele Sorgen machte. Doch wenn ihre Tochter krank wäre und noch nicht einmal klar wäre, was sie überhaupt hatte, dann würde sie das ziemlich schnell in den Wahnsinn treiben.
Kurz überschlug die flammenfarbene Kätzin, wie lange es noch bis zum nächsten Halbmond war. Dann wusste sie wieder, dass Rottupf erst vor etwa drei Sonnenaufgängen am Mondtor war und es folglich etwas weniger als einen Halbmond dauern würde, bis sie die anderen Heilerinnen wieder sah und sich mit dem SternenClan die Zungen geben würde. Das war eindeutig zu lang.
„Rottupf, würde es dir helfen, schon morgen mit Echoklang zu sprechen?", verwundert blinzelte die gescheckte Heilerin, bevor sie antwortete. „Natürlich."
Kurz überlegte Flammenstern, wie sie das engagieren konnte, dann erinnerte sie sich, dass Glutherz am nächsten Sonnenaufgang erst zum WolkenClan und dann in den Zweibeinerort wollte. Problem gelöst. Sie konnte ihn einfach bitten, Blattstern auszurichten, dass sie Echoklang zu ihnen schicken sollte. Genau so würde sie es machen.
„Gut, dann wirst du morgen mit ihr sprechen", miaute Flammenstern, ohne irgendetwas zu erklären. „Davor müssen wir beide uns aber über etwas komplett anderes unterhalten."
Weder Herbstblatt noch Rottupf schienen zu wissen, was sie darauf antworten sollten, weshalb die Anführerin gleich fortfuhr.
„Möge der SternenClan über deine Träume wachen, Herbstblatt. Ich werde Donnerjunges etwa zum nächsten Sonnenhoch besuchen", miaute sie und verabschiedete sich damit von ihrer Freundin. Diese blinzelte ihr nur dankbar zu.
Dann signalisierte Flammenstern Rottupf durch ein Schwanzsschnippen, dass diese ihr folgen sollte.
Ohne sich zu versichern, dass diese es auch tat, lief die Anführerin zwischen einigen Farnen hindurch zurück auf die Heilerlichtung. Seit sie die Kinderstube verlassen hatte, war es dunkler geworden und der Schneefall hatte zugenommen, wodurch Flammensterns Sicht etwas verschleiert war. Es war ihr kaum möglich abzuschätzen, wann sie auf den kleinen Teich stoßen würde, an dessen Ufer sie sich hatte niederlassen wollen. Unglücklicherweise wurde deshalb ihre Pfote nass, als sie ihn fand. Flammenstern zuckte vor Kälte zusammen, rückte etwas vom nur sehr oberflächlich gefrorenen Teich ab.
Sich die Pfote, die sich anfühlte, als wäre sie gerade dabei zu Eis zu erstarren, leckend, setzte sie sich, schlang ihren buschigen Schweif eng um ihren Körper und wartete, bis Rottupf, die die ganze Zeit über dicht hinter ihr gelaufen war, es ihr gleich tat.
„Worum geht es?", war ihre äußerst begründete Frage der Heilerin, als sie sich gleich neben Flammenstern niederließ. Ihre bernsteinfarbenen Augen musterten die Anführerin, wahrscheinlich suchte sie nach einem Anzeichen, dass es Flammenstern wieder schlechter ging. Die Frage war natürlich, ob es ihr je wirklich besser gegangen war, doch das war nun irrelevant.
Bevor sie sprach, ließ sie ihre Pfote sinken und verjagte mit einem Zucken der Schnurrhaare winzige Eiskristalle, die sich dort festsetzen wollten. „Apfelteich. Düstersturm hat mir erzählt, dass sie mit dir geredet hat, noch nachdem sie versucht hat Herbstblatt zu töten. Ich würde gerne wissen, was sie wollte." Flammenstern konnte sofort sehen, wie Rottupfs Fell sich vor Unbehagen sträubte. Nun hatte sie ihre Augen auf den Teich gerichtet, um die Anführerin nicht anschauen zu müssen.
„Ich hätte dir schon lange davon erzählen sollen", antwortete die Heilerin, es war kaum mehr als ein Flüstern. „Aber nachdem du sie verbannt hast, war es nicht mehr wichtig. Es hätte nichts geändert."
Flammenstern warf ihrer Freundin einen ungeduldigen Blick zu, woraufhin diese zögernd fortfuhr: „Als sie zu mir kam, wusste ich nicht, was sie getan hatte. Das erste, was sie sagte, war, dass es ihr unsäglich leid täte. Dass sie niemanden hatte Schmerz zufügen wollen, außer Herbstblatt. Ich habe es nicht sofort verstanden, sie hat geredet und geredet und geredet, wie ein Wasserfall, sie wirkte so verzweifelt." Aufgewühlt musste Rottupf sich erst einmal sammeln, bevor sie weitererzählen konnte. Flammenstern hatte bereits gewusst, dass Apfelteich bereute, was sie getan hatte, doch das änderte einfach nichts. Sie hatte gemeinsame Sache mit den Ratten gemacht, sie hatte sie alle verraten. Und Flammenstern konnte ihr das nicht verzeihen.
„Irgendwann zwischen ihren Schuldbekundungen und ihren Entschuldigungen, hat sie mich darum gebeten, Herbstblatt davon abzuhalten, ihre Jungen nach Sonne oder Blatt – wer auch immer das sein soll – zu benennen", erinnerte sich die gescheckt-getüpfelte Kätzin, dann kniff sie die Augen zusammen.
„Ich sollte dir auch etwas ausrichten; Sie hat gesagt, dass sie dir dankt. Dafür, dass du ihre Freundin warst und an sie geglaubt hast, auch wenn sie es nicht verdient hat. Sie hat außerdem gehofft, dass du sie erst verbannen würdest, wenn ihre Jungen geboren wären. Aber dazu ist es dann nicht gekommen, weil sie ja weggelaufen ist. Sie hat zu diesem Zeitpunkt nicht mit so vielen Toten gerechnet, glaube ich", murmelte sie und Flammenstern nickte nur, verwirrt und etwas schuldbewusst. Ja, Apfelteich war eine Mörderin gewesen. Sie hatte den Tod des gesamten Clans in Kauf genommen, um ihre Rache zu bekommen. Und trotzdem verspürte Flammenstern so etwas wie Reue, dafür, dass sie die Königin hatte gehen lassen, bevor ihre Jungen das Licht der Welt erblickten. Nun war Apfelteich allein dort draußen, wahrscheinlich hatte sie die Kleinen schon zur Welt gebracht und verhungerte nun irgendwo einsam und allein.
„War das alles?", miaute Flammenstern, ihr abwesender Blick war auf dein Eingang der Heilerlichtung, der hinter einer Mauer herabfallenden Schnees verschwamm, gerichtet. Sollte sie eine Patrouille ausschicken, um zu überprüfen, ob Apfelteich alleine zurecht kam? Ich habe sie verbannt. Wenn ich nicht schwach wirken will, darf ich meine Meinung nicht ändern. Und wenn sie nach der getigerten Königin suchen lassen würde, dann würde es so scheinen, als hätte sie ihre Meinung geändert. Apfelteich musste nun wohl oder übel alleine zurecht kommen. Nur um ihre und Düstersturms Junge war es wirklich schade...
„Mehr hat sie mir nicht gesagt", stimmte Rottupf zu und erhob sich. Zu Flammensterns Überraschung trat die Heilerin daraufhin näher zu ihr und berührte sie mit der Schnauze an der Schulter, wie wenn sie ihre immerwährende Gelassenheit auf die Anführerin übertragen wollte. „Ich sollte jetzt zu Gelbfang zurückkehren. Richte doch bitte Fischschweif aus, dass sie im Verlauf des morgigen Tages irgendwann mit Diamantenjunges bei mir vorbeischauen soll."
Mit diesen Worten wirbelte die Heilerin herum und lief flink zurück zwischen die Farne, wo entfernt Husten zu hören war. Flammenstern blieb einen Moment regungslos sitzen, dann erhob auch sie sich. Rottupf hatte ihr viel Stoff zum Nachdenken geliefert, es war wohl am besten, wenn sie nun zurück in ihr Nest ging und in Ruhe darüber nachgrübelte. Vielleicht würde es ihr so leichter fallen, einzuschlafen. Seit Regenpelz nicht mehr an ihrer Seite schlief, fiel es ihr schwer. Manchmal lag sie ganze Nächte lang wach.
Glücklicherweise war dies in dieser Nacht nicht der Fall.
Wohlige Wärme umgab sie, doch es war eine komplett andere Wärme wie die, mit der sie irgendwann, als der Mond bereits aufgegangen sein musste, eingeschlafen war. Blinzelnd öffnete Flammenstern ihre vom Schlaf schweren Lider. Gleisendes Sonnenlicht ließ sie daraufhin überrascht zusammenzucken. Ächzend und taumelnd erhob sie sich auf ihre Pfoten, obwohl sie noch nicht einmal sehen konnte, wo sie sich überhaupt befand. Irgendetwas kitzelte ihr in der Nase. Als sie sich bewegte knisterte etwas, das wie Grashalme klang. Der fröhliche Gesang der Vögel in den üppig grünen Baumkronen gab schließlich den Ausschlag. Sie musste träumen.
Als sich ihre Augen endlich an die Helligkeit gewöhnt hatten, blickte sie sich aufmerksam auf der kleinen Lichtung, auf der sie sich befand, um. Laubbäume säumten die Senke, die sie mit ziemlicher Sicherheit noch nie gesehen hatte. Der Boden war mit saftigem Gras bewachsen, teilweise wurden die Halme so hoch wie sie selbst. Sommerblumen wuchsen auf der Wiese, wogen sich sanft in der leichten Brise.
Plötzlich knisterten die Halme, als sich mehrere Katzen näherten. Aufgeregt blickte Flammenstern sich um, bis sie ihn entdeckte. Er war der erste der Katzen, die durch das hohe Gras auf sie zukamen. Regenpelz! Ihr geliebter Regenpelz!
So schnell ihre etwas wackligen Beine sie trugen, rannte sie zu ihm und begrüßte in freudestrahlend Nase an Nase. Ihr Gefährte schmiegte sich an sie, seinen liebevoller Blick löste er nicht von ihr. „Flammenstern", schnurrte er und leckte ihr über die Wange.
„Mama!", miaute Tüpfeljunges etwa zeitgleich und huschte um ihre Pfoten herum. Schnurrend begrüßte die flammenrote Anführerin auch ihre Tochter, dann musterte sie die anderen Katzen, die sie in ihrem Traum besuchten.
Überraschenderweise stellte sie fest, dass es nur FeuerClan-Katzen waren, die sich auf der Lichtung versammelten. Dort war Rehfarn zusammen mit ihrer Tochter Lavendelpfote, die sich an Felsbart lehnte und ihm etwas zuflüsterte. Lahmpelz, der neben Tulpenjunges stand und sich aufgeregt mit Klingenpelz unterhielt. Bienenfell, Steinpfote und Traumjunges, über irgendetwas diskutierend. Sie alle blickten immer wieder zu ihnen, schienen aber vorerst nichts sagen zu wollen. Flammenstern war nicht bewusst gewesen, wie viele ihrer Clangefährten sie innerhalb von weniger als vier Blattwechseln verloren hatte.
„Das ist kein normaler Besuch, oder?", raunte sie Regenpelz und Tüpfeljunges zu. Beide nickten, wirkten dabei aber in keiner Weise weniger voll Freude als zuvor, weshalb Flammenstern damit rechnete, dass es nichts unangenehmes war, was die Katzen in dieser Nacht zu ihr geführt hatte.
Nach einiger Zeit, in der Flammenstern sich mit ihrem Gefährten die Zungen gab, räusperte sich Klingenpelz. Seine kehlige, tiefe Stimme, war schon aus den Erinnerungen der Anführerin verschwunden gewesen. Sie hatte den Kater kaum gekannt, immerhin war er noch an dem Tag, an dem er dem Clan beigetreten war, von einem Ast erschlagen worden. Sein Tod war sehr tragisch gewesen, doch damals wie heute hatte sie so gut wie nichts über ihn gewusst. Allein das Polarlicht seine Gefährtin gewesen war, ließ durchblicken, dass er ein herzensguter Kater sein musste.
„Flammenstern, wir haben dir nur ganz kurz etwas zu sagen, danach sind wir gleich wieder weg, in Ordnung?", miaute der silbergrau getigerte Kater mit dem zugegebenermaßen ziemlich seltsamen Namen. Etwas sehnsüchtiges lag in seiner tiefen Stimme, so wie wenn er sich selbst auch Zeit mit seiner Gefährtin wünschen würde, so wie Regenpelz sie bekam. Die flammenfarbene Anführerin nickte stumm.
Es war Bienenfell, die infolgedessen fortfuhr: „Es geht um die Wiedergeburten. Flammenstern, du weißt, dass der SternenClan dir ursprünglich erlaubt hat, dieses Geheimnis mit deinem Clan zu teilen. Aber wir haben unsere Meinung geändert. Es wäre ein Desaster, wenn sie es erfahren würden."
Über diese Neuigkeit war die Königin nicht unbedingt überrascht. Sie selbst hatte es aus gutem Grund weiterhin geheim gehalten. Es gab Katzen, die mit dieser Information sehr schlecht umgehen könnten.
„Dadurch, dass es derzeit vier der FeuerClan-Katzen wissen, ist das Risiko natürlich fiel höher, dass es noch weitere erfahren werden", fügte Rehfarn hinzu, die zurückhaltende gestreifte Kätzin, wirkte dabei ziemlich nervös.
„Mondpfote ist auch schon dabei, es herauszufinden! Er ist so schlau, dass er Fliederschattens Anspielungen schnell als mehr als unsinniges Gerede erkannt hat!", meinte Traumjunges und schien dabei etwas stolz auf seinen Wurfgefährten zu sein, was ihm einen tadelnden Blick von Steinpfote einbrachte.
Lahmpelz, der so tat, als hätte das Junge überhaupt nichts gesagt, erklärte: „Auf jeden Fall ist die Geheimhaltung sehr wichtig, aber nicht nur das. Für dich mag es vielleicht selbstverständlich sein, aber für manch andere ist es das nicht. Die Gleichberechtigung. Egal, wer die Katzen einst waren, sie sollten alle nur nach ihren eigenen Taten beurteilt werden."
Flammenstern blinzelte. Der graue Krieger hatte recht, das war für sie sowieso selbstverständlich gewesen. Doch war es das auch für Fliederschatten und Glutherz? Bei ihrem Sohn war sie sich ziemlich sicher, das ihm die Wiedergeburten zwar noch immer Kopfzerbrechen bereiteten, er aber nicht einmal wusste, wer wer gewesen war und folglich niemanden anders behandeln konnte. Doch wie stand es mit der jungen Kriegerin? Plötzlich erinnerte sich die orangerote Anführerin an ihre Worte während des Kampfes gegen die Ratten. Hatte sie nicht irgendetwas über ihre Jungen gesagt? Dass es nicht unbedingt schlau war, sie gerettet zu haben? Das war doch mal wirklich etwas, was ungerecht war! Und es war fast sicher, dass sie sich dabei auf die Wiedergeburten bezogen hatte...
„Ich werde das beherzigen... und Fliederschatten werde ich das am besten auch ausrichten", stimmte Flammenstern zu, was die SternenClan-Katzen einvernehmlich nicken ließ.
„Der SternenClan wird deine Wege erleuchten, Flammenstern", miaute wieder Klingenpelz, warf ihr einen kurzen Blick zu und nickte dann noch einmal, bevor er, zusammen mit den anderen Katzen umdrehte und zwischen den Grashalmen verschwand.
Nur Regenpelz und Tüpfeljunges blieben bei ihr zurück. Sie verbrachten den ganzen Traum damit, sich über ihre Jungen zu unterhalten, bis sie schließlich auf Glutherz und seinen Plan zu sprechen kamen und Flammenstern plötzlich eine Frage im Kopf herumschwirrte.
„Fünf weitere Leben... hat sich diese Prophezeiung mit Bienenfell, Lahmpelz, Felsbart und dir eigentlich schon erfüllt? Also, wenn man Scharfkralle mitzählt?", miaute sie plötzlich und einen Augenblick starrten das graue Junge mit den roten Tupfen und ihre dunkelgrauer Gefährte sie etwas unsicher an.
„Ich weiß es nicht, Flammenstern", murmelte Regenpelz bedauernd. Flammenstern schluckte schwer. Also könnte bei dem Plan ihres Sohnes noch eine weitere Katze getötet werden. Hatte ihr Clan noch nicht genug verloren?
Wer Taujunges' Wiedergeburt ist, ist möglicherweise ziemlich schwierig. Deshalb gleich mal vorweg: Sie sind beide Kätzinnen. Das Aussehen ist aber nicht wirklich ausschlaggebend. Außerdem ist die Katze zum Zeitpunkt von "Sonnenaufgang", in den die Handlung zur Zeit einzuordnen ist, schon ziemlich lange tot.
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